Wie waren die Germanen des Arminius gesellschaftlich organisiert?

Natürlich kann man trotzdem der Auffassung sein, dass es auch in den germanischen Gesellschaften solche Strukturen gab. Ich für meinen Teil bleibe trotzdem dabei, dass ich dafür gern irgendwelche Belege hätte. Dabei bleibe ich auch deshalb, weil für keines der Ereignisse, von deren "Stattfinden" wir wissen, die Existenz eines Adels erforderlich war. Das ging alles auch ohne.

Gleichgültig, ob nun ein Königtum oder eine oligarchische Verfassung angenommen wird: in jedem Fall gab es eine Oberschicht, die Herrschaft ausübte, und einen legitimen Anspruch darauf hatte. Dieser Herrschaftsanspruch stützte sich auf größeren Besitz und erstreckte sich gleichermaßen über Unfreie und auch Freie, die über geringeren Besitz und weniger Ansehen verfügten.

Diese Oberschicht kann man als "Adel" bezeichnen, mit anderen Worten: ein Adliger besitzt einem anderen gegenüber Vorrang oder Nachrang, hat seinen Platz innerhalb einer Rangordnung, den er behaupten oder sogar verbessern muss, wenn er sich nicht der Gefahr uassetzen will, seine Stellung zu gefärden oder zu verlieren. Einen solchen Adel gibt es bei allen indoeuropäischen Völkern, wo er unter verschiedenen Namen anzutreffen ist.

In diesem Sinne ist Tacitus (Germ. 7) zu verstehen, wonach die Germanen "die Könige, reges, aufgrund ihres Adels, ex nobilitate, die Heerführer, duces, wegen ihrer Tüchtigkeut, ex virtute, nehmen" - d.h. wählen.
 
@Dieter: d´accord!

und das ist hübsch (war mir gänzlich entfallen)
In diesem Sinne ist Tacitus (Germ. 7) zu verstehen, wonach die Germanen "die Könige, reges, aufgrund ihres Adels, ex nobilitate, die Heerführer, duces, wegen ihrer Tüchtigkeut, ex virtute, nehmen" - d.h. wählen.
:) eine sehr schöne Tacitusstelle
 
Habt ihr positive Assoziation mit dem Wort Adel ? Vielleicht früher zu viel Prinz Eisenherz gelesen ? =)

Beim Adel wird das Amt in der Familie weitervererbt.
Die Nobiles waren eher eine Oberschicht, die zwar leichter an ein Amt kamen, aber das Amt nur erhielten durch Können oder Intrige.

Benutzt doch einfach das Wort Oberschicht.
 
In Germanien könnte genau das der Fall gewesen sein. Es gab zwar eine Oberschicht, die sich durch größeren Besitz, damit einhergehend einer größerer militärischer Macht und allgemein vorhandenen politischen Einfluss auszeichnete, aber das politische Geschehen noch nicht vollständig unter die eigene Kontrolle gebracht hatte. ....
d´accord!!
hinzu kommt, dass es zur fraglichen Zeit auch eine "Kriegerkaste" (quasi Berufskrieger, Gefolgsleute, später gerne Helden genannt) gegeben haben kann, und die müssen ja auch von irgendwem versorgt/unterhalten werden (müssen also nicht nur aus Wehrbauern rekrutiert gewesen sein).

Wenn wir die Definition von "Adel" so weit fassen, dann ist die Existenz von Adel bei den Germanen natürlich nicht von der Hand zu weisen. Dann muss man sich allerdings auch fragen, ob nicht auch unsere gegenwärtige Gesellschaft von einem Adel dominiert und beherrscht wird. Oberschicht, größerer Besitz, größere militärische Macht, politischer Einfluss, nicht vollständig unter Kontrolle... Passt doch alles! Stamokap und militärisch-industrieller Komplex. Es ist also eine Illusion, dass wir in einer Demokratie leben. Was wir für Demokratie halten, ist in Wahrheit eine gut getarnte despotische Oligarchie. Das sage ich schon seit Jahren, aber keiner glaubt mir. Endlich werde ich verstanden... :cool:

Spaß beiseite: Ich habe nie behauptet, dass es in Stammesgesellschaften keine gesellschaftlich herausgehobenen Menschen oder Sippen gibt. Ich habe nie behauptet, dass in einer "egalitären" Gesellschaft alle Menschen gleich sind. Ich habe nie behauptet, dass in (mehr oder weniger) egalitär strukturierten Stammesgesellschaften Entscheidungen etwa irgendwie "demokratisch" gefällt würden. Ich habe im Gegenteil sogar die Ansicht vertreten, dass in solchen Gesellschaften die Entscheidungen auf ausgeprägt undemokratische Weise gefällt werden. Weil Stammesgesellschaften eben keine Demokratien sind.

Wenn es auch als Korinthenkackerei verstanden werden mag, bleibe ich jedoch dabei, dass man in einer Diskussion relativ klare Definitionen wie die für den Begriff "Adel" nicht so weit ihres Sinns entkleiden darf, dass sie pauschal für jegliche Art von Unterschied zwischen Individuen oder Gruppen verwendet werden können. Lässt man derartige Beliebigkeit in der Definition zu, führt das zwangsläufig zu Missverständnissen. Zum Beispiel zu solchen:

In dem Sinne gabs den "Adel" im weitesten Sinne wohl schon, vor 11.000-8000 Jahren mit der agraren Revolution oder sogar schon in der Jungsteinzeit.
...
Aber führungslos waren sie ganz sicher nicht; auch nicht ohne permanente und relativ fest etablierte Führung. Anders wäre Vieles nicht erklärbar und zu beantworten, auch nicht die Ausgangsfrage des OP.
Nicht persönlich nehmen, aber das steht im Widerspruch zu unserem Wissen über die Lebenswirklichkeit. Zum Beispiel die schon mehrfach erwähnten Afghanen waren fähig, ohne jegliche "adelige Anleitung" genug militärisches Potenzial zu entfalten, um eine Militärmaschinerie zu bezwingen, vor der UNSERE fortschrittliche (und bis an die Zähne bewaffnete!) Gesellschaft über Jahrzehnte hinweg so große Angst hatte, dass wir ein Waffenarsenal aufgebaut haben, mit dem man die ganze Erdoberfläche hätte verdampfen können. Eine ganz ähnliche Erfahrung hat die Weltmacht USA mit ihrer militärischen Niederlage gegen nur notdürftig bekleidete asiatische Reisbauern gemacht. Jetzt soll mal irgendwer irgendeinen Beleg dafür liefern, dass die Reisbauern nur durch einen (in diesem Fall kommunistischen) Adel zum Kampf zu bewegen war.

