Taktiken der römischen Legion

Hallo allerseits,
ich hätte mal eine Frage zu einer bestimmten Vorgehensweise im Gefecht der Römer. Vor längerer Zeit sah ich eine Doku auf dem History Channel über Queen Boudicca. In der Schlacht, in der sie geschlagen wurde, wurde auf die Gefechtsweise der Römer eingegangen. Darin wurde erklärt, dass sie eine Art Rotationsverfahren verwendeten in der der vorderste Legionär ca. 5 oder 6 Minuten kämpfte, danach nach hinten in die Reihe ging während der Hintermann seine Position einnimmt.
Es ist leider etwas schwer zu erklären was ich meine. Deshelb poste ich mal einen Link zur oben beschriebenen Doku, worin diese Kampftaktik anschaulich beschrieben wird.
Siehe bitte ab 2:34
YouTube - Queen Boudica "Battle of Watling Street" 2of3

Meine Fragen wären:
Wie nannte sich diese Gefechtstaktik?
Wann wurde sie eingeführt?
Wurden auch die Auxiliartruppen darin geschult?

Ich hoffe ihr könnt mir da weiterhelfen.
 
Diese "Kampfweise" hat ja auch ihren Einzig in die Serie Rom gefunden, allerdings kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das funktionieren soll.

Dass in einer Kampfpause gewechselt wurde ist logisch, darum geht es aber nicht.

Wie stell ich mir das im Gefecht vor?

Erstens, das Signal ist nicht zu übermitteln, wie sollten alle gleichzeitig in einer Schlacht, die extrem Laut ist und wo die Menschen unter enormen Druck stehen handeln? Wenn einer einen Fehler macht hast du doch schon eine Lücke wo der Feind einbricht.

Zweitens Massendruck, 6 und mehr Reihen drucken von Rückwärts und der Feind von Vorne, d.h. alles ist auf engsten Raum -> Abwechseln unmöglich.

Drittens, wie sollte überhaupt gewechselt werden? Ist der Feind so nett und schlägt nicht mehr zu wärend des Wechsels? Der Legionär muss bei dieser Aktion zwangsläufig aufhören Front gegen den Gegner zu machen, außerdem kann er seine Aufmerksamkeit nicht auf seinen Gegner konzentrieren, sondern auf den Wechsel. Das ist das Todesurteil.

Die Geschichte ist in einer rangierten Schlacht, wo ohne Pause gekämpft wird bis der Gegner weggedrückt ist ein Ding der Unmöglichkeit.
 
All das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen.

Aber weiß eigentlich jemand, woher man das wissen will? Wird der Schlachtablauf von irgendeinem antiken römischen Autor so berichtet? Wenn ja, gebe ich zu bedenken, dass viele römische Autoren, auch solche, die dezidiert über militärische Themen schrieben, selbst keine Militärerfahrung hatten. Auch bei Vegetius wird vieles, was er über die Kriegsführung schreibt, von heutigen Militärhistorikern kritisch hinterfragt.
 
Die "Schlacht an der Watling Street" ist kein Beispiel für den Austausch der Frontlinie. In ihr beschreibt Tacitus vielmehr den routinierten Ablauf. Abwurf der pila auf die anstürmenden, dann im cuneus, dem Keil gegen den Feind, dabei die Kavallerie als Unterstützung an den Flanken / dem Rücken des Gegners.

Als Beispiel für besagten Austausch nehmen die Verfechter dieser Theorie gerne Sallusts Beschreibung der Schlacht gegen Catilina.
Sallust, bellum catiliniae, 60:
Interea Catilina cum expeditis in prima acie vorsari, laborantibus succurrere, integros pro sauciis arcessere, omnia providere, multum ipse pugnare, saepe hostem ferire: strenui militis et boni imperatoris officia simul exsequebatur.[/Quote]
Hier geht es aber um den Austausch Verwundeter. Und die positive Beschreibung der Leistungen Catilinas läßt vermuten, dass er hier das simple Nachrücken als Leistung verbuchte.

