Warum ist die Aufarbeitung der Nazizeit gescheitert?

Stimmt - ich habe nicht runtergescrollt, weil ich dachte, der älteste Eintrag wäre ganz oben, wenn man sagt, zeige die ältesten. Sorry.

Und ich habe eine Freundin, die ihr Abitur in den 70er Jahren an einem ev. Gymnasium in Aachen gemacht hatte – sie wurde später Studienrätin für Deutsch und Französisch – und aus allen Wolken fiel, als sie den oben von mir zitierten Artikel aus der Süddeutschen las. Wir haben das damals diskutiert, weil wir uns monatlich zum Spieleabend treffen.

Und nun, was machen wir jetzt? Was beweist denn deine und ihre Erfahrung? Nichts, zumal ich schon oben gesagt habe, dass es da und dort auch Lehrer gegeben hat, die das [Antijudaismus Luthers] trotzdem brachten.

Beweisen tun meine persönlichen Erfahrungen nichts.

Es lässt sich aber sehr wohl nachweisen, dass bereits im Lutherjahr 1983 mehrfach Luthers Äußerungen über Juden, Hexen und aufständische Bauern thematisiert wurden und zwar auch innerhalb der evangelischen Kirche.

Wer ernsthaft behauptet, innerhalb des Protestantismus seien Luthers problematische Schriften vor 2015 nie kritisch thematisiert worden, blendet die durchaus kritische Luther-Rezeption seit de 1970er Jahren oder von mir aus seit 1983 entweder völlig aus oder sie ist eben ziemlich unbemerkt vorüber gerauscht.

Ich würde mal die vorsichtige Prognose wagen, dass kaum ein Theologe, der in den 1970er bis 1990er Jahre an einer deutschen Hochschule Theologie studiert hat, nicht in irgendeiner Form mit Luthers Juden-Pamphlet konfrontiert wurde. In der Erinnerungskultur der DDR war Luther von Anfang an eine problematische Figur, die sehr stark polarisierte. Spät erst, im Luther-Jahr 1983, hat die offizielle DDR auch wieder ein positiveres Gedächtnis an Luther gepflegt.

Diese überaus kritische Luther-Rezeption hat spätestens mit der deutschen Einheit auch Auswirkungen auf das Luther-Bild in der alten BRD gehabt.

Martin Luther war keineswegs eine solche Lichtgestalt, dass sich vor 2015 niemand getraut hätte, an seiner Person oder seinen Schriften Kritik zu üben.

Wenn Luther trotz seiner problematischen Schriften innerhalb (und außerhalb) der Kirche nach wie vor großes Ansehen genießt, dann doch wohl, weil seine Bedeutung als Reformator, Theologe, Bibelübersetzer, Texter und Komponist unzähliger Kirchenlieder unbestreitbar ist. Nach wie vor sind viele Theologen und Laien der Meinung sind, dass seine Leistungen und Verdienste: Zu nennen wäre die ungeheure Fleißarbeit seiner Bibelübersetzung und sein mutiges Auftreten auf dem Reichstag von Worms immerhin so groß sind- dass man trotz seines Juden-Pamphlets das Wirken Martin Luther insgesamt als positiv beurteilt. Das kann man natürlich kritisieren.
 
Zu Karl Marx bei Wiki gefunden:

"Bekannt ist aber, dass er wegen „nächtlichen Lärmens und Trunkenheit“ verurteilt wurde[12] und gegen ihn wegen „Tragens eines Säbels“ ermittelt wurde."

Hervorhebung durch mich.

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Marx#cite_note-16

Aus dem Kontext heraus würde ich meinen, das Marx in Bonn verurteilt worden war.

Danke. Hat aber wohl nichts mit seiner politischen Einstellung zu tun, sondern mit seinem Studentenlebens.
 
Das war wohl (lt. Wikipedia) bei Freisler der Fall. Welche Kriterien hat denn das Braunbuch angelegt? Wurden wirklich Richter, die in der NS-Zeit offene Rechtsbeugung begangen haben, wieder eingestellt? Letzlich ist das eine Frage nach der Wirksamkeit der Entnazifizierung, die es ja gab (Persilschein).

