Was bedeutet "saltus"?

Ja, sicher. Das beantwortet aber nicht die Frage: Warum soll die Bezeichnung als Beschreibung eines ganz konkreten Ort bekannt gewesen sein?

Warum nicht? Eine Möglichkeit wäre eben: Tacitus nennt den Ort so und das in einer Weise, die nahelegen kann, dass es sich um eine bekannte Bezeichnung eines eindeutigzu identifizierenden Ortes handelte.
 
Das beantwortet aber nicht die Frage: Warum soll die Bezeichnung als Beschreibung eines ganz konkreten Ort bekannt gewesen sein? Es gab doch ganz sicher mehr als eine Teutburg. Ich interpretiere Teutburg als "nicht dauerhaft besetzte Fluchtburg für die Bewohner umliegender Dörfer". [...] Davon muss es viele gegeben haben, und viele dürften in bergigen Waldgebieten gelegen haben. Was hat diese eine Teutburg so besonders gemacht, dass Tacitus sie in der Weise erwähnt? Das kann doch eigentlich nur der "saltus" gewesen sein. Dann muss "saltus" aber "unverwechselbar" gewesen sein. Das Wort kann nicht nur irgendeinen beliebigen Bergwald bezeichnen.
Bei Teutoburg dürfte es sich um ein festes Toponym handeln, nicht um eine x-beliebige Anlage. So wie der saltus tugiensis das bei Tugia/Toya liegende Gebirge ist. Insofern bedarf es keiner besonderen Wichtigkeit oder Unverwechselbarkeit dieser Anlage. Es war schlicht ein solche Anlage, welche die Römer kannten. In dem nach ihr benannten Höhenzug fand die Schlacht statt.

Demnach wäre es dann grammatisch nicht möglich, die Tacitus-Passage so zu interpretieren, dass Saltus - zum Beispiel - einen Fluss bezeichnet hat und dass Tacitus mithin "nahe der Fluchtburg der Saltus-Anwohner" meinte. In dem Fall müsste dann ja "saltus" im Genitiv stehen oder als Adjektivableitung verwendet werden.

Nehmen wir mal rein hypothetisch den *Saltus als Flussnamen an: Es gibt ja im Münsterland den Flußnamen Aa recht häufig, der ist verwandt mit dem Begriff Au, was sich beides von aha, ahd für 'Wasser' ableitet (was auch die Häufigkeit des Namens erklärt). Die verschiedenen Aa-Flüsse werden anhand wichtiger Örtlichkeiten, die sie durchfließen unterschieden, die Ibbenbürener Aa, die Bocholder Aa, die Münstersche Aa, die Hörsteler Aa etc. Insofern spräche nichts dagegen, dass ein Fluss, wenn sein Name häufiger vorkommt, durch ein Toponym spezifiziert wird. Also "Teutoburger Aa". Nun ist es aber doch recht unwahrscheinlich, dass es mehrere Flüsse mit dem Namen *Saltus gab, was eine Spezifizierung unsinnig machen würde. Und wenn ich jetzt noch mal auf die Aa-Flüsse rekurriere und daran erinnere, dass ihr Name von aha=Wasser kommt, dann stellen wir fest, dass wir es hier wohl mit eigentlich namenlosen Bächen zu tun haben, die auch deshalb einer Spezifizierung bedürfen.

Das Spitzenargument gegen den Flussnamen *Saltus ist aber Tacitus' Formulierung: "haud procul Teutoburgensi saltu, in quo reliquiae Vari legionumque insepultae dicebantur - nahe beim Teutoburger Wald, in dem - so wurde gesagt - die Überreste des Varus und seiner Legionen unbegraben lagen." Wäre der *Saltus ein Fluss gewesen, hätten die Legionen also im Fluss gelegen.
Soll ja nicht ganz unmöglich sein, man denke nur an die Tollense.
 
Warum nicht? Eine Möglichkeit wäre eben: Tacitus nennt den Ort so und das in einer Weise, die nahelegen kann, dass es sich um eine bekannte Bezeichnung eines eindeutigzu identifizierenden Ortes handelte.

Vermutlich habe ich es falsch ausgedrückt. Ich bin auch der Meinung, dass Tacitus so schreibt, als würde er einen eindeutig zu identifizierenden Ort bezeichnen. Anderenfalls hätte die Passage wenig Sinn gemacht, denn seine römische Leserschaft wird sich kaum für Detailinformationen interessiert haben, die für sie bedeutungslos waren. Die verwendeten Worte "saltus" und "teutoburgiensis" enthalten, so wie wir sie übersetzen, auf den ersten Blick aber nichts, was auf eine eindeutige Identifizierbarkeit schließen lässt. Die wirken eher wie "Sammelbezeichnungen". Deshalb mutmaße ich, dass es verborgene Bedeutungen gibt, die wir nicht sehen (können). Vielleicht weil "saltus" etwas anderes, einmaligeres bezeichnet als einen Bergwald.

