Ab 391 bis zur sog.
Morgenländischen Schisma im Jahr 1054 gab es im römischen Reich und seinen Nachfolgern nur eine christliche Kirche, wenn man die koptische beiseite lässt, weil die in Europa keine Bedeutung hatte und hat. Danach gab es 2 und ab Luther 3, wenn man darunter auch die anglikanische Kirche subsummiert.
Ob die für Europa keine Rolle spielte hängt erstmal vom jeweiligen Europa-Begriff ab, gängige Vorstellungen dazu umfassten episodisch auch gerne mal die afrikanische Gegenküste nördlich der Sahara und die Levante.
Wenn du allerdings die Kirche vor dem morgenländisches Schisma anführst, wirst du auch deren durchaus nicht hierarchische, sondern eher föderale Gliederung anerkennen müssen.
Eine Festlegung auf eine einzige Zentrale in Rom gab es da ja durchaus noch nicht, und wenn man bedenkt, wie weit die jeweiligen Patriarchen, im Besonderen die von Rom und Konstantinopel gingen um ihren Vorranganspruch durchzusetzen, wird man die innere Struktur der ganzen Angelegenheit warhscheinlich eher als polykartisch beschreiben können.
Aber die katholische war immer und ist bis heute die größte Kirche und "regierte" fast ganz Europa mit Ausnahme der protestantischen, orthodoxen und osmanischen Länder bzw. Landesteilen.
Ich glaube, wenn die geistlichen Würdenträger beansprucht hätten Europa zu regieren, hätten ihnen ihre weltlichen Pendents was anderes erzählt.
Geistliche Würdenträger regierten in Mittelitalien und einiges über Europa verteilten Fürstbistümern oder als Inhaber von Vogteirechten im Namen anderer Herren. Sonst aber nicht.
Und selbst innerhalb ihrer Strukturen war die katholische Kirche nicht in dem Maße durchhierarchisiert.
Man denke allein an die Frage ob eine Interpretation des Papstes in Glaubensfragen den Beschluss eines Konzils dazu aufzuheben vermochte oder nicht.
Es gab ab dem 16. bis in das 20. Jahrhundert hinein den
Index librorum prohibitorum, auf dem alle Bücher standen, die nicht mit der Weltanschauung, der Theologie und der Moralauffassung der katholischen Kirche übereinstimmten. Auf der verlinkten Seite in Wikipedia sind eine Menge Philosophen und Wissenschaftler genannt, die alle von Katholiken nicht gelesen werden durften; dass man sich mitunter nicht darum scherte, ist selbstverständlich, aber solange die katholische Kirche die Macht dazu hatte, konnte man für den Besitz eines verbotenes Buches angeklagt und zumindest eingesperrt werden.
Nö, da standen durchaus nicht alle Bücher drauf, die mit der Weltanschauung, Theologie und Moralauffassung der katholischen Kirche nicht in Übereinstimmung zu bringen waren.
Da gibt es wirklich eine ganze Menge mehr an Literatur, die allerdings nicht auf dem Index gelandet ist.
Mal davon abgesehen, dass er erst eingeführt wurde, als die Macht der katholischen Kirche tatsächlich vermittels der Gerichtbarkeit zu strafen schon arg beschnitten war, sofern sie nicht Inhaber einer weltlichen Territorialherrschaft war.
Ich finde, dass all das die Formulierung „die Kirche war die längste Zeit ihres Bestehens in diesem Sinne ein Diktator“, schon gerechtfertigt ist, weil ein Diktator natürlich nur auf seinem Gebiet Diktator sein kann.
Nö, Indizierung unerwünschter Literatur und Bestrafung bei Zuwiderhandlung hat es durchaus auch in nicht diktatorischen Systemen gegeben.
Mal davon abgesehen, dass man spätestens seit der Reformation aus dem System katholische kirche vermittels Konversion austreten konnte, jedenfalls wenn man schlimmstenfalls zur Emigration bereit war, seit dem 30-Jährigen Krieg jedenfalls im Heiligen Römischen Reich, ausgenommen habsburgische Erblande, aber auch ohne dem.
Diktatorische Systeme zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass man aus ihnen nicht so ohne weiteres austreten kann.