Was ich Fall Freisler übel finde, ist, das dessen Witwe Marion von der Bundesrepublik bis zu ihrem Tode Rente bezogen hatte. Und diese wurde sogar noch um 400 DM aufgestockt, da ihr der sogenannte Berufsschadensausgleich zuerkannt worden war.
 
Zu Karl Marx bei Wiki gefunden:

"Bekannt ist aber, dass er wegen „nächtlichen Lärmens und Trunkenheit“ verurteilt wurde[12] und gegen ihn wegen „Tragens eines Säbels“ ermittelt wurde."

Hervorhebung durch mich.

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Marx#cite_note-16

Aus dem Kontext heraus würde ich meinen, das Marx in Bonn verurteilt worden war.

Bismarck fiel in Göttingen auch mehr durch "ungebührliches Betragen", alkoholische Exzesse und Mensuren auf, als durch akademische Leistungen. Bismarck wohnte in einem kleinen Wächterhaus am Stadtwall und führte seine Dogge in Schlafrock und Zylinder Gassi.

Bismarck durfte zuletzt die Stadt Göttingen nur noch für Lehrveranstaltungen betreten, und er hatte in Göttingen noch zwei Wochen (Angaben ohne Gewähr) Karzer abzusitzen.

In einem erhaltenen Schreiben an den Dekan der Juristischen Fakultät der Georgia Augusta versprach er, die zwei Wochen an seiner neuen Alma Mater in Berlin abzusitzen. Ob er´s getan hat weiß ich nicht.
 
NS gewählt haben. Aber das ist auch alles so ein maskulines Ding, deswegen haben ja auch viel weniger Lesben als Gays rechts gewählt, die spricht einfach diese Art an
Die Schwulen als Stütze des NS-Staates? :confused:
Weil "Gays" an und für sich so besonders viel Wert auf "so ein maskulinen Ding" legen? Ist das jetzt a)sachlich begründbar, b) (doppelt) schwulophob und pauschalisierend, oder ist dir c) einfach nicht ganz klar, was du hier so fröhlich von dir gibst? Siehe auch deine, mit Verlaub, hanebüchene und historisch wie politisch vulgäre Aussage zum Rechtsstaat. Nicht jedes miese Wortspiel ist ein gutes Wortspiel und der Rechtsstaat (die durch Rechtgebung und Rechtsprechung geregelte Ordnung sowie die Bindung der staatlichen Gewalt an geltendes Recht) ist eine zentrale Gabe/Errungenschaft, die Plappermäulern wie dir und mir ūberhaupt erst garantiert, dass wir zu allem und jedem unbeschadet in Wort und Tat unseren Senf dazugeben können.

Solltest Du nur nachfaseln, was Du von den Checkenden in deinem Seminar zu hören bekommst, empfehle ich Quellenkritik (dazu gibt es hier im Forum bestimmt auch schon was) und zum Ausgleich die Konsultation des u.a. hier verfügbaren Programms: https://www.bpb.de/
 
Ich glaube schon, dass viele wegen Luther gerade NS gewählt haben. Aber das ist auch alles so ein maskulines Ding, deswegen haben ja auch viel weniger Lesben als Gays rechts gewählt, die spricht einfach diese Art an. Das ist auch so ne Art Antifeminismus, wie im Patriarchat werden Frauen in iher Entfaltung gehindert. Absolut un-nice.
Im Seminar bei mir sitzen einige die haben echt Ahnung, das Ding ist halt, es gab in Deutschland nie ne Faschismus Analyse. Von Antoni Gramsci gibts ja die Gefängnishefte. Der hat damals schon genau geschrieben wie das mit dem Faschismus ist. In Deutschland wurden auch Karl MArx, August Bebel und Karl Liebknecht verurteilt. Der Rechtsstaat ist ein Staat der Rechten. Deswegen hatten die auch keine Probleme alle Nazis zu übernehmen-

