Marxistische Lehre

Naja, die Idee der dialektischen Geschichtsphilosophie geht bei Marx stehts über die Vor-Endstufe Kapitalismus hin zur Aufhebung desselbigen im Rahmen des Umsturzes, der Revolution durch die Proletarier, die im sich radikalisierenden Endstadium des Kapitalismus die Vorherrschaft erringen.
Marx' Theorie postuliert, dass alle noch nicht kapitalistischen Wirtschaftssysteme, wie Agrarstaaten, nur über die Entwicklung hin zu einem kapitalistischen System schließlich den sozialistischen bzw. dann kommunistischen Ideal-Endzustand der Menschheit erreicht, meine ich mich zu erinnern & lässt sich auch belegen.

Doch mein Ausgangspunkt hier im Faden war:
In einigen Zeilen scheint mir der Versuch unternommen zu werden, Marx vor Marx zu retten. Die Fruchtbarmachung kann ich schon nachvollziehen, kann andererseits nicht übersehen, dass die Ideologie oder Dogmatik vom 'wissenschaftlichen Sozialismus' - auch in Abgrenzung zu allen anderen, natürlich nichtwissenschaftlichen, und daher nichtrelevanten sozialistischen oder sozialen Ideen - von Charly und Fritz wie auch die Aufladung mit einer welthistorischen und 'welterlösenden' Mission des 'Proletariats', verbunden mit der zum Dogma gewordenen dialektischen Geschichtsphilosophie durchaus gewisse Grundlagen für spätere, vermeintlich große Abwege legten.
 
Naja, die Idee der dialektischen Geschichtsphilosophie geht bei Marx stehts über die Vor-Endstufe Kapitalismus hin zur Aufhebung desselbigen im Rahmen des Umsturzes, der Revolution durch die Proletarier, die im sich radikalisierenden Endstadium des Kapitalismus die Vorherrschaft erringen.
Natürlich. Aber hieran wäre doch die Frage zu stellen: Wenn Marx mit der dialektisch-materialistischen Geschichtsauffassung davon ausging, dass politische Umstürze und Revolutionen nur das Nachvollziehen der ökonomischen und gesellschaftlichen Wandlungen darstellt (also bildlich gesprochen nichts anderes sei, als das Wiedereinpendeln eines aus den Fugen geratenen Gleichgewichts und eines Kollaps gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Stabilität), müsste doch der logische Schluss eigentlich sein, dass diejenigen, die die politische Revolution an Ende machten tatsächlich nicht Subjekt, sondern Objekt des historischen Prozesses seien und zwar eines Prozesses, der ihnen von anderen Akteuren aufgenötigt wird und gegen den sie sich selbst wenn sie das wollten, letztendlich gar nicht wehren könnten.

Marx selbst hat die Problematik mit der dialektischen Geschichtsauffassung und ihren Determinismen ja im Bezug auf das Proletariat erkannt und versucht mit der Kategorie des "Lunpenproletariats" das Ausbleiben der Revolution und das Ausbleiben des Handels des "Proletariats" als Klasse zu erklären und damit dann auf "Bewusstsein/Klassenbewusstsein" als bedeutende Bedingung für den weiteren Gang der Entwicklung abgestellt.
Damit brach er aber aus dem System der Annahmen seiner eigenen materialistischen Geschichtsauffassung aus.
Wenn politische Revolutionen, wie die Theorie annimmt, notwendige Folge sozialer und wirtschaftlicher Umbrüche und Verschiebungen wäre, müsste Bewusstsein, eine völlig untergeordnete Rolle sein und/oder mehr oder weniger automatisch entstehen.
In dem Moment, in dem er das mit der Kategorie des "Lumpenproletariats" stark macht, fängt er an innerhalb des eigenen materialistischen Theoriesystems auf einmal idealistisch zu argumentieren und das geht eigentlich nicht mehr zusammen, weil es inkonsequent ist.

Hier kommt es meine ich, auf die bevorzugte Interpretation an.