Die Behauptung, dass es in den germanischen Stämmen der Kommandogewalt eines Adels bedurft hätte, um militärisch effektives Vorgehen zu ermöglichen, ist abstrus. Geradezu weltfremd. Und das meine ich wieder nicht persönlich. Diese Verirrung rührt daher, dass "modernes" Wissen über gesellschaftliche Ungleichheit auf vorgeschichtliche Gesellschaften "zu übertragen versucht wird". Die Germanen brauchten keinen "Adel", der sie zum Jagen getragen hätte! Stammesgesellschaften MÜSSEN zumeist kriegerische sein, weil es eben KEINE Obrigkeit gibt, die für Schutz sorgt! KEINE Justiz! Das müssen die Leute alles selbst erledigen. Mit Gewalt. Oder mindestens mit der Bereitschaft zur Gewalt. Sehr demokratisch...

Da hast du sicher recht. Auch das gibt die Quellenlage nicht her. Wenn man sich aber das Chaos in manchen germanischen Königreichen anschaut, dann hätte Rosa Luxemburg sicher ihren Spaß gehabt :rofl:
Auch hierzu: Ich meine es nicht persönlich, denn ich mutmaße, dass auch hier ein allzu leichtfertiger Umgang mit Definitionen den Anlass zu solchen Aussagen bietet. Fakt ist jedenfalls, dass die arme alte Rosa sich im Grabe umdrehen würde, wenn sie im Zusammenhang mit den vermeintlich egalitär-demokratischen Leistungen von Stammesgesellschaften genannt würde. Das arme Mädel würde selbst heute noch dermaßen rotieren, dass man ihren Sarg nur senkrecht stellen müsste, um das Gerippe zum Ölbohren einzusetzen!

Gleichgültig, ob nun ein Königtum oder eine oligarchische Verfassung angenommen wird: in jedem Fall gab es eine Oberschicht, die Herrschaft ausübte, und einen legitimen Anspruch darauf hatte.
Nein! Genau das ist die Behauptung, um die es MIR (!) in dieser Diskussion geht. Es soll "in jedem Fall" so eine Oberschicht gegeben haben? Woran erkennt man das? Diese Oberschicht hat Herrschaft ausgeübt? Woran... (etc)? Sie hatte darauf sogar einen "legitimen Anspruch"? Worauf gründete sich dieser Anspruch? Auf die bloße Existenz der angenommenen, aber nicht bewiesenen Oberschicht?

Dieser Herrschaftsanspruch stützte sich auf größeren Besitz und erstreckte sich gleichermaßen über Unfreie und auch Freie, die über geringeren Besitz und weniger Ansehen verfügten.
Ahhhh! Na dann ist ja alles klar. Nur: Warum zeigt dann keiner der uns bekannten archäologische Befunde, dass es so eine Oberschicht gab, die mittels ihrer ökonomischen Macht "Herrschaft ausüben" konnte? Warum gibt es keine soziologische Erklärung, dass es nur so und nicht anders geht?

Zum wiederholten Mal die Frage: Wenn das alles ganz "natürlich" so war, warum gibt es dann aus der hier diskutierten Zeit keine Spuren davon?

Dabei verlasse ich jetzt die Diskussion über Fragen des Adels, die von unseren französischen Freunden vielleicht in der einzig adäquaten Form beantwortet worden sind. :devil:

Noch eine letzte Anmerkung: Hier tauchte die Frage auf, warum es keine Übertragungen zwischen den gesellschaftlichen Verhältnissen bei Kelten und Germanen gabe. Dazu ist zu sagen:

Erstens gab es Übertragungen. In den deutschen Mittelgebirgen lag eine "Kontaktzone", in der sich keltische und germanische Einflüsse gemischt haben. So sehr, dass nur in einer recht frühen Phase die beiden Kulturen sauber unterscheidbar sind.

Zweitens passierte die Vermischung im beide Richtungen. Das war keineswegs so, dass die "überlegene" keltische Kultur die "primitive" germanische Kultur überlagert hätte.

MfG
 
Ich möchte mal ein ganz praktisches Beispiel ansprechen, dass für die Verhältnisse gerade im Hinblick auf die Niederlagen der Römer interessant sein könnte. Allgemein hatten die Germanen im betrachteten Siedlungsgebiet keine große Verwendung für Pferde. Sie waren wirtschaftlich von geringer Bedeutung, da sie nicht für häufige Wanderungsbewegungen genutzt wurden, und die Landschaft eigente sich mit ihren zahlreichen Wäldern und Mooren auch nicht für eine ausgeprägte Reiterkultur. Dennoch gab es Pferde in Germanien; wenn die auch kleiner waren als irgendwo sonst in der antiken Welt.

ME liegt es auf der Hand, dass Pferde primär ein Statussymbol und ein militärisches Instrument waren. Im Frieden gibt es dem Besitzer eine Reihe Vorteile; bspw eine größere Mobilität, um soziale Veranstaltungen zu besuchen, Kontakte zu pflegen oder Handel zu treiben, und vermutlich einen Prestigegewinn. Diese Vorteile muss man sich allerdings leisten könne, da Pferde teuer und aufwendig im Unterhalt sind. Va die Oberschicht, die über genug anderes Vieh und notwendige Ressourcen verfügten, werden sich Pferde geleistet haben, bzw konnten dies tun.