Liebe Andrea-Ulrike,
MMn. irgendwie eher daneben:
1. Das Wahlverhalten von Gays und Lesben während der 20er/30er Jahre ist im Nachhinein nicht mehr zu eruieren: Zum ersten - wurde schon angemerkt - war Homosexualität zu dieser Zeit ein strafrechtlicher Tatbestand, zu dem man sich öffentlich nicht bekennen konnte, zum zweiten war sowas wie empirische Sozialforschung damals bestenfalls in den Kinderschuhen. Und aus rein sozialstatistischen Wahlsprengeldaten läßt sich dies nicht rekonstruieren.
2. Protestanten waren - soweit ich mich erinnern kann - anfälliger für die NS-Ideologie als Katholiken. Dies auf "mangelnden Antisemetismus" katholischerseits zurückzuführen, halte ich jedoch für abenteuerlich. Oder: Für jedes antisemitische Luther-Zitat biete ich dir mindestens drei andere vergleichbare Aussagen katholischer Würdenträger.
3. Bebel, Liebknecht und Marx wurden im 19. Jahrhundert in Deutschland (bzw. einem seiner Vorgängerstaaten) angeklagt: ja. Aber damit teilten sie nur das Schicksal anderer der Arbeiterbewegung nahestanden Persönlichkeiten in anderen Staaten der Welt. Liest man Biographien solcher Personen, so gehört ein Gefängnisaufenthalt fast schon zum "guten Ton". Das ist daher zum ersten keine deutsches Spezifikum und es hat zum zweiten mit Faschismus als politischer Herrschaftsform im 20. Jahrhundert nichts zu tun.
4. Die Hauptfrage, die Gramsci sich stellte, war, warum die revolutionäre Situation 1919/20 nicht zu dem auch von ihm erwarteten Erfolg geführt hatte. Er sah auf Hauptgrund dafür die mangelnde kulturelle Vorbereitung an. Die "kapitalistische Festung" kann nach ihm nicht im Handstreich genommen werden, sondern erst nach einer langfristigen Vorbereitung, in deren Verlauf die Arbeiterbewegung die gesellschaftliche und kulturelle Hegemonie erringt, bevor sie - im letzten Schritt - auch nach der Staatsmacht greifen kann. Natürlich - er saß ja wegen eines solchen Regimes im Gefängnis - spielte Faschismus in seinen Überlegungen auch eine wichtige Rolle, aber beileibe nicht die wichtigste.
5. Faschismusanalysen lassen sich nicht national erfassen, es gibt und gab keine deutsche Faschismus-Analyse, aber genausowenig eine französische, russische oder amerikanische. Und auch die bekannteste marxistisch-kommunistische Faschismustheorie - von Georgi Dimitroff - ist keine "bulgarische" - dagegen hätte sich der Autor wahrscheinlich entschieden zur Wehr gesetzt.
6. In marxistischer Terminologie ist der Staat Instrument der herrschenden Klasse und damit auch das Rechtssystem darauf gerichtet in letzter Instanz dieses Herrschaftsverhältnis aufrechtzuerhalten. Ja, aber ist er selbst damit "Staat der Rechten", und was sind "Rechte" hier überhaupt konkret? Gramsci etwa hatte dazu - und auch zu den Möglichkeiten innerhalb bestehender Verhältnisse differenzieren zu können und zu müssen - eine Menge zu sagen; Rosa Luxemburg auch. Schlag nach.

Ich empfehle die Emigration nach Nordkorea oder China
Ist das nicht schon etwas "abgeschmackt" ?
 
Es lässt sich aber sehr wohl nachweisen, dass bereits im Lutherjahr 1983 mehrfach Luthers Äußerungen über Juden, Hexen und aufständische Bauern thematisiert wurden und zwar auch innerhalb der evangelischen Kirche.
(…)
Martin Luther war keineswegs eine solche Lichtgestalt, dass sich vor 2015 niemand getraut hätte, an seiner Person oder seinen Schriften Kritik zu üben.
Warum weist du, mich zitierend, etwas zurück, was ich nicht gesagt habe?

Ich habe sogar ein Zitat aus der Süddeutschen aus dem Jahr 2015 gebracht, in dem es u.a. heißt (Fettschreibung durch mich): Als vor einigen Jahren die Vorbereitungen aufs Fest begannen, präsentierte die EKD noch ein Lutherbild mit manchmal naiv positiven Zügen: der Mann der Freiheit, der Demokratie und der Frauenförderung. Die Historiker protestierten: Das werde dem spätmittelalterlichen Menschen Martin Luther nicht gerecht. Mit Erfolg, zeigt die Erklärung.