Den Anwurf, Marx habe das "Proletariat" auf eine welthistorische Mission, im Kontext einer aus religiösen Kontexten entlehnten oder an sie angelehnten Heilserzählung geschicht, bzw. es darin eignebaut, kann man ihm machen, wenn man auf idealistischen Versatzstücke seiner Theorie abzielt.
Das ist sicherlich plausibel.
Was dann nicht mehr plausibel wäre, wäre der andere an Marx herangetragene Anwurf des überdeterminierten Theoriegebäudes und der überdeterministischen Weltsicht, denn wenn fehlendes Klassenbewusstsein, den Gang der Geschichte aufhalten kann und Klassenbewusstsein keine automatische Folge der gesellschaftlichen Entwicklung ist, kann es keine determinierte Zukunftsentwicklung geben. Es wäre ja dann möglich, dass die Bewusstseinsbildung aus welchen Gründen auch immer dauerhaft ausbleibt.

Andersherum, kann man natürlich auf den dialektisch-materialistischen, den überdeterminerenden Marx mit seiner starren Geschichtsphilosophie abstellen, aber diesem Argumentationsstrang, kann man wiederrum die kreuzzugsähnliche, welthistorische Mission des Proletariats nicht wirklich gut unterstellen, weil der einfach nur eine Abfolge quasimechanischer Gesetze beschreibt, in dem sowas wie individueller menschlicher Wille gar keinen Platz hat und noch weniger lässt dieser Argumentationsstrang, dass Aushebeln des Systems durch unvorhergesehenes Handeln zu.
Im Rahmen dieses Agrumentationsstrangs wiederrum wäre es vollkommen gleichgültig, ob das Proletariat auf irgendeine welthistorische Mission geht, ob es ein Klassenbewusstsein entwicklet oder nicht und dementsprechend könnte auch kein journalistischer Scharfmacher eine Revolution herbeischreiben.


Wenn ich das anspreche passiert das weniger in der Absicht Marx vor Marx zu schützen, als im Umgang mit Marxens eigenen Widersprüchen.

Man kann aus Marx, die theoretische Basis für eine überdeterminierte Geschichtsphilosophie (materialistische Lesart) ableiten oder die einer heilsgeschichtlichen Mission des Proletariats (idealistische Lesart).

Was man aus Marx mMn nicht sauber ableiten kann, weil man dann 1:1 Marxens eigene Widersprüche übernehmen müsste, ist eine Kombination beider Annahmen.
Nun kenne ich die realsozialistische Geschichtssrecheibung gut genug, um zu wissen, dass sich diverse Autoren nicht entblödet haben um auf Versatzstücke der unterschiedlichen sich gegenseitig ausschließenden Argumentationsmuster beider Stränge gleichzeitig abzustellen um die Richtigkeit einer daraus abgeleiteten dogmatischen Geschichtsschreibung zu "belegen" und dass die realsozialistische Geschichtssreibung dazu tendierte die idealistischen Aspekte von Marxens Interpretation stärker zu machen, was insofern logisch ist, als dass sich mit dem Postulat abstrakter, quasiemechanischer materialistischer Geschichtsentwicklung schon rein konzeptionell keine besonders sinnvolle, Staatsideologie aufbauen und schon gar keine Propaganda machen lässt.
Diese Konzeption, lässt sich ja mehr oder weniger in der Annahme zusammenfassen, dass historische Prozesse sich vollziehen und jeder menschliche Versuch etwas daran zu ändern, zum Scheitern verurteilt sei. Damit mobilisiert man keine Anhänger.

Ich für meinen Teil meine demgegenüber, dass man Marx aber eigentlich mehr entsprechend dem materialistischen Argumentationsstrang lesen müsste, weil der für die Genese seiner Theorie wesentlich bedeutender ist. Ohne materialistische Geschichtsauffasung kein System der sich auf einen Endpunkt hin zuentwickelnden Geschichte.
 
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Die marxistisch-leninistische Geschichtsauffassung war ja die des Historischen Materialismus der es als eine teleologische Entwicklung, als historische Notwendigkeit betrachtete, dass jede Gesellschaftsform durch eine bessere ersetzt würde und dass durch die Frz. Rev. der Feudalismus vom Kapitalismus ersetzt wurde und die Diktatur des Proletariats sei konsequebt der nächste Schritt.
Die Marxsche Geschichtsdarstellung ist dabei sehr schemenhaft und in einfachen Blöcken, etwa die Basis und der Überbau der Gesellschaft, ich bin nicht sicher ob ganz beabsichtigt um möglichst große Teile der Bevölkerung damit zu erreichen oder ob er da einem Trend der Zeit folgt, die preußische Kriegstheorie der Zeit etwa, begründet in Bulöw und Berenhorst, dann Clausewitz, baute auf Newton (und dessen größten Kritiker Kant) und mechanistische Modelle um sowohl soziale und politische Hintergründe und Ursachen des Kriegs zu bestimmen, als auch für Dynamiken der Kriegstaktik selbst. Ähnlich mechanistisch wirkt mir zT das Marxsche Gesellschaftsmodell.
Zu religiösen Ansichten von Marx fällt mir nur Zur Judenfrage ein, in der er ausführt, dass man mit Kult und Religion am besten so verfahrt wie mit Poilitik, das heißt Demokratisierung, "Privatisierung", denn andernfalls mache sich ein christlicher Staat zwangsläufig zum "Schergen der katholischen Kirche".
 
