Machtergreifung 1933

Nicht umsonst ist in den Befugnissen des Gesetzes immer von der Reichsregierung, nicht vom Reichskanzler die Rede.
Insofern trat das Gesetz bereits am 27. Juni 1933 außer Kraft, als Reichswirtschaftsminister Hugenberg zurücktrat. Die Regierung war ab jetzt nicht mehr dieselbe wie am 24. März 1933.
 
Das habe ich so keineswegs geschrieben, siehe schon Beitrag 78:
Ich hatte Deine Beiträge nicht mehr komplett durchgelesen, bei mir war angekommen, dass Brüning als einziger die korrekten Mehrheitsverhältnisse im Blick hatte, während Göring (im Reichstagsprotokoll) und die gesamte wissenschaftliche Literatur Blödsinn erzählt, daher war mir Dein schulmeisternder Hinweis "siehe Reichstagsprotokoll. Bestätigung durch wissenschaftl. Lit." einen Smiley wert.

 
Der Knackpunkt ist, dass man sich nur so lange die Illusion machen konnte, Hitler sei irgendwie kontrollierbar, wie Hindenburg Reichspräsident blieb.
Der konnte aber auf Grund seines fortgeschrittenen Alters jederzeit ausfallen und dann war damit zu rechnen, dass Hitler erneut um das Amt des Reichspräsidenten kandidieren würde, wie er es bereits 1932 getan hatte.
Hätte er dieses Amt erreicht, wäre er allerdings vollkommen unkontrollierbar geworden.

Die Konservativen, die mit der Option Hitler spielten, mussten sich nicht nur Gedanken darüber machen, wie sie einen Kanzler Hitler mäßigen konnten, sondern auch wie sie einen Reichspräsidenten Hitler verhindern konnten, sollte der alte Hindenburg den Löffel reichen oder alters-/krankheitsbedingt ausfallen und das Amt nicht mehr führen können.

Die Vorstellung, dass man sich von konservativer Seite einreden konnte Hitler benutzen zu können, konnte nur so lange funktionieren, wie die Personalie des Reichspräsidenten nicht akkut wurde, denn wenn sie das wurde, mussten die Konservativen entwerder bereit sein auch einen vollkommen unkontrollierbaren Hitler zu akzeptieren, oder jederzeit bereit sein sich gegen seine Ambtionen auf die Reichspräsidentschaft zu wenden, was aber mit einer Koalition kaum vereinbar gewesen wäre.

Das musste eigentlich jeder Konservative, der ein wenig vorausdachte sehen.



Wenn ich das richtig erinnere, war das "Ermächtigungsgesetz" in der Hinsicht limitiert, dass es seine Gültigkeit im Falle einer Kabinettsumbildung einbüßte.
D.h. das "Ermächtigungsgesetz" konnte nicht von konservativer Seite gegen Hitler gewendet werden, weil dann die Demission eines einzigen nationalsozialistischen Ministers genügt hätte um es aufzuheben.
Insofern war es weder von konservativer noch nach nationalsozialistischer Seite her de jure möglich das Gesetz lediglich für eigene Zwecke zu kapern.



Angesichts von Hindenburgs Alter und dem Umstand, was ein Reichspräsident Hitler bedeutet hätte, mussten sie stündlich mit dem Machtverfall der Reichsregierung rechnen


Letztendlich ist die Frage nach dem Reichspräsidenten für mich auch der Aufhänger, warum ich das etwas anders beurteilen würde.
Mit weiteren Machttransfers zu Gunsten Hitlers war unter diesen Umständen zu rechnen.

Wenn man Hitlers Machtperspektiven wirklich eindämmen wollte, musste man ihn vor allem als potentiellen Reichspräsidenten ausschalten und das musste eigentlich bedeuten, dass man seine Kanzlerschaft nicht wünschen konnte und wenn diese nicht vermeidbar war, ihn schnell wieder los werden musste, bevor er die Mittel in die Hand bekommen würde über die Gesetzgebung seine eigenen Chancen Hindenburgs Nachfolger werden zu können, entscheidend verbessern konnte.

Und das sehe ich ehrlich gesagt bei den konservativen Ministern nicht.

Vielleicht verstehe ich Dich falsch, aber gehst Du wirklich davon aus, dass die bürgerlichen Parteien bzw. Politiker, die Hitler an die Macht verhalfen oder dem Ermächtigungsgesetz letztlich zustimmten, die Entwicklung der nächsten eineinhalb Jahre bis zu Hindenburgs Tod so vorausahnten - und trotzdem so handelten? Dann müsste man ihr Tun natürlich nochmals viel kritischer bewerten und die Quellen anders anschauen, aber zumindest mir wäre diese These neu.
 
Insofern trat das Gesetz bereits am 27. Juni 1933 außer Kraft, als Reichswirtschaftsminister Hugenberg zurücktrat. Die Regierung war ab jetzt nicht mehr dieselbe wie am 24. März 1933.