Dazu kommt noch eine Stelle bei Livius 8. Hier beschreibt er wie Einheiten ausgetauscht werden. Gemeint ist vermutlich, dass ein Manipel in einer Gefechtspause ausgetauscht wurde.
 
Livius ist als Beleg für diese Theorie ohnehin weitgehend wertlos, da er reiner Nichtmilitär war. Auch andere Stellen seines Werkes zeugen von militärischer Ahnungslosigkeit.

Das Boudicca-Video selbst ist das beste Argument gegen dieses Rotationsverfahren: In einer Simulation wird zwar vorgeführt, wie das funktioniert haben soll, aber da stehen die Soldaten auch in ganz lockerer Formation mit viel Raum zwischen Reihen und Linien. Das war in der Schlacht eben nicht so.
 
Exakt. Ich persönlich nennen diese Theorie liebvoll "rotierende Römer". Sie wurde publik gemacht durch eine italienische Darstellergruppe namens Ars Dimicandi. Verbreitet hat sie sich vor allem in Folge der ersten Folge der Serie "Rome". Hier wird durch ein Trillerpfeifchen des centurios signalisiert, den Vordermann am (zu Caesars Zeiten nicht vorhandenen) balteus zurück zu ziehen und zu ersetzen, worauf der so Gezerrte sich seitlich dreht und zwischen den Kameraden nach hinten "rutscht".
Die Fehler sind so offensichtlich, dass mich die Gläubigkeit daran immer wieder verwundert.
 
Hab ich das richtig verstanden, dass es dieses dargestellte Rotationsverfahren in der Doku so garnicht gegeben hat, bzw. nur in der Theorie?
 
Eben das ist die Streitfrage. Wer aber ein Fünkchen militärischen Sachverstand hat, der sagt: Nein, weil das in der Praxis nie und nimmer funktionieren kann, siehe die Beiträge dieses Threads. Es gibt jedenfalls anscheinend keine einzige Stelle in der antiken Literatur, die dieses Rotieren eindeutig und klipp und klar belegen würde.
 
Ich habe mir dieses nette Video angesehen. Wer so seine Reihe verlängert wie durch diese Keile, na der kriegt richtig Keile. Die Linie bricht auf kurz oder lang, die Truppenteile können allseits angegriffen werden und das wars dann.
Es ist einfach Hollywoodlike
 
Noch deutlicher wird es finde ich eben in der Serie Rome selbst:
YouTube - HBO Rome

Neben der Tatsache, dass die Ausrüstung der Zeit noch nie im Film so GUT dargestellt wurde haben sie in den Details eben Fehler zugunsten ihrer Theorie gemacht.
Und sie liefern eines der Gegenargumente gleich selbst. Der Springer fällt zwischen die Reihen, man sieht sehr viel Platz zwischen den Soldaten, später dann dafür wiederum fast keinen.
Wenn der gute Junge reinhüpft, während die anderen durchrücken gibts einen fiesen Dominoeffekt..und und und. Wie Ravenik sagte, mit Sachverstand würde man es vermeiden nach hinten gezogen zu werden, wenn vor einem ein Mensch mit einer Waffe in der Hand nach dem Leben trachtet...
 
Danke das ihr euch alle mit meiner Frage beschäftigt habt, das hat mir sehr weitergeholfen!
Ich hätte da noch eine Frage taktischer Natur - wann und von wem wurde die Testudo eingeführt, bzw. wurde das 1. mal angewandt?
 
Die Historiker Plutarch und Cassius Dio erwähnten sie erstmals in Zusammenhang mit Mark Antons Partherfeldzug. Sie soll aber schon von Caesar im Gallischen Krieg eingesetzt worden sein; welchen quellenmäßigen Beleg es dafür gibt, weiß ich nicht.
 
Die Helme sind denen der Trajanssäule nachempfunden? Gab es diese Helme denn schon zu Julius Caesars Zeiten?
Andernorts las ich, dass der Helm vom Typ "Mannheim" eigentlich am verbreitetsten war für diese Epoche. Oder liege ich da falsch?
Siehe:
Rmische Helme
 
Die Helme sind denen der Trajanssäule nachempfunden? Gab es diese Helme denn schon zu Julius Caesars Zeiten?
Nö, natürlich nicht.

