maxherbert schrieb:
folgendes spricht für die varus-schlacht in kalkriese.
wie bekannt, ist ja der überwiegende teil der münzfunde aus k. mit gegenstempeln versehen, unter anderem "varus." diese gegenstempel wurden im legionärslager haltern hergestellt.
dieses lager hat allerdings nach 9 ndz nicht mehr existiert.
bemerkenswert ebenfalls, daß in kalkriese bisher nicht eine münze aufgefunden wurde,
welche nach dem jahre 9 geprägt wurde!
beachtenswert, da das römische reich ja gerade in den jahren 12 bis 14 ndz. große
mengen an kleinem soldatengeld hat prägen lassen.
selbst wenn solche eine münze gefunden worden wäre, hätte dieses ja keinen belang, da sie ja bei der begräbnisaktion im jahre 15 hätte verloren gegangen sein können.
für die varusschlacht sprechen auch die aufgefunden knochengruben.
bisher wurden ja 6 solcher gruben gefunden und sie entsprechen dem bild der begräbnisaktion unter germanicus. knochenuntersuchen haben diverse trocknungsrisse und tierverbiß an den kochen feststellen können. dieses läßt nach den untersuchungen auf eine der witterung ausgesetzte liegezeit der knochen von mindestens 2, längstens 10 jahren schließen. auch dieses ein deutlicher hinweis zu den ereignissen der varusschlacht.
(archäologie in niedersachsen 2000. seite 44 u.a.)
interesannt aber auch die von cato angeführte rasensodenmauer. leider ist es nun mal so, daß ausschließlich "vor" der rasenmauer, also hangabwärts, teile von römischen ausrüstungsgegenständen gefunden worden. diese alle zerstört und mit kampfspuren. wäre die mauer von legionären gebaut worden, hätte sich sicherlich auch hinter der mauer ein römisches stück finden lassen. auch dieses ein punkt für kalkriese.
in seinem beitrag berichte cato konjunktiv von einer metallenen schließe des rüstungspanzers. die möglichkeiten dieses stück der 1 legion zuzuordnen sind äußerst gering.
nach den bereits angeführten untersuchungen der universität osnabrück, diente der eigentümer dieser schließe, der leginär "m.aius", möglicherweise in der 1. kohorte und der centurie des fabricius. dieses als wahrscheinlichere deutung der gravur
es gibt umfangreiche analysen der einzelnen übersetzungen zu den historischen texten und ebenfalls zur antiken geländeformation in kalkriese. diese sehr umfangreichen erörterungen diskutiere ich mal vorläufig noch nicht. allerdings sprechen diese ebenfalls deutlich für die kalkrieser lösung.
mit allerbestem gruß max
Hallo maxherbert,
es ist schön, dass Du die die beschriftete Schliesse des Kettenhemdes erwähnst, denn sie ist ein Beispiel für die unbekümmerte Vorgehensweise der Kalkrieseforscher. Auf den beiden zusamengehörenden Teilen sind deutlich folgende Inschriften zu erkennen: M AIVS I FABRICI und M AIVS I I FABRICI
Die Kalkrieseforscher glauben daraus folgern zu können, dass das Stück einem Legionär namens Marcus Aius gehörte, der Mitglied einer 1.Kohorte war, deren Zenturio (Primus Pilum) Fabricius hieß. Der Legionär hatte es offenbar vergessen, seine Legion zu erwähnen, auf deren Nennung sonst größter Wert gelegt wurde. Dass er aber seinen Zenturio erwähnt, der im nächsten Gefecht hätte fallen können und ersetzt worden wäre, ist zumindest sonderbar.
Oder könnte die „I“ vielleicht die LEG I meinen ? (Zur Erinnerung: die LEG I kämpfte unter Caecina bei den „pontis longi“ und n i c h t in der Varusschlacht) Angenommen der Fall, es ist wirklich nur die Kohorte gemeint, welche Bedeutung hat dann die Erwähnung einer weiteren „I“ auf der zweiten Inschrift ? Vielleicht Legion I, Kohorte I ?