Im Falle einer militärischen Auseinandersetzung geben Pferde allerdings einen sehr großen Vorteil; ob es sich dabei um einen Konflikt unter benachbaren Stämmen oder um den großen Aufstand gegen die Römer geht, ist fast egal. Schon in der Vorbereitungsphase sind berittene Boten bzw Gesandtschaften wichtig. Auch Aufklärung ist zu Pferd wesentlich einfacher, schneller und sicherer. Ein Pferd schont bei Märschen etc die Kraft seines Besitzers, selbst wenn es nicht andauernd geritten wird, da es Gepäck oder Waffen tragen kann. In der direkten Auseinandersetzung schließlich sind leichte Reiter als Plänkler prädestiniert, eine entscheidende Rolle im Gefecht zu überbehmen, und gerade die Anführer und ihr Gefolge dürften von solchen profitiert haben.

Familien, die es sich leisten konnten, Handel zu treiben, Pferde zu besitzen, und Kontakte zu weiter entfernten Sippen oder Stämmen zu unterhalten, muss es auch in Germanien gegeben haben; einerlei, ob man die Adel oder Oberhoschis nennt. Inwieweit die auch eine institutionelle Vormacht hatten, inwieweit sie das politische Geschehen auch "vor Ort" für sich monopolisierem konnten, ist fraglich. Gerade bei Entscheidungen, die von örtlichen Gemeinschaften autonom getroffen wurden, muss der Einfluss der "Freien" (also der freien, besitzenden Männer) mE sehr groß gewesen sein. Gerade in der Auseinandersetzung mit den Römern könnten die rein praktischen Gesichtspunkte aber eine große Rolle gespielt haben. Wie auch später, als die fortlaufenden Geschehenisse zu einem Zusammenschluss in großen Stammesverbänden führten; eine mE unumgängliche Entwicklung.

Dieser Zusammenschluss zu größeren Verbänden wie den Sachsen oder den Franken, die auch mit einer gewissen Zentralisierung, der Bildung von Fürstentümern und angehäuften Reichtümern führte, könnte eine entscheidende Vorbedingung für die "Vökerwanderung" gewesen sein, also die gewaltsame Expansion germanischer Völkerschaften, die andere Gebiete unterwarfen und dann als neue Oberschicht besiedelten, bis sie dann entweder die neuen Gebiete nachhaltig prägten (England), oder in der angestammten Bevölkerung aufgingen, oder irgendwas dazwischen (Frankreich). Eine weitere Vorbedingung war natürlich die aus inneren Gründen schwindende Abwehrkraft des römischen Reiches.

Hier kann man durchaus Parallelen zu keltischen Entwickung sehen. Auch bei dieser fand erst eine Bildung von Fürstentümern und regionalen Zentren statt, die anhand der Fürstensitze und -gräber nachweisbar sind; für diese Entwicklung war eine Zentralisierung nötig, die es im germanischen Bereich offensichtlich bis ins 1. Jh. n. Chr. nicht gegeben hat. Dieser folgte bei den Kelten eine massive Expansionswelle, bzw ging mit ihr einher. Wir haben keine bzw kaum schriftliche Aufzeichnungen darüber, aber die Bewegungen im Zusammenhang mit der Ausbreitung keltischer Sprache, Kunst etc könnte mit der bekannten "Völkerwanderung" durchaus mithalten, was die allgemeinen Veränderungen für die betroffenen Gebiete anging. BTW, Rom wurde nach dem Brennus-Desaster 387 v. Chr. erstmals wieder von Germanen niedergebrannt. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
@Maelonn

wenn man den Begriff Adel eng gefasst nur und einzig auf die Feudalgesellschaft des europäischen Hochmittelalters verwendet, dann wird man keinen solchen Adel im römischen Imperium, in der keltischen Kultur oder bei den Germanen zu Beginn des 1. Jhs. nach Christus finden.

...aber muss man diesen Begriff so eng fassen? Gibt es nicht zahlreiche seriöse historische Publikationen, die z.B. den Senatorenadel des römischen Reichs erwähnen (z.B. Demandt)? gibt es keine Vorformen?

Was wäre falsch daran, solche Sippen wie die Amaler oder die Merowinger als eine Art frühen Adel oder Vorform des Adels zu bezeichnen? (zumal es in deren germanischen Sprachen das Wort vermutlich schon gab)

Sodann frage ich mich auch, ob ohne Quellen ein archäologischer Befund zwingend als Beweis benötigt wird und nur dieser gilt - die von Dieter zitierte Tacitusstelle widerspricht womöglich den (sicher noch nicht endgültigen) archäologischen Befunden, aber ist sie deswegen falsch?

Sehr interessant, weil extrem an homo homini lupus est erinnernd, ist deine Erklärung, dass Gewalt als zentrales Regulativ in Stammesgesellschaften vorherrschte - das kenne ich in so krasser Form eher aus Scheibelreiters "barbarischer Gesellschaft", womit die Merowingerzeit gemeint ist - zugleich aber scheint die soziale Form der Sippe wiederum diese permanente Gewaltbereitschaft ausgeglichen zu haben. Wenn wir davon ausgehen können, dass die germanischen Stammesgesellschaften Sippenverbände hatten, dann scheint nicht unwahrscheinlich, dass diese Sippen auch in Konkurrenz geraten konnten - und wie es bei solchen Blutfehden oder Vendettas zu gehen pflegt, kann da schon mal die eine oder andere Sippe massakriert werden; das wiederum führt zu einem Prestigegewinn und ggf auch Macht- und Einflußgewinn der siegreichen Sippe. Und offenbar hatten solche Sippen Oberhäupter, bildeten sich Traditionskerne heraus: manche Namen von Stämmen aus der fraglichen Zeit werden ja als alte und ehrwürdige Namen (also Traditionen) bezeichnet (vgl. H. Wolfram) --- spricht das nicht eher für als gegen eine Vorform des "Adels", und das trotz der bislang mangelnden Funde von cheruskischen Reichsinsignien, Kronen und Königshallen? (du verzeihst den humorigen Ton gewiß, weil du ihn ja selber glänzend einzusetzen verstehst) :)

