Ludwig II. von Bayern

ich möchte von einem Buch abraten:
Luipold Daxenberger "Mord, Selbstmord oder tragischer Unglücksfall?"

Beim Großen A wird mit
"Mit scharfem Blick und tiefem Verständnis für die bayerische Geschichte bringt Daxenberger Licht in eines der größten Rätsel der deutschen Monarchie."
geworben


Eine Lösung bietet der Autor nicht an; dafür viele "vielleicht, möglich, eventuell, tragisch, mythisch" und der gleichen mehr. Ich hatte den Eindruck (das Buch erschien Anfang August im Selbstverlag): da wollte jemand mit dem Geburtstag vom Kini Geld verdienen. Ich habe es nicht komplett gelesen und nach einem Tag zurück geschickt.
 
BR alpha:

Die offizielle Version lautet wie folgt: Ludwig benutzte den Spaziergang, um im See Selbstmord zu begehen. Von Gudden wollte ihn daran hindern. Es kam zum Handgemenge, wobei Ludwig den 62-jährigen Arzt unter Wasser drückte. Anschließend starb der König nicht durch Ertrinken, sondern durch einen Herzschlag im 12 Grad kalten Wasser.
So wie ich das verstehe ist diese Konstruktion eine Voraussetzung für eine katholische Beisetzung.
Stimmt das? Weiß jemand genaues?

12 Grad Wassertemperatur im Juni? Da hab ich gestutzt, es scheint aber möglich zu sein.
 
So wie ich das verstehe ist diese Konstruktion eine Voraussetzung für eine katholische Beisetzung.
Stimmt das? Weiß jemand genaues?

Das amtliche Rituale Romanum, das von 1614 bis 1925 in Gebrauch war, bestimmt folgendes:

"Negatur igitur ecclesiastica sepultura [...]
Se ipsos occidentibus ob desperationem, vel iracundiam, (non tamen, si ex insania id accidat) nisi ante mortem dederint signa poenitentiae."​



"Verweigert wird die kirchliche Bestattung also [...] denen, die sich aus Verzweiflung oder Jähzorn umbringen (jedoch nicht, wenn dies aus einer Geisteskrankheit heraus geschieht), wenn sie nicht vor dem Tod Anzeichen der Reue zeigten"
Im Fall Ludwigs hätte man auch bei nachweislichem Selbstmord die kirchliche Bestattung locker mit dem Argument der Geisteskrankheit beanspruchen können.
 
12 Grad Wassertemperatur im Juni? Da hab ich gestutzt, es scheint aber möglich zu sein.
Das müsste aber ein sehr kalter Sommer gewesen sein. Das langjährige Mittel (Referenzperiode 1961-1990) der Wassertemperatur des Sees liegt im Juni bei 20°C. Leider finde ich auf die Schnelle keine Klimadaten für 1886. Bestimmt waren die durchschnittlichen Temperaturen damals geringer, aber so niedrig? Und das am Abend, also nachdem der See einen ganzen Tag Zeit hatte, Wärme aufzunehmen?

Allerdings muss man sagen: Für einen Herzinfarkt infolge einer hypertensiven Krise (die Gefäße kontrahieren, der Blutdruck geht durch die Decke, das Herz wird überlastet) muss das Wasser gar nicht so kühl gewesen sein. Ab mehr als 10°C Unterschied wird es potentiell lebensbedrohlich. Wenn man dann noch, wie der Kini in seinen letzten Lebensjahren, sowieso mit Grunderkrankungen vorbelastet ist …
 
es wird berichtet, dass an diesem Tag abends das Wetter sehr schlecht war. Mit Gewitter und Starkregen (so starker Regen, dass die Sicht und somit die Suche nach den beiden Personen sehr schwierig war)
 
es wird berichtet, dass an diesem Tag abends das Wetter sehr schlecht war. Mit Gewitter und Starkregen (so starker Regen, dass die Sicht und somit die Suche nach den beiden Personen sehr schwierig war)
Das spräche dann aber eher für durchschnittliche bis überdurchschnittliche Temperaturen – und sicherlich auch im Wasser. Der See würde sich nicht durch ein durchziehendes Regentief so stark abkühlen, und Gewitter treten im Sommer meist als Wärmegewitter auf.
 
