Poincaré besucht Russland im Juli 1914

Dir ist aber aufgefallen, dass diese Situation 1914 nicht unbedingt gegeben ist, weil dadurch, dass hier Österreich, nicht Russland oder Serbien offensiv wurde kein automatischer casus foederis für Deutschland und keine damit verbundene automatische deutsche Mobilmachung griff?

Russland beschießt am 30.06.1914 Serbien 120.000 Gewehre und zig Millionen Schuss Munition zu liefern.
Serbien machte ab dem 25.juli gegen Österreich mobil.
Russland machte ebenfalls angeblich nur teilmobil.
Österreich erklärte "erst" am 28.07. den Krieg.
Russland war überhaupt nicht betroffen. Es wurde nicht gegen Russland mobilisiert und es hatte auch niemand vor, gegen Russland etwas zu unternehmen.
Russland war mit Serbien nicht einmal verbündet. Russland meinte aber Österreich die Satisfaktion nicht zu erlauben und agierte sehr aggressiv und war von vornherein bemüht auch England ins Boot zu holen.
 
Die russische Absicht zum Angriff war doch klar durch die militärischen Vorbereitungen und den Aussagen des Chefs der Mobilmachungsabteilung gegeben. Der Schlieffenplan und dessen Implikationen waren bekannt und es wurde abgewartet, um Deutschland das Odium des Aggressor, des Angreifers anzulasten.
 
Hier passt vieles nicht zusammen, besonders die hier ambitioniert vorgetragene und angeblich belegte hohe, jederzeitige Bereitschaft seit 1913, spätestens Anfang bzw. Juni 1914 sowohl Poincarés und der russ. Führung zum Krieg, zum Vernichtungskrieg gegen Deutschland - mit folgender Tatsache.

Poincaré hat angeblich im Februar 1913 die französische Bevölkerung zur Kriegsbereitschaft - natürlich gegen Deutschland - aufgerufen. Und wartete angeblich spätestens seit dem nur auf angeblich (fast) jede Gelegenheit zum Krieg gegen Berlin.
Anfang 1914 und im Juni 1914 wird in öffentlichen, (angeblich) bedeutsamen Publikationen in Russland angeblich der kommende große Krieg gegen Deutschland, der notwendige Vernichtungskrieg avisiert, teils vom russ. Kriegsminister Suchomlinow veranlasst.

Mitte Juli 1914 reist Poincaré, wie schon lange seit 1913 angekündigt, nach St. Petersburg, nachdem dem Mordanschlag von Sarajewo und Spannungen zwischen ÖU und Serbien.
Und da drängt die Reichsleitung in Berlin nachgewiesener weise die Wiener Entscheider dazu, das Ultimatum gegen Serbien erst nach Abfahrt Poincarés von St. Petersburg bekannt zu geben - weil man davon ausging, dass Poincaré ohne diese Information nicht kriegsbereit sei....

Hier im Faden, siehe oben, war er doch angeblich vorher schon definitiv jederzeit kriegsbereit. Was denn nun?
Waren Berlin die Aussagen Poincarés vom 20. Februar in den beiden Pariser Kammern, die angeblich so prominenten entsprechenden öffentlichen Presse-Aussagen aus dem Umfeld der russ. Regierung unbekannt geblieben? Haben die Berliner Entscheider das nicht bemerkt, verstanden?
Trotz des Topspions Siebert in der russ. Botschaft in London, der seit Ende 1908 sehr erfolgreich für die dt. Regierung spionierte?

Warum sollten Poincaré und die russ. Entscheider beim Zusammentreffen im Juli nicht das machen, was sie ja angeblich teils schon etliche Monate vorher öffentlich haben werden lassen, nur weil das konkrete Ultimatum ÖUs gegen Serbien noch nicht bekannt gemacht worden sei? Erneute und erneuerte, enge und engste Beistandserklärungen bei jeder Art von möglichen Kriegsauslösern gegen Deutschland.
 
Zuletzt bearbeitet:
Poincaré hatte den Bündnisfall auch auf den Balkan ausgedehnt; etwas, wo sich seine Amtsvorgänger gegen gewehrt hatten.