Die Historiker mussten also protestieren, damit die EKD ihre zur Veröffentlichung vorbereitete Meinung über Luther änderte. Das heißt: Man wollte ursprünglich die Schattenseite Luthers dem Laienpublikum ersparen. Warum? Die Antwort dürfte auf der Hand liegen.

Und es ist ein Unterschied, was Theologiestudenten über Luther erfahren, und was davon im Religionsunterricht an den Schulen weiter gegeben wird.

Manchmal frage ich mich, warum soll ich hier noch schreiben und zitieren, wenn dann solche Zurückweisungen kommen, die beweisen, dass sie das Geschriebene und/oder Zitierte nicht gelesen oder nicht verstanden wurden.
 
Was willst du eigentlich?

Konkret?
Das du deine Einlassungen mal sinnvoll untermauerst, mit Nachweisen, die geeignet sind auf die Aufarbeitung der NS-Zeit en gros in Deutschland schließen zu lassen, denn über nichts anderes reden wir hier.

und jetzt bemängelst du, dass ich einen alten Zeitungsartikel zitiere. Und das am gleichen Tag im gleichen Faden. Das ist nur meckern des Meckerns willen.

Einem Zeitungsartikel von vor über 20 Jahren, wird man zugestehen können, dass er als Miniatur Teil der Zeitgeschichte ist, tagesaktuelle Mutmaßungen über die Folgen des Ukraine-Krieges sind es nicht.

Im Übrigen habe ich überhaupt nichts dagegen, wenn du aus alten Zeitungsartikeln zitierst, es ist nur einfach vollkommener Unsinn von einem über 20 Jahre alten Zeitungsartikel, der den damaligen Zustand in einer Kleinstadt in Sachsen behandelte mal eben auf den heutigen Stand der Aufarbeitung der NS-Zeit in ganz Deutschland schließenn zu wollen.
Genau das hast du betrieben und das ist von mir kritisirt worden.



Auf den Teil hinsichtlich der evangelischen Kirchen werde ich hier nicht weiter eingehen, kann man sicherlich diskutieren, aber gehört einfach nicht hier her, weil keine unmittelbare Verbindung zum NS-Thema.
 
Ich hab im Seminar wichtige Statements von Leuten mit vielen Ahnung gehört.

Im Seminar bei mir sitzen einige die haben echt Ahnung,
Erkundige dich mal, was ein Argumentum ad verecundiam ist.
Abgesehen davon ist das - ob gewollt oder nicht - ziemlich beleidigend, wenn du die Leute in deinem Seminar - die "echt Ahnung" haben - uns gegenüberstellst, denn du sagst damit implizit, wir (also die heterogenen Leute hier im Forum in cummulo) hätten keine Ahnung. Oder zumindest nicht wirklich.
 

Auch an der Art und Weise wie Erinnerungspolitik in diesem Land betrieben wird, läuft mMn einiges verkehrt, weil sie mMn zu wenig lebendig und viel zu stark erstarrt und ritualisiert ist.




Der Einschätzung, dass die Aufarbeitung der NS-Zeit gescheitert sei, kann ich mich demgegenüber nicht anschließen.
Man wird mit einigem Recht sagen können, das es lange dauerte, bis die Aufarbeitung der NS-Zeit in der Weise betrieben wurde, wie man es von Anfang an hätte tun können, spätestens seit den 1980er-1990er Jahren, ist die allerdings, so meine Einschätzung, recht umfassend und perspektivenreich.

Das Fettgedruckte würde ich jederzeit unterschreiben: In den späten 1970er Jahren kam eine Phrase auf, die aber zutreffend ist in diesem Zusammenhang: Trauer-Arbeit. Es werden Gedächtnis-Veranstaltungen abgearbeitet, erstarrt, phantasielos, ritualisiert.

