Karl Martell - Retter des Abendlandes?

Dieter schrieb:
Ein wehrloses Frankenreich hatte die weitere Expansion der Sarazenen geradezu herausgefordert. Dann säße heute im Vatikan vielleicht ein Kalif? - Ungewohnte Vorstellung!

Lieber Dieter, einen Vatikan würde es sicherlich dann nicht mehr geben. Einen Kalif irgendwo in Europa sicherlich. ;)
 
Warum sollte es einen Vatikan nicht mehr geben? Der Islam ist im Prinzip tolerant, in Ägypten gibt es bis heute den Papst der koptischen Kirche, der das Oberhaupt der 10-20% Christen in Ägypten ist. Eine ähnliche Funktion hätte im Falle einer islamischen Eroberung Europas auch der Papst der katholischen Kirche in Rom. (Vermutlich wäre sein Sitz aber der Lateran geblieben und nicht der Vatikan :yes: -das ist aber nebensächlich.)

Einen Kalif in Europa? Das Kalifentum in Cordoba ist durch innerislamische Machtkämpfe wieder zerfallen. Ob das osmanische Kalifentum in Konstantinopel jemals entstanden wäre, mit einer frühzeitigen islamischen Eroberung Europas ist auch fraglich.
Der Theorie nach, dürfte es im Islam nur einen Kalifen geben (evt. 2 wenn Schiiten und Sunniten einen eigenen hätten - was es schon gab), dessen Sitz wäre vermutlich immer noch Damaskus, Bagdad oder Kairo. Einen europäischen Kalifensitz hielte ich für unwahrscheinlich.

Davon abgesehen hielte ich es für gut, wenn es für die Muslime eine moralische und institutionelle Instanz wie den Papst für die (katholische) Christenheit gäbe. Ein Kalif als religiöses Oberhaupt (und nur dies sollte ein Kalif heute sein!) könnte vielleicht helfen einige Brüche in den islamischen Gesellschaften zu heilen. Natürlich müsste diese eine integre Persönlichkeit sein und nicht so ein Wirrkopf wie der "Kalif von Köln".
 
Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Muslime eine so starke Institution wie das Papsttum hätten fortbestehen lassen; wenn überhaupt, dann nur in ganz bescheidener Form. Wenn es um den Machtanspruch ging, waren die Muslime - vor allem zur Zeit ihres Aufstiegs - so tolerant nun auch wieder nicht. Viele der ersten Kalifen wurden umgebracht, die Abbasiden töteten tausende omajjadischer Anhänger bei ihrem Staatsstreich 750. Aber das sind nur Spekulationen und niemand kann wissen, in welcher Form das Christentum Europas unter islamischer Vorherrschaft fortbestanden hätte.

Interessant finde ich die Idee einer Erneuerung des Kalifats, was auch nach meiner Meinung eher positive Auswirkungen auf die muslimische Bevölkerung hätte. Es gibt wohl solche Bestrebungen, aber sie werden meines Wissens nur von ganz kleinen Zirkeln vertreten. Ich gleube, dass die muslimische Welt viel zu uneinig ist, um sich auf ein neues Kalifat zu einigen. Und die Schiiten würden dabei ohnehin abseits stehen, da sie einen sunnitischen Kalifen als Gotteslästerer betrachten würden.
 
Hi.Ich ahbe heute einen interessanten Text in das Islam/Araber Forum gestellt!Wer sich dafür interessiert kann ja reinschauen, darin werden auch die auseinandersetzungen zwischen Araber und Franken erwähnt! Hier ein auszug!

"732 führte der muslimische Gouverneur des Al Andalus eine Razzia in das Gebiet von Bordeaux durch. Er traf dort auf den starken Mann des Frankenreiches Karl Martell. Dieser war der Großvater Karls des Großen. Bei Tours und Poitiers fanden zwei Schlachten statt, in denen der Franke die Mauren schließlich in die Flucht schlug. Dieser Erfolg wird in den Geschichtsbüchern als Entscheidungsschlacht bewertet und Karl Martell als Retter des Abendlandes gerühmt. Er habe das christliche Europa vor der muslimischen Eroberung bewahrt. Es kam zwar auch danach noch öfter zu muslimischen Angriffen, aber durch die Niederlage gegen die Franken war den Arabern deutlich geworden, daß ihnen jenseits der Pyrenäen ein ebenbürtiger Gegner entgegenstand, der nicht so leicht zu besiegen sein würde, wie die Westgoten in Spanien. Im Laufe der Zeit nahm jedenfalls der Eroberungsdrang der Mauren nach Norden deutlich ab."
 