Ich erwähnte diese Möglichkeit bereits in einem früheren Beitrag in „konjuktiver“ Formulierung, wie maxherbert richtig erkannte. Festzuhalten bleibt, dass über derartige Inschriften und Grafitti, die bei den Römern zur Kennzeichnung des Eigentums sehr beliebt waren, eine eindeutige Bestimmung erfolgen kann, welche Truppeneinheiten bei Kalkriese gekämpft haben. Die Tatsache, dass bisher weder eine XVII, XVIII oder XIX auf irgendeinem Fundstück auftraten, macht eine Verbindung der Varuslegionen mit dem Schlachtort Kalkriese wenig wahrscheinlich.
Die Präsentation der genannten Schliesse im Museum von Kalkriese ist übrigens mehr als stiefmütterlich. Wer sie noch nicht entdeckt hat, dem kann ich verraten, dass sie im Mittelgang zusammen mit anderen Kleinteilen in einer Vitrine in Kniehöhe liegt und zwar so, dass man die Inschrift kaum erkennen kann. Schämt man sich dafür oder will man keine schlafenden Hunde wecken ?
Eine numismatische Methode zur zeitlichen Bestimmung ist zu unpräzise, um zwischen 9 n.Chr. und 15 n.Chr. unterscheiden zu können. Die Bedeutung des Gegenstempels VAR (lingiert) auf den Lugdunum I-Assen ist nach wie vor unklar. V kann im lateinischen auch U bedeuten, wodurch eine Zuordnung zu Varus nicht mehr bestünde. Darüber hinaus ist von einem Geldgeschenk des Varus an seine Legionen in keiner historischen Quelle die Rede und entstammt der Phantasie einiger Historiker. Dass dieser Gegenstempel in Haltern geprägt wurde, entstammt allerdings der Phantasie von maxherbert. Angenommen es handelt sich doch um einen Gegenstempel des Varus, wie erklärt es sich dann, dass sich im Museum von Rennes ein As befindet, auf dem der Varus-Stempel ü b e r einen Gegenstempel des Tiberius geschlagen wurde ? Hat man nach dem Tode des Varus weiterhin seinen Namen geprägt ? Etwa um ihn dafür zu ehren, dass er in Germanien drei Legionen verloren hat ? Es ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass der Gegenstempel VAR noch in der frühen Regierungszeit des Tiberius Verwendung fand, also nach 14 n. Chr.
Bei Tacitus ist zu lesen, dass Germanicus 14 n.Chr. größte Mühe hatte, die meuternden Legionen am Rhein zu beruhigen. Tacitus erwähnt, dass die zur Verfügung stehende Geldmenge nicht ausreichte, um den Soldzahlungen nachzukommen, so dass Germanicus mit seinem Privatvermögen aushelfen mußte. Es ist nicht auszuschliessen, dass in der Notlage auch Kupferasse gegengestempelt wurden, um sie aufzuwerten.
Maxherberts Aussage, es habe nur auf der Nordseite (zum Sumpf hin) des Walles römische Funde gegeben, ist schlichtweg falsch und nur darauf zurückzuführen, dass ihm die Fundstellendokumentation nicht bekannt ist. Für die römischen Funde an der der Hügel zugewandten Seite hält die Archäologin Frau Wilbers-Rost die Begründung bereit, einige Legionäre könnten den Wall überwunden haben und in die germanischen Reihen eingedrungen sein. Wenig überzeugend...