Das langjährige Mittel (Referenzperiode 1961-1990) der Wassertemperatur des Sees liegt im Juni bei 20°C.
spielt da nicht auch die Wassertiefe eine Rolle? Oben die ersten 50-100cm können warm sein, darunter aber kann es bitterkalt sein.
(ich erinnere mich an Badeausflüge zum Feldsee (Schwarzwald), halleluja, der war arg kalt, da hat mans schwimmend nicht länger als paar Minuten ausgehalten)
 
spielt da nicht auch die Wassertiefe eine Rolle? Oben die ersten 50-100cm können warm sein, darunter aber kann es bitterkalt sein.
Grundsätzlich ja, aber angeblich sollen die beiden Toten ja im relativ flachen Uferbereich gefunden worden sein.

Deswegen halte ich die Version dass Ludwig II Gudden in irgendeiner Weise getötet und dann wegen kalten Wassers einen Herzanfall bekommen habe für wenig wahrscheinlich.

Es würde eigentlich eher dafür sprechen, dass da irgendwie ein Rettungsversuch fehlgeschlagen wäre. Oder aber dafür, dass möglicherweise Betäubungsmittel im Spiel waren, oder beides.

Ich habe das Buch von Hilmes inzwischen in die Bücherei zurückgegeben, so dass ich es gerade nicht mehr zur Hand habe und die entsprechende Stelle gerade nicht sicher zitieren kann, dass müsste ich mir ochmal holen.
Es scheint wohl so zu sein, dass Ludwig II. durchaus verschiedene Rauschmittel konsuiert hat.

Ich habe keine Ahnung, bzw. erinnere mich nicht, ob dazu konkret etwas im Buch stand, ob auch durch Gudden entsprechende Substanzen verschrieben/verarbreicht wurden.
Laut Hilmes hatte sich Gudden seinen Ruf vor allen Dingen durch Reformen des Betriebes einer auf psychische Probleme ausgelegten Betreuungsanstalt in der Schweiz erworben und verfolgte wohl das Konzept es für die Insassen insgesamt humaner gestalten zu wollen, also die Patienten nicht einfach wegzuschließen und zu verwahren, sondern ihnen so weit das verantwortbar war Freiheiten einzuräumen.
Ich weiß nicht ob das für die Verabreichung von entsprechenden Substanzen sprechen würde (Technikgläubigkeit/Fortschrittsoptimismus) oder dagagen (Patienten behandeln und nicht einfach ruhigstellen).

Demnach könnte man zusätzlich auf dem Schirm haben:

- Möglicherweise Entzugserscheinungen und damit verbunden körperlicher Stress, falls Ludwig nicht mehr die Möglichkeit hatte an Rauschmittel zu kommen.
- Falsche Einstellung, wenn durch v. Gudden welche verordnet wurden
- Unerwünschte Nebenwirkungen sollte Gudden entsprechende Substanzen verschrieben und er selbst nebenher noch anderes konsumiert haben, ohne Gudden darüber in Kenntnis zu setzen, für den Fall, dass er daran kam.

Sollte, das eine misslungene Rettungsaktion geswesen sein, bei der Ludwig den Gudden, möglicherweise im Rausch tötete und könnte er möglicherweise bei schlechter Sicht und unter Einfluss von Betäubungsmitteln danach einfach die Orientierung verloren haben.

Ein Herzinfakt oder fataler Abfall des Blutdrucks o.ä. könnte sicherlich auch mit Einfluss von Rauschmitteln oder deren falscher Dosierung erklärbar sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Angesichts von Ludwigs Gesundheitszustand scheinen akute Kreislaufprobleme mehr als wahrscheinlich, auch bei geringem Temperaturanstieg.
 
