Versicherungsdirektor Kleeberg aus Frankfurt erklärte 1885 seine Bereitschaft, aber
"sein Brief vom 13.3.1886 erreicht den König aus ungeklärten Gründen nie." Und 20 Millionen Mark waren damals so viel wert wie heute 1 Milliarde Euro, d.h. die Staatsfinanzen waren schon gefährdet, das belegen Briefe und Notizen der verschiedenen bayrischen Finanzmister.
Auch das ist ein Motiv, den König aus dem Weg zu schaffen.
Was die Verschuldung Ludwigs II. betrifft:
Wie ja bereits herausgearbeitet, handelte es sich sich de jure um Verschuldung des Monarchen selbst, nicht um Staatsschulden.
Oliver Hilmes gibt in seiner Biographie Ludwig II. zur Verschuldung des Königs im Sommer 1885 folgende Zahlen an:
"Gresser - laut Werthern "eine Peersönlichkeit von untergeordneter Befähigung" - blieb ebenso wie sein Vorgänger nur eine kurze Zeit im Amt. Er erhielt von seinem Dienstherrn erst gar nicht die Chance, die Finanzmiesere zu beheben - ganz im Gegenteil. Ludwig ließ ungebremst weiterbauen, so dass er bis zum Sommer 1885 über 6 Millionen mark neue Schulden machte. Rechnet man den Kredit von 7,5 Millionen aus dem Vorjahr hinzu, war der Schuldenberg nun über 13 Millionen Mark hoch, - was heute ungefähr der Summe von 88,26 Millionen Euro entspricht."
Hilmes, Oliver: Ludwig II., Der Unzeitgemäße König, München, 2013, S.351
In diesem Zusammenhang auch interessant:
"In Berlin verfolgte man die Vorgänge in Bayern mit größter Sorge. Kaiser Wilhelm wollte seinem Verwandten gerne helfen - aus Dankbarkeit für dessen Mitwirkung an der Reichsgründung. Über einen Mittelsmann soll der greise Kaiser angeblich 10 Millionen Mark in Aussicht gestellt haben. "Kaiser Wilhelm lässt betonen", erläuterte Ludwig Klug das vermeindliche Angebot, "daß das Anerbieten keinem politischen Hintergedanken entsprungen sei und daß das Geld nicht aus Allerhöchst seinen Privatmitteln, sondern aus Fonds genommen werde, über die Ihm ein Dispositionsrecht zustehe. Ganz selbstverständlich sei die subtielste Behandlung dieser Angelegenheit." Das Geld sei aber nur für die Schuldenregulierung gedacht, so der Hofrat, womit sich die Offerte für Ludwig bereits erledigt hatte. Er wollte bauen - nicht bezahlen."
Hilmes, Oliver: Ludwig II., Der Unzeitgemäße König, München 2013, S.353
Die jährlichen finanziellen Möglichkeiten Ludwig II. beziffert Hilmes wie folgt:
"Dem bayerischen König stand für seine privaten Belange eine Pauschalsumme - die sogenannte Zivilliste - zur Verfügung. Diese betrug Ende der 1870er Jahre etwa 4,2 Millionen Mark pro Jahr, was heute in etwa 28,18 Millionen Euro entspricht. Dieses Geld konnte Ludwig aber nicht nach Belieben ausgeben, da der überwiegende Teil für die Organisation des Hofstaates, für Repräsentationszwecke sowie für die Instandhaltung der diversen Schlösser reserviert war. Von den 4,2 Millionen blieben dem König etwa 800.000 Mark zur Disposition. Hinzu kamen Erträge aus Verpachtungen, Kapitalzinsen, die streng geheimen Zahlungen aus dem "Welfenfonds" sowie seit 1877 jährlich etwa 430.000 Mark aus einer von König Max gegründeten Familienstiftung.
Alles in allem wurde die königliche Privatschatulle, deren Verwaltung traditionsgemäß zu den Aufgaben des Hofsekretärs gehörte, jährlich mit rund 1,5 Millionen Mark gut aufgefüllt."
Hilmes, Ludwig II. S.345
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Die genannten Zahlen legen nahe, dass Mitte 1885 eine Übernahme und Tilgung der Schulden Ludwigs durch den Bayerischen Staat ohne weiteres möglich gewesen wären, wenn denn der entsprechende politische Wille vorhanden gewesen wäre im Gegenzug Konzessionen zu machen.
Eine Summe mit dem heutigen Gegenwert von an die 88,26 Millionen Euro hätte dem bayerischen Staat ganz sicher nicht finanziell das Genick gebrochen.
