Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter

Danke vielmals, diese Karte ist sehr hilfreich beim Auffinden der Orte die ich bislang übersehen hatte.
Hier nochmal in etwas höherer Auflösung:
https://www.geschichtsforum.de/attachments/sonderegger_1985-jpg.18948/
Ich kann euch nicht wirklich folgen, vielleicht habe ich es auch etwas übersehen, ich wollte nur einmal nachfragen, zu welchem Ergebnis ihr beim Staffelsee gekommen seid? Wie beurteilt ihr die Form Staphinseie?
Ich neige inzwischen dazu, Sepiola zuzustimmen, dass es sich nicht um einen vordeutschen Namen handelt — und die frühe Form Staphinseie scheint dies zu bestätigen. Im Fall Kochel bin ich allerdings weniger überzeugt.
 

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Wen es interessiert — hier der direkte Link zu meiner Karte der vordeutschen Siedlungssnamen in der Deutschschweiz, dank Sepiolas Hinweis auf Sonderegger (1985) weiter ergänzt und abgesichert:

https://s.geo.admin.ch/87bd2a21ec

[Edit] Die größte Überraschung für mich sind Murgenthal, Langenthal und Turbenthal gewesen:

Murgenthal ist eine Bildung aus keltisch *Morgā-dūnon «befestigter Ort am Fluss Morgā»; morgā bedeutet «Sumpf, Sumpfbach». Funde aus der Latènezeit stützen die Erklärung als keltische Namenzusammensetzung. Das zweite Wortelement entspricht dem keltischen dūnos (> latinisiert dūnum) «Hügel, Hügelfestung, befestigter Ort». Mit -dūnum gebildete Ortsnamen sind zahlreich. In der Deutschschweiz wurde die nicht mehr verständliche Endung im Mittelalter manchmal zu -thal umgedeutet (→ Langenthal BE, Turbenthal ZH).

Langenthal ist ein ursprüngliches *Langadūnon «befestigte Siedlung an der *Langa». Das nicht mehr verständliche Grundwort
-dūnum (in seiner abgeschwächten germanisierten Lautform -ten) ist sekundär zu -thal «Tal» umgedeutet worden.

Turbenthal wird in der Forschung allgemein auf einen keltischen Ortsnamen *Turbādūnum «befestigte Siedlung an der Turbā» zurückgeführt (Kläui/Schobinger 1989: 96). Turbā ist der ursprüngliche Name der Töss; der Flussname wird durch die indoeuropäische Wurzel *twer «drehen, wirbeln» erklärt (Boesch 1976a: 10; Greule 1996: 102). Turbenthal war ein Siedlungsmittelpunkt an einer Stelle im engen Tösstal, wo vermutlich in römischer Zeit ein Verbindungspfad zwischen der Strasse Vitodurum-Irgenhausen/Kempten und Sirnach/ Wil vorbeiführte (Kläui 1962/63: 48).

https://search.ortsnamen.ch/de/
 
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Wen es interessiert — hier der direkte Link zu meiner Karte der vordeutschen Siedlungssnamen in der Deutschschweiz

Mir fallen Ewil und Unter-/Oberägeri auf. Woher stammt die Einstufung als "vordeutsch"?

Ewil:
aus Einwil, was nach Müller auf den PN Agino > Aino > Eino zurückzuführen ist​

Ägeri:
Als ursprüngliche Grundform wird spätalthochdeutsch *Agareia, *Agreia «mit Ahorn bestandenes Land am Wasser» angesetzt.​
 
Dass es unterhalb des Hirschensprungs überhaupt keine vordeutschen Siedlungsnamen geben soll, schien mir etwas merkwürdig. Auf der Landkarte kam mir Montlingen spanisch vor. Und tatsächlich hieß der Ort im 12./13. Jh. noch Montigels/Muntigel, einige Urkunden haben die lateinische Form Monticulus.

