Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter

Dieses Thema im Forum "Völkerwanderung und Germanen" wurde erstellt von Sepiola, 24. Februar 2020.

  1. Divico

    Divico Aktives Mitglied

    Dass hier im speziellen Fall kein Weg in den Wald führte lag wohl eher daran, dass der Ort am Walensee liegt.

    Wie kommst Du überhaupt darauf, dass kein Weg von Wal- zu Wald- führt? Nur ein Beispiel: Waldstatt AR wird erstmals erwähnt als 1374 Ober Walstatt, 1415 Wallstatt. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001299/2014-11-04/
     
  2. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Von Wal- zu Wald führt schon ein Weg. Aber nicht von Wala-/Walen-.

    ... und hat natürlich nichts mit den Welschen zu tun.

    EDIT: Bei ortsnamen.ch heißt es dazu:

     
  3. Divico

    Divico Aktives Mitglied

    Bad Waldsee:
    Im 8. Jahrhundert gab es vermutlich eine erste Ansiedlung von Romanen[3]
    Waldsee („See der Walchen/
    Welschen“) wurde erstmals 926 im sogenannten Weißenburger Codex (auch Codex Edelini genannt)[4] urkundlich erwähnt. In dem Dokument, das über die Zerstörungen der Ungarn während ihres Feldzuges durch Süddeutschland berichtet, heißt es: „In Walahsé ist eine königliche Niederlassung von den Heiden zerstört worden. Zu ihr gehören zwei Huben Ackerland, 60 Karren Wiesenheu, eine Mühle und eine Kirche“.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bad_Waldsee

    Waldstetten (Günz):
    Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte um 1120 als „Walestat“ („Wohnstätte der Romanen“).[3]
    https://de.wikipedia.org/wiki/Waldstetten_(G%C3%BCnz)

    Waldstetten (Ostalbkreis)
    Waldstetten wird 1275 als Walhstetten erstmals im Liber decimationis des Bistums Konstanz erwähnt, zu dem damals die katholische Pfarrei St. Laurentius zählte (heute Diözese Rottenburg-Stuttgart). Der Ortsname könnte „Siedlung des Wal(a)h“ oder „Siedlung der Welschen“ bedeuten (Reichardt II, S. 273).
    https://de.wikipedia.org/wiki/Waldstetten_(Ostalbkreis)
    Im Appenzeller Beispiel sehr wahrscheinlich nicht — aber siehe oben. ;)
     
    Zuletzt bearbeitet: 2. März 2020
  4. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied


    Die Beispiele sind mir alle bekannt, siehe auch hier:

    Wobei hier im nördlichen schwäbischen Dialekt das -e- früh geschwunden ist, was in der Zentralschweiz offensichtlich nicht der Fall war.
     
  5. Divico

    Divico Aktives Mitglied

    Welches -e- meinst Du?
     
  6. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das -e- in Wal(h)e-. Erst sein Schwund macht eine Verwechslung mit 'Wald' möglich.
     
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  7. Divico

    Divico Aktives Mitglied

    Nun hielten sich Romanen am Walensee bekanntlich länger als am Vierwaldstättersee, weshalb (im Gegensatz etwa zu Altdorf) auch der vordeutsche Name Riva noch bekannt ist, zudem war hier auch im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit das romanische Gebiet nicht fern (Walenstadt— Chur: 40 km), so dass man hier noch länger wusste, worauf sich "Wale(n)" (das "n" existiert nur in der Schriftsprache) bezog, nämlich auf die später zuweilen so genannten "Churwelschen", also die Rätoromanen.

    In der Innerschweiz am Vierwaldstättersee war der Kontakt nach Süden in die dortige Romania im frühen Mittelalter offenbar nahezu abgebrochen, da eine allfällige römische Brücke über die Schöllenschlucht zum Gotthardpass nicht mehr existierte. So wurde das jenseits der Schöllenen gelegene, zuvor romanisch besiedelte Ursenental erst im 12./13. Jahrhundert vom Wallis, also von Südwesten her, durch die Walser germanisiert, die dann offenbar die Verbindung nach Uri mit der Teufelsbrücke wieder herstellten. Erst jetzt im Hochmittelalter gab es hier im Reusstal also wieder Kontakt zu "Welschen" — inzwischen hätten die 'Wald'-Namen viel Zeit gehabt, sich zu verfestigen.

    (Dass sich die Romanen in Unterwalden länger als in Uri halten konnten mag auch daran gelegen haben, dass sie über Brünig- und Grimselpass weiterhin Kontakt zur romanischen Welt halten konnten.)
     
    Zuletzt bearbeitet: 2. März 2020
    pelzer gefällt das.
  8. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Und bekanntlich zählte der Kanton Glarus, der bekanntlich an den Walensee grenzt und wo man möglicherweise noch viel besser als anderswo zwischen Wale(n) und Wald unterscheiden konnte, zu den früherwähnten Waldstätten.

    [Dazu das vielzitierte Ortslexikon:
    Glarus geht sehr wahrscheinlich zurück auf eine Grundform *ad clārōnam «bei der hellen Stelle», im übertragenen Sinn «Waldlichtung».]

    Meinst Du nicht auch, es wäre an der Zeit, diese Phantomdiskussion zu beenden?
     