Die Marxsche Geschichtsdarstellung ist dabei sehr schemenhaft und in einfachen Blöcken, etwa die Basis und der Überbau der Gesellschaft, ich bin nicht sicher ob ganz beabsichtigt um möglichst große Teile der Bevölkerung damit zu erreichen oder ob er da einem Trend der Zeit folgt, die preußische Kriegstheorie der Zeit etwa, begründet in Bulöw und Berenhorst, dann Clausewitz, baute auf Newton (und dessen größten Kritiker Kant) und mechanistische Modelle um sowohl soziale und politische Hintergründe und Ursachen des Kriegs zu bestimmen, als auch für Dynamiken der Kriegstaktik selbst. Ähnlich mechanistisch wirkt mir zT das Marxsche Gesellschaftsmodell.
So einfach ist die marx'sche Geschichtsdarstellung eigentlich nicht, gemessen an ihrer Zeit ist sie sogar durchaus komplex, weil sie eben versucht von der politik- und ereignishistorischen Schiene wegzukommen und wirtschaftliche und soziale Aspekte mit einzubeziehen, die aber zum Teil spekulativ waren, weil für die jeweiligen Epochen noch kaum erforscht..
Die moderne, universitäre Geschichtswissenschaft als universitäres Forschungsgebiet entsteht eigentlich erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im größeren Stil und dass, was auch die absoluten Vorreiter der Disziplin Niebuhr, v. Ranke, Droysen, v. Sybel oder in seinen Anfängen auch Treitschke in Deutschland so schrieben, war größtenteils ereignishistorisch und zum Teil durchaus noch nicht unbedingt wirklich kritisch neutral, sondern mit wertendem/erzieherischem Ductus.

Insofern Geschichte halt bis dahin weitgehend einfach nur die ereignishistorische Abfolge von Kriegen, Regentschaften bestimmter Dynastien und Herrscher etc. immer oder fast immer aus der Perspektive der Herrschenden war, war die ganze Disziplin der Geschichtsdarstellung bis dahin ziemlich einfach/mechanisch.

Zu religiösen Ansichten von Marx fällt mir nur Zur Judenfrage ein, in der er ausführt, dass man mit Kult und Religion am besten so verfahrt wie mit Poilitik, das heißt Demokratisierung, "Privatisierung", denn andernfalls mache sich ein christlicher Staat zwangsläufig zum "Schergen der katholischen Kirche".
Es ging ja auch weniger um religiöse Ansichten an sich, als mehr aus religiösen Kontexten entlehnte Modelle, z.B. heilsgeschichtlicher Art.

Deswegen mein Verweis auf den Deismus der Aufklärung des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
Das war eine Bewegung/Denkrichtung/Strömung, die versuchte alte religiöse Narrative irgendwie zu rationalisieren

Das Weltbild der deistischen Tendenzen der Aufklärung lässt sich grob in etwa so zusammenfassen:

- Es wird angenommen, dass es möglicherweise irgendeinen Schöpfergott gibt, aber er interagiert nicht ständig mit der Welt, sondern überlässt sie weitgehend sich selbst.
- In Konkurrenz zur Vorstellung eines christlichen Heilsplanes und jenseitiger Erlösung/Paradisischer Zustände tritt mehr und mehr die Vorstellung eines diesseitsbezogenen Idealzustandes, den man als "Reich der Vernunft" umschreiben könnte.
- Alle den bekannten Naturgesetzen widersprechende Wundererzählungen, die aus dem Christenteum überliefert sind, fliegen raus und die überlieferten religiösen Ttraditionen werden möglichst mit den Naturgesetzen in Einklang gebracht. (Letzteres wurde, um ein markanntes Beispiel zu geben, auch auf der anderen Seite des Atlantik aufgegriffen, was unter anderem zur Folge hatte, dass sich z.B. Thomas Jefferson auf Basis des Christentums aber unter Auslassung von allem Übernatürlichen seine eigene Bibel zurechtbastelte. Jefferson Bible – Wikipedia )