Oberhalb des Hirschensprungs wären Plona und Salez die ersten ins Auge springenden romanischen Siedlungsnamen.
 
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Mir fallen Ewil und Unter-/Oberägeri auf. Woher stammt die Einstufung als "vordeutsch"?
Ehrlich gesagt erinnere ich grad die Quelle nicht. Jedenfalls findet man auf Sondereggers Karte genau hier eine waagrechte Schraffur.
Ewil:
aus Einwil, was nach Müller auf den PN Agino > Aino > Eino zurückzuführen ist
Ist gelöscht.
Dass es unterhalb des Hirschensprungs überhaupt keine vordeutschen Siedlungsnamen geben soll, schien mir etwas merkwürdig. Auf der Landkarte kam mir Montlingen spanisch vor. Und tatsächlich hieß der Ort im 12./13. Jh. noch Montigels/Muntigel, einige Urkunden haben die lateinische Form Monticulus.

Oberhalb des Hirschensprungs wären Plona und Salez die ersten ins Auge springenden romanischen Siedlungsnamen.
Danke für den Hinweis auf Montlingen sowie Plona und Salez. Dort am Alpenrhein fehlen natürlich noch recht viele Orte, besonders auf Vorarlberger Seite.
 
Und es gibt einen weiteren Neuzugang, der sich nicht auf den ersten Blick erschließt: Herzogenbuchsee.

Als Grundform des Namens Herzogenbuchsee kann lateinisch *ad buxa «bei den Buchsbäumen», zu lateinisch buxus «Buchsbaum», angenommen werden. Archäologische Überreste von römischen Villen in Herzogenbuchsee lassen darauf schliessen, dass es sich um eine ursprünglich römische Siedlung handelt. Bis Ende 13. Jahrhundert und in der Mundartform wird Herzogenbuchsee ohne das heutige Bestimmungswort als Buchse, Buchsi u.ä. erwähnt. Zur Unterscheidung von der ursprünglich gleichnamigen Ortschaft → Münchenbuchsee BE wird in der offiziellen Form seit dem 13. Jahrhundert der Zusatz Herzogen- verwendet. Dieser bezieht sich auf die Benediktinerprobstei, welche von den Zähringerherzögen gestiftet worden ist (BENB II, 246). Herzogenbuchsee bedeutet also «das Buchse der Herzöge». Da der Name nicht mehr verständlich war, wurde Buchse in Anlehnung an das Gattungswort See zu -buchsee umgebildet. Die Umdeutung beschränkt sich allerdings auf die offizielle Schreibform; die Dialektlautung führt die ältere Namenform [ˈbʊχsi] weiter.

https://search.ortsnamen.ch/de/
 
Ist gelöscht.

Danke für den Hinweis auf Montlingen sowie Plona und Salez. Dort am Alpenrhein fehlen natürlich noch ganz viele Orte, besonders auf vorarlbergischer Seite.

Ungelöscht ist bislang Silenen (ursprünglich Name eines Tals, nicht einer Siedlung) und Näfels.
Mollis und Näfels sind keine vordeutsche Siedlungsnamen.
[...]​
In Näfels liegt angeblich nicht einmal ein romanischer Flurname vor, sondern ein alemannisches Wort, siehe auch Noflen:

Noflen geht zurück auf das lateinische Gattungswort nŏvāle «Brachfeld, Feld, welches nur jedes zweite Jahr bepflanzt wird, neu für die Kultur gewonnenes Land, Rodung» (Gatschet 1867a: 3; Glatthard 1977a: 233s; Hubschmied 1952: 358; Sonderegger 1976: 171). Lateinisches nŏvāle wird von der alemannischen Bevölkerung als Lehnwort in der Form nóvale (später > nófale) übernommen. Daraus entwickelt sich über nófele [ˈnoːfələ] mit Synkope schweizerdeutsch [ˈnoːflə]. Das Wort ist in zahlreiche Flur- und auch Gemeindenamen der ganzen Schweiz verbreitet (→ Näfels GL, Novaggio TI).
(Ich darf bei dieser Gelegenheit noch einmal auf die Betonung auf der ersten Silbe hinweisen.)