nachträglich ergänzend (weils mir eben erst wieder eingefallen ist)
die verschiedenen germanischen Gentes, Burgunder, Goten, Alemannen, Thüringer usw., wiesen verschiedene (ich nenn´s mal salopp) "Königsformen" auf wie ein Sakralkönigtum (die Hendinos der Burgunder), einen "obersten Richter" (bei den Goten), Königsdynastien (Merowinger, Amaler) zudem tauchen alemannische (Klein)Könige im 4. Jh. auf (oder schon früher? irgendein rex crocus oder so ähnlich) und dann die Tacitusstelle... Wie wahrscheinlich ist, dass sich derartiges erst Jahrhunderte nach den Cherusker- und Markomannenkriegen herausgebildet haben sollte und vor allem: warum? Nach welcher Orientierung?
 
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Eine ganz ähnliche Erfahrung hat die Weltmacht USA mit ihrer militärischen Niederlage gegen nur notdürftig bekleidete asiatische Reisbauern gemacht. Jetzt soll mal irgendwer irgendeinen Beleg dafür liefern, dass die Reisbauern nur durch einen (in diesem Fall kommunistischen) Adel zum Kampf zu bewegen war.

Der Vietcong wurde von Offizieren der Nordvietnamesischen Armee geführt. Es gab also eine Menge militärisches Organisationspotential, gesteuert aus Nordvietnam (und Moskau). Darüber hinaus mag Vietnam kein hochentwickeltes Land gewesen sein, aber eine Stammesgesellschaft war es sicherlich auch nicht.
 
Zum Beispiel die schon mehrfach erwähnten Afghanen waren fähig, ohne jegliche "adelige Anleitung" genug militärisches Potenzial zu entfalten, um eine Militärmaschinerie zu bezwingen, vor der UNSERE fortschrittliche (und bis an die Zähne bewaffnete!) Gesellschaft über Jahrzehnte hinweg so große Angst hatte, dass wir ein Waffenarsenal aufgebaut haben, mit dem man die ganze Erdoberfläche hätte verdampfen können. Eine ganz ähnliche Erfahrung hat die Weltmacht USA mit ihrer militärischen Niederlage gegen nur notdürftig bekleidete asiatische Reisbauern gemacht. Jetzt soll mal irgendwer irgendeinen Beleg dafür liefern, dass die Reisbauern nur durch einen (in diesem Fall kommunistischen) Adel zum Kampf zu bewegen war.

Nur weil du es wiederholst, wird deine Aussage nicht richtig. In Afghanistan gab es schon eine Oberschicht (Adel im weiteren Sinne) bevor Alexander das einzig Richtige tat und rechtzeitig das Weite suchte. Die einzelnen Stämme Aghanistans haben Oberhäupter und hier genau liegt das Problem eine parlamentarische Demokratie einführen zu wollen.

Was die Reisbauern angeht, so ist der Begriff eines kommunistischen Adels sicher lustig. Aber auch dahingehend treffend, daß der Vietcong straff organisiert war von einer Oberschicht, dem politischen Kader.

Ich hatte ja bereits bemerkt, daß wir eine unterschiedlich weite Definition des Adelsbegriffes zugrunde legen. Die Diskussion ist müßig. Also lasst uns doch einfach wie vorgeschlagen von Oberschicht sprechen. Und diese hat es laut Tacitus gegeben, und sie war verantwortlich Entscheidungsprozesse anzustossen und voranzubringen.
 
Dieter schrieb:
Diese Oberschicht kann man als "Adel" bezeichnen, mit anderen Worten: ein Adliger besitzt einem anderen gegenüber Vorrang oder Nachrang, hat seinen Platz innerhalb einer Rangordnung, den er behaupten oder sogar verbessern muss, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen will, seine Stellung zu gefährden oder zu verlieren. Einen solchen Adel gibt es bei allen indoeuropäischen Völkern, wo er unter verschiedenen Namen anzutreffen ist.
Eine Basisfrage stellt sich mir:
Warum hat sich jemand zum Anführer erhoben? Was ist der eigentliche Antrieb des Menschen für das Erringen einer Führungsposition? Tut er dies für sich selbst? Oder will er für seine Kinder eine gute Zukunft schaffen? Bei den Kelten stellen wir nach der neuesten Forschung fest (was eigentlich zu erwarten war), dass die Führungsschicht ihren Status vererbt. Dies erkennen wir daran, dass manche Kinder, welche noch vor der Pubertät verstorben sind, mit Machtinsignien begraben werden. Hier hat dann ein Knabe eine Waffenausstattung eines Anführers, während die ihn begleitenden Personen mit ärmlichen Grabbeigaben versehen sind. Hier erkennen wir am Bodenfund eine erbliche Stellung, was für mich den Adel ausmacht. Die Keltenausstellung in Stuttgart hat eine schöne Schautafel:

0,5% der Keltengräber haben eine "Luxus"-Ausstattung.
50% der Gräber sind anhand der Beigaben einer Mittelschicht zuzuordnen.
Die restlichen 49,5% sortieren sich als Oberschicht, Unterschicht bzw. als Besitzlose (Sklaven) ein.