Offizielle Veranstaltungen, ritualisiert, inhaltsleer und erstarrt mit immer den gleichen Gesichtern, den gleichen Reden usw. sind das eine, Projekte, Austausch-Programme, persönliche Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden oder deren Nachkommen sind ein Anderes, und da würde ich schon sagen, dass Generationen von jungen Deutschen, Franzosen, Polen und Israelis solche Projekte mit Leben gefüllt haben.

Mal
Ich denke an die private Initiative der Stolpersteine, die eine Erinnerung an das Schicksal einzelner Opfer wachhält, und die Beschäftigung mit der Geschichte meiner Stadt anregt.

Krieg und Nationalsozialismus waren in meiner Heimatstadt keine Tabuthemen. Nicht möglich war es mir aber zu erfahren wer unter den Bürgern meiner Stadt den Nationalsozialismus unterstützt hatte.

In meiner Kindheit und Jugend fiel mir auf, dass häufig auf ein bestimmtes Stichwort hin, sich sofort eisiges Schweigen verbreitete. Es schien manchmal, als gäbe es eine stille Vereinbarung, ein bestimmtes Thema wie eine gefährliche Klippe zu meiden.

Wer nicht die jüngste Geschichte sehr gut kannte, konnte bestimmte Zusammenhänge nicht ohne Weiteres sofort einordnen. Die Älteren aber konnten das sofort, sie wussten gleich, was gemeint war und wer gemeint war.
Sie konnten sofort Zusammenhänge erkennen und einordnen. Um das zu können, musste man einiges wissen und mitbekommen. Die Ausrede von nichts gewusst zieht nicht recht. Wer von nichts gewusst hat, der muss blind und taub und stumm gewesen sein!

In der Regel wusste man in einer nordhessischen Kleinstadt, wer in der Partei, im NSKK, in der SA oder SS war, wer sich an Arisierungen eine goldene Nase verdient hatte, wer zu den lautesten Rufern im Streite gehörte und wer zu den Mitläufern, wer den ausgebombten Kasselern und Kasselänern, das Tafelsilber und die Perserteppiche zu Dumpingpreisen gegen Lebensmittel abgekauft oder auch Nachbarn denunziert hat.

Nur, darüber sprach man höchstens hinter vorgehaltener Hand, und wenn man nach den November-Pogromen 1938 fragte, dann bekam man kaum noch Informationen. Mir wollte Mitte der 1980er Jahre nur eine ältere Lehrerin Auskunft geben, die die Ereignisse als Teenager beobachtete.

Mir wurde damals klar, dass die Täter die Nachbarn von nebenan waren, dass sehr viele mitgemacht haben, denen man so etwas bis dahin niemals zugetraut hätte, auch dass es bei weitem nicht bei eingeschlagenen Fensterscheiben blieb. In Nordhessen begannen die Pogrome 1-2 Tage früher, als im übrigen Reich. In meiner Heimatstadt ereignete sich während des Pogroms auch der erste Mord (an einem recht harmlosen, völlig wehrlosen Juden), und es kam dabei zu mindestens einem Fall von Vergewaltigung (in Tateinheit mit Rassenschande).

Die chronologischen Abläufe und Ereignisse einigermaßen zu rekonstruieren, war Anfang bis Mitte der 1980er unendlich mühsam- es wäre aber in dieser Zeit kaum möglich gewesen, etwa eine regionalhistorische Darstellung vorzulegen, bei der die Täter namentlich erwähnt wurden. Die oder deren Nachkommen lebten alle noch. Auch wenn manche sich in der NS-Zeit ausgesprochen schäbig verhielten, auch wenn manche Äußerungen erkennen ließen, dass die alte Gesinnung durchaus noch vorhanden war, waren die meisten inzwischen in der Demokratie angekommen. Ihr Verhalten war aus moralischer Sicht zu verurteilen, strafrechtliche Konsequenzen wären nicht zu erwarten gewesen. Bis auf den Mord war alles längst verjährt, und der oder die Täter sind nicht mehr ermittelbar.