Das ist gewiss richtig, aber sah Hugenberg es so voraus? Hoffte er nicht vielmehr, selbst eine wichtige Rolle in der kommenden Diktatur spielen zu können? Ich lasse mich da sehr gern eines Besseren belehren, aber ich hatte das Handeln vieler bürgerlicher Politiker Anfang 1933 immer unter der Prämisse gesehen, dass sie Hitler einhegen zu können glaubten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte doch nochmals nachfragen, ob das mit dem Ende des Gesetzes so stimmt?

Artikel 5 lautete ja: Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem 1. April 1937 außer Kraft; es tritt ferner außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst wird.

Gilt der Rücktritt eines Ministers oder eine kleinere Kabinettsumbildung bereits als andere Regierung? Zumindest scheint das Gesetz am 30. Januar 1937 "ordnungsgemäß" verlängert worden zu sein (aus dem Document-Archiv):

Der Reichstag hat das folgende einstimmig Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

E i n z i g e r A r t i k e l

(1) Die Geltungsdauer des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich ["Ermächtigungsgesetz"] vom 24. März 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 141) wird bis zum 1. April 1941 verlängert.

(2) Das Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 75) bleibt unberührt.

Eine frühere Verlängerung habe ich nicht gefunden.
 
Vielleicht verstehe ich Dich falsch, aber gehst Du wirklich davon aus, dass die bürgerlichen Parteien bzw. Politiker, die Hitler an die Macht verhalfen oder dem Ermächtigungsgesetz letztlich zustimmten, die Entwicklung der nächsten eineinhalb Jahre bis zu Hindenburgs Tod so vorausahnten - und trotzdem so handelten?

Hindenburg ist 1847 geboren worden, war, bzw. wurde also 1933 zarte 86 Jahre alt, damit lag er bei der Ernennung Hitlers selbst nach heutigen Maßstäben deutlich über der statistischen Lebenserwartung.

Unter diesen Umständen musste jeder vernünftig denkende Mensch damit rechnen, dass Hindenburg jederzeit ausfallen konnte und mittelfristig nicht mehr in der Lage sein würde die Amtsgeschäfte zu führen.
Das nicht auf der Rechnung zu haben, wäre schlicht unvernünftig gewesen.
Damit musste man die Frage der Nachfolge auf der Rechnung haben und in diesem Kontext selbstredend auf den, nach dem Reichspräsidenten stärksten Mann in der Politik rechnen.
Das Hitler nach Ausweitung seiner Macht und präsidialen Befugnissen strebte, um das zu wissen, musste man kein Hellseher sein.
Schließlich hatte er 1932 bereits versucht dieses Amt zu erreichen und Hindenburgs frühere Erwägung Hitler zum Kanzler zu machen war in 1932 lediglich an Hitlers Forderung nach diktatorischen Vollmachten gescheitert.

Unter diesen Umständen musste jeder damit rechnen, dass Hindenburg mittelfristig ausfallen und Hitler dann nach der unumschränkten Macht streben würde, die ihm um so leichter zufallen würde, wenn man ihn in dieser Situation in die zweitmächtigste Position im Land brachte.

Will sagen: Wer das Kabinett Hitler stützte, musste sich, um das tun zu können mit der Perspektive einer unumschränkten Diktatur Hitler stillschweigend arrangiert haben.
 
Gilt der Rücktritt eines Ministers oder eine kleinere Kabinettsumbildung bereits als andere Regierung?

Wir reden hier von einer Regierung, die nicht als ordentliche Koalitionsregierung zusammengekommen, sondern als Präsidialkabinett unter Beteiligung parteipolitisch nicht gebundener Persönlichkeiten eingesetzt worden war.
Insofern der Rücktritt eines parteipolitisch nicht gebundenen Regierungsmitglieds nicht einfach durch einen anderen Kandidaten der Partei kompensiert werden konnte, bedeutete hier selbst eine geringfügig Kabinettsumbildung möglicherweise bereits eine deutliche Machtverschiebung innerhalb der Regierung.

Der Umstand, dass ein solches Präsidialkabinett, auch wenn es sich mittlerweile eine Reichstagsmehrheit (mit ungesetzlichen Mitteln, wie ich hinzufügen möchte) beschafft hatte, gar nicht so ohne weiteres umgebildet werden konnte, weil für die parteilosen Kandidaten die natürlichen Nachfolger fehlten, liegt es nahe, dass das Ermächtigungsgesetz ausschließlich dem Kabinett zugedacht war, wie es sich bei seiner Verabschiedung zusammensetzte.

Zumindest scheint das Gesetz am 30. Januar 1937 "ordnungsgemäß" verlängert worden zu sein

Durchaus ein Kuriosum, wenn man bedenkt, dass dass es seit spätestens 1934 überhaupt keine Instanz in Deutschland mehr gab, die das Handeln der NSDAP auf juristischem Wege hätte angreifen können und diese Verlängerung damit ohnehin operettenhaften Charakter trug.

Wie kommst du hier aber auf "ordnungsgemäß"?