Apropos Vorarlberg, da gibt es den Ort Nofels, wozu Wiki schreibt:
Der Ortsname Nofels, abgeleitet vom romanischen Novale = Neurodung, deutet auf die Entstehung des Ortes im Zuge dieser Siedlungstätigkeit in der Gegend hin.
Waren die ersten Nofler noch Romanen, so ließen sich hier in den folgenden Jahrhunderten auch Alemannen und Walser nieder, was Kultur und Sprache veränderte (gesprochen wird ein Alemannischer Dialekt).

Da frage ich mich, welche "folgenden Jahrhunderte" gemeint sind. Direkt neben Nofels liegt der Ort Altenstadt, der früher Feldkirch hieß. Die deutsche Bezeichnung Feldchiricha/Feldchirichun ist bereits im 9. Jahrhundert nachweisbar. Nach der Gründung der neuen Stadt (Markt- und Stadtrechte vor 1218), auf die der alte Name Feldkirch übertragen wurde, wurde die alte Siedlung "Altenstadt" genannt.

Der Hinweis auf den "Census in Romano" besagt gar nichts, denn dieser wurde auch in Orten mit alemannischer Bevölkerung (Altenstadt, Gisingen) erhoben:
Diesbezüglich sei ausgeführt, dass eine der ganz frühen Nennungen von Gisingen ("Gisingin") im Einkünfteverzeichnis des Klosters Mehrerau im Jahr 1290 erfolgte. Im sogenannten Zinsrodel wurden unter der Rubrik "Census in Romano" die Einkünfte aus dem Rätoromanischen Gebiet, zu dem damals Gisingen noch gehörte, erfasst. Die Gisinger mussten demzufolge 18 Käselaibe an das Kloster Mehrerau als Grundbesitzer abliefern.
https://www.google.de/url?sa=t&rct=...-03-2014.pdf&usg=AOvVaw0bNXfnYdKiQLYwxr9VSzLJ

Und da Nofels auf der ersten Silbe betont wird, muss auch hier eine Eindeutschung schon längst stattgefunden haben. Allenfalls könnte es sich um einen alten romanischen Flurnamen handeln, der später für die Siedlung verwendet wurde.
 
Ungelöscht ist bislang Silenen (ursprünglich Name eines Tals, nicht einer Siedlung) und Näfels.
So sei es denn.
Da frage ich mich, welche "folgenden Jahrhunderte" gemeint sind.
Die ersten Alemannen dürften hier im Gefolge der Karolinger eingetroffen sein — die Walser hingegen kamen 300–400 Jahre später im Hochmittelalter, allerdings von Süden her. Es ist nebenbei eine faszinierende Geschichte, wie sich die Walser vom Wallis aus nordostwärts durch Churrätien bis in das Allgäu ausgebreitet haben. (Und es sind wohl auch Walser gewesen, die die Brücke über die Schöllenenschlucht bauten und damit die Verbindung vom Wallis, von Graubünden und vom Tessin nach Uri wieder herstellten — mit weitreichenden politischen Folgen.)
 
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Die ersten Alemannen dürften hier im Gefolge der Karolinger eingetroffen sein
Das glaube ich kaum. Der Rhein war bereits um 610 bis zum Hirschensprung alemannisiert, das dürfte angesichts der -ingen-Namen (Kommingen, Meiningen, Gisingen) auch für den rechten Ufersaum gelten.

