Kann das sein?
(Oder sind das Milliarden? Wie wird sowas gerechnet?)
Wie genau diese Angaben zustande gekommen sind, bzw. nach welchem Modell das geschätzt wurde, stand leider nicht dabei.
Die Angaben würden in etwa zur von
@Turgot verlinkten Tabelle der Bundesbank passen.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert (in Deutschland ab 1871) hat man es ja dankenswerter Weise mit an Edelmetall gebundene Währungen zu tun, was für eine relativ hohe Stabilität der Geldmenge gesorgt haben wird und darüber ließe sich möglicherweise auch etwas über den Wert im Vergleich zu heutigen Währungen sagen.
Wobei dass dann natürlich auch durch die unterschiedlichen Umlauf- und Fördermengen der entsprechenden Edelmetalle beeinflusst würde, nehme ich an.
Eine andere Möglichkeit wäre an Hand entsprechender Warenkörbe zu versuchen die Kaufkraft der Währung en gros zu bestimmen, was allerdings natürlich für das 19. jahrhundert den Haken hat, dass diverse heute völlig normale Verbrauchsgüter damals noch nicht vorhanden oder noch nicht üblich waren und dementsprechend nur eine eingeschränkte Auswahl an Gütern infrage käme, was wahrscheinlich der Genauigkeit der Angabe nicht unbedingt zuträglich ist.
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Das es sich um Ausgaben un vor allem Schulden in Milliardenhöhe (nach heutigen Maßstäben) handelte, halte ich allerdings für unwahrscheinlich.
Was den Aufwand an Arbeitskräften für Neuschwanstein angeht, schreibt Hilmes:
"Es erscheint heute geradezu als ein kleines Wunder, in welch kurzer Zeit das alles geschaffen wurde. Zwischen der Grundsteinlegung im September 1869 und der Fertigstellung des Torbaus lagen gerade einmal vier Jahre. das Richtfest für den Palas wurde im Januar 1880 gefeiert, vier Jahre später war er bezugsfertig. Bereits die Organisation der Baustelle glich einer Meisterleistung: In Spitzenzeiten fanden dort täglich 200 bis 300 Handwerker Lohn und Brot, wodurch das königliche Unternehmen für etwa zwanzig Jahre zum größten Arbeitgeber der Region wurde."
(Hilmes, Ludwig II. S.296)
200-300 Beschäftigte mögen für die Region viel gewesen sein, nach Ruhrgebietsmaßstäben würde man sagen, dass entspricht in den 1880er Jahren in etwa der Beschäftigtenzahl einer kleinen bis mittelgroßen Kohlenzeche.
Wenn man davon ausgeht, dass der Großteil dieser Handwerker nicht unbedingt hochspezialisiert war und die wirklich spzialisierten Leute, die für die Kunstwerke und die Technik zuständig waren vielleicht ein Drittel oder ein Viertel davon ausgemacht haben, dürften sich die Personalkosten in Grenzen gehalten haben.
Im falle Neuschwansteins wird ein guter Teil der Belegschaft bereits aus Leuten bestanden haben, die die Materialien auf den Berg heraufschafften.
Bei Linderhof und Herrenchiemsee muss ich für's erste passen, weil da keine Angaben mitgeliedert werden, da dürfte auch noch mal ein bisschen was zusammengekommen sein, allerdings kenne ich die beiden Schlösser auch nicht aus eigener Anschauung (Neuschwanstein habe ich mal besichtigen können) und kenne von dem her die genaue Diension nicht.
Was die Baumaterialien angeht, ist es ja zumindest bei Neuschwanstein so, dass sehr vieles, was man in dem Bauwerk sieht verkleidete moderne Konstruktionen sind, die wahrscheinlich im Materialaufwand wesentlich billiger kamen, als wenn man in traditioneller Bauweise mit traditionellen Materialien gearbeitet hätte.
Ich weiß nicht wie das bei Linderhof und bei Herrenchiemsee aussieht.
Was bei den Schlössern sicherlich ziemlich teuer gekommen sein wird, dürften die Transportkosten für das Material sein, die etwas abgeschiedene Lage war sicherlich nicht besonders verkehrsgünstig.
