Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Die eisenlosen Germanen sind weitgehend ein Mythos. Eisenlose Waffen sind nur bis in die jüngere vorrömische Eisenzeit belegt. Nach der Eroberung Galliens wurde die Förderung von Eisen in Germanien selbst verstärkt (und die Ubier begannen Münzen zu prägen). Tacitus mag die diesbezüglichen Aussagen aus älteren Quellen übernommen oder aus besonderen Situationen heraus verallgemeinert haben. Selbst die wenigen Funde von Schwertern als Grabbeigaben können nicht für eine Abstraktion in Anspruch genommen werden, da Schild und Speer die rituell bedeutsamen Waffen waren, die einen Krieger ausmachten. (Ja, nach Tacitus.) Ein Schwert als Grabbeigabe könnte also auch ein Statussymbol gewesen sein: Seht her, wir können unseren Toten die wertvollen Schwerter mitgeben. Soweit ich weis, hat man ja auch die 20.000 Schwerter des Varus nicht gefunden.
 
Von denen habe ich ja auch nicht geschrieben. Ich wollte sagen, dass die Schwerter offensichtlich bei den Grabbeigaben fehlen. Es wird ja nur von den germanischen Typen SIa, SIb, SIc, SIIa, SIIb, SIIc berichtet.
 
Von den in Kalkriese in der Vergangenheit ergrabenen Grabgruben ist angesichts der eher geringen Tiefe wohl keine als "Martergrube" anzusprechen.
 
Er schreibt ja gar nicht von Martergruben, sondern nur von Gruben. Ich habe diese immer als Opfergruben verstanden, um die geopferten Gefangenen von den Gefallenen zu unterscheiden.
 
Ich weiß zunächst einmal nicht, ob die ÜS "Martergrube" überhaupt korrekt ist. Das ist auch der Grund, warum ich sie in dem vorherigen Beitrag in Anführungszeichen gesetzt habe. Wie Sepiola richtig schreibt, ist scrobis nichts weiter als die Grube. Man kann die erweiterte Semantik allerdings mit guten Gründen aus dem Kontext so schließen. Das macht neben Sontheimer auch Moore, der von torture pits spricht. Ich enthalte mich da.
Wenn man allerdings der ÜS "Martergrube" folgt, dann sollte man doch entsprechend tief eingerichtete Gruben erwarten. Bekannt sind mir solche Funde jedoch nicht, lediglich übermannshohe Vorratsgruben zum Einlagern von Getreide. Aber das hat mit unserem Thema dann nichts mehr zu tun.
 

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Ich weiß zunächst einmal nicht, ob die ÜS "Martergrube" überhaupt korrekt ist. Das ist auch der Grund, warum ich sie in dem vorherigen Beitrag in Anführungszeichen gesetzt habe. Wie Sepiola richtig schreibt, ist scrobis nichts weiter als die Grube. Man kann die erweiterte Semantik allerdings mit guten Gründen aus dem Kontext so schließen. Das macht neben Sontheimer auch Moore, der von torture pits spricht. Ich enthalte mich da.
Wenn man allerdings der ÜS "Martergrube" folgt, dann sollte man doch entsprechend tief eingerichtete Gruben erwarten. Bekannt sind mir solche Funde jedoch nicht, lediglich übermannshohe Vorratsgruben zum Einlagern von Getreide. Aber das hat mit unserem Thema dann nichts mehr zu tun.

Hier noch zum Kontext:

4. Die Leute, die diese Niederlage überlebt hatten und der Schlacht oder der Gefangenschaft entronnen waren, erzählten, hier seien die Legaten gefallen, dort die Adler von den Feinden erbeutet worden, sie zeigten, wo Varus die erste Wunde erhalten, wo er mit seiner unseligen Rechten sich selbst den Todesstoß beigebracht habe; wo Arminius von der Tribüne herunter eine Ansprache gehalten habe, wie viele Galgen für die Gefangenen, was für Martergruben er habe herstellen lassen, wie er die Feldzeichen und Adler übermütig verhöhnt habe.

Publius Cornelius Tacitus, Annalen 60,1-62,1 -

Jetzt stellt sich mir die Frage, was könnte mit "Martergruben" bzw. "Grube" gemeint sein. Ist das ein germanisches Pendant zum indianischen Marterpfahl?