Ich dachte, ich hätte längst auf Gerold Hilty ("Gallus und die Sprachgeschichte der Nordostschweiz") hingewiesen. Ich erinnere mich, dass ich den Beitrag verfasst habe - wenn er nicht gelöscht wurde, habe ich schlicht vergessen, auf "Antwort erstellen" zu drücken...
Ich finde gerade den Link nicht mehr, ersatzweise gibt es diesen hier:
Gallus und die Sprachgeschichte der Nordostschweiz — VGS Verlagsgenossenschaft St. Gallen

So kann er zeigen, dass in der Linthebene die romanisch-alamannische Sprachgrenze unmittelbar südöstlich von Tuggen lag und dass sich am Bodensee die romanische Sprache in Konstanz, Arbon und Bregenz bei einem Teil der Bevölkerung erhalten hatte. Nur Bregenz stand jedoch in Verbindung mit einem romanischen Hinterland. Arbon und Konstanz hatten den Charakter von romanischen Sprachinseln. Die Nordgrenze eines zusammenhängenden romanischen Sprachgebiets lag beim Hirschensprung. In diese teilweise zweisprachige Welt kam Gallus mit seinem Lehrer Columban und weiteren Columbanschülern um das Jahr 610.
 
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Danke. Vor mir liegt noch Reinhold Kaiser, Churrätien im frühen Mittelalter — und vor einer fundierten Antwort muss ich da morgen früh nach 20 Jahren wieder einmal hineinschauen, bevor mich die Erinnerung allzu sehr trübt.

[Die Karte wurde inzwischen in Richtung Vorarlberg und Tirol etwas aktualisiert.]
 
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Da fällt mir beim Drüberschauen nur das fehlende n in Va[n]dans auf.
Schon korrigiert — es ist wohl Zeit, eine nächtliche Pause einzulegen. ;)
Hast Du vor, sämtliche romanischen Siedlungsnamen der jetzt deutschsprachigen Romania submersa aufzunehmen? Das wird dann ein längeres Projekt.
Nachdem es in Bayern und Österreich mit dem Informations- und Forschungsstand nicht so gut ausschaut, werde ich mich wohl mehr oder weniger auf die Schweiz beschränken, resp. auf den Ausschnitt den Swisstopo zur Verfügung stellt (die romanischen Siedlungsnamen in Liechtenstein, Vorarlberg und Tirol drängen sich ja förmlich auf).
 
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Schon korrigiert — es ist wohl Zeit, eine nächtliche Pause einzulegen. ;)

Nachdem es in Bayern und Österreich mit dem Informations- und Forschungsstand nicht so gut ausschaut, werde ich mich wohl mehr oder weniger auf die Schweiz beschränken, resp. auf den Ausschnitt den Swisstopo bietet.

Vorarlberg weiß ich nicht, aber zu Tirol gibt es ein gutes Buch (hab gestern wegen der Belege zu Scharnitz mal wieder reingeschaut): Peter Anreiter, Christian Chapman, Gerhard Rampl: Die Gemeindenamen Tirols, Innsbruck 2009.

Apropos Vorarlberg: Kann es sein, dass wir da im Illtal um Nenzing, Thüringen, Beschling eine alte alemannische Enklave haben?
In Nenzing gab es bereits sehr früh eine Kirche. Die ältesten Mauerreste, die bei den Ausgrabungen 1982/84 entdeckt wurden, stammen aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts, das sind die ältesten Belege für eine Kirche in Vorarlberg überhaupt.
Geschichte – Pfarre Nenzing

Alle drei Dörfer sind im rätischen Güterverzeichnis von 842 angeführt, alle haben Weinbau und alle verfügen über frühe Kirchenplätze. So lesen wir darin [1] "Et in Turingos similiter cum ecclesia. ... Est ibi mater ecclesia quam Adam habet ..." ("... Und ähnlich in Thüringen mit (der) Kirche ... Und ist hier (die) Mutterkirche die Adam innehat ..."). Das mit Kirche ist klar; diese als Mutterkirche bezeichnete Kirche ist jedoch die Eigenkirche des Lehensträgers Adam und nicht eine weitere, zweite Kirche. Ihr Anfang, für den es aber keinerlei archäologischen Unterlagen gibt, ist wohl in das 7./8. Jahrhundert anzusetzen: er liegt damit im Nahbereich zu den Kirchengründungen in Nenzing und Bludesch.
Pfarrkirche Hl. Stephan – WALGAU WIKI