Vielleicht ist das auch alles Unsinn und Tacitus wollte sich an der Stelle nur mit einer "kundig klingenden" Umschreibung des Stereotys "dichte Wälder, tiefe Schluchten" wichtig machen.

Oder habe ich Dich jetzt missverstanden? Meintest Du, dass Tacitus mit der Formulierung den (nicht ortskundigen) römischen Lesern nur andeuten wollte, dass die Legionen in der Nähe eines bekannten Orts waren? Das wäre natürlich auch denkbar, aber nicht so spannend für unsere Diskussion =).

MfG
 
Quellentipp für "saltus" ;)

Das lateinische Wort »saltus« findet man in den meisten Wörterbüchern übersetzt mit: Wald, Waldgebirge, Waldtal, Sprung, Schlucht. Man könnte sich noch andere ähnliche Begriffe aus den Fingern saugen, was aber an der Deutungstendenz des Übersetzenden nichts ändert.

Bis hierhin kennen wir den Vorgang ausgiebig.

In den meisten Wörterbüchern fehlt aber auch eine weitere Übersetzungsmöglichkeit.
Marcus Terentius Varro, römischer Polyhistor(* 116 v. Chr. in Reate im Sabinerland, heute Rieti; ? 27 v. Chr.) meint in seinem Werk »Rerum rusticarum libri tres» mit »saltus« eindeutig und unmissverständlich ein Flächenmaß einer Domäne (200 ha). Der berühmte Agrimensor (Feldvermesser) Siculus Flaccus erwähnte im 2.Jh.n.Chr. den »saltus« eindeutig und unmissverständlich als grösstes Flächenmass mit 25 centuriae (12,5 km²). Die Agrimensoren-Schriften gehören zu der antiken Fachliteratur, die im Mittelalter weiter Verwendung fand.

Texte werden, mal bewusst, mal unbewusst, falsch übersetzt. Mal bewusst, mal unbewusst wird das Übersetzte falsch abgeschrieben. Das Problem haben wir vermutlich nicht nur bei der Übersetzung und beim Abschreiben von antiken Texten.

Heschl
 
Polysemie/Homonymie, das wurde bereits hier im Thread angesprochen, ist nichts seltenes. Das Kinderspiel Teekesselchen basiert darauf. Beim Übersetzen kommt es darauf an, die richtige Übersetzung für ein Wort zu finden. Wenn man den Verfasser nicht mehr fragen kann, ist der Übersetzer auf sein eigenes Urteil angewiesen, d.h. er muss ein polysemes oder homophones Wort in seinem Kontext lesen. Das Saltus des Varro (Centuria est quadrata, in omnes quattuor partes ut habeat latera longa pedum CD. Hae porro quattuor, centuriae coniunctae ut sint in utramque partem binae, appellantur in agris divisis viritim publice saltus.) oder das des Sicculus Flaccus (Spatium autem, intra quod sors solum versari debeat, quasi dignationes dat: decimano vero et cardini maximis maximus latitudinis modus praescribi debet, deinde quintam quamque centuriam includenti per decimanos cardinesque; <qui> cum viginti et quinque centurias includant, saltus appellatur.) ist in seinem Kontext natürlich ein Flächenmaß. Wenn man dahingegen den taciteischen Text liest oder auch die Naturalis Historia des Plinius, will sich die Bedeutung des saltus als Flächenmaß nicht gerade aufdrängen.
 
Unbestritten. Da das Wort aber polysem ist, kann man es nicht grundsätzlich in dieser einen Richtung übersetzen. Ich übersetze ja auch, um ein klass. Teekesselchen zu verwenden, "Der Vogel sitzt in seinem Bauer" nicht mit "der Vogel sitzt in seinem Landwirt". Ganz unzulässig wäre die Übersetzung "Der Landwirt hat 'nen Vogel".
 
Da stellt sich mir als weitgehend Lateinnichtkenner die Frage ob Latein überhaupt "Teekesselchen" kennt?

Aber selbst wenn saltus nicht Wald bedeutet macht es die Lokalisierung nicht einfacher. Ob "der Wald bei Teutoburg" oder "die Domäne um Teutoburg" hilft da nicht viel.
 
Da stellt sich mir als weitgehend Lateinnichtkenner die Frage ob Latein überhaupt "Teekesselchen" kennt?

In jeder Sprache, die einige Jahrhunderte auf dem Buckel hat, wirst du Homophonie oder Synonymie begegnen. Im Lateinischen z.B. saltus, oder auch truncus: 1.) Baumstamm 2.) Dummkopf
 
A: Die Flasche ist umgekippt.
B: Normalerweise steht die Flasche aufrecht.
A: Die Flasche ist definitiv umgekippt.
B: Im Normalfall steht die Flasche auf Oberflächen aufrecht.

Was A sagt ist richtig, B hat aber auch nicht Unrecht. Trotzdem passt da etwas nicht.