Ich darf an der Stelle freundlich darauf hinweisen, dass Ende Juni 1933 nicht nur Hugenberg aus dem Kabinett Hitler zurücktrat, sondern sich auf Druck Hitlers auch die DNVP (ab Mai 1933 firmierte sie unter dem Namen "Deutschnationale Front") auflöste und somit keein Abgeordneter der DNVP im Kabinett Hitler mehr vertreten war.

Selbst wenn du anzweifeln möchtest, dass das Ausscheiden Hugenbergs dem Gesetz die Grundlage entzog, wird sich nicht bestreiten lassen, dass es spätestens das Ausscheiden der DNVP aus dem Kabinett Hitler durch Selbstauflösung tat.

Insofern kann von einer "ordnungsgemäßen" Verlängerung genau so wenig die Rede sein, wie davon, dass dieses Gesetz mit ordnungsgemäßen, legalen Mitteln verabschiedet worden wäre.
 
Ich lasse mich da sehr gern eines Besseren belehren, aber ich hatte das Handeln vieler bürgerlicher Politiker Anfang 1933 immer unter der Prämisse gesehen, dass sie Hitler einhegen zu können glaubten.

Von der Thematik "Reichspräsidentschaft" abgesehen, von "Einhegen", konnte nach der "Reichstagsbrandverordnung" keine Rede mehr sein.
Hinderte Hugenberg und co. allerdings trotzdem nicht sich weiterhin zu beteiligen.
Die Rhetorik Hitler einhegen zu wollen dürfte mehr der Beschwichtigung Hindenburgs gegolten haben, als dem tatsächlichen Glauben daran den dafür nötigen Einfluss aufzubringen.
Im Besonderen, auch weil durch die Beteiligung parteipolitisch nicht gebundener Personen eine Organisation von Widerstand im Kabinett gegenüber Hitler zusätzlich insofern schwer fallen musste, als dass das Mittel der Disziplinierung einzelner Kabinettsmitglieder durch eine Parteiorganisation nicht zur Verfügung stand.
 
Wie kommst du hier aber auf "ordnungsgemäß"?

Ich darf an der Stelle freundlich darauf hinweisen, dass Ende Juni 1933 nicht nur Hugenberg aus dem Kabinett Hitler zurücktrat, sondern sich auf Druck Hitlers auch die DNVP (ab Mai 1933 firmierte sie unter dem Namen "Deutschnationale Front") auflöste und somit keein Abgeordneter der DNVP im Kabinett Hitler mehr vertreten war.

Selbst wenn du anzweifeln möchtest, dass das Ausscheiden Hugenbergs dem Gesetz die Grundlage entzog, wird sich nicht bestreiten lassen, dass es spätestens das Ausscheiden der DNVP aus dem Kabinett Hitler durch Selbstauflösung tat.

Wie gesagt, ich kann bloß mitteilen, was ich auf die Schnelle herausfinden konnte: Entweder es war der Reichsregierung gar nicht klar, dass das Ermächtigungsgesetz im Sommer oder Herbst 1933 ausgelaufen war, oder man wollte den Eindruck einer gewissen Kontinuität wahren oder man interpretierte den Passus der Regierung in Artikel 5 im Hinblick auf ein "Kabinett Hitler" - es traten ja eben nicht alle konservativen Minister aus der Regierung aus, als die bürgerlichen Parteien aufgelöst wurden. Jedenfalls scheint man davon ausgegangen zu sein, dass das Gesetz bis 1937 in Kraft geblieben sei und dann "regulär" zur Verlängerung angestanden habe. Eine Begründung dafür habe ich nicht gefunden, aber auch keinen Versuch konservativer Politiker, Hindenburg mit Verweis auf eine solche Gesetzeslücke zu beeinflussen - oder gar entsprechende Artikel in der Exilpresse, die darauf verwiesen. Auch in der Fachliteratur ist mir keine Diskussion bekannt, in der es um ein solches Auslaufen des Gesetzes bereits Mitte 1933 geht. Das muss natürlich nichts heißen, vielleicht kenne ich die entsprechenden Texte auch einfach nicht oder habe sie von zuhause aus nicht entdeckt.
 
Wie kommst du hier aber auf "ordnungsgemäß"?
[...]
Insofern kann von einer "ordnungsgemäßen" Verlängerung genau so wenig die Rede sein, wie davon, dass dieses Gesetz mit ordnungsgemäßen, legalen Mitteln verabschiedet worden wäre.

Dass das Ermächtigungsgesetz nur in einem sehr oberflächlichen Sinn und aus Sicht seiner Unterstützer "legal" war und nicht mit demokratischen Mitteln zustande kam, ist meines Erachtens klar. Dennoch hielt das Regime offenbar daran fest, dieses "legale" Mäntelchen zu nutzen, sonst hätte man es 1937 ja nicht verlängert. Und so bleibt für mich auch die Frage offen, welche Motive die konservativen Unterstützer des Gesetzes hatten. Dass Hindenburg nicht unsterblich war, dürften sie gewusst haben. Dass es nicht einmal mehr zu einer Wahl des Präsidenten kommen würde, wohl eher nicht. Dass Hitler nach möglichst viel Macht greifen würde, dürften sie ebenfalls geahnt haben. Sie hofften aber möglicherweise, ihn überspielen und für ihre Zwecke instrumentalisieren zu können, sonst ergäben bestimmte Äußerungen und Handlungen aus dem Frühjahr 1933 wenig Sinn - oder man müsste annehmen, dass Hugenberg und Papen gezielt auf eine Alleinherrschaft der NSDAP hinarbeiteten.
 