EDIT: Auch Vorarlberg ist gut erforscht:
Das Vorarlberger Flurnamenbuch ist eine umfangreiche Sammlung aller auf Vorarlberger Landesgebiet nachgewiesenen Orts-, Berg-, Weg-, Gelände- und Gewässernamen mit sprachlichen Nachweisen, phonetischer Transkription, kartographischer Dokumentation und urkundlicher Überlieferung.
[...]
In Vorarlberg wurden rund 46.700 Flurnamen aufgezeichnet, von denen rund 1/3 nicht aus der deutschen Sprache abgeleitet sind.
Vorarlberger Flurnamenbuch – Wikipedia
 
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Apropos Vorarlberg: Kann es sein, dass wir da im Illtal um Nenzing, Thüringen, Beschling eine alte alemannische Enklave haben?
Im Gasterland und im unteren Teil des Glarnerlandes sind die Alemannen schon in frühhochdeutscher Zeit angesiedelt und dringen bis zum 10. Jahrhundert bis an das Westufer des Walensees vor. Zur gleichen Zeit erreichen die Alemannen auch das unterste St. Galler Rheintal und das nördliche Vorarlberg, wobei ein signifikanter Unterschied des Ortsnamensbildes links und rechts des Rheins deutlich hervortritt: Im Vorarlbergischen gibt es zahlreiche vorromanische (alteuropäische, rätische, keltische) Namen, die romanischen massieren sich in der Talebene vor allem südlich von Dornbirn und verdichten sich um Rankweil (das bis ins 9. Jahrhundert Vinoma hiess). Zwei frühe -ingen-Namen im Rheintal und drei im Walgau inmitten einer romanisch geprägten Namenlandschaft bezeugen eine längere romanisch-germanische Symbiose.

Reinhold Kaiser, Churrätien im frühen Mittelalter, Schwabe & Co., Basel, 1998
[Kaiser meint hier den Walgau in Vorarlberg (Vallis Drusiana)]
Man sieht hier übrigens schön, wie die vier großen unbewohnten Gebiete um den Vierwaldstättersee zu den "vier Waldstätten" passen:
Spricht nicht schon der Namensbestandteil -stätte dafür, dass eben nicht die Wälder, sondern die Siedlungen gemeint waren? Insbesondere das gleichlautende Wort, das uns heute noch als Gestade erhalten ist, würde hier sehr gut passen (ahd. stedi im Sinne von Landungsplatz, Ufer: "Die Gestade der Welschen").

Gibt es irgendwo sonst einen -statt/-stätte-Namen, der gleich eine ganze Gegend bezeichnet (mit fällt keiner ein)?

[Dank für die Literaturtipps.]

Eine Kleinigkeit noch: Luzern wurde erst nachträglich in der frühen Neuzeit zur vierten Waldstätte erklärt, während andererseits Glarus im späteren Mittelalter gelegentlich als Waldstätte bezeichnet wurde.
 
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Spricht nicht schon der Namensbestandteil -stätte dafür, dass eben nicht die Wälder, sondern die Siedlungen gemeint waren?
Es sind nicht die Wälder gemeint, sondern die Wohnstätten in den Wäldern. Der Name Unterwalden bringt das explizit zum Ausdruck: Unterwalden


während andererseits Glarus im späteren Mittelalter gelegentlich als Waldstätte bezeichnet wurde.
Auch Glarus war größtenteils unbewohnt, wie man sehr schön auf der Karte sieht.

EDIT:
Gibt es irgendwo sonst einen -statt/-stätte-Namen, der gleich eine ganze Gegend bezeichnet (mit fällt keiner ein)?