Täter oder ihre Nachkommen hätten wütend sich dagegen verwahrt, Nazis gewesen zu sein-selbst wenn das die Wahrheit gewesen wäre. Ein Argument meiner Eltern war, dass es den öffentlichen Frieden in einer Kleinstadt belastet hätte, dass der Riss durch manche Familie gegangen wäre, dass es zur Folge gehabt hätte, dass ganze Familien sich verkracht und auf Generationen den Kontakt abgebrochen hätten.

Damals fand ich diese Argumentation einfach nur unterirdisch, heute kann ich das eher nachvollziehen. In den 1980ern war die NS-Zeit zeitlich noch viel präsenter, überall stieß man auf Spuren des Krieges und der NS-Zeit.
 
Ich glaube schon, dass viele wegen Luther gerade NS gewählt haben.
Ist ja nett das du das glaubst, wie sieht es mit Nachweisen dafür aus?

1. Welche Rolle spielten die Schriften Martin Luthers in der Lebenswelt der Protstanten um 1930 herum?
Ich weiß nicht, ob du dir mal Teile seiner Schriften in der orriginalen Textfassung angesehen ist, die sind schon auf Grund des altertümlichen Deutschs, dessen sich Luthr bediehnte, nicht ganz so einfach zu verstehen.

Gerade im ländlich geprägten Osten, wird es für die Bevölkerung auch gar nicht so einfach gewesen sein, an die entsprechenden Schriften heranzukommen. Bibliotheken, gab es gerade im ländlichen Raum sicherlich nicht so viele, die verkehrsgünstig zu erreichen waren und um an die entsprechenden Schriften anders heran zu kommen, hätte man erstmal die Titel kennen müssen, um sie über Buchhandlungen etc. erwerben zu können.
Woher sollte die einfache Bevölkerung die aber kennen? Wikipedia, wo man das mal eben nachschlagen kann, gab es noch nicht.
Sicherlich konnte man, wenn man das wollte Sammlungen der Schriften Martin Luthers erwerben, ob da allerdings die fragliche Schrift denn auch dabei war, ist eine ganz andere Frage, Werkssammlungen sind ja nicht selten eine Auswahl aus dem schriftlichen Werk eines Autoren und sehr oft durchaus nicht vollständig.
Leetztendlich gab es sicherlich antisemitische Geistliche, denen Luthers Ansichten über das Judentum in den Kram passte, man wird aber den evangelischen Landeskirchen nicht unbedingt ein Interesse an der Publizität dieser Schrift zuschreiben können, zumal sie im Widerspruch zu einigem von dem steht, was Luther sonst noch so fabriziert hat und die weite Publizität der Schrift möglicherweise bis 1918 auch den jeweiligen Landesherrn kompromitiert hätte, insofern dieser in seiner Eigenschaft als Fürst gleichzeeitig beanspruchte "summus episcopus" der eigenen Landeskirche zu sein.

Von dem her wird man schon deutlich infrag stellen dürfen, ob die Mehrheit der Protestanten in Deutschland diese Schrift überhaupt kannnten.

Selbst wenn sie sie kannten, ergaben sich noch immer signifikante Widerspruche zur NS-Ideologie.

Denn die Nazis betrachteten wie beereits angemerkt auch Personen als Juden, die selbst überhaupt nicht jüdischen Glaubens waren, sondern lediglich jüdische Vorfahren hatten.
Und spätestens an diesem Punkt, sind die Lehren Luthers mit denen der Nazis nicht überein zu bringen, denn auch Personen zu verfolgen, die sich zum katholischen oder protestantischen Glauben bekannten, nur weil sie vielleicht jüdische Großeltern hatten, so wie die Nazis das propagieten, ist etwas, was im krassen Widerspruch zu den Lehren und Thesen Luthers steht.

Aber das ist auch alles so ein maskulines Ding, deswegen haben ja auch viel weniger Lesben als Gays rechts gewählt, die spricht einfach diese Art an.

Da würde mich mal interessieren, wo du solche Weisheiten hernimmst.
Vielleicht solltest du in Sachen Aufarbeitung mal an die Aufarbeitung deiner eigenen weltanschaulichen Sentiments denken?
Insofern es zumal millieubezogen in den 1920er un 1930er Jahren extrem schwierig und riskannt war Homosexualität offen auszuleben (jedenfalls abseits der Metropolen) und sich dementsprechend die Meisten eher nicht dazu bekannt haben werden, könneen hierüber überhaupt keine aussagekräftigen Statistiken vorliegen.