Mit der Einschränkung der oberflächlichen „Legalität“:

Der Wechsel eines Ministers hat nichts mit der Frage der Reichsregierung iS von Artikel 52 WV zu tun.

Die WV Verfassung führte das Prinzip der Kollegialstruktur bzgl. der Reichsregierung ein (so auch Artikel 62 GG), die Verfassung von 1871 hatte dagegen das monokratische Prinzip in der Struktur, wonach die Reichsregierung aus dem Reichskanzler bestand. Somit bestand die Reichsregierung resp. das „Kabinett Hitler“ bis zur turnusgemäßen Verlängerung des Ermächtigungsgesetzes 1937 und lieferte auch keinen Auslaufgrund.

Die reguläre Verlängerung des Ermächtigungsgesetzes stand daher 1937 an. Obwohl es in einigen Justizkreisen als verzichtbar angesehen wurde, bestand laut Lammers Hitler persönlich auf der Verlängerung.
Siehe Pfundtner an Frick, 16.1.37
Problem war hier der „Anschein“: ein beschließender Reichstag könnte als über dem Führer stehend angesehen werde, die Bedenken hatte man in den gleichgeschalteten und voll auf Führerstatt gepolten Juszütizkreisen. Das MdJ sah das außerdem als verzichtbar an, und nur als „Klarstellungsgesetz“ wegen Artikel 4 NeuaufbauG. Danach fasste man die Führer-„Gesetzgebungsmacht“ in „Gesetz über die Reichsgesetzgebung“, Art. 1: Die Reichsgesetze werden vom Führer und Reichskanzler erlassen. Sie werden von den Reichsministern eingebracht und von der Reichsregierung beraten. Die Beratungen äußerten sich so, dass von Ministerien vorgeschlagene Gesetze nur noch im Umlaufverfahren „beraten“ wurden/kreiselten.
 
Der Wechsel eines Ministers hat nichts mit der Frage der Reichsregierung iS von Artikel 52 WV zu tun.
Der Artikel lautet: "Die Reichsregierung besteht aus dem Reichskanzler und den Reichministern."

Bei Strenge lese ich:

Selbst wenn man das ErmG nach damaliger Lesart für gültig in Kraft getreten unterstellt, so trat es doch schon am 29. Juni 1933 außer Kraft. Dieser Aspekt ist in der Geschichtsschreibung bisher unberücksichtigt geblieben, vermutlich, weil die Realität von 1933 bis 1945 über diese juristische Frage schlicht hinwegging. Gemäß Art. 5 ErmG trat das ErmG außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst würde. Die Änderung der gegenwärtigen Reichsregierung ist eine auflösende Bedingung, ihr Eintritt setzte das ErmG automatisch außer Kraft. Dies geschah am 29. Juni 1933 mit dem Rücktritt von „Doppelminister“ Hugenberg.
 
Will sagen: Wer das Kabinett Hitler stützte, musste sich, um das tun zu können mit der Perspektive einer unumschränkten Diktatur Hitler stillschweigend arrangiert haben.
Nein, weder Schacht, Hugenberg oder Papen hatten dies getan und als unabweisbar kommend eingeschätzt, als sie und andere Hindenburg drängten, den übergroßen Faktor H. und die NS-Bewegung in ein weiteres, neues Präsidial-Kabinett einzubinden, nachdem die Präsidial-Kabinette Papens und nachfolgend Schleichers am Reichstag bzw. dann an Hindenburg und den Intrigen gegeneinander und aller gegen jeden scheiterten.

Siehe beispielsweise Papens Marburger Rede vom Juni 1934. Papen entkam mit Mühe dem 'Röhmputsch' einige Tage später.

Kurt von Schleicher hatte ab Dezember 1932 die mögliche Gefährlichkeit H.s anscheinend wohl ungefähr erkannt und H.s mögliche Regierungsbeauftragung bekämpft - nachdem Schleicher monatelang im Sommer '32 versuchte, H. 'regierungsfähig' zu reden.

Unterschätzt haben H. zumindest bis (Ende) Februar '33 etliche Akteure der Politik und Hitler-Gegner, wie Kurt Schumacher.

Verhängnisvoller noch war die Illusion, die Schumacher mit allen Gegnern Hitlers teilte, nämlich die, daß die in der Hitler-Hugenberg-Papen-Regierung versammelte politische und moralische Inkompetenz bald abgewirtschaftet haben würde.
Zitiert nach: Wolfgang Benz, Widerstand gegen den Nationalsozialismus - Legitimation für Kurt Schumachers Führungsanspruch im demokratischen Deutschland, in: Dieter Dowe (Hrsg.), Kurt Schumacher und der "Neubau" der deutschen Sozialdemokratie nach 1945 : Referate und Podiumsdiskussion eines Kolloquiums des Gesprächskreises Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn am 12./13. Oktober 1995, Bonn 1996, S. 65.