Im Allgäu gibt es das "Bergstätt-Gebiet".
 
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Es sind nicht die Wälder gemeint, sondern die Wohnstätten in den Wäldern. Der Name Unterwalden bringt das explizit zum Ausdruck: Unterwalden
Dass es dort unbestreitbar Wälder gibt und gab könnte der Grund gewesen sein, warum aus hypothetischen *Walchstaden nach der Germanisierung volksetymologisch irgendwann Waldstätte(n) geworden wären, resp. aus *Ober-/Unterwalchen Ober- und Unterwalden.

Man darf auch nicht vergessen, dass der Verkehr zwischen den Waldstätten hauptsächlich auf dem Seeweg stattfand (Uri ist erst seit dem 19. Jahrhundert von Norden auf dem Landweg erreichbar!), weshalb die Gestade, die Anlegestellen, von großer Bedeutung gewesen sind. Und die wichtigsten alten Häfen tragen mit Ausnahme des längst verlandeten und seines alten Namens verlustigen Altdorf sämtlichst vordeutsche Namen, wie Stans, resp. das spätere, der Verlandung folgende Stansstad (sic!), Buochs, Luzern, Küssnacht und Weggis — allesamt "Walsch(ge)stade" also, wie auch der Schwyzer Hafenort Arth am Zugersee.
Auch Glarus war größtenteils unbewohnt, wie man sehr schön auf der Karte sieht.
Die dortige romanische Bevölkerung lebte aber zum guten Teil an den Gestaden des Walensees (9./10. Jh. Lacus rivanus, 1259 Walase). Da scheint es mir nicht weit zur *Walastad und von dort zur spätmittelalterlichen Waldstatt.
Im Allgäu gibt es das "Bergstätt-Gebiet".
Guter Fund.

Nochmals Dank für die Literaturhinweise.
 
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Die dortige romanische Bevölkerung lebte aber zum guten Teil an den Gestaden des Walensees (9./10. Jh. Lacus rivanus, 1259 Walase).
Präzisierung: Die romanischen Orte Bilten und Schänis lagen dazumal am Ostende des Zürichsees, der sich weiter nach Osten erstreckte (Tuggenersee).

Ein Argument sei noch erwähnt, nämlich der Ortsname Walenstadt:

Der ursprüngliche Name von Walenstadt, der im Bündnerromanischen bis heute weiterlebt, ist Riva «am Ufer gelegen» (< lateinisch ripa «Ufer»; cf. → Riva San Vitale TI, Rivaz VD). Das Bestimmungswort Walen- im heutigen Namen entspricht dem althochdeutschen Genitiv Plural walaho (zum althochdeutschen Gattungswort walh «Romane») oder dem althochdeutschen Adjektiv wal(a)hisc «romanisch». Als Grundwort findet sich das althochdeutsche Gattungswort stad «Ufer» (cf. → Stansstad NW), welches das romanische ripa/riva übersetzt. Walenstadt bedeutet somit ursprünglich «Ufer, Anlegeplatz, Staad der Romanen; Ufer, wo die Romanen wohnen» (Sonderegger 1963a: 51; Nyffenegger 1968: 28; Vincenz 1992b: 235). Die heutige Schreibweise -stadt ist das Ergebnis einer in den Belegen schon früh einsetzenden Umdeutung von -stad «Ufer» zu -statt «Stätte» und später zu -stadt «Stadt».

https://search.ortsnamen.ch/de/record/802003298

[Die Karte der vordeutschen Ortsnamen im südalemannischen Raum wurde inzwischen weiter ergänzt und bereinigt.]
 
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Ein Argument sei noch erwähnt, nämlich der Ortsname Walenstadt

Vielen Dank für dieses hervorragende Argument, das die postulierten "Walch-Stätten" schlagend widerlegt. Sowohl beim See wie beim Ufer lauten die Formen stets Wala-, Walen-, Wale-. Da führt kein Weg in den "Wald".
 
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