Im September 1912, also kurz vor dem ersten Balkankrieg, stellte Poincaré gegenüber den russischen Botschafter Iswolski in Paris:

„Wenn Österreich gegen Serbien vorgehe, so könne dies „selbstverständlich Rußland nicht gleichgültig lassen und werde zu einem allgemeinen Kriege führen“. „Wenn aber der Konflikt mit Österreich ein bewaffnetes Eingreifen Deutschlands nach sich ziehen würde, so erkenne die französische Regierung dies im Voraus als casus foederis an und würde nicht einen Augenblick zögern, die Verpflichtungen, die sie Rußland gegenüber auf sich genommen hat, zu erfüllen.“
Poincaré hat mitnichten einfach den Bündnisfall für jeden Balkankrieg ausgedehnt, wie hinlänglich bekannt:

Nochmals zu Rainer Schmidts Aufsatz in Historische Zeitschrift, in welchem er sinngemäß postuliert, Poincaré habe im September 1912 den 1914 entscheidenden Kriegssauslöse-Mechanismus erkannt, welchen er nach Ansicht von Schmidt dann entscheidend integriert und gefördert habe...ungefähr.

Natürlich fehlt bei Schmidt die Durazzo-Krise im November 1912, Serbien wollte im Rahmen des erfolgreichen Balkankriegs das albanische Durazzogebiet im Osmanischen Reich besetzten, um einen Adriahafen zu erlangen.
ÖU drohte dagegen militärisch vorzugehen - und Poincaré bemerkte entlang dem Telegramm von Iswolski an Sasonow am 23.11.1912 (Siebert, Aktenstücke, S. 590-592) am Ende, dass es in dieser sehr kritischen Zeit äußerst wichtig sei, daß Serbien sich nicht auf Ratschläge von Seiten Rußlands berufen könne, und dass es für alle klar sein müsse, dass Serbien, wenn es auf seinen Marsch nach Durazzo besteht, auf seine eigene Gefahr hin handelt.

Poincare bat Iswolski, dies Sasonow mitzuteilen.

Obwohl also im November 1912 bereits die Gelegenheit bestand, den von Poincare - nach Rainer Schmidts Aufsatz - im September erkannten Kriegsauslöse-Mechanismus für die Auslösung des angelblich von ihm gezielt anvisierten großen Krieges via Serbien-ÖU zu nutzen, tat er das nicht. Ebenso wenig ermunterte er Sasonow in irgendeiner Weise, Serbien gegen ÖU militärisch zu unterstützen bzw. eine entsprechende Zusage zu geben.
 
Im Übrigen, das habe ich nirgendwo gesschrieben.
Und wenn nun Poincaré ausgerechnet als Lothringer, für den eine harte Gangart gegen Preußen-Deutschland ein persönliches Anliegen war, solche Zusagen machte, musste das deren Wert für Russland tendenziell eher dubios erscheinen lassen, weil sich da die berechtigte Frage aufdrängen musste, ob das denn auch die Meinung des restlichen Frankreich war, auch der Teile Frankreichs, die eine solche persönliche Agenda nicht hatten.
Wenn ich die Russen gewesen wäre, ich hätte auf Poincaré nicht so viel gegeben.
Ich hätte Viviani gefragt, ob der mir garantieren könnte, dass auch die Sozialisten, als an der Regierung befindlichen, eher gegen den Krieg eingestellten Kräfte hinter der Sache stehen.
Hätte der als jemand, der die Sache naturgemäß wesentlich skeptischer sehen musste, als Poincaré zugesagt trotzdem mitzumachen, dass wäre deutlich mehr wert gewesen.
...wie klingt das?
 
Russland beschießt am 30.06.1914 Serbien 120.000 Gewehre und zig Millionen Schuss Munition zu liefern.
Die serbische Regierung hatte bereits Anfang 1914 um diese Lieferung gebeten, da das serbische Militär aufgrund der Teilnahme an den Balkankriegen kaum noch funktionsfähige Waffen hatte.
Der russ. Kriegsminister Suchomlinow lehnt im März die Lieferung an Serbien ab, Pasic´ in Belgrad insistierte weiterhin darauf, bis der Generalstab die Lieferung am 30. Juni genehmigte und der Zar zustimmte.

Das ist der - wie üblich - ausgeblendete Hintergrund.
 