 
Zuletzt bearbeitet:
Bei Strenge lese ich:
S. 11 u.a.:

[...] Die Zentrumspartei107 und Hindenburg108 hatten auf dem Wort „gegenwärtige“ zur Konkretisierung der Reichsregierung bestanden. Sie wollten sichergehen, dass das ErmG ausschließlich der Regierung zur Verfügung stehen solle, wie sie am 24. März 1933 personell zusammengesetzt war, nämlich „nur“ mit vier Nationalsozialisten. Eine Reichsregierung mit noch weiteren Nationalsozialisten sollte nicht mit dem ErmG arbeiten dürfen. Diese Überlegung war Teil des „Zähmungskonzepts“. [...]
S. 12:

[...] Im allgemeinen Sprachgebrauch wurde und wird eine Regierung nach dem Kanzler benannt, ungeachtet personeller Veränderungen im Kabinett. In Art. 5 ErmG heißt es aber eben nicht: „die Regierung Hitler“, was auf die Person des Kanzlers abheben würde. Die bewusst gewählte Formulierung „gegenwärtige Reichsregierung“ hebt demgegenüber ab auf den augenblicklichen, gegenwärtigen Zeitpunkt 24. März 1933.

Das Problem, ob ein Ermächtigungsgesetz außer Kraft trete, wenn sich an der Regierungszusammensetzung etwas änderte, war den Juristen spätestens seit dem Ersten ReichsErmächtigungsgesetz vom 13. Oktober 1923 (RGBl. 1923 I S. 943) und dessen Geschichte nur zu gut bekannt. Dessen § 2 S. 2 lautete: „Es (i. e. das Gesetz, d. Verf.) tritt mit dem Wechsel der derzeitigen Regierung oder ihrer parteipolitischen Zusammensetzung, spätestens aber am 31. März 1924, außer Kraft“. Dieses Gesetz erlosch ohne weiteres am 3. November 1923, als die sozialdemokratischen Minister das Kabinett Stresemann II verließen. Stresemann hatte noch am 2. [Korrektur von '22.' auf zutreffend '2.', Anm. von mir] November 1923 ausdrücklich davor gewarnt 109. Das am 29. November 1923 neu gebildete Kabinett Marx I erhielt ein neues, das Zweite Reichs-Ermächtigungsgesetz. Demgegenüber sprachen die vor 1923 in Kraft getretenen Ermächtigungsgesetze 110 allesamt nur von der „Reichsregierung“, die die Ermächtigungsgesetze auf Beschluss des Reichstags außer Kraft zu setzen hätten. Wenn also der „Reichsregierung“ ein weiteres Attribut wie „derzeitige“ oder „in ihrer parteipolitischen Zusammensetzung“ oder „gegenwärtige“ beigegeben wird, so kommt es eben nicht ausschließlich auf die Person des Kanzlers an, sondern auch auf das beigegebene Attribut.
[...]
Hugenberg trat am 29. Juni '33 als Wirtschaftsminister im Hitler-Kabinett zurück, er gehörte der DNVP an; zum Nachfolger als Wirtschaftsminister wurde Kurt Schmitt ernannt, er gehörte der NSDAP an. Dennoch war mit dem Ausscheiden von Hugenberg nicht die Koalition NSDAP-DNVP beendet, und damit unterscheidet sich die Situation von jener im Kabinett Stresemann II, welches am 3. November 1923 alle sozialdemokratischen Minister verließen. Andererseits änderte sich mit der Hugenberg-Nachfolge durch Schmitt die parteipolitische Zusammensetzung der Hitler-Kabinetts.
 
Andererseits änderte sich mit der Hugenberg-Nachfolge durch Schmitt die parteipolitische Zusammensetzung der Hitler-Kabinetts.

Die Bedingungen für das Ende der Gültigkeit des Gesetzes waren im Ermächtigungsgesetz vom Oktober 1923 aber auch deutlich strenger formuliert als für das Ermächtigungsgesetz von 1933:

§ 2:
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem Wechsel der derzeitigen Reichsregierung oder ihrer parteipolitischen Zusammensetzung, spätestens aber am 31. März 1924, außer Kraft.

(Hervorhebung durch mich)

Ermächtigungsgesetz. Vom 13. Oktober 1923 – Wikisource

Wenn ein Wechsel in der parteipolitischen Zusammensetzung in jedem Fall als ein Wechsel der Reichsregierung angesehen worden wäre, wäre diese explizite Klausel ja eigentlich überflüssig gewesen. Die Interpretation, dass der Wechsel eines einzelnen Ministers zu einem Wechsel der Reichsregierung führt, ist imho jedenfalls abwegig. Z. B. gab es auch im Kabinett Müller II mehrere personelle Wechsel, auch mit Wechsel der Parteizugehörigkeit, ohne dass als Ablösung der Regierung verstanden wurde. Es war immer noch das Kabinett Müller II.

