"antiquam opus Romanorum muro rex predictus in Mersburg decoravit lapideo"
- das ist natürlich bedeutsam: dass ein Mensch des 10. oder 11. Jahrhunderts eine Vorstellung von römischem Mauerwerk hat und diese Kenntnis auch bei seinen Lesern voraussetzt.
Und es geht um die Wiederherstellung alten Mauerwerks. Karolingisches Mauerwerk in Merseburg wäre doch eher unwahrscheinlich?
Vorsicht!
Murus im Lateinischen ist semantisch weiter, als seine romanischen und auch sein deutscher Ableger. Wenn wir
Mauer hören (und dasselbe gilt für Spanier oder Italiener, wenn sie
muro hören) denken wir an Mauerwerk (mit oder ohne Mörtel). Im Lateinischen kann aber auch der Erdwall ein
murus sein.
Desweiteren ist der Satz grammatikalisch nicht unproblematisch:
Wahrscheinlich wollte Thietmar schreiben
antiquum opus Romarum muro, denn der überlieferte Text
antiquam opus ist ein Kongruenzfehler, da
opus neutrum,
antiquam aber femininum ist. Und wir haben Thietmar als Autographen bzw. mit autographischen Korrekturen vorliegen.
Dann passt das
muro nicht ganz: Wieso Dativ bzw. Ablativ?
decoravit lapideo - lapideo ist ein klarer Ablativ.
Wenn ich den Satz übersetze (dazu muss ich ignorieren, dass
murus im Dativ steht) kommt heraus:
Das alte römische Bauwerk, den Erdwall, dekorierte der vorhergenannte König mit Stein. (wobei man dekorieren hier wohl eher als fassen verstehen muss:
Er gab dem Erdwall eine Steinfassung.
Aber egal ob Erdwall oder tatsächlich Mauer (denn natürlich ist meine Übersetzung Interpretation!!!): Thietmar war kein Archäologe und wusste einfach nicht, wie alt die etwaige Mauer war. Nur mit seiner pseudoetymologischen Deutung Merseburgs als Stadt des (römischen Gottes) Mars war natürlich eine alte Mauer (oder Erdwall) als römisch zu klassifizieren.
Sollte ich bei meinen grammatikalischen Überlegungen einen Denkfehler gemacht haben, rechne ich damit, dass Ravenik, Sepiola oder Korbi das korrigieren.