Durchschnittstemperaturen vom Starnberger See (aktuell - was historisches finde ich nicht)
Der Gletschersee erreicht bereits im Juni eine durchschnittliche Wassertemperatur von 20 °C. Im August erreicht der Starnberger See seine wärmste Wassertemperatur von im Schnitt knapp 23 °C. (Quelle: Wassertemperatur Starnberger See: Wetter, Klima & Temperatur Starnberger See )

Hervorhebung durch mich - ich denke, ein Gletschersee ist immer ein Stück kälter, als andere Seen.
 
Wieso denn das? "Gletschersee" bzw. wohl besser "Gletscherrandsee" bezieht sich doch eher auf die Entstehung des Sees in der Würmeiszeit? Das macht ihn heute nicht mehr kälter, oder?
 
Inzwischen habe ich einige Dokumentationen in dieser Sache gelesen. Daraus ergeben sich für mich einige Fragen.

Erstens: Es wurde berichtet, dass der König seinen Verpflichtungen bis zum letzten Tag nachgekommen war, d.h. alle Dokumente, die ihm auf das Schloss Neuschwanstein zum Unterschreiben gebracht wurden, auch unterzeichnete - wie konnten die Gutachter dann aber sagen, er wäre seit 1 Jahr regierungsunfähig?

Zweitens: Gudden befragte allein die Zeugen, d.h. all jene, die mit dem König konkret Kontakt hatten, und die anderen 2 Gutachter nachher nur (mündlich?) informierte, was diese aussagten, und schließlich das Gutachten auch allein schrieb, das die zwei anderen nicht gelesen, sondern aufgrund der Kürze dieser zweiten Zusammenkunft höchstens durchgeblättert haben konnten mit der Folge: sie haben das Gutachten quasi blind unterschrieben.

Drittens: Wie verträgt sich Guddens Rolle als Gutachter mit seiner späteren Rolle als behandelnder Arzt des Königs?

Viertens: Und wieso ordnete Gudden am besagten Abend an, dass kein Pfleger beim Spaziergang mitgehen dürfe? Bei einem Spaziergang am Nachmittag des gleichen Tages ging ein Pfleger in ca. 30 m Entfernung den beiden nach.
 
Erstens: Es wurde berichtet, dass der König seinen Verpflichtungen bis zum letzten Tag nachgekommen war, d.h. alle Dokumente, die ihm auf das Schloss Neuschwanstein zum Unterschreiben gebracht wurden, auch unterzeichnete - wie konnten die Gutachter dann aber sagen, er wäre seit 1 Jahr regierungsunfähig?
Weil Regieren in der Zeit eines konstitutionellen Systems ein wenig mehr umfasste als einfach nur vorgelegte Dokumente zu unterzeichnen?

Wenn er sich tatsächlich krankheitsbedingt mehr und mehr von der Außenwelt abschottete, nicht mehr bereit war öffentlich aufzutreten zu repräsentieren und aktiv regelmäßig Rügsprache mit der Regierung zu halten, dann war er objektiv regierungsunfähig, was die Anforderungen der Zeit betrifft und dafür scheint einiges zu sprechen.

Fraglicher ist die Sache mit der Entmündigung.
Hilmes hat dazu die Theorie aufgestellt, dass die Entmündigung der einzige weg gewesen sei eine Entbindung Ludwigs von den Regierungsgeschäften zu erreichen.
Und zwar mit dem Argument, dass wenn der König wegen Geisteskrankheit nicht mehr befähigt war politische Entscheidungen zu treffen, auch eine Abdankungserklärung in ihrer Gültigkeit fraglich wäre, wenn sie aus dem Zustand psychischer Beeinträchtigung heraus zustande gekommen wäre und somit möglicherweise nicht den unverfälschten Willen des Monarchen widergespiegelt hätte, was für die Bindewirkung des Schrittes aber notwendig gwesen wäre.

