Es wäre also nun an dir zu beweisen, dass es aus den Klöstern Corvey oder Fulda Urkunden gibt, die sich auf dieses Ereignis beziehen. Ich kann dir jetzt allerdings schon verraten, dass es sie nicht gibt bzw. dass sie noch nicht entdeckt worden sind.
Ich denke beweisen kann man in dieser Sache nichts. Auch Springer führt gegen Rudolf nur Indizien an.
Von den Fälschungskategorien die Du mir zur Auswahl gibst nehme ich für meine Verschwörungstheorie :red: die Erste. Die Texte die in diese Gruppe zu passen scheinen und die den oben herausgestellten Grundvoraussetzungen am Ehesten entsprechen sind meiner Meinung nach die "
Annales regni Francorum" und innerhalb dieser Dokumente die Ausführungen über die
Sachsenkriege.
Es ist sicherlich keine Besitzurkunde im eigentlichen Sinne, trotzdem traue ich diesem Dokument zu, bei der Durchsetzung von Besitz-/Herrschaftsansprüchen in Norddeutschland eine Rolle gespielt zu haben.
Parallelität
Isoliert man aus den Annales die Erzählungen über die Sachsenkriege von KdG und stellt sie den Geschehnissen der Germanenkriege gegenüber ergeben sich folgende Parallelen.
- Die Dauer der Auseinandersetzungen ist zeitlich ähnlich, Sachsenkriege 32 Jahre
Germanenkriege von Drusus bis Germanicus 27 Jahre
- Die Ausgangsbasen/Siedlungsräume der Kontrahenten sind identisch:
Norddeutschland für die Sachsen/Germanen
Das linksrheinische Gebiet für die Römer/Franken
- Der Verlauf des Krieges ist in beiden Auseinandersetzungen gleich und folgt dem Muster: Unterwerfung und Stellung von Geiseln -> Abfall ->Erneute Unterwerfung -> Abfall ...
- Die Lippelinie wird in beiden Fällen als Vormarschtrasse genutzt. Die Quellen der Lippe werden als Platz zum Überwintern und zum Abhalten von Reichstagen(für Anreppen von mir vermutet) gewählt.
- Verlust eines fränkischen Heeres bei Rüstringen(Wesermündung) Grosse Verluste des Germanicus in der Wesermündung durch Unwetter
- Karl bricht wegen der Niedermetzelung eines fränkischen Heeres durch aufständische Sachsen seinen Pannonienfeldzug ab.
Tiberius beendet den Pannonienfeldzug. Zur gleichen Zeit Verlust der Varuslegionen in Germanien.
- Karl führt eine Expedition an die Elbe und trifft dort mit einer friesischen Flotte zusammen.
Tiberius führt einen kombinierten Feldzug von Heer und Flotte an die Elbe.
- Karl zerstört das sächsiche Irminsul Heiligtum
Die Römer zerstören das germanische Tamfana Heiligtum
- Die Franken stellen und schlagen fliehende Sachsen an der Adrana
Germanicus schlägt die Chatten an der Adrana die über den Fluss fliehen.
- Germanicus läßt wegen der Trockenheit die Brücken bei den Chatten vorsorglich über die ausgetrockneten Flussbetten bauen.
Den Franken geschieht ein Wasserwunder nach Trockenheit im Gebiet der Chatten.
Nur unter der Prämisse, daß bei Kalkriese die Schlacht an den pontes Longi stattgefunden hat, ergeben sich weitere Parallelen:
- Römische Schlachten sind in Kalkriese nachgewiesen und wurden in früherer Zeit bei Detmold vermutet.
Karl der Grosse schlug selbst zwei Schlachten gegen die Sachsen. In Detmold und an der Hase(Nahe Osnabrück) Hier könnte also die Schlacht aus dem Notlager des Caecina gemeint sein, dass dann westlich von Kalkriese zu vermuten ist.