Bei den Germanen ist dies ganz anders. Es gibt hier kaum eine Differenzierung in der Grabausstattung. Wenn wir dann doch eine solche Differenzierung finden, dann muss man diese interpretieren. Ein schönes Beispiel ist das "Königsgrab von Muschau", im heutigen Tschechien. Ein Germane, nahe einer römischen Garnison wird mit einer ungewöhnlich reichen Grabausstattung bestattet. Da dies singulär ist, interpretiert man diese Person als römischen Klientel, der den Römern beim Kampf gegen seine Landsleute geholfen hat. Durch diese Tätigkeit ist er sowohl zu Reichtum als auch in den kulturellen Kontakt zur römischen Kultur gekommen. Bei den Germanen ist dies aber ungewöhnlich. Warum stellte der Germanenhäuptling seinen Reichtum nicht im Tod zur Schau? Hatte dies religiöse Gründe? Woher kommt diese Bescheidenheit. Warum finden wir nicht in der frühen Kaiserzeit germanische Fürstensitze, die Repräsentationszwecken gerecht werden? Ich folge hier Maelonn, dass es einfach diese reiche Oberschicht nicht gab. Diese herausgehobene Position von Arminius könnte durch seine Förderung durch die Römer zustande gekommen sein. Wären die Römer nicht erschienen, hätte Segimers Sohn vielleicht keine höhere soziale Stellung gehabt, als der Junge aus der Nachbarhütte. Die Quellenlage ist einfach so mau, dass man sowohl die eine These als auch die andere nicht eindeutig be- oder widerlegen kann.
 
Warum stellte der Germanenhäuptling seinen Reichtum nicht im Tod zur Schau?
ein interessantes viel späteres Detail: den italischen Goten waren üppige Grabbeigaben verboten.
Überhaupt ist für die Goten interessant, dass Waffen nicht zu den Grabbeigaben zählten.

Die Quellenlage ist einfach so mau, dass man sowohl die eine These als auch die andere nicht eindeutig be- oder widerlegen kann.
ja, das klingt plausibel - und das hält die Diskussion lebendig :)
 
@Maelonn

wenn man den Begriff Adel eng gefasst nur und einzig auf die Feudalgesellschaft des europäischen Hochmittelalters verwendet, dann wird man keinen solchen Adel im römischen Imperium, in der keltischen Kultur oder bei den Germanen zu Beginn des 1. Jhs. nach Christus finden.

Den gibt es schon bei den Römern. Es geht doch eben darum, dass einige per Definition über den anderen stehen, wie es bei den römischen Senatoren etwa der Fall war. Dort ging es zugegebenermaßen mit Besitz einher, und hier verwischte es sich mit den wohlhabenden Nichtadligen, ähnlich wie im späten Mittelalter.
Es ist auch keine Frage, dass sich aus den Kriegergefolgschaften der Völkerwanderungszeit bei den Germanen Adelsstrukturen gebildet haben. Andererseits haben schon viele Forscher darauf hingewiesen, dass sich an der Peripherie Roms für damalige Zeiten völlig neue Verhältnisse bildeten, dass die Worlords ein neues Phänomen waren, und man daraus keine Rückschlüsse auf die mitteleuropäischen Gesellschaftsstrukturen vor der Völkerwanderungszeit ziehen kann.

Was wäre falsch daran, solche Sippen wie die Amaler oder die Merowinger als eine Art frühen Adel oder Vorform des Adels zu bezeichnen?

Gar nichts, das IST Adel.
Stellt sich aber die Frage, wie alt er ist, darüber hatten wir hier genügend Diskussionen. Die traditionelle Auffassung, etwa die Amaler über Polen, Skandinavien, Meospotamien usw. bis nach Troja und Ägypten zurückzuführen, hat auch hier im Forum noch genügend Anhänger.
Es gibt aber auch den Standpunkt, dass etwa die Amaler und ihr Anspruch auf den Königstitel eine Schöpfung der Hunnenzeit ist, sprich dass die Warlords um Valamir, Thiudimir und vor allem Theoderich diese "Tradition" erst schufen.
Deutlicher wird das bei Childerich und Chlodwig, wo der selbstgeschaffene Stammbaum schon sehr schnell ins Fabelhafte abgleitet, man von einer ursprünglich "stinknormalen" Offiziersfamilie in römischen Diensten ausgehen kann, die sich kurzerhand eine legendäre Abstammung und sogar ein erbliches Königsheil zulegte.
Aber all dies entstand eben erst zur Völkerwanderungszeit. Es lässt keine Rückschlüsse auf die Zeit davor zu.
 
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Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist doch wohl klar, dass nicht ALLE Cherusker den Arminius umgebracht haben - ebenso, dass sie nicht ALLE geschlossen einen König erbeten haben. Irgendwelche Cherusker wird es schon gegeben haben, die ihr Heil in der Anlehnung an Rom bzw. an einen von den Römern gestützten König suchten und daher einen erbaten. Das reichte den Römern als Vorwand für eine Einmischung. Dass nicht alle so dachten, zeigte die weitere Entwicklung.

So kann man natürlich immer argumentieren. Es wird auch schon irgendwo einen Afghanen gegeben haben, der die Russen zu Hilfe rief.
Falsch ist das nie.
Der Realität näher kommt allerdings, dass die Römer hier ihnen genehme Strukturen durchsetzten, wie sie sie auch von den von dir selbst genannten Klientelkönigen im Osten kannten, und dazu fragten sie nicht lange.

Interessant finde ich allerdings, dass man von diesem Klientelkönigtum in Germanien in der Folge nichts mehr hört. Offensichtlich fiel die Idee nicht gerade auf fruchtbaren Boden, sprich die Cherusker hielten in Wirklichkeit gar nichts davon, sich einem römischen Marionettenkönig zu unterwerfen.
 
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flavius-Steirius und andere:
Warum sollte sich jemand zum Adel erhoben haben? Sowas muß man nicht selbst machen, das machen andere. Sicher gibt es die Vögel, die mit Gewalt und "guten Freunden" sich selbst in "Führungspositionen" drängen, um näher an die Fleischtöpfe zu kommen. Manchen gelingt und gelang das auch.
Viel häufiger scheinen mir doch aber die Fälle, in denen mehr oder minder "fähige" Leute mit Zeit und dem entsprechenden Einkommen Führungsaufgaben übertragen bekommen haben, und , weil Papa so gut war, der Sohn weitermachen durfte.

