War Merseburg einst römische Exklave ?

Wie Wikipedia darauf kommt, dass Merseburg im Hersfelder Zehnverzeichnis als Mersiburc civitas bezeichnet wurde, ist mir schleierhaft:
Guckst Du weiter oben:

upload_2020-12-4_20-7-25.png



https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a9/Hersfeld_zehntverzeichniss.jpg
 
ein, auch mal Hermunduren genannter, Germanenstamm relativ lange Zeit in der Saale-Elbe-Region aufhielt, der irgendwann nicht mehr in den historischen Quellen erscheint.

Da hier mal wieder von "historischen Quellen" die Rede ist, weise ich gerne erneut darauf hin, dass in der Saale-Gegend ein "Hermunduren genannter Germanenstamm" in keiner einzigen historischen Quelle erscheint.
Laut Strabon und Velleius siedelten die Hermunduren um die Zeitenwende östlich der Elbe.
 
Da hier mal wieder von "historischen Quellen" die Rede ist, weise ich gerne erneut darauf hin, dass in der Saale-Gegend ein "Hermunduren genannter Germanenstamm" in keiner einzigen historischen Quelle erscheint.

Tacitus (Annales 13, 57) erwähnt eine Schlacht zwischen Chatten und Hermunduren aufgrund eines Grenzdisputes um einen salzhaltigen Fluß im Jahr 58 n.Chr. Ob mit diesem Fluß die Saale oder die Werra oder ein anderer Fluß gemeint ist, wissen wir nicht. Das könnte ein Hinweis auf die Gegend sein, in der Hermunduren siedelten - es sei denn, die Chatten hätten teilweise bis östlich der Elbe gelebt, was mir jedoch wenig wahrscheinlich erscheint.
 
Über diese Variante habe ich auch nachgedacht, dann hätte Thietmar allerdings sehr gut sein klassisches Latein gelernt.
Er kann aber vielleicht auch ein simples ductum vergessen haben. Der Ausdruck "oppidum muro ductum" bzw. "colonia muro ducta" kommt in der Literatur für eine befestigte Stadt oft vor. Dann wäre ein opus muro ductum denkbar.

Nur am Rande:
In seiner philosophischen Studie "Grammar and language - An Attempt at the Introduction of Logic to Grammar"
beschäftigt sich ein Ed L. Stark mit dem Satz "Muro Tarquinius lapideo urbem circumdedit" und all seiner möglichen Formen - köstlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tacitus (Annales 13, 57) erwähnt eine Schlacht zwischen Chatten und Hermunduren aufgrund eines Grenzdisputes um einen salzhaltigen Fluß im Jahr 58 n.Chr. Ob mit diesem Fluß die Saale oder die Werra oder ein anderer Fluß gemeint ist, wissen wir nicht. Das könnte ein Hinweis auf die Gegend sein, in der Hermunduren siedelten
Wenn wir Tacitus fragen, wo die Hermunduren siedelten, lautet die Antwort: Nördlich der oberen Donau, an der Grenze zu Rätien.
 
Wenn wir Tacitus fragen, wo die Hermunduren siedelten, lautet die Antwort: Nördlich der oberen Donau, an der Grenze zu Rätien.
Deshalb ging man ja auch von Süd- und Nordhermunduren aus. Woher sollte Tacitus auch etwas über Letztere wissen, da man ja die Elbe nur noch vom Hörensagen kannte! Und Paterculus schreibt, dass Er (Tib) daraufhin weiter elbaufwärts zog und gelangte an der mittleren Elbe zu den Semnonen und schließlich zu den Hermunduren, wo er ein Lager aufschlug und möglicherweise germanische Gesandte empfing. Wobei die mittlere Elbe nicht bei Lauenburg liegt. Strittig ist sein praeterfluid.,
 
Deshalb ging man ja auch von Süd- und Nordhermunduren aus.
Das musst Du nicht mir erzählen, sondern @Hermundure. Der glaubt offenbar, die Hermunduren hätten erst ab 150 n. Chr. plötzlich die Donauregion unsicher gemacht.

Woher sollte Tacitus auch etwas über Letztere wissen, da man ja die Elbe nur noch vom Hörensagen kannte!
Vielleicht aus derselben Quelle, die er benutzt hat, um über Semnonen, Langobarden, Reudigner usw. zu berichten?

Und Paterculus schreibt: "Er (Tib) zog daraufhin weiter elbaufwärts und gelangte an der mittleren Elbe zu den Semnonen und schließlich zu den Hermunduren, wo er ein Lager aufschlug und möglicherweise germanische Gesandte empfing." Wobei die mittlere Elbe nicht bei Lauenburg liegt. Strittig ist sein praeterfluid.
Velleius schreibt weder, dass er zu den Semnonen, noch dass er zu den Hermunduren zog, und von der "mittleren Elbe" schreibt er auch nichts.
Tiberius schlug die Langobarden und erreichte die Elbe, die vor den Grenzen/Gebieten der Semnonen und Hermunduren vorbeifließt.
Ob direkt östlich der Stelle, die Tiberius erreichte, Langobarden oder Hermunduren siedelten, verrät Velleius nicht. Und auch nicht, ob diese Stelle bei Lauenburg, Tangermünde oder Dresden zu suchen ist.