Ob die angebliche Offerte von Seiten des Kaisers so stattgefunden hat, muss natürlich im Konjunktiv bleiben, es ist aber aus verschiedenen Gründen sehr gut denkbar:
- Von preußischer Seite konnte man kein Interesse daran haben, dass Ludwig II. Finanzen öffentlich allzu gründlich auseinandergenommen würden, was bei Zahlungsunfähigkeit unvermeidbar gewesen wäre, weil dann möglicherweise die geheimen Zahlungen aus dem "Welfenfonds" an Ludwig II. publik geworden wären.
Das wäre sowohl für Preußen, als auch für die bayerische Monarchie ein großer Schaden gewesen.
Ludwig II. hätte man von bayerischer Seite (im Besonderen von Seiten der die Reichseinheit ablehnenden "Patrioten") her glatten Landesverrat vorwerfen können, wenn publik geworden wäre, dass sich Ludwig II. für seine Reichsfreundliche Politik von Berlin aus privat bezahlen ließ.
Für die preußische Monarchie hätte es ebenfalls einen erheblichen Schaden aus zweierlei Gründen bedeutet:
1. Weil der "Welfenfonds" zu weiten Teilen aus dem im Zuge des Kriegs von 1866/1867 beschlagnahmten Vermögen der 1867 abgesetzten Könige von Hannover bestand, was bedeutet, dass diese Gelder letztendlich aus fremdem, wenn auch "beschlagnahmten" Vermögen abezweigt wurden.
2. Weil es sich de facto um eine schwarze Kasse handelte, aus der am preußischen Landtag und am Reichstag vorbei auf Betreiben des Reichskanzlers und preußischen Ministerpräsidenten Bismarck Zahlungen geleistet wurden, die sich eventuell als Staatsausgaben verstehen ließen, was in diesem Fall glatt verfassungswidrig, da am parlamentarischen Budgetrecht vorbei gewesen wäre.
Auch musste man sich in Berlin natürlich Gedanken darüber machen, wo Ludwig II. möglicherweise Hilfe suchen würde, wenn ihm die Finanzen tatsächlich um die Ohren fliegenn sollte.
Hilmer erwähnt in seinem Buch an anderer Stelle noch, dass wohl Bismarck über die finanziellen Kalamitäten Ludwigs sehr beunruhigt gewesen sein soll, weil er fürchtete, dass Frankreich möglicherweise einspringen und sich Ludwig II. und Bayern damit verpflichten könnte, was möglicherweise die Reichseinheit nachträglich unterminiert hätte.
Eine andere von Hilmes nicht angesprochene mögliche Konsequenz: Wäre Ludwig II. in die Verdrückung gekommen, sich die Tilgung seiner Schulden aus der Staatskasse bezahlen zu lassen und dafür Reformen und weitere Parlamentarisierung in Aussicht zu stellen, hätte die öffentliche Debatte darum über Bayern hinaus ausgreifen können und ein Reformschub in Bayern in Richtung auf ein tatsächlich vollparlamentarisiertes System hin, hätte möglicherweise zu einer vermehrten Infragestellung auch des zunehmend anachronistischen Wahlrechts in Preußen und der dort nicht gegebenen Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament führen können und das wäre kaum im Sinne der preußischen Monarchie gewesen.
Sollte Wilhelm I. die kolportierten 10 Millionen Mark tatsächlich offeriert haben (wofür es, wenn sie zur Disposition gestanden hätten, wie skizziert gute Gründe gegeben hätte), wären von Ludwigs Schuldenberg noch etwa 3,5 Millionen Mark übrig geblieben.
Bei zur Verfügung stehenden Mitteln aus der Zivilliste und der anderen Einnahmen in Höhe von 1,5 Millionen Mark per annum, wären die verbliebenen Restschulden dann bei entsprechender Sparsamkeit binnen weniger Jahre abzutragen gewesen.
Gegebenenfalls wäre es sicherlich auch möglich gewesen, sich angesichts der neuen Schlossbauten, von älteren, nicht mehr genutzten Schlössern zu trennen um weitere Finanzspritzen zu acquirieren und deren Instandhaltungskosten einzusparen oder sie zu verpfänden um darüber die Finanzen zu konsolidieren.
Möglicherweise sah also auch Ludwig II. private finanzielle Lage nicht so düster aus, wie es auf den ersten Blick scheint, ein Problem dürfte demgegenüber vor allem sein Unwille gewesen sein, sich zu Einsparungen aufzuraffen und vom Vorrantreiben der Bauprojekte zu lassen oder es zumindest so zu verlangsamen, dass es aus seinen Einnahmen zu bestreiten gewesen wäre.