Eigentlich waren die Handelskontakte der Ostseevölker mit den Muslimen eher eine Gefahr der Islamisierung Europas. Denn auch über die Wolga kamen viele Händler und andere Gesandte nach Norden. Und die gegenseitigen Kontakte waren intensiver als mit ihren südlichen christianisierten Nachbarn.
 
Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Muslime eine so starke Institution wie das Papsttum hätten fortbestehen lassen; wenn überhaupt, dann nur in ganz bescheidener Form.
So eine Starke Machtposition hatten die Päpste zu dieser Zeit garnicht. Man kann das z.B. sehr gut an der Flucht von Stephan II aus Rom zu Pippin d. k. erkennen. Erst ab diesem Moment begannen die Päpste durch ihr Bündniss mit dem Frankenreich eine weltliche Macht zu werden.

Trotzdem bin auch ich der Meinung, dass es keine Päpste im eigentlichen Sinne gegeben hätte. Sicher hätte ein Bischof von Rom existiert, der auch Nachfolger des Apostels Petrus wäre aber mehr meines erachtens auch nicht.
 
Wulfnoth schrieb:
Trotzdem bin auch ich der Meinung, dass es keine Päpste im eigentlichen Sinne gegeben hätte. Sicher hätte ein Bischof von Rom existiert, der auch Nachfolger des Apostels Petrus wäre aber mehr meines erachtens auch nicht.

Lieber Wulfnoth, ich bin auch der Meinung, dass es höchstens einen Bischof von Rom aber keinen Past oder wenn schon einen Pabst, dann ohne Machtstellung gegeben hätte.
 
Wobei jetzt für mich interessant zu wissen wäre wann sich eigentlich der Begriff Papst für den Bisch von Rom gebildet hat.
Tatsache ist ja, dass er in der "Alten Kirche" nur einer der fünf Patriarchen der römischen Welt war.
 
Sorry wenn ich dich korrigieren muss, allerdings herrschte zur späteren Zeit Karl Martells kein Merowinger mehr, denn Karl war mächtig genug ohne Schattenkönig zu regieren. Erst Pippin musste nach seinem Machtantritt wieder einen einsetzten. Desweiteren war Pippin kein König, sondern ein Hausmeier. Sein Bruder Karlmann ebenso. Erst später wurde er König und so kann man nicht von einer ernennung durch karl Martell sprechen.

Ansonsten natürlich ein schöner Beitrag.
 
Kann mir jemand mal ein Buch empfehlen, dass die Schlacht bei Tours und Poitiers ausführlich behandelt. In allen Büchern über die Karolinger oder das Frankenreich, die ich bis jetzt hatte, wird sie zwar eine der "bedeutensten Schlachten in der europäischen Geschichte" genannt, aber mehr als eine halbe Seite will kein Autor für die Beschreibung dieser Schlacht verwenden. :autsch:
 
@ Bender,
es gibt kaum glaubwürdige Berichte über diese Sarazenenschlacht(en) und dementsprechend wirst du auch kaum was Ausführliches darüber finden, einfach weil nicht genug überliefert ist, um viel darüber zu schreiben. Manche Historiker sind sogar der Meinung, die Schlachten hätten gar nicht stattgefunden oder es wären nur besonders ausgeschmückte Legenden über mehrere kleine Grenzscharmützel ...

Aber ich hab mal bei uns an der Uni einen wirklich alten französischen Schinken gefunden, welcher Pointiers anscheinend erschöpfend behandelt. Ist sogar eine Karte drin (das Schlachtfeld lag demnach in den Hüglen NW' von Pointiers). Aber wie glaubwürdig das Werk ist ... dafür möchte ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Wenn's dir hilft, kann ich morgen nochmal nachschauen.
 
Ok, hier ist das Buch:

"Roy, J.-H. & Deviosse, J.: La Bataille de Poitiers ... Octobre 733; Èditions Gallimard, 1966."

Wirst du allerdings nicht mehr so im Buchhandel bekommen fürcht' ich ...

Demnach lag das Schlachtfeld in den Hügeln genau südlich von Chatellerault im Dreieck zwischen Cenon, St Cyr und Vouneuil an den Ufern der Clain (es gibt dort noch ein "Moussais la Bataille").
 
Ich kann aber kein französisch. Damit fängt's doch schon an.

Gibt's nicht zumindest ein Werk, dass die Schlacht auf sagen wir 5 Seiten behandelt? Eins in deutscher Sprache, selbstredend...
 