...wie klingt das?
Jedenfalls nicht so, wie du es mir unterstellst.

Ich habe nirgendwo geschrieben, dass man Poincaré nicht hätte ernstnehmen müssen, ich habe geschrieben dass es durchaus Gründe gab, seine vollmundigen Zusagen nicht allzu ernst zu nehmen.
Und ich hatte das motiviert.

Wenn du anderer Meinung bist höre ich mir gern deine Argumentation dahingehend an, welche Garantien Poincaré vorbringen konnte um Russland der Unterstützung der französischen Sozialisten im Kriegsfall zu versichern.
 
Clark schreibt in seine Schlafwandlern hingegen:

"Was immer der Grund für den Kurswechsel gewesen sein mochte, im Herbst 1912 sprach sich Poincaré jedenfalls vehement für eine bewaffnete Intervention Russlands auf dem Balkan aus. In einem Gespräch mit Iswolski in der zweiten Septemberwoche, als sich der Erste Balkankrieg bereits andeutete, aber noch nicht begonnen hatte, sagte der französische Regierungchef dem russischen Botschafter, dass die Zerschlagung Bulgariens durch die Türkei oder ein Angriff Österreich-Ungarns auf Serbien Russland zwingen könne, "seine passive Rolle aufzugeben". Sollte Russland eine militärische Intervention gegen Österreich-Ungarn einleiten müssen und sollte dies wiederrum eine Intervention durch Deutschland nach sich ziehen (was nach den Bestimmungen des Zweibundvertrags unvermeidlich war), so erkenne die französische Regierung dies im Voraus als casus foederis an und würde nicht einen Augenblick zögern, die Verpflichtung, die sie Russland gegenüber auf sich genommen hat zu erfüllen."

Clark, Schlafwandler, 8. Auflage, München, 2013 S. 387

Ich denke der Unterschied ist augenfällig.

Poincaré hatte nicht Russland für eine x-beliebige Situation einen Blankoschek zum Krieg gegen die Zentralmächte ausgestellt, sondern er hatte seinerzeit als Ministerpräsident Frankreichs die Zusage gegeben, dass seine Regierung im Konkreten Zusammenhang dass ein Österreichisch-Serbischer Zusammenstoß eine Deutsche Intervention auslöste (das aber hätte einen serbischen Angriff auf Österreich-Ungarn vorausgesetzt, da der Dreibund ein Defensivbündnis war), dies als Bündnisfall anerkennen würde.
Er berief sich dabei nicht darauf, dass der französisch-russische Allianzvertrag dies so gefordert hätte, sondern er erklärte, dass er als Ministerpräsident und Chef der Regierung Frankreichs bereit wäre eine solche Interpretation des Abkommens vorauszusetzen um Russland beizustehen.
In dem Zitat von Clark steht etwas anderes als in Deiner Paraphrase:

Nach Clark hatte Poincaré die Zusage gebegeben, den Bündnisfall anzuerkennen, wenn Russland auf einen Angriff Österreichs-Ungarns auf Serbien mit einer militärischen Intervention reagiert und Deutschland darauf gegen Russland vorgeht. In dem Szenario bei Clark kommt es also zuerst zu einer Intervention Russlands, dann erst als Reaktion zu einer Intervention Deutschlands. Und das ist ja genau das Szenario am Ende der Julikrise durch dass es dann zum Weltkrieg kommt.

In Deiner Paraphrase interveniert zuerst Deutschland, dann Russland, also genau umgekehrt. In der Version von Clark ist kein Angriff Serbiens auf Österreich-Ungarn notwendig, weil erst die Intervention Russlands die Bündnisverpflichtung Deutschlands im Rahmen des Dreibunds auslöst.
 
In dem Zitat von Clark steht etwas anderes als in Deiner Paraphrase:

Nach Clark hatte Poincaré die Zusage gebegeben, den Bündnisfall anzuerkennen, wenn Russland auf einen Angriff Österreichs-Ungarns auf Serbien mit einer militärischen Intervention reagiert und Deutschland darauf gegen Russland vorgeht. In dem Szenario bei Clark kommt es also zuerst zu einer Intervention Russlands, dann erst als Reaktion zu einer Intervention Deutschlands. Und das ist ja genau das Szenario am Ende der Julikrise durch dass es dann zum Weltkrieg kommt.