Was die Kosten angeht, kommt dann natürlich noch drauf, dass die Projekte bei Ludwigs Tod ja noch nicht abgeschlossen waren und dass neben den Schulden, die Ludwig II. aufnahm ja auch noch real vorhandene Mittel verausgabrt wurden.
Hilmers hatte als jährliches Budget für Ludwig II. zusammengesetzt aus Zivilliste und den anderen Dingen ja an die 1,5 Millionen Mark angepeilt, wenn wir mal davon ausgehen dass Ludwig einen Großteil dieses Budgets auf bereits seit dem Ende der 1860er Jahre auf seine Schlossbauten verwendete, dann steckten da bei seinem Tod vielleicht schon 10-15 Millionen Mark aus laufenden Einnahmen drinn und ich weiß nicht auf ein wie großes vorhandenes Vermögen Ludwig II. zu Beginn der Projekte noch hat zurückgreifen können und ob eventuell noch Finanzspritzen aus dem Verkauf von Grund und Boden oder anderen Objekten hinzu kamen.
Ich weiß auch nicht ob Ludwig von Seiten Preußens lediglich mit der erwähnten regelmäßigen dotation aus dem "Welfenfonds" bedacht wurde, oder aber, ob er für die Zustimmung zur Reichsgründung und für die Kaisererhebung Wilhelms I. möglicherweise noch eine zusätzliche Finanzsspritze erhielt, die da möglicherweise auch zu berücksichtigen wäre.
Wenn wir annehmen dass die 88,26 irgendwas Millionen heutiger Wert (bzw. stand 2013) für die Versschuldung hinkommt und fast 20 Jahre Bauzeit für die Projekte veranschlagen, während denen der Löwenanteil der Ludwig zur Verfügung stehenden Einnahmen dort hinein investiert wurde, kann man wahrscheinlich davon ausgehen, dass das inklusive der Schulden jedenfalls Ausgaben von 200 oder mehr Millionen waren.
Hinzu kommen eventuell noch vorhandenes Vermögen, dass verausgabt wurde, Gewinne aus Veräußerungen, von Boden, Titeln etc. eventuell noch eine Finanzsspritze wegen der Reichseinheit von preußsicher Seite, dann wird irgendwas zwischen 200 und 300 Millionen Gegenwert (stand 2013) dabei rauskommen.
Rechnet man noch 20-25% Inflation seit 2013 auf den modernen Wert drauf und berücksichtigt dass das alles ja noch nicht fertig war und im Besonderen die tendenziell kostpsielige Innneneinrichtung zum Teil noch nicht da gewesen sein wird, kann man möglicherweise überschlägig zu der Einschätzung kommen, dass Ludwig II. Schlösserbauprogramm, wenn es nach seinen Wünschen ausgeführt worden wäre wahrscheinlich irgendwo zwischen 250 und 350 Millionen Euro heutiger Wert zu veranschlagen wäre, zuzüglich eventueller Kosten für den Erwerb der Grundstücke.
Halte ich, wenn man berücksichtigt, dass mindestens bei Neuschwanstein ein Großteil des Pomps nur Schein und Verkleidung vor wahrscheinlich deutlich günstigeren technischen Lösungen sind und dass es sich in dieser Hinsicht um eine Mogelpackung handelt, für durchaus nicht unrealistisch.
Zumal Ludwig ja auch nicht der Einzige war, der sowas betrieb, Preußens hatten ja einige Jahrzehnte vorher mit der "Burg Hohenzollern" in Sachen kostspielige, pseudomittelalterliche Protzbauten vorgelegt.
Wobei die Regierung Bismarck allen Ernstes die Stirn hatte, zu versuchen die Kosten oder Teile davon über den preußischen Militäretat abrechnen zu lassen:
de.wikipedia.org
de.wikipedia.org
Wenn sich die Kosten für sowas einigermaßen im Rahmen bewegten, wird das vor allem daran liegen, dass man dank Industrialisierung für solche Projekte inzwischen mit relativ wenig Personal auskam.