Zu den gefundenen Knochengruben kann ich nur anmerken, dass sie ganz und gar nicht der Beschreibung entsprechen, die Tacitus von der Beisetzung durch die Legionen des Germanicus festhielt. Tacitus berichtet nicht von mehreren Gruben, sondern von einer Art Massengrab und einem Grabhügel. Schwerwiegender ist jedoch die Tatsache, dass in den in Kalkriese gefundenen Gruben Menschen- und T i e r knochen gemeinsam lagen. (Die Tierknochen sogar in der Überzahl) Kein römischer Legionär wäre auf den Gedanken gekommen, die Gebeine seiner Kameraden zusammen mit Tierknochen zu verscharren, die er durchaus voneinander zu unterscheiden verstand. Die Verscharrung dieser Knochen kann nur durch Feinde, also Germanen, stattgefunden haben. Außerdem ist überliefert, dass die über 20 000 Leichen der Varuslegionen sechs Jahre lang unbestattet auf dem Schlachtfeld lagen. Dass sich eine derart große Zahl an verwesenden Kadavern direkt an einem der wichtigsten germanischen Handels- und Heerwege über eine solch lange Zeit befunden haben, ist sehr unwahrscheinlich. Die Varusschlacht kann sich deshalb nicht an einem großen Handelsweg, wie dem von Kalkriese ereignet haben, sondern weitab der üblichen Wege, wo ein Verwesen tausender Leichen keine Störung bedeutete. Genau dieses ist auch von Tacitus beschrieben, dass nämlich Germanicus beim Aufsuchen des Schlachtortes sich erst einen Weg bahnen mußte. Nach Kalkriese jedoch hätte er bequem auf dem Hellweg vor dem Santforde ziehen können.
Die Aussage, die Kalkriese-Niewedder-Senke würde exakt den Ortsbeschreibungen zur Varusschlacht entsprechen (Sumpf, Wälder, Berge, Schluchten, etc.) ist ebenfalls unsinnig, da eine präzise Schilderung des Schlachtortes gar nicht vorliegt. Zur Zeit um Christi Geburt bestanden über 90 % der Fläche Germaniens aus Wäldern und Sümpfen.
Als ich 1991 einen Vortrag von Dr. Schlüter im Landesmuseum Hannover besuchte, der triumphierend dem Publikum die Lokalisierung der Varusschlacht bei Kalkriese präsentierte, war auch ich darüber begeistert, dass offensichtlich jener legendäre Ort gefunden wurde. Als Niedersachse war ich auch von Genugtuung erfüllt, dass dieser Ort auch noch in Niedersachsen lag und man die Westfalen mit ihrem Hermannsdenkmal belächeln konnte.
Nach der Lektüre der jährlichen Grabungsberichte und dem Besuch verschiedener Vorträge in Kalkriese häuften sich in der Folgezeit jedoch meine Zweifel, ob es sich hier tatsächlich um den Ort der Varusschlacht handele. Es gibt zu viele Ungereimtheiten, die nicht ausgeräumt werden können. Somit drängt sich der Eindruck auf, dass sich die lokalen Wissenschaftler Anfang der neunziger Jahre voreilig auf die Varusschlacht festgelegt hatten und nun, nachdem sich die Widersprüche mehren, nicht mehr umkehren können oder wollen. Kritischen Stimmen wird nicht selten aggressiv begegnet. Der Tenor lautet: „Wir haben ein Schlachtfeld aus den Römerkriegen gefunden und ihr müßt beweisen, dass es nicht das Varusschlachtfeld ist !“ Warum aber die ganze Aufregung ? Es ist doch wunderbar, dass überhaupt ein Schlachtfeld aus jener Zeit gefunden wurde, als Arminius gegen die Römer kämpfte. Reicht das nicht ? Aus Gründen des Marketings lassen sich natürlich mehr Besucher und Schulklassen anlocken, wenn man mit „Varus“ werben kann und pensionierte Lehrer oder Hobbyforscher sollte man auch in dem Glauben lassen. Will man jedoch die in schriftlichen Quellen überlieferten Vorgänge der Römisch-Germanischen Kriege um Christi Geburt geographisch einordnen, so sollte man frei von ökonomischen Interessen versuchen, eine wissenschaftliche Bewertung der Funde und Befunde vorzunehmen.