Eine ähnliche Neigung bestimmte Religiöse bzw. quasireligiöse Vorstellungen befreit vom überkommenen Wunderglauben rationalisieren und in ein System zur Beschreibung der Gesellschaft einbauen zu wollen, kann man sicherlich bei Marx sehen.
Hängt zum Teil halt davon ab, ob man den Kommunismus, als eine Art rationalisiertes Paradies (die Engels'schen Spekulationen über einen utopischen Urkommunismus legen solche Parallelen/Deutungen durchaus nahe) oder einfach als Ende der Vorrausdeutungsmöglichkeiten/Crash des Deutungssystems auffasst.

Die marxistisch-leninistische Geschichtsauffassung war ja die des Historischen Materialismus der es als eine teleologische Entwicklung, als historische Notwendigkeit betrachtete, dass jede Gesellschaftsform durch eine bessere ersetzt würde und dass durch die Frz. Rev. der Feudalismus vom Kapitalismus ersetzt wurde und die Diktatur des Proletariats sei konsequebt der nächste Schritt.
Mit "besser" wäre ich im Übrigen an dieser Stelle vorsichtig. Wenn Marx in seinem Werk die Bedrückungen innerhalb des kapitalistischen Systems beschreibt, beklagt er ja (und hier hat er durchaus auch konservative Einschläge), dass der Kapitalismus in die Massenverelendung führe, unter teilweise unerträglichen Lebens und Arbeitsbedingungen, was aber im Umkehrschluss gleichzeitig die Anerkennung dessen, impliziert, dass das vorherige System den jetzt proletarisierten Unterschichten bessere Möglichkeiten geboten hatte ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Marx hat schon ziemlich deutlich erkannt, und dass ist ja auch gerade seine Kritik, dass sich parallel mit der politischen Emanzipation größerer Teile der Bevölkerung (wenngleich noch nicht der Unterschichten), zum Teil auch die Lebensbedingungen verschlechterten, weil alte überkommene Formen sozialer Bindungen und sozialer Verantwortung sich auflösten.
Hier unterscheidet sich Marx von den liberalen Autoren, die auf Eigenverantwortung abstellten und die Auflösung alter sozialverantwortlicher Bindungen für erfreulich hielten.
Marx hielt solche Bindungen für essenziell notwendig, ohne in die alten Strukturen mit ihrer persönlichen und politischen Unfreiheit zurück zu wollen.
 
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Die marxistisch-leninistische Geschichtsauffassung war ja die des Historischen Materialismus der es als eine teleologische Entwicklung, als historische Notwendigkeit betrachtete, dass jede Gesellschaftsform durch eine bessere ersetzt würde und dass durch die Frz. Rev. der Feudalismus vom Kapitalismus ersetzt wurde und die Diktatur des Proletariats sei konsequebt der nächste Schritt.
Die Marxsche Geschichtsdarstellung ist dabei sehr schemenhaft und in einfachen Blöcken, etwa die Basis und der Überbau der Gesellschaft, ich bin nicht sicher ob ganz beabsichtigt um möglichst große Teile der Bevölkerung damit zu erreichen oder ob er da einem Trend der Zeit folgt,
Eine Theorie soll ja komplexe Sachverhalte im erträglichen Maße simplifizieren.
 