Diese Klausel mit der parteipolitischen Zusammensetzung fehlt im Gesetz von 1933. Sie wird wohl auch kaum angemessen durch das Wort "gegenwärtig" ersetzt, auf dem das Zentrum und Hindenburg bestanden haben sollen, denn das entspricht doch dem "derzeitig" im Gesetz von 1923, stellt also keine Verschärfung der entsprechenden Bedingung dar.
 
Die Bedingungen für das Ende der Gültigkeit des Gesetzes waren im Ermächtigungsgesetz vom Oktober 1923 aber auch deutlich strenger formuliert als für das Ermächtigungsgesetz von 1933:

§ 2:
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem Wechsel der derzeitigen Reichsregierung oder ihrer parteipolitischen Zusammensetzung, spätestens aber am 31. März 1924, außer Kraft.

Diese Klausel mit der parteipolitischen Zusammensetzung fehlt im Gesetz von 1933.
Ja, gut gesehen

Die fett gesetzte Klausel fehlt im ErmG v. 24.3.33 eindeutig:
Art. 5. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem 1. April 1937 außer Kraft; es tritt ferner außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst wird.
Daher scheint auch mir Strenges Deutung, mit Hugenbergs Rücktritt sei das ErmG vom März '33 aufgehoben, nicht zutreffend, auch und gerade entlang ihres zitierten Beispiels vom Kabinett Stresemann II, da im Juni 1933 mit dem alleinigen Rücktritt Hugenbergs nicht alle anderen DNVP-Minister der Koalitionsregierung das Hitler-Kabinett verlassen haben.

Korrektur: Selbst mit dem Rücktritt aller DNVP-Minister im Hitler-Kabinett hätte die "gegenwärtige Reichsregierung" weiter bestanden, da die Änderung der parteipolitischen Zusammensetzung des Hitler-Kabinetts keine Rolle spielte entlang Art. 5 ErmG.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Artikel lautet: "Die Reichsregierung besteht aus dem Reichskanzler und den Reichministern."

Bei Strenge lese ich:

Selbst wenn man das ErmG nach damaliger Lesart für gültig in Kraft getreten unterstellt, so trat es doch schon am 29. Juni 1933 außer Kraft. Dieser Aspekt ist in der Geschichtsschreibung bisher unberücksichtigt geblieben, vermutlich, weil die Realität von 1933 bis 1945 über diese juristische Frage schlicht hinwegging. Gemäß Art. 5 ErmG trat das ErmG außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst würde. Die Änderung der gegenwärtigen Reichsregierung ist eine auflösende Bedingung, ihr Eintritt setzte das ErmG automatisch außer Kraft. Dies geschah am 29. Juni 1933 mit dem Rücktritt von „Doppelminister“ Hugenberg.

Deshalb sagte ich oben: ich halte die Aussage (der Rechtsanwältin Irene Strenge) juristisch für nicht haltbar. Sie ist auch nicht von der herrschenden Meinung (vor 1933) zur WV gedeckt.

Artikel 52 (wie auch Artikel 62 GG) definiert die Struktur eines Verfassungsorgans, und damit (ausschließlich materiell) die Organ- bzw. Kollektivverantwortung, in drei Ausprägungen:

a) Rechte- und Pflichtenteilung innerhalb der Regierung (unabhängig von der Anzahl der Minister) -Teilungsprinzip der Regierungsgeschäfte
b) Stimmberechtigung (innerhalb) der Reichsregierung - Ausschließlichkeitsprinzip
c) Gremiumprinzip - wo immer gesetzlich eine Handlung erforderlich ist, ist nur die Kollektivhandlung verfassungsgemäß, alles andere rechtswidrig. Das ist bedeutsam, um Einzelzuständigkeiten von Ministern von Kollektivzuständigkeiten zu unterscheiden.

Auf die „nämliche“ (personelle) Zusammensetzung des so definierten „Kollektivs“ kam es nicht an, wie auch - logischerweise - nicht auf Anzahl von Ministerien, Todesfälle, etc. Damit hat Artikel 52 WV nichts zu tun, bietet folglich auch keine Bezugsgrundlage. Die Ablösung der Reichsregierung erfasst nur eine Kollektivablösung, etwa durch Neuwahlen, Abwahl oder Rücktritt der ganzen Regierung.

Der Rücktritt oder Tod eines einzelnen Ministers ist für das Bestehen des Verfassungsorgans „Reichsregierung“ (oder Bundesregierung) bedeutungslos (entsprechend auch für die Laufzeit von Gesetzen). Wie üblich kommt es bei Vorschriften nicht nur auf (das manchmal sehr spezielle Verständnis) des Wortlauts an, sondern darüber hinaus auf
- Bedeutungszusammenhang
- Entwicklung
- teleologisches Verständnis.
 
Nein, weder Schacht, Hugenberg oder Papen hatten dies getan und als unabweisbar kommend eingeschätzt, als sie und andere Hindenburg drängten, den übergroßen Faktor H. und die NS-Bewegung in ein weiteres, neues Präsidial-Kabinett einzubinden, nachdem die Präsidial-Kabinette Papens und nachfolgend Schleichers am Reichstag bzw. dann an Hindenburg und den Intrigen gegeneinander und aller gegen jeden scheiterten.