  9. Divico

    Divico Aktives Mitglied

    Was die Leute sprachen, und was dann von vielleicht nicht Orts-, aber Schriftkundigen zu Papier gebracht und dabei möglicherweise hyperkorrigiert wurde, sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
    Es ist offenbar, dass sich für die These, die Waldstätten am heutigen Vierwaldstättersee seien linguistisch ursprünglich Walhstade, also 'Von Romanen besiedelte Ufer' gewesen, keinerlei Rückendeckung in der Literatur findet, und daher hast Du wohl Recht. (Wobei die frühmittelalterlichen Romanen an besagten Ufern niemand bestreitet.)
     
    Zuletzt bearbeitet: 3. März 2020
  10. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

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  11. Divico

    Divico Aktives Mitglied

    So klar ist das bei den Wil-/Wilen-/Wiler-Orten nicht immer — aber da diese hier nicht das Thema sind, hast Du Recht und Brienzwiler fliegt hinaus.
     
    Zuletzt bearbeitet: 3. März 2020
  12. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    In Wünnewil haben wir es wohl mit einer romanischen Bildung zu tun:
    https://search.ortsnamen.ch/de/record/802002309
     
  13. Divico

    Divico Aktives Mitglied

    Danke für den Hinweis. Gleichwohl werde ich es nicht mit in die Karte aufnehmen, weil ich sonst jeden dieser Orte hinterfragen müsste. — Aber ein wenig südwestlich liegt Tafers, das ich bisher übersehen habe.

    Aber hier sind wir schon nahe einer noch aktiven Kontaktzone, in der das Französische durch die Industrialisierung sogar wieder etwas an Boden gewinnen konnte. Heute geben im Kanton Fribourg mehr als 60% Französisch als Muttersprache an, hingegen gut 20% Deutsch.
     
    Zuletzt bearbeitet: 3. März 2020
  14. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das verstehe ich nicht. Oder wächst Dir die Arbeit schon über den Kopf?

    Weiter südlich gibt es noch mehr: Giffers, Plasselb, Plaffeien, eindeutig romanisch und eindeutig eingedeutscht.
     
  15. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Albligen kam mir auch verdächtig "unalemannisch" vor. Und tatsächlich hieß es im 12. Jahrhundert noch Albennon.
     
  16. Divico

    Divico Aktives Mitglied

    Die Weil(er)-Orte nach vorgermanisch und germanisch zu trennen, zumal in einer Zone des interkulturellen Kontakts über Jahrhunderte, das ist heikel. — Und ist es überhaupt sinnvoll, wenn die Menschen weitgehend in friedlicher Koexistenz gelebt haben?
    Danke, die sind so alt, die sollten passen. Ansonsten ist es nahe der modernen Sprachgrenze immer fraglich, ob wir noch im frühen Mittelalter sind. Hier ging es ja bis in die jüngere Neuzeit sprachlich hin und her.
    Respekt, das wäre mir dreimal entgangen!
     
    Zuletzt bearbeitet: 3. März 2020
  17. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Aber es ist doch gar nicht nötig. Die meisten Weil(er)-Orte sind germanisch, die kann man weglassen, die unsicheren kann man auch weglassen, und die wenigen sicher romanischen kann man doch aufnehmen?

    Betrifft das jetzt den Sinn der Karte überhaupt?

    Die Karte enthält haufenweise Ortsnamen, die erst im Hoch- oder Spätmittelalter eingedeutscht worden sind.

    Mir fehlt es noch an einer Definition, was genau auf die Karte soll und was nicht.

    Und wann kommt ein Fragezeichen dazu, wann nicht?

    Suhr ist wohl nicht so ganz sicher:
    https://search.ortsnamen.ch/de/record/802004012

    Edit: Gerade entdecke ich noch Romanshorn (eindeutig deutsche Namenbildung) in eckigen Klammern.


    Und Galgenen?
    ortsnamen.ch - Galgenen

    EDIT: Gerade entdecke ich noch Romanshorn (einwandfrei deutsche Namenbildung) in eckigen Klammern. Was hat das zu bedeuten?
     
    Zuletzt bearbeitet: 3. März 2020
  18. Divico

    Divico Aktives Mitglied

    Dieser Argumentation kann ich mich nicht entziehen.
    Das glaube ich vor allem im Westen gern, trotzdem wäre ich dankbar für ein oder zwei offensichtliche Beispiele.
    Eigentlich wollte ich mir nur einen Überblick über die erhaltenen vordeutschen Ortsnamen im heute deutschsprachigen nördlichen (Vor-)Alpenland verschaffen.
    Das Fragezeichen soll Orte bezeichnen, bei denen eine vordeutsche Deutung zwar recht wahrscheinlich, wenn auch nicht ganz sicher ist.
    Ein klarer Fall für das Fragezeichen.
    Hier gefällt mir calcanea, aber ein Fragezeichen ist wohl auch hier angemessen.
     
    Zuletzt bearbeitet: 3. März 2020
  19. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Die Betonung hatte ich schon einige Male erwähnt. Ein Beispiel im Westen wäre Bellmúnd, aber im Osten haben wir noch viel mehr spät eingedeutschte Namen mit Betonung auf der zweiten oder dritten Silbe:
    Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter
     
  20. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

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