In Deiner Paraphrase interveniert zuerst Deutschland, dann Russland, also genau umgekehrt. In der Version von Clark ist kein Angriff Serbiens auf Österreich-Ungarn notwendig, weil erst die Intervention Russlands die Bündnisverpflichtung Deutschlands im Rahmen des Dreibunds auslöst.

Clark schreibt:

"Sollte Russland eine militärische Intervention gegen Österreich-Ungarn einleiten müssen und sollte dies wiederrum eine Intervention durch Deutschland nach sich ziehen (was nach den Bestimmungen des Zweibundvertrags unvermeidlich war), so erkenne die französische Regierung dies im Voraus als casus foederis an [...]"

Nach den Bestimmungen des Zweibundvertrags war der casus foederis für Deutschland aber nur unvermeidlicher Weise unzweifelhaft gegeben, wenn Österreich-Ungarn von einer Großmacht (im Klartext Russland) angegriffen würde eine Verpflichtung Angriffskriege Österreichs zu decken enthielt der Zweibundvertrag nicht.

Brach Wien einen Krieg selbst von sich aus vom Zaun, war Berlin nicht zur Unterstützung verpflichtet, dann griff dieser Mechanismus nicht.


Ich selber habe mich über diese Stelle bei Clark auch gewundert, aber sie steht da so.
Ich war davon ausgegangen, dass sich da ein Fehler im Buch eingeschlichen haben mag, sofern hhier auf den Automatismus bestanden werden sollte.


Sollte Clark da ein anderes Szenario wie das vom Juli 1914 gemeint haben, wäre der in Klammern gesetzte Ausdruck irreführend, denn da ging Berlin über seine Bündnispflichten hinaus, dass was kein Automatisums.
Der ergab sich nur, wenn Österreich angegriffen wurde.
 
Sollte Clark da ein anderes Szenario wie das vom Juli 1914 gemeint haben, wäre der in Klammern gesetzte Ausdruck irreführend, denn da ging Berlin über seine Bündnispflichten hinaus, dass was kein Automatisums.
Der ergab sich nur, wenn Österreich angegriffen wurde.
Aber genauso war es doch im Juli 1914. Österreich-Ungarn erklärte Serbien wegen des Attentats auf den Thronfolger und wegen des abgelehnten Ultimatums den Krieg, daraufhin erklärte Russland die Mobilmachung und das löste dann die Bündnisverpflichtung Deutschlands aus, da Deutschland wegen des Schliefenplans nicht warten konnte, bis Russland tatsächlich angriff.

Man kann jetzt nur darüber diskutieren, ob der Angriff der Donaumonarchie auf Serbien gerechtfertigt war, aber offensichtlich hat man das in Deutschland so gesehen.
 
Ich habe nirgendwo geschrieben, dass man Poincaré nicht hätte ernstnehmen müssen, ich habe geschrieben dass es durchaus Gründe gab, seine vollmundigen Zusagen nicht allzu ernst zu nehmen.
...aha ...
...naja, manche deiner Argumente sind sehr schwierig zu paraphrasieren - am besten ist dann wohl, sie wörtlich zu zitieren:
Wenn ich die Russen gewesen wäre, ich hätte auf Poincaré nicht so viel gegeben.
...nicht dass mir gar unterstellt wird, ich würde dir unterstellen, derartiges vom Stapel gelassen zu haben... ;) ;) ;)
 
Aber genauso war es doch im Juli 1914. Österreich-Ungarn erklärte Serbien wegen des Attentats auf den Thronfolger und wegen des abgelehnten Ultimatums den Krieg, daraufhin erklärte Russland die Mobilmachung und das löste dann die Bündnisverpflichtung Deutschlands aus, da Deutschland wegen des Schliefenplans nicht warten konnte, bis Russland tatsächlich angriff.
Nein.

Deutschland aggierte über die Bestimmungen seiner Bündnisverpflichtungen des Zweibundvertrages hinaus, als es 1914 Russland den Krieg erklärte.