Ich persönlich finde diese Argumentation nicht überzeugend, zumal man Ludwig um ihn von der Regierung zu entbinden nicht unbedingt (ich hatte hier schonmal auf Ferdinand I. v. Habsburrg verwiesen) formal absetzen musste, sondern die Einsetzung eines Regenten der das übernimmt bei formaler Wahrung der Ansprüche des Königs ebenso ein denkbarer Weg gewesen wäre.

Im Übrigen ist dieser Weg später auch bestritten worden, weil die Königswürde hiernach auf Ludwig II. Bruder Otto überging, dessen geistige Leiden wohl noch schwerwiegender waren und der erst recht regierungsunfähig war, hier allerdings hatte man dann kein Problem damit den Weg einer Regentschaft am nominalen König vorbei zu wählen.

Hier wäre meines Erachtens Diskussionspotential, bei der Plausibilität der Regierungsunfähigkeit Ludwig II. selbst, sehe ich das nicht. Das war durchaus plausibel.


Zweitens: Gudden befragte allein die Zeugen, d.h. all jene, die mit dem König konkret Kontakt hatten, und die anderen 2 Gutachter nachher nur (mündlich?) informierte, was diese aussagten, und schließlich das Gutachten auch allein schrieb, das die zwei anderen nicht gelesen, sondern aufgrund der Kürze dieser zweiten Zusammenkunft höchstens durchgeblättert haben konnten mit der Folge: sie haben das Gutachten quasi blind unterschrieben.
Wie ich das verstehe, waren die beiden anderen Gutachter dazu da, die Plausibilität des Gutachtens zu überprüfen und nichts weiter.

Wird heute irgendwo ein Zweitgutachter wege einer zweiten Meinung hinzugezogen, beschäftigt der sich in der Regel auch nur mit dem Ergebnis in Form des Gutachtens und ist nicht zwangsläufig vom ersten Schritt an bei der Entstehung des Gutachtens zugegen.

Zweitens: Hältst du es eventuell für möglich, dass die anderen beiden Gutachter über Aussagen aus dem Umfeld aus anderer Quelle Kenntnis hatten?
Gudden selbst war aus dem Umfeld derer, die Kontakt zum König hatten mit der Sache betraut worden, die anderen beiden Gutachter ebenso. Es kann also durchaus sein, dass sie bereits von anderer Seite als über Gudden über Vorkommnisse imm königlichen Umfeld orientiert waren.
Sollte dies der Fall und die Information hinreichend präzise gewesen sein, wird es auch relativ schnell möglich gewesen sein, sich mit Gudden darüber auszutauschen, wass dieser zu diagnostizieren gedachte und über die Plausibilität dessen.

Drittens: Wie verträgt sich Guddens Rolle als Gutachter mit seiner späteren Rolle als behandelnder Arzt des Königs?
Grundsätzlich einwandfrei, was das Medzinische betrifft. Warum sollte es grundsätzlich ungewöhnlich sein, dass der behandelnde Arzt auch die Diagnose selbst stellt? Ist vielleicht im Massenbetrieb eines modernen Krankenhauses nicht unbedingt üblich, aber abseits davon?

Viertens: Und wieso ordnete Gudden am besagten Abend an, dass kein Pfleger beim Spaziergang mitgehen dürfe? Bei einem Spaziergang am Nachmittag des gleichen Tages ging ein Pfleger in ca. 30 m Entfernung den beiden nach.
Möglicherweise deswegen weil er ausloten wollte, wie viel Freiraum man dem Patienten lassen konnte und weil es am Nachmittag keine Probleme gegeben hatte, was man als Hinweis auf einen stabilen Zustand nehmen konnte?