Die moderne, universitäre Geschichtswissenschaft als universitäres Forschungsgebiet entsteht eigentlich erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Ja, oder Alexis de Tocquevilles L’Ancien régime et la Révolution von 1856 das als einer der ersten Gehversuche in Richtung wissenschaftlicher Aufarbeitung gilt und nach dem Demokratie ein politisch-gesellschaftlicher Zustand sei, den die Geschichte in jedem Fall eines Tages erreichen würde. Marx steht da auf jeden Fall in der Tradition des Frühsozialismus der ja auch utopischer Sozialismus genannt wird. Die "Atlantischen Revolutionen" waren aber überwiegend gekennzeichnet von starker Dechristianisierung, in der Frz. Rev. gab es da ja den Kult des Höchsten Wesens der Robespierre und Marat nach ihrer Hinrichtung als Heilige verehrte.
Alphonse-Louis Constant war erst "neo-katholischer Kommunist" (communisme néo-catholique) und verfasste 1840 die Bible de la liberté, eine radikal-sozialistische Schrift, hatte dann aber einen Wandel und wurde unter dem Pseudonym Eliphas Lévi zum Begründer des modernen Okkultismus. Aufklärung lautet auf Englisch ja enlightenment, auf Franz. erleuchtet illuminée, schon zeitgenössisch hieß es von gegenrevolutionärer Seite die Revolution sei eine Verschwörung von Aufklärern, philosophes oder Illuminaten. Der hochgradmaurerische Orden der im Vorabend der Revolution auftauchte und verschwand gehörte zum radikal-aufklärerischem Ende Spektrum der freimaurerischen Orden, am anderen, theokratischen, Ende wären die Gold- und Rosenkreuzer anzusiedeln. Aus kirchlicher Sicht ist das alles okkult. In jedem Fall würde ich Marx und die Sozialisten entsprechend in solchen Gefilden ansiedeln, was noch nichts konkretes über deren spirituelle Vorstellungen oder eines höheren Ziels aussagt, die vielleicht gerade erst in einer Phase des Entstehens waren um eben am Ende als Utopie entlarvt zu werden. Lenin sagte zu den Freimaurern jedenfalls sie seien so rückständig wie die Kirche. Gerade bei den Gold- und Rosenkreuzern kann ich mir gut denken, dass eines der ersehnten Ziele war, mit den neuen Mitteln der Al/chemie Gold herzustellen. Zum Ritus gehörten jedenfalls umfangreiche alchemische und magische Praktiken.
 
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Die "Atlantischen Revolutionen" waren aber überwiegend gekennzeichnet von starker Dechristianisierung, in der Frz. Rev. gab es da ja den Kult des Höchsten Wesens der Robespierre und Marat nach ihrer Hinrichtung als Heilige verehrte.
Würde ich so nicht unbedingt unterschreiben.

In Frankreich mag das zutreffen, wobei "Dechristianisierung" nicht gleichbedeutend mit komplettem Bedeutungsverlust der Religion wäre, sondern eher dem Versuch der Umdeutung und Rationalisierung entspräche.
In Amerika sehe ich das nicht unbedingt. Da gab es das als Elitenströmung sicherlich auch, aber gab ja anders als in Frankreich keine faktische Staatskriche, die eine Zielscheibe darstellte.
In Frankreich lief, was unter Ablehnung des Christentums lief, natürlich auch in erster Linie auf die Delegitimierung der katholischen Kirche, ihrer Macht, ihrer Privilegien und ihres Reichtums hinaus um das liquidieren zu können.
Das wiederrum war in Amerika nicht notwendig, weil rechte der einzigen ehemals bevorzugten Kirche, der Anglikanischen bereits während des Unabhängigkeitskrieges eingestampft wurden. Ging auch gar nicht anders, weil man sich natürlich George III., wenn man ihn als weltlichen Herrn absägte nicht durch die Hintertür eines geistlichen Amtes wieder ins Spiel bringen wollte.
Und ein Großteil derer, die in die englischen Kolonien gegangen waren, waren ohnehin "Dissenters" von den britischen Inseln, später Katholiken aus Irland oder Calvinisten oder Lutheraner vom europäischen Kontinent, die ohnehin an was anderes glaubten.
Da gab es keine mächtige einheitliche religiöse Institution, die man zerschlagen konnte, also deutlich weniger Notwendigkeit zu beweisen, dass ihr Legitimitätsanspruch, das Christentum falsch war.

schon zeitgenössisch hieß es von gegenrevolutionärer Seite die Revolution sei eine Verschwörung von Aufklärern, philosophes oder Illuminaten.
Das sollte man aber nicht zu hoch hängen. In katholischen Gegenden hat man im 18. und 19. Jahrhundert tendenziell alles umstürzlerische und Schlechte Gruppen wie den Freimaurern oder den Illuminaten angelastet, in protestantischen Gegenden, wurden bevorzugt die Jesuiten für alles umstürzlerische inklusive Revolutionen verantwortlich gemacht.
Nun wird man dem Jesuitenorden als bevorzugtem Sündenbock protestantischer Royalisten/Legitimisten für allgemeinen Sittenverfall, Umstürzlertum etc. kaum nachsagen können, er sei eine areligiöse oder dem Christentum gegenüber negativ eingestellte Veranstaltung gewesen.