Wäre der Zweibundvertrag so zu lesen, wie du das unterstellst, wäre der "Blankoscheck" an Wien völlig unerheblich und die Diskussion darum obsolet, weil dann alles einfach nur den Vertragsbestimmungen entsprochen hätte und es für Wien gar keinen Grund gegeben hätte sich gesondert der deutschen Rückendeckung zu versichern.

Wäre dem so gewesen und hätten die Österreicher das so interpretiert, hätte es keinen Grund für die "Mission Hoyos" gegeben um sich von Berlin für diesen Fall gesondert Rückendeckung zu erbitten (Blankoschek), sondern dann hätte Wien einfach loslegen können, wie es auch während der Balkankriege schon hätte loslegen können.
Da allerdings bremste Berlin ein und machte klar, dass man das nicht mittragen würde, was schon recht deutlich machte, dass man sich nicht verpflichtet sah jeden Mist, den Wien fabrizierte auszubaden.
 
oincaré hatte nicht Russland für eine x-beliebige Situation einen Blankoschek zum Krieg gegen die Zentralmächte ausgestellt, sondern er hatte seinerzeit als Ministerpräsident Frankreichs die Zusage gegeben, dass seine Regierung im Konkreten Zusammenhang dass ein Österreichisch-Serbischer Zusammenstoß eine Deutsche Intervention auslöste (das aber hätte einen serbischen Angriff auf Österreich-Ungarn vorausgesetzt, da der Dreibund ein Defensivbündnis war), dies als Bündnisfall anerkennen würde.

Wien war mit Rumänien zu jener Zeit noch verbündet. Mit Bulgarien und Griechenland gab es keinen nennenswerten Probleme.

Die gab es ausschließlich mit Serbien. Serbien war das Land, mit dem ein Krieg am wahrscheinlichsten war. Die großserbischen Träume hatten ja schon 1908/09 bis hart an dem Rand eines Krieges mit der Monarchie geführt. Belgrad wollte die Provinzen Bosnien und die Herzegowina Serbien einverleiben. Nach dem Motto alle Serben in einem Reich. Dafür wurde auch fleißig Wühlarbeit geleistet. Es ist nicht weiter erstaunlich, das man hierüber in Wien nur sehr mäßig amüsiert war.
Im Zuge der Balkankriege forderte Serbien Wien erneut heraus. und es ging wieder bis an die Grenze des Krieges. Es war schon reichlich ungewöhnlich, das ein kleines Land wie Serbien eine europäische Großmacht herausforderte; es sei denn, man hatte Rückendeckung von einer anderen Großmacht.
Dies hat Poincaré natürlich gewusst und sein Blankoscheck entsprechend ausgestellt. Das war die Amtsvorgänger von Poincaré tunlichst vermieden haben.
 
Eine gewisse Logik- oder Plausibilitätsprüfung, verbunden mit Detailkenntnissen scheinen in der Dis. hier eine gute Richtlinie zu sein, Beitrag 232 demonstriert dies, meine ich.

Dass ÖU möglicherweise Größeres, Drastisches gegen Serbien als Reaktion vorhatte, davor warnte der dt. Botschafter Lichnowsky den britischen AA-Minister Grey bereits am 9. Juli, der britische Botschafter in Wien Grey am 13. Juli.
Wie sich also Poincaré am 15. Juli auf die Reise nach Russland begab, dürfte er gut orientiert gewesen sein, was womöglich kommen würde.

In Wien hatte die Geheimhaltung streng geheimer Absichten und Vorgänge die Dichtigkeit eines schweizer Käses, die persönlichen Netzwerke, Verbindungen, Freundschaften oder bezahlten Dienstleistungen überwanden fast jede noch so strenge Geheimhaltung.
 
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Im Zuge der Balkankriege forderte Serbien Wien erneut heraus. und es ging wieder bis an die Grenze des Krieges. Es war schon reichlich ungewöhnlich, das ein kleines Land wie Serbien eine europäische Großmacht herausforderte; es sei denn, man hatte Rückendeckung von einer anderen Großmacht.
Dies hat Poincaré natürlich gewusst und sein Blankoscheck entsprechend ausgestellt.
Mein Tip: Beitrag 224. Serbien forderte mitnichten ÖU aufgrund Rückendeckung heraus, es war dem serbischen und südslawischen Nationalismus schlicht egal. Zumal UÖ innenpolitisch vielfach fast gelähmt war durch die Polarität zwischen Österreich und Ungarn, und ihren differierenden Interessen. Man sieht das deutlich in der Julikrise, wie der ungarische Ministerpräsident als vehemente Bremse in Wien wirkte.