- Der Ort der Varusschlacht wäre demnach östlich von Kalkriese bis zur Weser zu vermuten.
Bei Lübbecke schleichen sich Sachsen mit Feuerholz sammelnden Franken in das fränkische Lager und metzeln viele Gegner nieder.(Hier könnte Florus grüßen!)
(Es gibt seltsamerweise weitere karolingische Schlachten die man geographisch mit früheren (spät)antiken Schlachten in Verbindung bringen kann. Z.B. die
Schlacht bei Poitiers und die frühere
Schlacht bei vouille.)
Ortsnennungen
Obwohl die Handlungen sich teilweise bis in absurde Details ähneln gibt es gravierende Unterschiede bei der Nennung der Handlungsorte. Während um die Lokalisierung von Schlachten der Römer trotzt archäologischer Funde bis heute grösstenteils fruchtlos gestritten wird, geben die Annalen für jede Handlung meistens sogar einen noch heute existierenden Ort an. Man hat sogar den Eindruck als wenn die Autoren akribisch darauf geachtet haben daß kein Zweifel besteht, wo die entsprechende Handlung stattgefunden hat. Der letzte Autor der Annalen, wegen seiner Finsternisberichte Astronomikus genannt wollte möglicherweise sogar noch detaillierter sein. In dem ihm zugeschriebenen Zeilen existieren vier Textstellen in denen offenbar genau ein Ortsname
fehlt.
Archäologische Funde dieser sächsisch-fränkischen Auseinandersetzungen gibt es meines Wissens übrigens nicht
.
Besitzverhältnisse
Da Karl die Sachsenkriege gewonnen hatte, könnte eigentlich schon ein hinreichender Besitzanspruch auf sächsisches Gebiet entstanden sein. Für das Jahr 777 wird aber noch einmal explizit erwähnt, daß sich die Sachsen mit all ihrem Besitz als Pfand unterwarfen. Die unweigerlich darauf erfolgte erneute Erhebung wird aber dann alle Unklarheiten im Sinne der hypothetischen Fälscher beseitigt haben.
Fazit
Die Nutznießer dieser karolingischen Fälschungen waren zumeist die aufstrebenden Klöster. Sollte der Einfluß dieser klerikalen Wirtschaftsunternehmen in Norddeutschland auf der erlogenen Legitimation durch die Eroberungen Karls des Großen gefusst haben, dann wäre womöglich ein am Vorabend der Reformation bei seiner Wiederentdeckung unverfälschter Tacitus, der diese Manipulation offensichtlich gemacht hätte, ein macht- und wirtschaftspolitischer Störfaktor gewesen. Witzigerweise wurde er dann auch bald vom vermeintlichen Nutzniesser(Vatikan) entführt und nach einer (Überarbeitungs:still
Zeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Schlussbetrachtung
Aber wie Du schon sehr richtig festgestellt hast, kenne ich mich mit den Problematiken karolingischer Literatur nicht wirklich aus. Wie immer habe ich mich fast nur über Wahrscheinlichkeitsüberlegungen dem Thema genähert und dann punktuell nachgefasst. Das Ganze stellt lediglich einen Versuch dar, alle mir bekannten Fakten in einen Zusammenhang zu bringen.
Hoffentlich ist es halbwegs erträglich.
Der Wert den diese doch sehr weit hergeholte Hypothese bringen könnte, liegt in der potentiellen Nutzbarmachung dieses Fränkischen Dokumentes als zusätzliche Quelle für die Rekonstruktion der Germanenkriege. Denn wenn die Schilderungen der Sachsenkriege tatsächlich von antiken Texten inspiriert wurden, enthalten sie evtl. zusätzliche Informationen, die in der Vorlagenliteratur möglicherweise verschollen sind.
Gruss
jchatt
(hoffentlich findet bald jemand die Visitenkarte des Varus, ich weiss sonst nicht wohin das noch führt :S)