Ich kann mir nicht so richtig vorstellen, was das sein soll.
 
P. S. Heute kam die Meldung in den Medien, dass derjenige, der die ersten militärischen Spuren in Kalkriese entdeckt hat und dem wir somit diesen und andere Theads zu verdanken haben, vor einigen Tagen verstorben ist: https://www.ndr.de/nachrichten/nied...t-Pionier-Tony-Clunn-verstorben,clunn104.html

Tony Clunn, kein Archäologe, sondern ein Schatzsucher, mit hoher Begabung.

Bei Internetrecherchen zu der Schlüterschen Uminterpretation des Kalkrieser Walls hatte ich schon mitbekommen, daß er sehr schwer erkrankt war.

Meine Hoffnung war immer, daß er noch mal den Detektor zur Hand nimmt,
ja, nun wird es nichts mehr.

Ich werde jetzt eine Gedenkminute für ihn einlegen.
 
Der Herr Clunn war sicherlich ein fleißiger Schatzsucher, aber vermutlich hatte er eine Sonderanfertigung eines Metalldetektors! Eine römische Münze in dreißig Zentimetern Tiefe im Erdreich zu finden, wie er schrieb, war mit der Technik der achtziger Jahre kaum möglich.
Was ist denn von der Hypothese (Schoppe) zu halten, dass die Knochen nicht von 9 bis 15 frei im Gelände bleichten und vom Wild verbissen wurden, sondern von 16 bis 21 und dann erst, nach Arminius Tod, durch Silus beigesetzt wurden?
Gruß
 
Was ist denn von der Hypothese (Schoppe) zu halten, dass die Knochen nicht von 9 bis 15 frei im Gelände bleichten und vom Wild verbissen wurden, sondern von 16 bis 21 und dann erst, nach Arminius Tod, durch Silus beigesetzt wurden?

Nix. Schoppe geht ja davon aus, Kalkriese sei der Angrivarierwall. Nur passt in Kalkriese, bis auf die pure Existenz eines Walles, überhaupt nichts zur Schlacht am Angrivarierwall. Es gibt keinen das Schlachtfeld begrenzenden Fluss, es ist von keinem nachträglichen Schlachtfeldbesuch mit Bestattungsaltion die Rede, der Münzhorizont stimmt nicht (vgl. Kölner Brandhorizont 14 n. Chr.), der Grenzwall, den die Angrivarier Zwischenschritt und den Cheruskern an der Waser aufgeworfen hatten und der nun in der Schlacht am Angrivarierwall eine Rolle spielte, passt nicht mit dem schnell aufgeworfenem Wall in Kalkriese zusammen... Auch in den Wirtschaftswissenschaften gelten solche einfachen Prinzipien, wie Occams Razor und dass die Annahme von Hilfshypothesen (Silus ist so eine) zugunsten auf der Hand liegender Erklärungen zu verwerfen ist. Daher argumentiert Schoppe hier auch aus Sicht seiner eigenen Wissenschaft unwissenschaftlich.
 
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der Grenzwall, den die Angrivarier Zwischenschritt und den Cheruskern an der Waser aufgeworfen hatten
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Den Satz verstehe ich nicht so ganz. Soll das heißen "zwischen sich"?
El Quijote, ich hoffe, du bist kein Bot oder so was... nein, nur ein kleiner Scherz...

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passt nicht mit dem schnell aufgeworfenem Wall in Kalkriese zusammen...
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Woher weiß man denn, daß er schnell aufgeworfen war?
 