Die Lateinschüler, die jene Übersetzungsmöglchkeit, von der ich meine, sie käme in den wenigsten Lateinwörterbüchern vor, nicht kennen, aber einen Lateintext von den oben genannten Autoren zu übersetzen haben, werden den Vogel im Landwirt sitzen lassen und schulterzuckend auf das Nachschlagewerk zeigen.

Ich will nochmal unterstreichen, dass ich in der Hauptsache das Fehlen gewisser Übersetzungsmöglichkeiten in den uns bekannten Lateinwörterbüchern kritikwürdig finde.

Heschl
 
A: Die Flasche ist umgekippt.
B: Normalerweise steht die Flasche aufrecht.
A: Die Flasche ist definitiv umgekippt.
B: Im Normalfall steht die Flasche auf Oberflächen aufrecht.

Was A sagt ist richtig, B hat aber auch nicht Unrecht. Trotzdem passt da etwas nicht.

Die Lateinschüler, die jene Übersetzungsmöglchkeit, von der ich meine, sie käme in den wenigsten Lateinwörterbüchern vor, nicht kennen, aber einen Lateintext von den oben genannten Autoren zu übersetzen haben, werden den Vogel im Landwirt sitzen lassen und schulterzuckend auf das Nachschlagewerk zeigen.

Ich will nochmal unterstreichen, dass ich in der Hauptsache das Fehlen gewisser Übersetzungsmöglichkeiten in den uns bekannten Lateinwörterbüchern kritikwürdig finde.

Heschl

Es kommt eben auch auf die Adressaten an. Die gängigen Lexeme sind i.d.R. in den WBern enthalten. Wenn eine Übersetzung nicht vorkommt, dann bedeutet das im Regelfall, dass sie keine Relevanz hat und deshalb eher in Spezialwörterbüchern zu finden ist.
 
Für Interpretationen ist ja zu diesem Thema wirklich viel Raum.
Kürzlich habe ich dazu diesen link gefunden :
Die Logistik des Varus - Informationen zur Präsenz der Römer in Germanien Die Annales des Tacitus. Eine Betrachtung

Interessanter Link.

Jetzt wissen wir zumindest, daß die Annalen fragwürdig sind, bzw. deren Übersetzung.
Aber der Herr Friebe wird bestimmt Klarheit in die Sache bringen...=)

By the way: Nett die lippische Rose in diesem Forum zu sehen.:winke:
 
Ich habe noch eine interessante Interpretation des Wortes "saltus" gefunden. Auf einer Homepage seht Folgendes zu saltus:

Saltus Teutoburgiensis meint ganz ursprünglich nicht, wie zumeist vermutet, das lateinische Wort "saltus" für Wald, Sprung oder Unebenheit. Saltus bezieht sich auf ein heute noch vorhandenes Hydronom, das von den Römern wie Ems (Amisia), Lippe (Lupia) oder Rhein (Rhenus) übernommen wurde: Der Fluss Salze (früher: Salz, germ. Salt) fließt bei Salzuflen in die Werre. Da bei den Römern alle Flüsse männlich waren, wurde daraus Saltus und später ein Wald ... Das Gebiet bezeichnet das Werre-Tal zwischen Detmold und Salzuflen als Verlauf der Abnutzungsschlacht.

Dabei handelt es sich um diesen Fluß Salze.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Verwirrt bin

Vor ein paar Tagen habe ich einen Vortrag von Prof. Nuber aus Freiburg gehört. Darin hat er erklärt, dass nur die Hauptflüsse (also Tiber, Donau, Rhein, Euphrat und Nil) im lateinischen männlich wären. Die jeweiligen Nebenflüsse (z. B. Mosella) dagegen weiblich. Habe ich diesen Teil des Vortrages nicht verstanden? Oder ist der Link mit seiner Behauptung, dass alle Flüsse männlichen Geschlechts sein müssten, Mumpitz?
 
Ich habe dir diese Frage schon im anderen Thread beantwortet. Hier gerne etwas ausführlicher. Es war nicht unüblich, dass die Römer einheimische Namen übernahmen. Toponyme und Hydronyme (also Orts- und Gewässernamen) gelten in der Historiolinguistik als sehr konservativ. Wenn wir also römische Ortsnamen ansehen, so übernahmen diese häufig einheimische Namen, wie keltische Ortsnamen, die häufig auf -briga oder -dunum etc. endeten oder iberische Ortsnamen, die häufig mit I- begannen.
Es war also üblich, einheimische Ortsnamen zu übernehmen. Selbst das germanische Wort burg ist ins lateinische als terminus technicus eingegangen: burgus. Insofern ist es also nicht verwunderlich, dass ein Ortsname einer von Rom nur locker beherrschten Region in den lateinischen Quellen auftaucht, wie ja auch andere germanische Namen, eben Personennamen, auftauchen.
 
Ich habe ja nun von Latein überhaupt keine Ahnung. Aber warum berichtet Caesar vom "großen Wald bacenis silva " und andere beschränken sich bei "teutoburgiensis saltu" auf das gleiche Hauptwort Wald ?
 
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