Andernorts las ich, dass der Helm vom Typ "Mannheim" eigentlich am verbreitetsten war für diese Epoche. Oder liege ich da falsch?

Es sind etliche Typ-Mannheim Helme in keltischen Spätlaténegräbern gefunden worden, daher steht sogar zur Diskussion ob dieser Helm wirklich römisch ist.
 
Zur diesem Rotieren:

MWn hat das ganze Caracolieren im 16./17. Jh. schon bei Fernkämpfern nicht wirklich funktioniert, zumindest nicht im ernsthaften Gefecht. Wieso das dann im Nahkampf besser klappen sollte erschlißt sich mir nicht; als Exerzierbung evtl ganz nett, aber mehr auch nicht.

Zu den Helmen

Bin ich jetzt kein Fachmann, aber sieht für mich schon nach Montefortino aus (oder als sollte es so was darstellen...). Der würde durchaus in die Zeit passen.

http://www.google.de/#hl=de&source=hp&q=montefortino+Helm&aq=f&aqi=&aql=&oq=&gs_rfai=&fp=f6c1d847b703d967

Die auf der Trajansäule dargestellten Helme haben zwar ähnlich geformte Wangenschützer (die scheint ja auch Sinn zu ergeben), aber die Helmglocke sieht anders aus.

Es sind etliche Typ-Mannheim Helme in keltischen Spätlaténegräbern gefunden worden, daher steht sogar zur Diskussion ob dieser Helm wirklich römisch ist.

Die Debatte ist mE weitgehend sinnlos; auch der Montefortino-Typ ist wohl gallischen ursprungs, wurde aber von den Römern übernommen (die haben ja praktisch kein Teil ihrer militärischen Ausrüstung selbst entwickelt ;)).
 
Die Angaben zum Helm stammten von der Seite der Gruppe selbst, als sie die Legionäre noch dort aufführte und ihre Theorien erläuterten. Ars Dimicandi hat sich mittlerweile sehr auf die Gladiatur beschränkt, aber früher war eben 50 / 50 zu ihrer Legionstruppe dort aufgeführt.
Die Gruppe ist da schon recht bekannt für, einen mitunter etwas irritierenden Mix an Rekonstruktion und Tradition zu tragen und ihre eigenen Wege zu gehen.
Hier sieht man sie mit einem anderen Helm (mit fest integrierten, flachen und schmalen Kreuzbügeln!) aber dafür ausschließlich mit der hamata mit humeralia:
YouTube - Ars Dimicandi Exercitus - Roman legions

Wer sich wirklich dafür interessiert kann gerne einmal auf deren Seite im Archiv die Videos ansehen, ich empfehle vor allem murus vs cuneus (Wall gegen Keil). Die dort zu sehenden ledernen segmentata hatten zeitweise auf der besagten Internetseite eine Erläuterung, die sie ebenfalls von der Trajanssäule und der Marc-Aurel Säule abnahm und als neuen Typus Marco Antonio D bezeichnete. Vielleicht findet den Artikel ja noch einer, im Netz soll ja nichts verloren gehen.
Das soll kein Lästern sein, es soll nur erklären, wer und was im dem Video zu sehen ist, warum ich diese Auskunft gab, und wie es darum bestellt ist.
Aktuelles Foto der Gruppe mit ihrer derzeitigen Ausrüstung:
cohors-I-italica box-tecnica2

Man beachte die Helme bei den Herren ganz rechts...
 
Die Debatte ist mE weitgehend sinnlos; auch der Montefortino-Typ ist wohl gallischen ursprungs, wurde aber von den Römern übernommen (die haben ja praktisch kein Teil ihrer militärischen Ausrüstung selbst entwickelt ;)).

Die gefundenen Helme sind entweder Flussfunde, die man nicht zuordnen kann, oder stammen aus gallischen Gräbern, da muss doch die Frage erlaubt sein wieso das Ding römisch sein soll.
:pfeif:
(Montefortinos hat man in eindeutig römischem Kontext gefunden)
 
Zurück
Oben