Die Vorstellung, Katholizismus und Revolution würden irgendwie zusammenfallen, sieht auf den ersten Blick wenn man sich die Jakobiner und Amerika anschaut natürlich grottesk aus.
Schaut man sich allerdings die Schlüsselrolle des französischen niederen Klerus bei den der französischen Revolution vorraugegangenen Generalständen an, was nach der Napoléonik in Spanien, Italien und Lateinamerika in den 1820er Jahren so abging oder die belgische Revolution 1830, konnte der Zeitgenosse des frühen 19. Jahrhunderts schon auf den Gedanken kommen, dass gerade katholische Gesellschaften besonders revolutionsanfällig seien und von dem Punkt war es nicht mehr weit, um auf die katholischen Orden, als mögliche Triebfeder zu schließen.


In jedem Fall würde ich Marx und die Sozialisten entsprechend in solchen Gefilden ansiedeln, was noch nichts konkretes über deren spirituelle Vorstellungen oder eines höheren Ziels aussagt, die vielleicht gerade erst in einer Phase des Entstehens waren um eben am Ende als Utopie entlarvt zu werden.
Wie gesagt, da wäre die Frage: Ist das bei Marx eine Utopie? Oder ist es einfach nur das von ihm selbst wahrgenommene Ende seines Deutungssystems?
Ich denke das hängt von der Lesart ab.
 
Nirgendwo war die Dechristianisierung so radikal wie in Frankreich, aber die Aufklärung blieb ja nicht nur auf Frankreich beschränkt. Die Jesuiten wurden in Spanisch-Amerika 1767 verboten und Katholiken waren in Nordamerika überhaupt bis ins 20. Jh. diskriminiert und verfolgt. Ähnlich mit den irischen Katholiken in Irland wie in Amerika. Mit Napoleons Besetzung Spaniens wurde die Inquisition aufgelöst und Kirchengüter enteignet, was sich im Vormärz fortsetzt (Desamortización).
In Italien hingegen waren die Revolutionäre absolut gegen die Dechristianisierung und Katholizismus gehörte fest zur Vorstellung von Freiheit und Patriotismus.

Der Vatikan hat ja bis heute die Menschenrechte nicht unterzeichnet (argumentiert wird da mit Naturrecht über Menschenrecht, für die katholische Kirche bedeutet das "Gottesrecht", was das wiederum ist kann aber nur in deren eigenen überkommenen Begrifflichkeiten ausgedrückt werden und läuft effektiv auf nichts anderes hinaus als das Gottesgnadentum der absoluten Monarchie) und ist eine absolute Monarchie. Die Frz. Rev. und das Ende des HRR ist worüber die kath. Kirche niemals hinwegkommen kann. Mitgliedschaft in katholischen Orden wie den Johannitern bezeugte in der Folge auch eine anti-revolutionäre, anti-aufklärerische Haltung. Es war ja gerade der Klerus als erster Stand der dabei alles verlor. Viele der Cahiers de doléances, Beschwerdebriefe an Ludwig XVI. vor den Generalständen, kamen natürlich aus Pfarrgemeinden, insofern "niederer Klerus", weil es sich eben um die erste Instanz für die Bevölkerung handelte.
 
--- Zwischenbemerkung ---
Ich denke das hängt von der Lesart ab.
Ich habe diesen Satz aus seinem Zusammenhang herausgenommen, weil er für sich genommen als Ansatz zu (m)einer Beobachtung bzgl dieser Diskussion bestens geeignet ist:
Mir erscheint die Diskussion, die immer wieder auf Fehler, Fehlschlüsse etc "bei Marx" zu sprechen kommt, voreingenommen zu sein und zwar in dem Sinn, dass man sich im kapitalistischen Wirtschaftssystem, wie es sich nun mal im 20. jh. entwickelt hat, bequem eingerichtet hat - und das färbt alles, was Kritik an den heiligen Kühen der Wissenschaften a la BWL, VWL etc übt, a priori negativ ein. So kommt man leicht zu Schlussfolgerungen wie Marx muss irren, denn es kam nicht zu seiner Revolution, sowieso hat Marxismus-Leninisums historisch versagt (UDSSR Untergang) also der ganze Marxkram taugt nix.
Dass Marx abgesehen von seiner Sozialutopie eine Analyse des frühkapitalistischen Wirtschaftssystems vorgelegt hat, welche dieses recht genau beschreibt und immanent in seiner ausbeuterischen Funktionsweise demaskiert, wird ausgeblendet - meine Vermutung ist: die immanente moralische Kritik innerhalb dieser Analyse schmeckt nicht, weil man sich im quasi Nachfolger des Frühkapitalismus bequem eingerichtet hat und alles, was daran rüttelt, muss falsch sein.
Wie komme ich hier zu dieser Vermutung? Niemand kommt auf darauf zu sprechen, dass mit Marx Oeuvre eine nicht nur kulturhistorische Leistung vorliegt, dass dieser Autor seit anderthalb Jahrhunderten nicht grundlos rezipiert wird - wäre alles Mumpitz, wäre es längst vergessen und nicht der (wortreichen) Rede wert.
 