Wenn man davon ausgeht, dass Ziel der Therapie/Behandlung die tatsächliche Besserung des Zustands, nicht einfach das Verwahren war, wäre das Ziel der ganzen Angelegenheit gewesen dem Patienten am Ende wieder ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, so weit das Krankheitsbild das zuließ.
 
Zuletzt bearbeitet:
Erstens: Es wurde berichtet, dass der König seinen Verpflichtungen bis zum letzten Tag nachgekommen war, d.h. alle Dokumente, die ihm auf das Schloss Neuschwanstein zum Unterschreiben gebracht wurden, auch unterzeichnete - wie konnten die Gutachter dann aber sagen, er wäre seit 1 Jahr regierungsunfähig?
Dokumente zu unterschreiben, ist keine Kennzeichen von Regierungsfähig- oder unfähigkeit. Jeden Tag unterschreiben hunderttausende Verträge, die sie nicht gelesen und/oder nicht verstanden haben und das völlig unabhängig von ihrer durchschnittlichen Intelligenz oder geistigen Gesundheit (ich kannte mal einen Prof, der war schwerer Alkoholiker und deswegen arbeitsunfähig, dennoch konnte der dir im betrunkenen Zustand noch sehr präzise und klar sagen, was Sache war). Eine Freundin ist manisch-depressiv. Ihr Mann ist davon überzeugt, dass sie in den manischen Phasen durchschnittlich intelligenter ist, als wenn sie "gesund" ist (ich enthalte mich da einer Beurteilung).
 
Diesen Punkt müsste man genauer untersuchen. War er einfach nur eine Unterschreibmaschine, oder gab es eine Beschäftigung mit dem, was ihm vorgelegt wurde? Annotationen, Nachfragen? Gespräche, die Verständnis zeigen?
 
Wenn man davon ausgeht, dass Ziel der Therapie/Behandlung die tatsächliche Besserung des Zustands, nicht einfach das Verwahren war, wäre das Ziel der ganzen Angelegenheit gewesen dem Patienten am Ende wieder ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, so weit das Krankheitsbild das zuließ.
Dazu müsste man mehr über den medizin. Stand (Behandlungsmöglichkeiten, Behandlungsmethoden) der Psychiatrie Ende 19.Jh. wissen - ich vermute, dass da mehr ruhig stellen und verwahren im Vordergrund war.
 
Dazu müsste man mehr über den medizin. Stand (Behandlungsmöglichkeiten, Behandlungsmethoden) der Psychiatrie Ende 19.Jh. wissen - ich vermute, dass da mehr ruhig stellen und verwahren im Vordergrund war.
Mit Verweis auf #130 scheint laut Hilmes Gudden eher für das Gegenteil bekannt gewsen zu sein:

Ich habe das Buch von Hilmes inzwischen in die Bücherei zurückgegeben, so dass ich es gerade nicht mehr zur Hand habe und die entsprechende Stelle gerade nicht sicher zitieren kann, dass müsste ich mir ochmal holen.
Es scheint wohl so zu sein, dass Ludwig II. durchaus verschiedene Rauschmittel konsuiert hat.

Ich habe keine Ahnung, bzw. erinnere mich nicht, ob dazu konkret etwas im Buch stand, ob auch durch Gudden entsprechende Substanzen verschrieben/verarbreicht wurden.
Laut Hilmes hatte sich Gudden seinen Ruf vor allen Dingen durch Reformen des Betriebes einer auf psychische Probleme ausgelegten Betreuungsanstalt in der Schweiz erworben und verfolgte wohl das Konzept es für die Insassen insgesamt humaner gestalten zu wollen, also die Patienten nicht einfach wegzuschließen und zu verwahren, sondern ihnen so weit das verantwortbar war Freiheiten einzuräumen.
Ich weiß nicht ob das für die Verabreichung von entsprechenden Substanzen sprechen würde (Technikgläubigkeit/Fortschrittsoptimismus) oder dagagen (Patienten behandeln und nicht einfach ruhigstellen).
 