Lässt sich das durch irgendwelche internen Papiere belegen?
Das Hindenburg gegenüber so argumentiert wurde ist mir klar, nur möchte ich die Ernsthaftigkeit dieser Argumentation infrage stellen, weil die unterstellen würde, dass sich keiner der Beteiligten ernsthafte Gedanken für den Fall gemacht hätte, dass Hindenburg ausfallen würde.

Weniger bei Schacht, als bei Papen und Hugenberg sehe ich auch durchaus ein Motiv zur Unaufrichtigkeit in diesen Dingen.
Beide waren mittelfristig auf dem absteigenden Ast.

Papens gesamte politische Existenz, immerhin stand keine einzige Partei hinter ihm, hing vollständig an der Amtsfähigkeit eines 86-jährigen Hindenburgs.
Entsprechend hatte der Mann in gewissem Maße an die Zukunft zu denken und sicherlich ein Motiv dafür, sich mit einer Diktatur Hitler abzufinden, vorausgesetzt, dass er einen Platz in diesem System finden würde, weil er ansonsten mit Hindenburgs erwartbarem Ausscheiden von der politischen Bilfläche verschwunden wäre.

Und Hugenberg stand vor einem ähnlichen Problem. Hugenberg hatte, als er Westarp als maßgebliche Persönlichkeit in der DNVP ablöste die Partei aus der Kooperation mit der Republik heraus in die rechtsextreme Fundamentalopposition geführt und war mit diesem Aggieren gescheitert.
Als Hugenberg nach der Wahl von 1928 die Partei mit 14,2% übernahm, nachdem diese von ca. 20% in 1924 deutlich abgestürzt war, stürzte sie unter Hugenbergs Führung bis auf 5,9% im Juli 1932 ab um sich Ende 1932 auf 8,3% zu erholen.
Will heißen, Hugenberg hatte das schon 1928 als schlecht empfundene Ergebnis der DNVP innerhalb von 4 Jahren noch einmal sauber halbiert und seine Partei an den Rand der politischen Bedeutungslosigkeit gebracht.
Die Rolle als populäre Fundamentalopposition von rechts konnte unter Hugenberg nicht wieder eingenommen werden.
Das aber musste die DNVP letztendlich in eine vertrackte Situation bringen:

Mit einem Hugenberg als Anführer, war an eine Rückkehr der DNVP auf verfassungsmäßigen Boden nicht zu denken, gleichzeitig wurde sie als Fundamentalopposition von rechts allerdings durch die NSDAP marginalisiert.
Unter diesen Umständen, musste sich sicherlich auch Hugenberg fragen, wie lage er in der eigenen Partei noch einigermaßen im Sattel sitzen würde.
Somit hatte, wie ich das sehe, auch Hugenberg durchaus ein Motiv, eine eher unsichere politische Zukunft in der DNVP gegen einen sicheren Platz in Hitlers System einzutauschen, wobei natürlich der Rücktritt ander als bei Papen nahelegt, dass er sich das mindestens anders gedacht hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das scheint mir nicht unplausibel, wobei wir zumindest auch in Betracht ziehen müssen, dass jemand sich über die eigenen Möglichkeiten täuschte oder sich selbst zu wichtig nahm. Papen mochte sich vielleicht einreden, in einem von nationalkonservativen Gesinnungsfreunden dominierten Kabinett der eigentlich starke Mann zu bleiben, zumal man - wie Andreassolar schon sagte - durchaus auf das Scheitern Hitlers angesichts der beträchtlichen Probleme und der Unerfahrenheit fast aller NS-Leute in Regierungs- und Wirtschaftsfragen hoffen konnte. Das ist durch Äußerungen des Vizekanzlers aus den ersten Wochen der neuen Regierung recht gut bezeugt.

Auf die Sache mit Hindenburg weist Du mit Recht hin. Ich weiß nicht, wie man sich in hochkonservativen Kreisen die Wahl nach Hindenburgs Tod vorstellte. Es gab aber in einigen europäischen Staaten dieser Zeit gewisse Vorbilder, was "gelenkte" Wahlen und konservativ dominierte, autoritäre Regierungsformen anging. Im Nachbarland Österreich gelang dies Engelbert Dollfuß im Winter 1932/33, indem er sich als Ordnungsstifter gegen Bedrohungen von rechts, links und aus dem Ausland präsentierte und durch geschickte Winkelzüge Parlament und Verfassungsgericht aushebelte. Papen und Hugenberg könnten ähnliche Vorstellungen gehegt haben, selbst wenn deren Umsetzung nicht unbedingt realistisch war.
 
Das scheint mir nicht unplausibel, wobei wir zumindest auch in Betracht ziehen müssen, dass jemand sich über die eigenen Möglichkeiten täuschte oder sich selbst zu wichtig nahm.

