Das müsste dann aber eine einzelne Kohorte gewesen sein, die a) über Sollstärke verfügte, und b) ziemlich vollständig an der Stelle niedergemacht wurde.
Ich habe in meinem
Beitrag 6.209 eine Theorie aufgestellt. Ich muss zugeben, weder vom Aufbau noch vom Text ist mir der genannte Beitrag damals gut gelungen. Eine Reaktion ist da auch kaum erfolgt. Ich versuche es nochmals prägnanter zu erklären.
Kalkriese ist nach Meinung der Ausgräber der Schlusspunkt einer Schlacht. Es wären nur ein kleiner Teil der Römer entkommen. Das würde also auf
Tag 3 der Varusschlacht hinweisen. Es wurde aber bei Kalkriese auch Anzeichen dafür gefunden, dass noch ein Tross mitgeführt wurde. Das ist aber nach der Literatur abwägig. Es soll am Abend des
Tages 1 die nicht erforderlichen Dinge aussortiert und die Trosswagen zerstört worden sein.
Wie bringen wir nun die beiden Ausgrabungsergebnisse zusammen?
Möglichkeit 1:
Florus hätte Recht. Varus ist mit seinen Leuten in seinem Lager beim Abhalten von juristischen Prozessen niedergemacht worden.
Problem:
Es findet sich in Kalkriese kein Lager. Und das von Florus beschriebene Lager ist kein Marschlager, sondern eines für einen längeren Aufenthalt. Da erwartet man Latrinen, Backöfen, etc.
Daher können wir Möglicheit 1 verwerfen.
Möglichkeit 2:
Es befand sich eine kleinere Einheit (1 Kohorte Legionäre oder mehr) auf einem Marsch Richtung Westen. Das könnte dann auch zeitlich VOR dem Varusmarsch gewesen sein,
Das ist zumindest mit dem Befund in Kalkriese in Übereinstimmung zu bringen. Dann wäre es auch kein Problem, dass an einem Ort Soldaten niedergemacht werden und auch Tross dabei war.
Problem:
So etwas hätte Unruhe bei den Römern verursacht. Warum sollten die Germanen ihren Vorteil der Überraschung aus der Hand geben? Der Tod von 500 oder 800 Römern hätte die Kräfteverhältnis nicht wirklich verändert. Aber die Römer unter Varus wären bei Kenntnis von diesem Überfall ganz anders vorgegangen. Händler und Prostituierte hätte man sich selbst überlassen und man wäre auf einen germanischen Überfall vorbereitet gewesen. Bei der Marine gibt es einen Alltagszustand oder im Gegensatz Kriegsmarsch. Bei einem Alltag sind etwa 30% der Soldaten auf Gefechtsstation. Der Rest kämpft mit Bürokratie oder hat Freizeit. Bei Kriegsmarsch sind mindestens 50% der Soldaten auf Gefechsstation. Tagsüber sind es 100% Das ist also der Unterschied, ob Varus leichtfüßig durch die Gegend marschiert oder ob man einen feindlichen Angriff erwartet.
Möglichkeit 3:
Eine der zurückgelassenen Garnisionen hätte von der Varusniederlage erfahren und hätte sich nach Westen durchschlagen wollen.
Problem:
Hätten die ein Bett mitgenommen? Sicherlich nicht. Das Fundmaterial in Kalkriese lässt sich nicht mit diesem Szenario in Deckung bringen.
Möglichkeit 4:
Kalkriese ist ein Teil des Varusereignisses. An
Tag 1 wurde ein Teil der Legionäre von ihren Kameraden abgeschnitten. Da aber in Kalkriese keine größere Anzahl an Römern entkommen ist, kann Kalkriese nicht der Ort sein, an welchem dieses Abschneiden/Abdrängen durch die Germanen stattgefunden hat. Sonst würde man ja gen Westen die Spuren von Tausenden Römern, Auxiliare und Zivilisten finden. Die Abgedrängten sind also noch ein Stück in eine andere Himmelsrichtung gezogen als die große Masse. Dies kann aber auch nicht so lange gewesen sein, als dass man nicht irgendwann die Erkenntnis gewonnen hätte, dass man den Tross opfern muss. Die Anzahl der Abgedrängten darf auch nicht so groß sein. als das Velleius Paterculus oder Cassius Dio darüber zwingend berichten hätten müssen. Wann wäre es zu erwarten, dass die Autoren solch ein Abdrängen am ersten Tag erwähnt hätten? Wäre der Legat und/oder der Adler abgedrängt worden, hätte man davon zwingend berichten müssen. Aber hätte eine Kohorte Erwähnung gefunden? Eher nicht. Es wurden ja auch nicht erwähnt, wann nun eine bestimmte Ala oder eine bestimmte Auxiliar-Kohorte verloren gegangen ist.
Selbst bei drei Kohorten kann man vermuten, dass dies nicht unbedingt Niederschlag in der antiken Literatur gefunden hätte. Da reden wir schon von 1.500 Mann. Wäre nur noch zu klären, ob die Römer ihren Tross zentral in einem Zug konzentriert haben oder ob jede Legion/Kohorte/Zenturie ihr Krimskrams in einem Wagen mitschleppte? Wenn man es in den Quellen belegen kann, dass der Tross eines 3-Legionen-Zuges an einer Stelle versammelt war, würde die Möglichkeit 4 schwierig werden. Wenn aber jede Einheit lieber selbst ein Auge auf ihr Werkzeug, ihren privaten Kram gehabt hat, dann hätte wohl kaum die Nachhut ihre Trosswagen den Legionären einer anderen Legion in Obhut gegeben. Da greife ich jetzt mal auf meine Lebenserfahrung zurück. Die Wahrscheinlichkeit, dass man genau seinen guten Schmiedehammer oder sein erworbenes Fell zurück bekam, war da nicht so groß. Es hat ja ein Grund, dass Besitzmarken auf römischen Gegenständen sehr gehäuft auftreten. Das macht man nicht, wenn nicht manche Gegenstände Beine bekommen würden.
Problem:
Die antiken Autoren berichten nicht darüber. Aber angesichts der Literatur über die Varusschlacht, welche locker in ein Reclam-Heft passt, sehe ich das nicht als allzu problematisch.