Weiterhin galt ÖU als absteigende Vielvölker-Großmacht, die nicht mehr zu nachhaltigen, großen militärischen Aktionen in der Lage sei (im Gegensatz zu den aufsteigenden nationalistischen Kleinstaaten, zumindest in ihrer Selbsteinschätzung/Selbstüberschätzung), die innenpolitische Spaltung in ÖU ist ja damals sprichwörtlich gewesen, niemand hat ÖU mehr als agile Großmacht vom Kaliber Frankreichs oder UKs berrachtet.
Die vielfältigen heftigen innerösterreichischen Debatten um die eigenen Fähigkeiten jener Zeit zeigen dies vielfach.

Ausgangpunkt dafür war die schnelle, glanzlose Kriegsniederlage 1866 gegen Preussen...Vor ÖU musste keiner mehr Angst haben & hatte auf dem Balkan auch keiner.
 
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Poincaré wollte auch keine Annäherung an Deutschland. Warum? Er fürchtete die Reaktionen Großbritanniens und Russlands, das dies zu einen Gegensatz führen könnte, den Berlin dann für sich ausnützen könnte. Ein sehr ähnliches Denken beherrschte Sir Edward Grey. Auch er war ständig in Sorge vor negativen Reaktionen seiner Partner. So hat die Triple Entente mit ihrer Eigendynamik schon dafür Sorge getragen, das es nicht zu einer durchgreifenden Entspannung gekommen war.

Am 24.Juli bemühte sich der deutsche Botschafter Schön in Paris im französischen Außenministerium für eine Lokalisierung eines mögliches Krieges zu wirken.
Als der Botschafter der Monarchie dem Justizminister Bienvenu-Matin, er leitete kommissarisch das Außenministerium während Vivianis Abwesenheit, von dem Ultimatum in Kenntnis setzte, hatte dieser Verständnis für die Aufklärung des Attentats und sich gegen die serbische Propaganda, die auf eine territoriale Dekomposition der Monarchie ausgerichtet war. Der Politische Direktor des französischen ußenministerium sah die Dinge allerdings ganz anders.
Jedenfalls hat sich Bienvenu-Matin sehr zurückgehalten, was man in der gegebenen Situation durchaus verstehen kann.

Am 26.07. war der deutsche Botschafter erneut im Außenministerium und wirkte auf Bienvenu-Matin ein, das auf Petersburg mäßigend eingewirkt würde. Bienvenu-Matin lehnte glatt ab. Dahinter steckte wohl Berthelot. Das war der Politische Direktor, der dann kurze Zeit später mit Schön "Klartext" sprach. Berthelot warf, äußerst undiplomatisch, "Berlin nicht nur Brandstiftung vor, sondern auch mit dem Odium, anstatt der Löschung. die Anfachung des Kriegsfeuers zu betrieben haben." Schön fiel auch die Ähnlichkeit der Ausführungen der Pariser Presse mit den Auslassungen Berthelots auf. Des Weiteren merkt Schön, dass das französische Gelbuch, welches kurz nach Kriegsbeginn veröffentlich wurde, nicht von seinen Bemühungen enthält.

Auch die Bemühungen Schöns um ein gemeinsames Pressekommuniqué erfüllten Schön Hoffnungen auf ein gemeinsame Erklärung für den Frieden nicht. Berthelot war nicht sehr entgegen kommend. Er hatte sicher Petersburg im Auge.

Als Iswolski dann am 27.Juli aus Petersburg zurückgekommen war, meldete er seinen Chef Sasonow:
"Überhaupt war ich hier überrascht, wie richtig der Justizminister und seine Mitarbeiter die Situation erfassen und wie sehr sie von der festen und ruhigen Entschlossenheit durchdrungen sind, uns vollste Unterstützung zu gewähren und den geringsten Schein einer Meinungsverschiedenheit mit uns zu vermeiden."