In der Volkswirtschaftslehre kommt man aber heutzutage ganz gut ohne das marxsche Theoriegebäude aus. Ich denke, das gilt auch für die Wirtschaftsgeschichte. Das schließt natürlich nicht aus, dass Marx auch nach heutigen Vorstellungen manches richtig und auch originell beschrieben hat.
 
In der Volkswirtschaftslehre kommt man aber heutzutage ganz gut ohne das marxsche Theoriegebäude aus. Ich denke, das gilt auch für die Wirtschaftsgeschichte.
irgendwie kommt mir in den Sinn, dass ein Heilpraktiker sagen kann, er könne ohne Medizinstudium florieren ;)
VWL und BWL verzichten auf jegliche Kritik an ihrem Gegenstand, woran der beschönigende Scheinbegriff "Wirtschaftsmoral" nichts ändert - kein Wunder, dass diese Disziplinen auf Marx verzichten können und wollen, denn sie bewegen sich weder im geistesgeschichtlichen Bereich von Marx (zu dem sie nichts beitragen können, sie bekakeln letztlich nur, wie ein in sich ungerechtes System am besten florieren kann) noch vermögen sie, Marx´ immanente moralische Kritik zu entkräften.
Das schließt natürlich nicht aus, dass Marx auch nach heutigen Vorstellungen manches richtig und auch originell beschrieben hat.
mir ist bislang von keinem Wirtschaftswissenschaftler eine Publikation begegnet, die seit mehr als anderthalb Jahrhunderten Furore gemacht und in der Geistes/Kulturgeschichte einen festen Platz hat - von da aus betrachtet, kommt mir dieses joviale Lob doch ein wenig überheblich vor (es klingt so nach "jaja, da hatte er 2-3 ganz nette Ideen, aber wir heute wissen das alles viiieeel besser")
 
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mir ist bislang von keinem Wirtschaftswissenschaftler eine Publikation begegnet, die seit mehr als anderthalb Jahrhunderten Furore gemacht und in der Geistes/Kulturgeschichte einen festen Platz hat -
Nun ja, man wird niemanden ins 19. Jhdt. zurückbeamen können. John Maynard Keynes - wesentlich später - und Adam Smith - ein mittleres Eckchen früher, sind aber auch durchaus bis heute bekannt.
 
Wirtschaftswissenschaftlern geht es nun mal darum, wirtschaftswissenschaftliche Fragen zu beantworten, statt Furore in den Kulturwissenschaften zu machen.

Und hat es dem Marxismus überhaupt gutgetan, dass er seine Wurzeln im Hegelianismus hatte, sich also aus einer philosophischen Denkschule entwickelte?
Ich dachte immer, ich sollte mal Hegels Phänomenologie des Geistes lesen. Dann stieß ich aber auf folgende Aussage Hegels über Ekektrizität:

Die Elektrizität ist der reine Zweck der Gestalt, der sich von ihr befreit, die Gestalt, die ihre Gleichgültigkeit aufzuheben anfängt; denn die Elektrizität ist das unmittelbare Hervortreten oder das noch von der Gestalt herkommende, noch durch sie bedingte Dasein, – oder noch nicht die Auflösung der Gestalt selbst, sondern der oberflächliche Prozeß, worin die Differenzen die Gestalt verlassen, aber sie zu ihrer Bedingung haben und noch nicht an ihnen selbständig sind.​


Physiker können mit diesem Beitrag Hegels zur Elektrizität heute wenig anfangen. Und ein bisschen geht es so auch Wirtschaftswissenschaftlern mit dem Marxschen Kapital.
 