Nicht umsonst wohl ist ja mit "edel" etwas mehr verbunden als Reichtum und Gewaltbereitschaft.
 
Nun sollten wir aber nicht vergessen, Wilfried, dass die germanische Geschichte vor der Ankunft der Römer uns zwar unbekannt ist, aber zweifelsohne existierte. In den wenigen Daten, die uns die Römer ab der kimbrisch-teutonischen Wanderung, dann wieder Caesar und schließlich nur wenig dichter ab der augusteischen Zeit überliefern, sind nicht der Anfang der germanischen Geschichte, lediglich die frühesten historisch fassbaren Daten. Dass es davor etwas gab, darfst du positiv unterstellen.
 
Ich stimme ja Maellon insoweit zu, daß diese Oberschicht eher schwach war in ihren Kompetenzen und nur in Notzeiten ausserordentliche Kommandos übertragen bekam. Dabei könnten demokratische Prozesse eine Bedeutung gehabt haben. Übrigens auch der römische "Adel" hatte de iure verglichen mit dem mittelalterlichen Adel eher schwache Kompetenzen, wenn er nicht gerade Magistrat war.

Ein Hinweis für mich ist das Scheitern der römischen Steuererhebung in der Germania Magna, die mit ein Grund für den Aufstand der Germanen gewesen sein soll.

Die Römer übertrugen anfangs auch die Eintreibung der direkten Steuern (Kopfsteuer, Grundsteuer) Steuerpächtern (publicani), die gegen eine feste ersteigerte Summe, die Eintreibung besorgten. Dabei haben sie meist mehr eingetrieben, als statthaft war. Die Statthalter, die sie hätten kontrollieren sollen, haben oft mit ihnen paktiert und sich mit bereichert. In der alten Provinz Sizilien etwa hat man versucht diesen Misstand zu beseitigen, indem man die Eintreibung der Steuern den peregrinen Städten (civitates) übertrug. Es war also der lokale, peregrine, municipiale Adel, der seine eigenen Leute besteuerte, nach durch die Römer festgelegten Regeln. Oft übernahm man hier lokale Steuersysteme. Auch dabei gab es natürlich Korruption, Bevorzugungen und Überbesteuerung einzelner Gruppen, aber nicht in dem Ausmasse, wie unter den Publicani.

In der Gallia Comata ging man meines Wissens bereits unter Augustus nach diesem neuen Modell vor. Allerdings gab es auch im nördlichen Gallien oder in der Belgica nicht genügend, oder ausreichend potente Städte, um die zuzuordnenden Landkreise zu verwalten. Man bemühte sich nun einerseits den Ausbau der Städte zu fördern und neue zu gründen oder aus kleinen Marktflecken heraus zu entwickeln. Andererseits hat man aber die Steuerfunktion einfach den Stämmen (gentes) übertragen. Also den Stammesführern, unabhängig davon, ob es in dem Gebiet eine Stadt gab oder nicht. Wichtig war für die Römer nur, daß jemand für sie die Steuern eintrieb, da sie damals noch nicht bereit und fähig waren, die notwendigen, tiefen Verwaltungsstrukturen aufzubauen. Ein solcher Bezug auf Stämme findet man in einigen Regionen auch noch weit in die Kaiserzeit hinein in Gestalt des procurator gentis (oft Primipilares)

In Germanien gab es nach meinem Kenntnisstand keine Städte, man konnte also nur über die Gentes gehen. Parallel versuchte man städtische Strukturen aufzubauen wie in Waldgirmes, aber das war ein langer Weg. Für Steuererhebung per gentes gibt es Beispiele. Bekannt ist der Fall der Friesen, die jährlich Ochsenhäute abzuliefern hatten. Irgendwer bei den Friesen muss das anstatt der Publicani verhandelt und organisiert haben. Ebenso bekannt sind die Bataver, die befreit waren von Steuern, aber dafür Truppen stellen mussten, und zwar deutlich mehr als üblich. Letzten Endes ist auch das nur eine Steuer (tributum). Irgendwer bei den Batavern muss diese jungen Leute rekrutiert, denn daß dies immer rein freiwillig ablief, ist zu bezweifeln.

Rechtsrheinisch funktionierte anscheinend wohl selbst das Modell der gentes nicht. Nach meinem Verständnis liessen die Römer in einer nagelneuen Provinz, trotz besseren Wissens, die Publicani auf die Germanen los. Ob dies allerdings flächendeckend so geschah, weiss ich nicht. Zugegeben, den Fehler hat man zeitgleich auch in Pannonien gemacht, was auch dort zum Aufstand führte: "Ihr habt euren Schafen Wölfe geschickt, wo ihr doch hättet Hirten sein sollen".

Hier stellen sich Fragen:
- war es vielleicht doch noch üblich, in einer neuen Provinz erst mal die Publicani zu nutzen? Gallien mit dem Sondermodell über Gentes spräche eher dagegen.
- Hatten die Germanen gar keine Oberschicht, die man hätte instrumentalisieren können?
- Hat sich die germanische Oberschicht erfolgreich exculpiert, dieser Aufgabe nachzukommen, weil sie gar nicht in der Lage war, so etwas wie Steuererhebung bei ihrem Volk durchzusetzen? Auch weil die Germanen, wie im übrigen auch die Römer noch lange Zeit, sowas wie Steuern gar nicht kannte.

Meiner Meinung nach, gab es eine germanische Oberschicht, aber ihre Kompetenzen waren zumindest in Friedenszeiten sehr beschränkt. Tacitus nennt sie Nobiles, aber nur, damit er überhaupt irgendetwas Bekanntes hat und die Vorstellungskraft seiner Leser nicht überfordert. Das finden wir auch anderen Orts. Noricum war zumindest in früherer Zeit nach jüngeren Historikern weit davon entfernt, ein Königreich zu sein. Auch die Kurialen einiger griechischer Städte, die weit demokratischer waren, als es das berühmte Athen jemals war (Rhodos,...), wurden einfach Nobiles genannt. Obwohl sie sicher nicht adeliger waren als ein Stadrat der alten Hansestadt Hamburg. Die Römer nutzten einfach die beste Analogie aus ihrer Vorstellungswelt. Das wäre Tacitus aber nicht gelungen, hätte er eine eher anarchische Struktur vorgefunden.
 