Mit anderen Worten, du erklärst hier einfach mal dein Weltbild zut Tatsache.
Inhaltlich nicht haltbar und so ziemlich das Gegenteil der wissenschaftlichen Aufarbeitung, die du einforderst.

Im Seminar bei mir sitzen einige die haben echt Ahnung, das Ding ist halt, es gab in Deutschland nie ne Faschismus Analyse.

Angefangen bei Leuten wie Franz Neumann, bis in die Heutige Zeit, gibt es derer eigentlich reichlich.

In Deutschland wurden auch Karl MArx, August Bebel und Karl Liebknecht verurteilt.

Wer hat in der Nachkriegszeit wo August Bebel verurteilt?

Gründe Karl Liebknecht zu verurteilen gibt es durchaus, immerhin hatte er sich an einem bewaffnetten Aufstand beteiligt, der auf beiden Seiten zu Todesopfern führte mit dem Ziel in Deutschland einee Regierungsform durchzusetzen, die von der Mehrheit der Bevölkerung nicht gewollt war.
Sicherlich keine besondere Heldentat, sondern in der Tat strafbares Handeln, dass rechtlich gesehen als Hochverrat hätte geahndet werden müssen.
Man muss sicherlich die Rollee der Regierung, Noskes Schießbefehl und das Heranziehen von de facto nicht kontrolierbaren Freikorps-Verbänden äußerst kritisch sehen.
Dennoch gibt es keinen Grund Liebknecht von seinen Verfehlungen frei zu sprechen. Er hat sich als einer dder stärksten Fürsprecher des Friedens im Ersten Weltkrieg und als Stimme der Anti-Kriegs-Bwegung sehr verdient gemacht, das wird man ihm zugestehen müssen.
Es relativiert aber nicht sein illegales Handeln um die Jahreswende 1918/1919 herum und rechtfertigt nicht den Versuch des bewaffneten Aufstands.

Karl Marx? Ja, der ist von konservativer und liberaler Seite immer angegriffen worden. Das es einen Konsens zur Verurteilung seiner Person und seiner Theorien gegeben hätte, kann sich so nicht nachvollziehen, immerhin die SPD berief sich auch am Anfang der Nachkriegszeit bis 1959 ganz offiziell auf den Marxismus als theoretische Grundlage und erreichte damit immerhin Wahlergebnisse von about 30%.
Auch die Ergebnisse der Weimarer Parteien, die sich auf Marx beriefen (SPD, USPD und KPD), bewegten sich zusammen stets zwischen 30% und 40%, von 1919 bis zum Anfang der 1930er Jahre, war die SPD mit abstand stärkste Partei im Reichstag.
Insofern Marx zum Opfer zu machen, dass durch die Bank verurteilt worden wäre, wird weder den Verhältnissen in der Weimarer Republik, noch in der frühen Bundesrepublik gerecht.


Den Rest spare ich mir hier mal.
Wir können gerne konkret über die Aufarbeitung des NS und einzelne Aspekte sprechen, dann sollte das aber auf einigermaßen fundierter Grundlage passieren und nicht darauf, was du glaubst, in Teilen aber mit der Realität wenig zu tun hat und sich mit relativ wenig Aufwand entkräften lässt.
 
Erkundige dich mal, was ein Argumentum ad verecundiam ist.
Abgesehen davon ist das - ob gewollt oder nicht - ziemlich beleidigend, wenn du die Leute in deinem Seminar - die "echt Ahnung" haben uns gegenüberstellst, denn du sagst damit implizit, wir (also die heterogenen Leute hier im Forum in cummulo) hätten keine Ahnung. Oder zumindest nicht wirklich.
Man könnte den Verdacht haben, dass sich das Geschichtsforum mit Andrea-Ulrike einen Troll eingefangen hat, der hier die Puppen tanzen lässt. Andernfalls hoffe ich nicht, dass das Seminar, in dem sie sitzt, an einer deutschen Uni abgehalten wird.
 
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