Das sich da jemand zu wichtig nahm/überschätzte, würde ich am ehesten noch Hugenberg zutrauen, weil das ein ganzes Stück weit zu seinem Verhalten passt.
Neben dem recht schnellen Austritt aus dem Kabinett Hitler, auch zu dem Umstand, dass Sondierungen über eine Zusammenarbeit zwischen NSDAP und DNVP sich in 1932 schon einmal mitunter daran zerschlagen hatten, dass Hugenberg Hitlers Führungsanspruch nicht anerkennen und selbst maßgebliche Figur sein wollte.

Das erscheint einerseits Angesichts dessen, dass Hugenberg als Chef einer > 10%-Partei war etwas absurd, andererseits hatte Hindenburg ja auch im Hinblick auf Papen und dann später Schleicher, auf den parlametarischen Rückhalt der von ihm ausgsuchten Kanzler keinerlei Rücksicht genommen und schon Persönlichkeiten zu Kanzlern ernannt, die noch deutlich weniger Unterstützung hatten.

Bei Papen sehe ich das aber weniger, weil er anders als Hugenberg überhaupt keinen politischen Rückhalt außer Hindenburg hatte und weil er durch sein eigenes Scheitern als Kanzler eigentlich schon einmal die Erfarung gemacht hatte, dass es er selbst ohne irgendeine Form von Rückhalt politisch machtlos war, selbst als formaler Inhaber des zweithöchsten Staatsamtes.

Papen mochte sich vielleicht einreden, in einem von nationalkonservativen Gesinnungsfreunden dominierten Kabinett der eigentlich starke Mann zu bleiben, zumal man - wie Andreassolar schon sagte - durchaus auf das Scheitern Hitlers angesichts der beträchtlichen Probleme und der Unerfahrenheit fast aller NS-Leute in Regierungs- und Wirtschaftsfragen hoffen konnte.

Welches tatsächliche Interesse hätten die Beteiligten am Scheitern Hitlers haben sollen?
Papen, der politisch vollständig von Hindenburg abhing, musste sich unter Zeitdruck sehen, sich eine neue Unterstützungsbasis zu suchen, wenn er über Hindenburgs Ausscheiden hinaus im Geschäft bleiben wollte.

Durch ein Scheitern Hitlers hätte Papen in dieser Hinsicht lediglich Zeit verloren und unter Umständen auch seine eigene Person für Allianzen mit anderen politischen Kräften kompromittiert.

Hugenberg hätte ein Interesse haben können, dass Hitler scheitert, wenn er sich und seine DNVP nicht in eine Koalition mit Hitler geführt hätte, denn dann hätten er und seine Partei von einem Scheitern Hitlers profitieren können.
Nachdem diese Allianz aber einmal geschlossen war, bedeutete ein Scheitern Hitlers auch ein Scheitern Hugenbergs (und ob er dass nach den bisherigen politischen Fehlschlägen parteiintern überstanden hätte, wäre zu hintergfragen), in ähnlichem Maße auch ein Scheitern Papens gewesen.

Ich weiß nicht, wie man sich in hochkonservativen Kreisen die Wahl nach Hindenburgs Tod vorstellte.
Eben das ist der Knackpunkt. Wie wollte man auf der einen Seite mit Hitler regieren und die Opposition von Links ausschalten, gleichzeitig aber gegen einen kommenden Reichspräsidenten Hitler vorbauen?

Wenn die Regierung Hitler erfolg hatte, musste das in erster Linie Hitlers popularität steigern und seine Chancen ins höchste Staatsamt gewählt zu werden erhöhen, was ihm das Ausbrechen aus allen Schranken ermöglichen würde.
Wenn die Regierung Hitler scheiterte scheiterten die v. Papens und Hugenbergs mit ihr und angesichts des Umstands, dass die Hausmacht, die beide mitbrachten ohnehin kriselte, konnte das ihr Sturz in die politische Bedeutungslosigkeit sein.

Insofern konnten aus peersönlichen Gründen keiner von beiden interessiert daran sein, dass Hitler schnell scheiterte. Je länger das "Experiment Hitler" aber dauern würde, desto wahrscheinlicher musste angesichts des Alters ein Ausfallen Hindenburgs werden, dass das gesamte System stürzen konnte.

Im Nachbarland Österreich gelang dies Engelbert Dollfuß im Winter 1932/33, indem er sich als Ordnungsstifter gegen Bedrohungen von rechts, links und aus dem Ausland präsentierte und durch geschickte Winkelzüge Parlament und Verfassungsgericht aushebelte.

Im Gegensatz zu Papen und Hugenberg hatte Dollfuß allerdings ein Maß an Zustimmung, dass eine einigermaßen solide Grundlage für einen solchen faktischen Staatsstreich darstellte, außerdem war die Gesetzeslage in Österreich nicht ohne weitere auf Deuschland übertragbar.
Papen hatte politisch niemanden außer Hindenbrg hinter sich und Hugenberg stand in Form der NSDAP einem viermal stärkeren politischen Partner gegenüber.
Aus dieser Position heraus musste ihnen eigentlich klar sein, dass wenn jemand einen Staatsstreich betreiben würde, das Hitler sein würde und nicht sie.
 
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