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El Quichote, ich gehe durchaus davon aus, das die Kimbern, Teutonen, Ambronen Vorfahren hatten und auch etliche zu Hause geblieben sind. Wenn ich so die Oker runtergucke, war früher, zu KdG´s Zeiten rechts das Swebengo und links das Ambergo.
Weiter nach Westen und nach Norden gibts noch ein paar Namen, die Völkerschaften der Völkerwanderungszeit erinnern.
Deswegen erstaunt mich ja, das diese "Germanen" so lange gegen einen Feind zusammengehalten und gekämpft haben. Unter EINER Führung. Und vorallem, wie sie das mit dem Nachschub geregelt haben. Die Römer aus dem Land haben wollen, weil die Steuern erheben, gut , ist klar. Aber 8 Jahre Krieg bezahlen deswegen? Und keine/kaum Beute??
 
Warum sollte sich jemand zum Adel erhoben haben? Sowas muß man nicht selbst machen, das machen andere.

Da würde ich widersprechen. Wir können uns die Völkerwanderungszeit anschauen, über die wir mehr wissen und in der es definitiv eine Adelsschicht gab.
Entscheidender Faktor zur Machtausübung war hier das persönliche Prestige. Die Anführer von Kriegergruppen (Warlords) scharten ein persönliches Gefolge von Kriegern um sich, möglichst mächtige, möglichst viele.
Mit diesen ließen sich Tribute erpressen oder Beute machen, sprich Reichtum erwerben. Über den Kriegsruhm erwarb man das zugehörige Prestige. Der nicht-kämpfende Teil der Bevölkerung wurde zu Untertanen, die Kriegerkaste zum Adel. Adel aus eigenem Bestreben, nicht durch großzügige Verleihung durch andere.

Ein Chlodwig etwa erlangte die dominierende Stellung der Merowinger mit ihrem erblichen, heiligen Königsheil nicht durch Verleihung oder Zuspruch anderer, sondern durch die schlichte Ausrottung jedweder Konkurrenz.
Einem Childerich hing sicherlich noch keine sakrale Vormachtstellung an, zu seiner Zeit gab es noch dutzende von fränkischen Kleinkönigen.
 
naja, von "großzügiger Verleihung" war nicht die Rede, eher von einem "hineinwachsen".
Die Warlordgeschichte der Völkerwanderungszeit, auch bei den Franken, ist jetzt ein weiteres Kapitel. Denn ein Räuberhauptmann muß ja auch irgendwie von seinen Spießgesellen ausgewählt und dauerhaft anerkannt werden.
 
Deswegen erstaunt mich ja, das diese "Germanen" so lange gegen einen Feind zusammengehalten und gekämpft haben. Unter EINER Führung.

Ist dem denn so? Ich lese da durchaus anderes in den Quellen. Von Streitereien zwischen den Germanen und keineswegs von Einigkeit. Von romfreundlich und romfeindlich Gesinnten, von Konflikten untereinander. Siehe Inguiomer, Segestes, Flavus nur aus dem engsten Umfeld des Arminius, an dem du den Thread ja aufgehängt hast. Und wer muss denn den Krieg bezahlen? Waren die germanischen Krieger etwa Söldner (wenn sie nicht gerade für die Römer kämpften)? Oder schlossen diese sich nicht viel mehr einem Heerhaufen an, der zusammen- und wieder auseinanderlief?
(Im Übrigen: So eine römische Rüstung, wo man selber nur Rasenerz zur Verfügung hat, ist verdammt attraktiv.)
 
Nur weil du es wiederholst, wird deine Aussage nicht richtig. In Afghanistan gab es schon eine Oberschicht (Adel im weiteren Sinne) bevor Alexander das einzig Richtige tat und rechtzeitig das Weite suchte. Die einzelnen Stämme Aghanistans haben Oberhäupter und hier genau liegt das Problem eine parlamentarische Demokratie einführen zu wollen.
Mir ist nichts bekannt von einer aristokratischen Oberschicht in Afghanistan. Aber vielleicht fehlen mir einfach die richtigen Informationen.

Was die Reisbauern angeht, so ist der Begriff eines kommunistischen Adels sicher lustig. Aber auch dahingehend treffend, daß der Vietcong straff organisiert war von einer Oberschicht, dem politischen Kader.
Der Vietcong wurde von Offizieren der Nordvietnamesischen Armee geführt. Es gab also eine Menge militärisches Organisationspotential, gesteuert aus Nordvietnam (und Moskau). Darüber hinaus mag Vietnam kein hochentwickeltes Land gewesen sein, aber eine Stammesgesellschaft war es sicherlich auch nicht.
Ich wollte auch nicht behaupten, dass der Vietcong aus Stammeskriegern rekrutiert wurde. Nur dass er einen sehr viel niedrigeren Organisationsgrad aufwies als seine Gegner und dass die Kämpfer nicht allein von politischen Kadern oder Politkommissaren aus Moskau in den Krieg gezwungen wurden. Es gab eine hohe innere Mobilisierung. Höher als im Süden des Landes und hoch genug, um eine Weltmacht zu besiegen.

@Maelonn
...
du verzeihst den humorigen Ton gewiß, weil du ihn ja selber glänzend einzusetzen verstehst) :)
Wenn ich mich in diesem Ton äußere, ist das in Ordnung. Bei anderen kann ich es nicht ausstehen. :devil: (Scherz!)