John Maynard Keynes - wesentlich später - und Adam Smith - ein mittleres Eckchen früher, sind aber auch durchaus bis heute bekannt.
...man könnte versuchen, sie ins Welterbe zu bugsieren, aber ich glaube, das würde scheitern - - wie ich darauf komme? Viola:
Marx’ persönliche Ausgabe des „Kapital“ (Erster Band) mit seinen handschriftlichen Anmerkungen wurde auf gemeinsamen Vorschlag der Niederlande und Deutschland im Juni 2013 von der UNESCO in das Weltregister des Dokumentenerbes aufgenommen. Die Schrift wird im Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam aufbewahrt.[1]
so Tante Wiki
 
Mir erscheint die Diskussion, die immer wieder auf Fehler, Fehlschlüsse etc "bei Marx" zu sprechen kommt, voreingenommen zu sein und zwar in dem Sinn, dass man sich im kapitalistischen Wirtschaftssystem, wie es sich nun mal im 20. jh. entwickelt hat, bequem eingerichtet hat - und das färbt alles, was Kritik an den heiligen Kühen der Wissenschaften a la BWL, VWL etc übt, a priori negativ ein. So kommt man leicht zu Schlussfolgerungen wie Marx muss irren, denn es kam nicht zu seiner Revolution, sowieso hat Marxismus-Leninisums historisch versagt (UDSSR Untergang) also der ganze Marxkram taugt nix.

Weiß ich nicht. Ich halte es für durchaus sinnvoll, auch die Fehlannahmen von Marx oder die verschiedenen Lesarten ausgiebig zu diskutieren, weil man daraus durchaus lernen kann, sowohl, was die Entwicklung von Ideen, als auch die politischen Gefahren offener Projektionsflächen angeht.

Das schreibe ich als jemand, der davon ausgeht, dass einige Marx'sche Grundannahmen durchaus richtig oder jedenfalls diskutierenswert sind und zu denen die ich für richtig halte gehört explizit die, dass der Kapitalismus an seiner eigenen Effizienz und der Aufhebung seiner Grundlagen scheitern wird.
Nur eben weniger wegen rein sozialer Probleme, als wegen einer Verquickung sozialer und vor allem auch umwelt- und ressourcentechnicher Fragen.

In der Volkswirtschaftslehre kommt man aber heutzutage ganz gut ohne das marxsche Theoriegebäude aus.
Das ist richtig, die Volkswirtschaftslehre kommt heute aber auch weitgehend ohne die Bearbeitung nicht kapitalistischer/marktwirtschaftlicher Systeme aus, weil sie für alles, was sich nicht (oder jedenfalls nicht uneingeschränkt sinnvoll) über Marktanalysen bearbeiten lässt überhaupt kein ausgereiftes Methodenset hat.

Das bedingt, dass sie sich um Teile der heutigen Realität und noch größere Teile der Geschichte als Untersuchungsgegenstand überhaupt nicht vernünftig kümmern kann.

Wirtschaftswissenschaftlern geht es nun mal darum, wirtschaftswissenschaftliche Fragen zu beantworten, statt Furore in den Kulturwissenschaften zu machen. [...]
Da wäre ich zummindest im Hinblick auf die Begründer dieser Disziplin vorsichtig.

Von den klassischen englischen und schottischen Ökonomen deren Grundannahmen zum Teil ja heute noch Bestandteile der Wirtschaftswissenschaften sind, hielten sich ein paar, darunter Adam Smith gar nicht in erster Linie für Wirtschaftswissenschaftlicher, sondern für "Moralphilosophen". ;-)

Und Smiths "An Inquiry into the Nature and causes of the wealth of Nations" dass man vielleicht ex post als eine Art Gründungsdokument der modernen Wirtschaftswissenschaften betrachten kann, ist im Kontext der schottischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts entstanden und hat vielleicht nicht wie Marx, auf einer von Hegel geprägten Ideenwelt aufgebaut, dafür aber auf einer, die durch die philosophischen Vorstellungen von John Locke und David Hume geprägt war und das merkt man durchaus, wenn man es liest.

So verschieden sind, was das angeht, Entstehung und Grundlagen der modernen Wirtschaftswissenschaften und der Marxschen Theorie nicht voneinander.
Man könnte jetzt behaupten, die Wirtschaftswissenschaften hätten sich darüber hinaus entwickelt, während der Marxismus dabei stehen geblieben ist (was auf Marx selbst zutrifft, allerdings nicht unbedingt auf alle zuweilen als marxistisch/neo marxistisch angesprochenen Autoren der Gegenwart), aber wirklich losgesagt hat sich die Wirtschaftswissenschaft von diesen Entstehungskontexten nie.
 
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