Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das ein singuläres Ereignis war. Vielmehr war Der Vorfall mit dem Radiosender in breit angelegte Kriegspropaganda eingebunden. Das Lemo schreibt dazu zum Beispiel:
Die NS-Propaganda forcierte ab Frühjahr 1939 die in großen Teilen der deutschen Bevölkerung vorhandenen antipolnischen Ressentiments. Im August 1939 berichteten Zeitungen und Rundfunk fast täglich über angebliche polnische Grenzverletzungen und Gewaltakte an der in Polen lebenden deutschen Minderheit. Der Überfall auf Polen sollte so als "gerechte Strafaktion" für die Provokationen erscheinen. Die psychologische Kriegsmobilmachung mit der mythologischen Überhöhung vom Kampf, Opfer und Heldentod hatte bereits Mitte der 1930er Jahre begonnen. Nicht nur Wirtschaft, Industrie und Armee, sondern die gesamte Bevölkerung sollte für den geplanten Krieg mit Hilfe einer intensiven Propaganda mobil gemacht werden.
Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Kapitel: Zweiter Weltkrieg
Ich gebe zu, dass ich mich wirklich ständig mit dem Thema 2. Weltkrieg beschäftige! Irgendwann, hängt es einem zum Halse raus! Aber wenn, man mal so darüber nachdenkt, dann ist das Ganze eigentlich ein Witz!
Und das aus zwei Gründen:
1. Entgegen aller Behauptungen waren die Deutschen vor 1939 alles andere als kriegsbegeistert oder gierig.
2. Ähnlich verhielt es sich ja mit der Rüstung! Zwar bejahte man die Aufrüstung grundsätzlich, sah sie aber nicht als das dringlichste Problem an. Es hat Hitler ja regelrecht geschockt, dass die deutsche Schwerindustrie, eher an der Produktion von Zivilgütern interessiert war, da man mit diesen größeren Gewinnen erwirtschaften konnte. Auch im Export.
Aus diesen Gründen, wundert es mich, dass die Deutschen bereit waren, wegen eines popeligen Radiosenders einen Krieg anzufangen bzw. gutzuheißen.
, Selbst wenn, es einen polnischen Angriff auf den Sender gegeben hätte, was es nachweislich nicht gab! Ist das als Cassus Belli doch eher unglaubwürdig. Gut! Man kann jetzt sagen, wenn man einen Grund finden möchte, findet man auch einen! Das stimmt. Aber einen Radiosender? Eine solche Einrichtung ist doch eher zivil und hat militärisch keine Bedeutung.
Selbst wenn, man davon ausgehen muss, dass zu viele Deutsche von Hitler begeistert waren, kann ich mir nicht vorstellen, dass viele im Inland und auch im Ausland das vorbehaltlos geglaubt haben. Die Fakten sind natürlich Fakten. Allerdings glaube ich nicht, dass in den Nachbarländern von Deutschland die Kriegslust unbedingt größer war als bei den Deutschen?
Auch in Deutschland gab es- im Gegensatz zum Augusterlebnis 1914- keine Kriegsbegeisterung, die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung wollte keinen Krieg, nahm den Kriegsausbruch verstört und traurig zur Kenntnis. Wenn aber schon Krieg, dann war ein (begrenzter) Krieg gegen Polen noch der populärste, in Kreisen der Bevölkerung wie des Militärs gleichermaßen.
Polen war 1772, 1793 und 1795 von seinen Nachbarn Russland, Österreich und Preußen geteilt worden, und für mehr als 100 Jahre war Polen als selbstständiger Staat ganz von der europäischen Landkarte verschwunden. Erst 1919 war Polen neu entstanden, auf Kosten von Deutschland und Russland, die einstweilen als Machtfaktor ausfielen und auf Kosten der Donaumonarchie, die es gar nicht mehr gab. Viele Regelungen, getroffen in der Euphorie des Sieges wären besser unterblieben. Der Korridor, der Ostpreußen vom Reich abschnitt, war eine Missgeburt, und die "Freie Stadt Danzig" ein Unsinn. Danzig war demographisch mehrheitlich eine deutsche Stadt, in der man Polen eben ein Hafenrecht hätte gewähren können. Die Siegermächte hatten in ihrer Weisheit aber beschlossen, dass Danzig unter Kontrolle des Völkerbunds gestellt wurde und dem polnischen Wirtschaftsgebiet zugeschlagen wurde.