Offenbar war diese Bauform weit verbreitet in der Urnenfelderkultur, z. B.:

http://www.alcmona.de/userdata/dokumente/urnenfelderzeit.pdf

"Eine mit Kalksteinen ausgekleidete Grabgrube, deren Urne selbst auf einer Steinplatte stand und von einem Stein abgedeckt war,"

Wenn man die auf dem Oberesch ausgegrabenen Knochengruben mit spätbronzezeitlichen Urnenfelderkulturgräbern vergleicht, fallen einige Ähnlichkeiten auf. In beiden Fällen wurden die Gruben mit einem Steinschutz ausgekleidet, und im Zentrum der Grube befanden sich wichtige Überreste des Verstorbenen, bei einem Urnenfelderkulturgrab die Urne, bei den Gruben auf dem Oberesch Schädel oder Schädelkalotten.



http://varusforschung.geschichte-multimedial.net/pages/ausgrabung4.html:

"Die Grube war am Rand und am Boden weitgehend mit Steinen, überwiegend aus dem anstehenden Kalkstein, ausgekleidet, und auch zwischen den Knochen lagen mehrere Steine. Die Knochen - überwiegend wohl Menschenknochen und nur einzelne Knochen und Zähne von Maultieren - waren sehr gut erhalten; möglicherweise haben die Kalksteine in der Umgebung für die gute Konservierung gesorgt.

Als Grube war eine natürliche Mulde im Lehm und im darunter liegenden Kalkstein genutzt worden. Dieses Loch, das eventuell feucht war, weil Wasser hier nicht abfließen konnte, wurde zunächst mit Kalksteinen teilweise verfüllt, dann wurden Knochen, z.T. säuberlich geschichtet, und Kalksteine darauf gelegt und auch der Rand der Grube mit einigen Steinen begrenzt.

Ein menschlicher Schädel lag etwa auf der Sohle der eigentlichen "Grabgrube", ein weiterer etwas höher, nahezu im Zentrum; er schien fast eingerahmt zu sein von weiteren, z.T. vollständigen Langknochen. An diesem Befund, der ansonsten die gleichen Phänomene aufweist wie die bisher bekannten Gruben - kein Skelettverband ist erhalten, die Knochen sind überwiegend stark fragmentarisch, Menschen- und Tierknochen liegen vermischt durcheinander - wird der Grabcharakter besonders gut deutlich. Die Knochen wurden nicht einfach ziellos entsorgt, sondern systematisch, in diesem Fall beinahe pietätvoll sorgfältig, bestattet."

"Auf der Sohle der Knochengrube lagen mehrere menschliche Knochenreste, u.a. Schädelteile, Röhrenknochen und Zähne. Zwei Schädelhälften waren schalenartig ineinandergelegt."



Urnenfelderkultur ? Wikipedia

"Bei Urnengräbern wurden die Knochenreste in größere Urnen geschüttet, hinzugegeben wurden noch die meist fast vollständig verbrannten Beigaben. Die Urne wurde meistens mit einer Schale abgedeckt. In oder neben die Urne wurde häufig ein vier- bis sechsteiliges Keramikservice gestellt. Bei Glockengräbern wurde die Urne mit einem größeren Tongefäß (meist ein großes Vorratsgefäß) überstülpt. Der Steinschutz spätbronzezeitlicher Gräber kommt in Form von Steinpackungen, Steinunterlagen und Wandsteinen vor."


Ich hab beim Forscherteam in Kalkriese mal angefragt, ob diese Ähnlichkeiten evtl. schon Gegenstand dortigen Forschung war. Vielleicht ergeben sich durch einen Vergleich ja interessante Perspektiven für die Forschung.
 
Die wurden mal rekonstruiert, von daher sollte man das einschätzen können.

Das waren doch geschichtete Plaggen, oder ? So was geht schnell, wenn man nicht grad in der Wüste ist :)

Es waren aber Pfostenlöcher da, die bis unter die Wallsohle gereicht haben müssen, sonst könnte man sie heute nicht mehr feststellen, da der Wall ja
zerflossen ist. Damit hat der Kalkrieser Wall eine ähnliche Charakteristik wie der Wall von Leese, der mal ein Kandidat für den richtigen Angrivarierwall war (oder noch ist?).

Wie schon mal gesagt, ich behaupte nicht, der Kalkrieser Wall wäre *der*
Angrivarierwall, aber es könnte ein weiterer Angrivarierwall sein.

Nachtrag: Wenn man nun beweisen kann, daß er "schnell aufgeworfen"
wurde, also nicht auf Dauerhaftigkeit ausgelegt war, dann spricht das natürlich
für den geplanten Verwendungszweck als kurzfristiger Hinterhalt.
 
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