Der französische Botschafter Paléologue in Petersburg erteilt selbst Auskunft darüber, er erfuhr durch den britischen Botschafter Buchanan, der gerade aus Sasonow Büro gekommen war, davon, "Russland ist zum Krieg entschlossen. Wir müssen nun Deutschland die ganze Verantwortlichkeit und die initiative des Angriffs zuschieben, nur so wird die öffentliche Meinung in England für den Krieg zu gewinnen sein."
 
Weitere differenzierende Ergänzungen, die insgesamt erst mal einen beachtlichen quantitativen und qualitativen Unterschied zum entsprechenden dt.-sprachigen Abschnitt im WP-Lemma Raymond Poincaré zeigen können (mehrheitlich von einigen wenigen, mehrheitlich revisionistischen Titel dominiert)

Weblinks​

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Commons: Raymond Poincaré – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise​

  1. Raymond Poincaré. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 18. März 2023 (französisch).
  2. Christopher Clark im Interview mit "Der Bund", veröffentl. am 28.06.2014; «Das Buch ist kein Freispruch 
für die Deutschen» online abgerufen am 6. Januar 2016
  3. Christopher Clark: Die Schlafwandler: Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2013, S. 403.
  4. Christopher Clark: Die Schlafwandler. DVA, ISBN 978-3-421-04359-7, S. 382.
  5. Paddock, Troy R.E. (2019). Contesting the Origins of the First World War: An Historiographical Argument. London: Routledge. ISBN 978-1-138-30825-1, S. 115
  6. Herwig, Holger & Hamilton, Richard Decisions for War, 1914-1917, Cambridge: Cambridge University Press, 2004, Seite 114
  7. Stefan Schmidt: Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914. Oldenbourg, ISBN 978-3-486-59016-6, S. 255.
  8. Paddock, Troy R.E. (2019). Contesting the Origins of the First World War: An Historiographical Argument. London: Routledge. ISBN 978-1-138-30825-1, S. 119
  9. Stefan Schmidt: Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914. Oldenbourg, München, ISBN 978-3-486-59016-6.
  10. Zuber, Terence (2014). "France and the Cause of World War I". Global War Studies. 11 (3); S. 53
  11. Rainer F. Schmidt, Aufsatz Revanche Pour Sedan
  12. Sean McMeekin: The Russian Origins of the First World War, S. 85 (online)
  13. Stefan Schmidt: Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914. Oldenbourg, München, S. 317.
  14. Stefan Schmidt: Frankreichs Außenpolitik im Juli 1914. Oldenbourg, München, S. 318.
  15. Stefan Schmidt: Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914. Oldenbourg, S. 318.
  16. Erich Eyck: Geschichte der Weimarer Republik, Band 2, 1956, S. 229
aus Raymond Poincaré – Wikipedia
Was genau ist darin mehrheitlich revisionistisch?
 
Weitere differenzierende Ergänzungen, die insgesamt erst mal einen beachtlichen quantitativen und qualitativen Unterschied zum entsprechenden dt.-sprachigen Abschnitt im WP-Lemma Raymond Poincaré zeigen können (mehrheitlich von einigen wenigen, mehrheitlich revisionistischen Titel dominiert), finden sich auf der englischsprachigen WP-Seite French entry into World War I.

Hallo an Alle,
ich lese eure coole Disku gern mit.
Auch den Artikel Andy auf der Wiki find ich interessant. Der deutsche Blick ist ja manchmal nicht ganz ausreichend.
Danke an Solar- Andy, ich bin auch Tesla-Fan. Wenn ich mir mal ein Haus kaufe, werde ich auch einen Tesla mit Solarstrom fahren.!