Es hatte von polnischer Seite immer wieder Repression gegen die deutsche Minderheit in Polen gegeben, und es hatte kurz nach dem 1. Weltkrieg in Oberschlesien Zusammenstöße zwischen Polen und deutschen Freikorps gegeben. Solche Meldungen wurden von den NS-Medien in großer Aufmachung gebracht. Die größte Eskalation in diesem Zusammenhang war der sogenannte Bromberger Blutsonntag, an dem zahlreiche Volksdeutsche und Polen. Unklar ist dabei bis heute wieweit es sich bei den Opfern um deutsche Agents provocateurs handelte.
Die Grenzen im Westen hatte Deutschland in Locarno anerkannt, die im Osten anzuerkennen, kam für jede deutsche Regierung-egal weder politischen Couleur einem politischen Selbstmord gleich. Inzwischen hatten sich die politischen Gewichte in Europa aber so verschoben, und Deutschland so große Gebietsgewinne erzielt, dass Deutschland die letzten Überbleibsel des Vertrags von Versailles hätte auf sich beruhen lassen können. Deutschland hatte in München das Äußerste erreicht, was an Zugeständnissen GBs gegenüber Deutschland gerade so noch zu vertreten war, nicht aber einen Freibrief erteilt, für jederlei Erpressung und Gewalt.
Nachdem GB und F aber die CSR, ihre stärkste Position in Mitteleuropa preisgegeben hatten, konnten sie, als sie sich endlich entschließen, ihre Appeasement-Politik aufzugeben, das am Vorabend des Krieges nur noch mit Gesten tun, und die genügten 1939 nicht mehr.
Polen hatte Hitler eigentlich mal als Verbündeten geplant, noch ein halbes Jahr zuvor sprachen deutsche Medien vom "befreundeten Polen" Sommer 1939 war der Tenor deutscher Medien zu Polen immer aggressiver geworden, aggressiver noch, als zuvor die Berichterstattung über die CSR. In den Tagen der Tschechei-Krise berichtete der britische Botschafter aus Berlin:
"Die Stimmung geht entschieden gegen den Krieg, aber die Nation befindet sich hilflos im Griff des Nazi-Systems... Die Menschen sind wie Schafe,, die zur Schlachtbank getrieben werden. Wenn der Krieg ausbricht, werden sie marschieren und ihre Pflicht tun-zumindest für eine bestimmte Zeit."
Der Mann war ein guter Beobachter, im Jahre 1939 wie im Jahr zuvor. Isoliert, von freier Presse abgeschnitten und jahrelang aufgehetzt und betrogen, fiel ein Teil der Deutschen auf Hitlers Alibi herein, ließ sich jeden Bären aufbinden- Die glaubten wohl auch an den polnischen Angriff, glaubten daran, dass noch in letzter Stunde ein annehmbares Angebot gemacht wurde, das Polen ausschlug und glaubten schließlich auch an den fingierten Angriff auf den Sender Gleiwitz, wo Hitler einige getötete KZ-Insassen in polnischer Uniform am Tatort hinterließ.
Es war aber nur ein kleiner Teil des deutschen Volkes, der sich soweit manipulieren ließ.
Aber ob es das glaubte oder nicht, spielte gar keine Rolle mehr. Auch die, die diese Kriegspropaganda nicht glaubten, die das Propagandagetöse durchschauten, haben gehorcht, haben an ihrer zugewiesenen Stelle mitgemacht, weil sie keine andere Wahl hatten. In 6 Jahren Nazi-Diktatur war es dahin gekommen, dass der "Führer" befehlen konnte, was er wollte und 75 Millionen gehorchten.
Es gab keine freie Presse mehr, in der kritische Ansichten zur NS-Außenpolitik eine Chance der Veröffentlichung gehabt hätte. Es gab keine Möglichkeit mehr, wirksam Widerstand gegen die Kriegspolitik zu leisten, und es gab auch keine Möglichkeit mehr, Widerspruch und Kritik zu artikulieren.
Ein freies Wort war in Deutschland allenfalls noch im engsten privaten vertrauten Kreis möglich, in der Öffentlichkeit nicht mehr. Gegen "Miesmacher", Defätisten und Nörgler wurde nicht nur der Ton immer schärfer, es wurde der "Volksgemeinschaft" der Mund verboten und immer schärfere Maßnahmen vollstreckt. Zuletzt stellte das Nazi-Reich seine Bürger vor Gericht, exekutierte "Volksgenossen" weil sie "Feindsender" gehört, am Endsieg gezweifelt, auf dem Schwarzmarkt eingegekauft oder einen harmlosen Witz erzählt hatten.
Immerhin gab es auch in Deutschland Widerstand, in der Generalität waren einige Leute 1938 bereit, bis zum Staatsstreich zu gehen.