Andronikos
20.01.2005, 11:09
Einen Kalif in Europa? Das Kalifentum in Cordoba ist durch innerislamische Machtkämpfe wieder zerfallen. Ob das osmanische Kalifentum in Konstantinopel jemals entstanden wäre, mit einer frühzeitigen islamischen Eroberung Europas ist auch fraglich.
Der Theorie nach, dürfte es im Islam nur einen Kalifen geben (evt. 2 wenn Schiiten und Sunniten einen eigenen hätten - was es schon gab), dessen Sitz wäre vermutlich immer noch Damaskus, Bagdad oder Kairo. Einen europäischen Kalifensitz hielte ich für unwahrscheinlich.
Komisch, Herr Andronikos! Wissen Sie nicht, dass der Sultan des Osmanenreiches in Istanbul (Konstantinopel) auch Kalif aller Muslime war und zwar für 4 Jahrhunderte (1520 - 1923)?
 
Für die weitere Entwicklung des Frankenreiches, sollte man die Schlacht von Poitiers auf keinen Fall unterschätzen.
Für die Mauren mag es ein gescheiteter Beutezug gewesen sein.
Für Karl "Martell" ging es um die Zukunft seiner Herrschaft und die seiner Nachkommen.
Eine Niederlage, ja vieleicht der Tod in der Schlacht, hätte den mühevollen Machtaufbau Karls, nach einer langen Periode von Bürgerkriegen rivalisierender Hausmeier, zunichte gemacht.
Zudem wäre die Errichtung der Karolingerdynastie nahezu aussichtslos geworden und damit die Geschichte des Frankenreichs wie wir sie kennen.

Auch profitierte die junge Reconquista Spaniens durch diesen Sieg. Für die Könige Asturiens blieb somit eine Verbindung zum christlichen Frankenreich bestehen.
Nach der Niederlage war die maurische Herrschaft in Septimanien (Narbonne) nur schwach, so das Pippin sie leicht brechen konnte und Karl dem Großen so die Möglichkeit zur Errichtung der spanischen Mark gegeben worden.

Freilich war es nicht das Ziel des maurischen Heeres das Frankenreich zu erobern. Jedoch hätte ein Sieg der Mauren bei Poitiers eine Kettenreaktion zu Ungunsten (darüber ließe sich aber diskutieren) der späteren Entwicklung Westeuropas bedeutet.

Die postume Benennung Karl "Martells" als Retter des Abendlandes durch die (europäische) Nachwelt ist daher berechtigt.
 
Als Retter Europas \des Westens und Ostens gleichzeitig\ ist auch der bulgarische Khan Terwel (701 - 721) berühmt. 717 vernichtete das bulgarische Heer die Armee der Araber, die zu dieser Zeit Konstantinopel belagerten. Die Niederlage der Araber war katastrophal - danach hatten sie nie einen ernsthaften Versuch unternommen in den europäischen Kontinent einzudringen. Die Verluste der Araber wurden zwischen 20 000 und 32 000 Soldaten eingeschätzt. Diese Schlacht in Thrakien hatte entscheidende Folgen für das Schicksal Europas und des Chritentums.
http://de.wikipedia.org/wiki/Terwel
 
Für das Byzantinische Reich bildeten die Bulgaren, die erst im Jahr 865 das Christentum annahmen, eine ständige Bedrohung. Die Araber griffen Konstantinopel erfolglos an. Leon III., der durch ein Abkommen mit den Arabern gedeckt die Macht erringen konnte, gewann den Khan der Bulgaren Terwel, der einst mit dem schrecklichen Justinian II. verbündet war, als Bundesgenossen gegen die Araber, die, von einer Seuche geschwächt und von den Bulgaren wiederholt geschlagen, die Belagerung der Stadt aufhoben. Leon III. schlug im Jahr 740 bei Akroinon die Araber; fortan hören deren Einfälle in Kleinasien auf. Die Ehre gebührt also wohl eher Leon III.

Von Spanien aus eroberten die Araber im Jahr 720 Narbonne und belagerten Toulouse. Odo von Aquitanien wurde von den Arabern bei Bordeaux im Jahr 731 geschlagen und die Stadt wurde von den Arabern niedergebrannt. Odo rief Karl zu Hilfe, der trat im Jahr 732 den Arabern mit einem Reichsaufgebot bei Poitiers entgegen, und die Angriffe der Araber, die auf die Eroberung des Frankenreiches aus waren, scheiterten an dessen Abwehr.
 
Horst schrieb:
Odo rief Karl zu Hilfe, der trat im Jahr 732 den Arabern mit einem Reichsaufgebot bei Poitiers entgegen.

Im Grunde waren es zwei Schlachten bei Tours und Poitiers in denen ein gemeinsames Heer von Franken und Langobarden unter Karl Martell
die Araber unter Ahbhar Rachman, Stadthalter des Kalifen von Cordoba, vernichtend schlug. Rachmann kam dabei zu Tode...

Gruß
 
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