Ich habe eine Google Übersetzung darunter gepostet:

Zitat:
As in all the major powers, a handful of men made the critical decisions in the summer of 1914.[14] As the French ambassador to Germany from 1907 to 1914, Jules Cambon worked hard to secure a friendly détente. He was frustrated by French leaders such as Raymond Poincaré, who decided Berlin was trying to weaken the Triple Entente of France, Russia and Britain, and was not sincere in seeking peace. Apart from Cambron the French leadership believed that war was inevitable.[15]

President Raymond Poincaré was the most important decision maker, a highly skilled lawyer with a dominant personality and a hatred for Germany. He increasingly took charge of foreign affairs, but often was indecisive. René Viviani became Prime Minister and Foreign Minister in spring 1914. He was a cautious moderate but was profoundly ignorant of foreign affairs and baffled by what was going on. The main decisions were made by the foreign office and increasingly by the president. The ambassador to Russia, Maurice Paléologue, hated Germany and reassured Russia that France would fight alongside it against Germany.[16]
(....)
For the French, there was a growing fear that Russia would become significantly more powerful than France and become more independent of France, possibly even returning to its old military alliance with Germany. The implication was that a war sooner could count on the Russian alliance, but the longer it waited, the greater the likelihood of a Russian alliance with Germany that would doom France.


Also in Kurzform, die französische Regierung war dominiert von Poincare. Dieser war ein Deutschlandhasser und befürchtete, Rußland könnte eine Allianz mit Deutschland abschließen und Frankreich wäre völlig an den Rand gedrängt.
Although Viviani was also foreign minister, he was unfamiliar with foreign affairs and said little. Poincaré was fully in charge of the French side of the discussions. Throughout the visit, he was aggressively hostile toward Germany and cared little for Serbia or Austria-Hungary.[22][23]

(...)
At no point do the sources suggest that Poincaré or his Russian interlocutors gave any thought whatsoever to what measures Austria-Hungary might legitimately be entitled to take in the aftermath of the assassinations".[24]


Übersetzung der betreffenden Stellen:
Wie in allen Großmächten trafen im Sommer 1914 eine Handvoll Männer die entscheidenden Entscheidungen.[14] Als französischer Botschafter in Deutschland von 1907 bis 1914 setzte sich Jules Cambon intensiv für eine freundschaftliche Entspannung ein. Er war frustriert über französische Führer wie Raymond Poincaré, die zu dem Schluss kamen, dass Berlin versuchte, die Dreifache Entente aus Frankreich, Russland und Großbritannien zu schwächen, und es nicht aufrichtig mit der Suche nach Frieden meinte. Abgesehen von Cambron glaubte die französische Führung, dass ein Krieg unvermeidlich sei.[15]


Präsident Raymond Poincaré war der wichtigste Entscheidungsträger, ein hochqualifizierter Anwalt mit einer dominanten Persönlichkeit und einem Hass auf Deutschland. Er übernahm zunehmend die Verantwortung für auswärtige Angelegenheiten, war jedoch oft unentschlossen. René Viviani wurde im Frühjahr 1914 Premierminister und Außenminister. Er war ein vorsichtiger Gemäßigter, hatte aber keine Ahnung von außenpolitischen Angelegenheiten und war verwirrt über das, was vor sich ging. Die wesentlichen Entscheidungen wurden vom Auswärtigen Amt und zunehmend auch vom Präsidenten getroffen. Der Botschafter in Russland, Maurice Paléologue, hasste Deutschland und versicherte Russland, dass Frankreich an seiner Seite gegen Deutschland kämpfen würde.[16]

(....)

Bei den Franzosen wuchs die Angst, dass Russland deutlich mächtiger als Frankreich und unabhängiger von Frankreich werden und möglicherweise sogar zu seinem alten Militärbündnis mit Deutschland zurückkehren würde. Die Schlussfolgerung war, dass man bei einem Krieg früher mit der russischen Allianz rechnen konnte, aber je länger man wartete, desto größer war die Wahrscheinlichkeit einer russischen Allianz mit Deutschland, die Frankreich zum Scheitern bringen würde.

(...)

Obwohl Viviani auch Außenminister war, war er mit auswärtigen Angelegenheiten nicht vertraut und sagte wenig. Poincaré hatte die volle Verantwortung für die französische Seite der Diskussionen. Während des gesamten Besuchs verhielt er sich aggressiv feindselig gegenüber Deutschland und kümmerte sich wenig um Serbien oder Österreich-Ungarn.[22][23]


(...)

Zu keinem Zeitpunkt deuten die Quellen darauf hin, dass Poincaré oder seine russischen Gesprächspartner überhaupt darüber nachgedacht hätten, welche Maßnahmen Österreich-Ungarn nach den Attentaten berechtigterweise ergreifen könnten.“[24]
 
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