Noch ein paar letzte Worte zum Thema Adel: Letztlich ist es mir egal, ob die "angeseheneren" Germanen als Adelige oder als Mainzelmännchen bezeichnet werden. Wie diese Diskussion zeigt, führt die Einstufung der Leute als Adelige jedoch dazu, dass ihnen auch die Machtbefugnisse unterstellt werden, die ein institutionalisierter Adel üblicherweise hat. Das passierte in dieser Diskussion, indem die Meinung geäußert wurde, der Adel hätte die Truppen gegen Germanicus mobilisiert und ohne den Adel wäre die Mobilisierung nicht möglich gewesen: Mobilisierung erfordert einen Adel, die Existenz eines Adels ist hinreichend bewiesen durch die erfolgte Mobilisierung. Genau das halte ich für falsch. Aber egal. Jeder mag sich darüber selbst eine Meinung bilden.

Sehr interessant, weil extrem an homo homini lupus est erinnernd, ist deine Erklärung, dass Gewalt als zentrales Regulativ in Stammesgesellschaften vorherrschte - das kenne ich in so krasser Form eher aus Scheibelreiters "barbarischer Gesellschaft", womit die Merowingerzeit gemeint ist...
Wenn das so verstanden worden ist, dann habe ich das wohl zu drastisch formuliert. Ich meinte im Grunde, dass die Leute damals ein Rechtsempfinden hatten und (z.B. in Volksversammlungen) auch Einvernehmen darüber erzielen konnten, wann gegen Rechte verstoßen worden ist. Zum Beispiel, dass eine Kuh geklaut wurde und der Besitzer Anspruch auf Rückgabe hat. Es gab aber keine "Polizei" (allgemeiner: keine Obrigkeit), die das Recht dann auch durchgesetzt hätte. Dass musste jeder Mensch selbst tun. Notfalls mit Gewalt. Und um das tun zu können, musste er wehrhaft sein. Also bewaffnet und fähig, von den Waffen auch Gebrauch zu machen. Deshalb ist Blutrache ein typisches Merkmal solcher Gesellschaften.

In späterer Zeit war es eine Aufgabe des Adels, Recht zu sprechen und im Zweifel durchzusetzen (jetzt lande ich schon wieder bei dem Thema...!)

Ich wollte nicht sagen, dass Streitfragen generell oder auch nur bevorzugt mit Gewalt geklärt wurden. Schließlich waren die Menschen, die in einer Sippe zusammenlebten, oder die Sippen in einer Siedlungsgemeinschaft in hohem Maße auf einander angewiesen. Es wäre nicht sinnvoll gewesen, sich wegen jedem Kleinkram gegenseitig umzubringen. Deshalb gab es innerhalb der Gemeinschaften, in denen jeder den anderen persönlich kannte, mit Sicherheit Wege, Konflikte unblutig beizulegen.

Aber: Von jedem Individuum wurde eben eine hohe Bereitschaft und die Fähigkeit erwartet, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen. Starke Rollenerwartungen, hoher gesellschaftlicher Druck. Das dürfte insbesondere die Jungmannschaften betroffen haben, die sich erstmal beweisen mussten, um Chancen bei dem Mädels zu haben, um in der Erwachsenenwelt anerkannt zu werden... So ist es kein Wunder, dass gerade die "arbeitslosen Halbstarken" sich gern mal zusammengerottet haben, um zum Plündern nach Gallien zu gehen, oder um sich zum Beispiel den Römern als berittene Söldner anzudienen. Um genug Plünderer zusammenzutrommeln, war ein halbwegs freundschaftlicher Kontakt zu ein paar benachbarten Sub-Stämmen zweckmäßig. Für die eigentliche Plünderung einigte man sich dann zweckmäßigerweise auf einen geeigneten Anführer. Der erwarb durch seine Stellung - im Erfolgsfall! - nicht nur größeren Reichtum, sondern auch hohes Ansehen. Vielleicht genug Ansehen, um bei der nächsten Plünderungsaktion wieder als Anführer in Frage zu kommen. Vielleicht sogar genug, um nach hier diskutierten Maßstäben als Adeliger zu gelten. Schon wieder das elende Wort! Jedenfalls ist es kein Wunder, dass diese Gesellschaften "kriegstüchtig" waren und ohne übermäßig viel Tamtam zum Krieg mobilisiert werden konnten.

Übrigens darf man nicht davon ausgehen, dass die Verhältnisse in allen (Groß-)Stämmen gleich waren. Stämme, die engeren Kontakt zu den Römern oder den Kelten hatten, werden sich bis zu einem gewissen Grad auch deren Gesellschaftsformen angepasst haben - und sei es nur, weil ein kleiner Sub-Stamm allein gar nicht in der Lage war, genug Holz, Honig, Leder etc.pp für das nahegelegene Legionslager zu liefern...

Dass es "höher organisierte" Stämme gab, belegen sogar die römischen Quellen. Wie schon erwähnt, bescheinigt Tacitus zum Beispiel den Chatten, dass sie eine "Kaste" von Berufskriegern hatten. Wie viele dieser Profis es gab, warum der Stamm sie durchzufüttern bereit war und nach welchen Regeln das Füttern passierte, werden wir wohl nie erfahren. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Sugambrer einen Krieg gegen die Chatten geführt haben sollen, der sich um Salzquellen gedreht haben könnte. Das wäre eine mögliche Erklärung.

Die Sugambrer selbst scheinen auch "besser" organisiert gewesen zu sein. Jedenfalls blieben sie zu Caesars Zeiten vom Druck der Sueben unberührt, während ihre südlichen und nördlichen Nachbarn die Flucht ergreifen mussten. Ein Grund hierfür könnte der Rhein als zentraler Verbindungs- und Handelsweg gewesen sein, vielleicht auch Metallvorkommen, vielleicht auch nur die Nachbarschaft zu den linksrheinischen Kelten.

Ich will gar nicht ausschließen, dass aus so einem höheren Organisationsgrad dann auch frühe Formen von "Adel" entstanden sein könnten. Aber davon schreibe ich ab jetzt wirklich nichts mehr...

MfG
 
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