Perlustrata armis tota Germania est, victae gentes paene nominibus incognitae, receptae Cauchorum nationes: omnis eorum iuventus infinita numero, immensa corporibus, situ locorum tutissima, traditis armis una cum ducibus suis saepta fulgenti armatoque militum nostrorum agmine ante imperatoris procubuit tribunal. Fracti Langobardi, gens etiam Germana feritate ferocior; denique quod numquam antea spe conceptum, nedum opere temptatum erat, ad quadringentesimum miliarium a Rheno usque ad flumen Albim, qui Semnonum Hermundurorumque fines praeterfluit, Romanus cum signis perductus exercitus. mira felicitate et cura ducis, temporum quoque observantia, classis, quae Oceani circumnavigaverat sinus, ab inaudito atque incognito ante mari flumine Albi subvecta, cum plurimarum gentium victoria parta cum abundantissima rerum omnium copia exercitui Caesarique se iunxit.
 
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Ist das nicht etwas zu weit vom chattischen Siedlungsraum (nördlich des Mains) entfernt, selbst wenn wir auf der anderen Seite die "Donau-Hermunduren" spekulieren würden?
Wissen wir, ob das Einflussgebiet der Chatten nördlich des Mains endete?
Wenn wir den Main nehmen wollen, hätte ich Sulzbach-Soden (früher Bad Sodenthal) anzubieten.

Dann hätten Chatten bis in die agri decumates siedeln müssen.
Nein, Schwäbisch Hall lag immer außerhalb des Limes. Zur fraglichen Zeit war der Rhein die Grenze, zu Tacitus' Zeit der Neckar. Den agri decumates benachbart waren laut Tacitus die Chatten.
 
Das alte römische Bauwerk wurde vom vorgenannten König mit einer Steinmauer versehen.

"Jüngste archäologische Funde belegen, dass es sich dabei um einen bronzezeitlichen Wall handelte, der tatsächlich den gesamten Domberg umschloss. König Heinrich I. hatte diesen Wall mit einer steinernen Mauer verstärkt."

Marcus Cottin, Merseburg - die "Marsburg" - eine "kaiserliche Gründung" Julius Caesars, in: 1000 Jahre Kaiserdom Merseburg, Petersberg 2015, S. 184
 
Es gibt wohl kaum eine Hochfläche, die in unserer Gegend nicht bronzezeitlich besiedelt war. Die Frage ist doch, ob es auch römische Funde gab.
 
Es gibt wohl kaum eine Hochfläche, die in unserer Gegend nicht bronzezeitlich besiedelt war. Die Frage ist doch, ob es auch römische Funde gab.
Hier ging es konkret darum, auf was Heinrich seine Mauer aufbaute. Thietmar identifiziert das Bauwerk als römisch, Archäologen offenbar als bronzezeitlich.
 
So, wie Heinrich vorhandene Substanz nutzte, hätten ja auch die Römer den bronzezeitlichen Wall genutzt haben können. Thietmar fand damals vielleicht noch konkrete Hinweise, die heute archäologisch nicht mehr nachweisbar sind.
 
Thietmar identifiziert das Bauwerk als römisch, Archäologen offenbar als bronzezeitlich.

Wie ich schon mal irgendwo geschrieben hatte, war das nicht die einzige vorgeschichtliche Wallanlage, die Thietmar für römisch hielt. Buch 6:


Juxta hanc in parte aquilonari stat civitas, quam a predicta nil nisi una vallis dividit, et in hac XII portae sunt. Hanc cum diligenter lustrarem, opus Iulii Cesaris et magnam Romanorum structuram, Lucano ammonente tractavi, haec plus quam X milia hominum capere potuisset.

=
"Neben dieser [Stadt Liubusua], an der Nordseite, liegt eine Stadt, die von der vorbesagten nur durch ein Tal getrennt ist, und in dieser sind zwölf Tore. Als ich diese eingehend besichtigte, deutete ich sie eingedenk Lukans als Werk Julius Caesars und als großes römisches Bauwerk; dieses konnte mehr als 10.000 Menschen fassen."

Dieses "Werk Julius Caesars" lag östlich der Elbe:

In Kooperation von archäologischer, historischer und namenkundlicher Forschung gelang es aber vor wenigen Jahren, Thietmars „Liubusua“ im Wall auf dem „Burgberg“ von Löbsal an der Rauen Furt in Sachsen zu erkennen. Die Analyse ergab dabei, dass Thietmars Schilderungen der Örtlichkeit, die auf eigenem Erleben – als Teilnehmer an den Erneuerungsarbeiten von 1012 beruhten, in allen wesentlichen Aspekten adäquat waren: die geographische Lage an der Elbe, die Position der Burg, ihre Teilung in eine größere und eine unterhalb gelegene kleinere Befestigung, die enorm große, laut Thietmar römische Burganlage auf einer nördlich benachbarten Erhebung, bei der es sich um den vorgeschichtlichen Wall auf der „Goldkuppe“ bei Diesbar-Seußlitz handeln dürfte. Wenn dessen zwölf Tore auch als dichterische Übertreibung gelten müssen, so zeigt sich hier doch die Zuverlässigkeit von Thietmars Beobachtungen.​

F. Biermann: Thietmars Welt im Spiegel der Archäologie. In: M. Cottin/L. Merkel (Hrsg.), Thietmars Welt. Ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte. Ausstellungskatalog Merseburg (Petersberg 2018) 170-193.

Offensichtlich hielt Thietmar alle bronzezeitlichen Befestungen für römisch...
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