Dokumente zu unterschreiben, ist keine Kennzeichen von Regierungsfähig- oder unfähigkeit.
Wenn es für den König sonst nichts zu tun gab, dann war's das. Konkret: Es gab ein Parlament und eine Regierung, aber alles, was die beiden an Gesetzen und Verordnungen produzierten, mussten vom König abgezeichnet werden, sonst wären sie nicht rechtskräftig. Der König konnte Parlament auflösen und Minister nach Belieben einsetzen und entlassen, aber Ludwig kümmerte sich in seinen letzten Jahren nicht darum. Anfangs hatte er sich in die Politik eingemischt und einiges durchgesetzt. Aber später ließ er die Regierung machen, was sie wollte, Hauptsache, sie bewilligte Gelder für seine Bauten. Die faktische Macht im Königreich Bayern hatte der Ministerrat.

Die Regierung hatte es gut mit ihm, für sie gab es demzufolge keinen Grund, ihn für unmündig zu erklären oder gar zu ermorden. Aber es gab ja seinen Onkel Luitpold, dem das bloße danebenstehen bei Thronreden nicht genug war. Nach der Entmündigung Ludwigs wurde er noch am gleichen Tag für ihn Prinzregent, nach dem Tod Ludwigs für den ebenfalls entmündigten Ludwigs Brüder Otto. Als Prinzregent hätte er gar nicht so viel Macht gehabt, aber er ließ die Verfassung bald in seinem Sinn uminterpretieren und agierte fortan wie ein König.

Wie immer bei solchen Veränderungen muss man fragen: Qui bono? Und der einzige Nutznießer von alldem war: Prinz Luitpold. Auch Ludwig selbst hat er noch in der Nacht, als ihm die Entmündigungsschreiben überbracht worden war, in einem Brief an seinen Cousin, Prinz Ludwig Ferdinand geschrieben, dass vermutlich Luitpold dahinter stecke.

Zu dem Gutachten: Durch die Unterschrift unter dem Gutachten, bestätigten die beiden seine Richtigkeit, ohne es gelesen zu haben. Das ist gelinde gesagt ein Skandal.

Zu der Frage, ob es statthaft sei, Gutachter und behandelnden Arzt in einer Person zu sein, sage ich: Nein. Gutachter hat zwingend unabhängig zu sein. Gudden behandelte zuvor, also vor dem Gutachten, jahrelang Ludwigs Brüder Otto und hatte anschließend auch bei Ludwig Schizophrenie diagnostiziert, was jedoch nur bei Otto gesichert ist, nicht aber bei Ludwig, weil die Diagnose allein auf Hörensagen über Ludwig basierte. Es wird auch bemängelt, dass im Gutachten nur die negativen Aussagen über Ludwig niedergeschrieben wurden, nicht aber die positiven, die es auch gab, schließlich bewältigte Ludwig sein Leben ganz „normal“: Er war ein Exzentriker, keine Frage, was in den Augen seiner Umgebung, vor allem aber der Dienerschaft, möglichweise als verrückt interpretiert worden war.

Wenn man angesichts des bisher Gesagten diesen letzten Spaziergang betrachtet, dann erscheint das Wegschicken des Pflegers nur als letzter Akt eines Komplotts: Man wollte keine Zeugen.

Natürlich kann man sich fragen, warum sollte man einen entmündigten König noch umbringen, schließlich war er sowieso weg vom Fenster. Aber so einfach ist die Sache nicht, denn Ludwig war offenbar nicht bereit, sich dem Schicksal zu ergeben. Davon zeugt sein letzter Brief. Und, nicht ganz unwichtig, seine Cousine und österreichische Kaiserin Elisabeth weilte just zu dieser Zeit am Starnberger See im Hotel Strauch. Vielleicht fürchtete man, Ludwig würde Kontakt zu ihr aufnehmen, damit sie ihm helfe …
 
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