WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Eine interessante Frage: Gab es eine Nation, die gegen die Kriegsgefahr gearbeitet hat, anstand ständig Öl ins Feuer zu gießen.
 
Das ist doch Siegerjustiz, oder nicht?

Kommt darauf an, was das sein soll?

Da nun auch Art. 231 ins Spiel kommt, möchte ich doch noch auf Folgendes eingehen:

Verursachung und Verantwortlichkeit ist Voraussetzung einer völkerrechtlichen Deliktshaftung. Sie sind keine nebeneinander bestehende Merkmale. Wer verantwortlich ist, haftet, wer nicht verantwortlich ist, haftet nicht. ...

Die Krux einiger Kommentatoren ist hier, dass man zwei Arten der Verantwortlichkeit konstruieren will, eine rechtliche und eine andere. Letztere ist nicht definiert, jeder kann reinpacken was er will.
...Eine Ächtung des Angriffskrieg gibt es erst seit dem Braind-Kellog-Pakt von 1928. ...
Wer rechtlich argumentiert, kommt m.E. zu einem eindeutigen Ergebnis. Wer außerrechtlich argumentiert (ein Novum des 1.Weltkriegs), kommt zu dem Ergebnis, dass er gerne hätte.

Die Ansicht ist - rechtlich und/oder loralisch - selbst bei den Westalliierten spätestens Mitte der 20er überholt, und greift den altbekannten deutschen Irrtum zur Verknüpfung von Kriegsschuldfrage und Reparation bzw. dessen politische Instrumentalisierung 1919-1932 auf.

Art. 231 formuliert nämlich gerade keine "Delikthaftung". Deutlich wird das schon daran, dass "aggresion" und nicht "guerre d' aggression" verwendet wird. Art. 231 nimmt auch nicht auf ein völkerrechtswidriges Verhalten Bezug; dass ist lediglich die (falsche) Wahrnehmung der empörten deutschen Diplomation, dabei bei mit schlechtem vorangehenden Beispiel, nämlich mit dem Seitenschlag auf den deutsch diktierten Zusatzvertrag Brest-Litowsk und dort Art. 14 ("völkerrechtswidrige Gewaltakte" + Delikthaftung).

Ein weiterer Hinweis zum Fehlschluß Art.231 + Delikthaftung: Es gibt eine Ausnahme, die im VV gesondert als Delikthaftung geregelt ist: der Angriff auf Belgien (Art. 232 Abs. 3 aufgrund der Verletzung des Neutralitätsvertrages, auch von Bethmann-Hollweg bei Kriegsausbruch faktisch schon anerkannt).

Die Verbindung des Angriffs (der "Verantwortung") und der dadurch verursachten Schäden nit der Verpflichtung zu Reparationsleistungen, um den von @admiral behaupteten Zusammenhang aufzugreifen wurde wedere direkt nach dem Ersten Weltkrieg noch zu einem späteren Zeitpunkt als Ausdruck einer bereits vor dem Ausbruch (außer von der deutschen Politik) des Weltkrieges bestehenden völkerrechtlichen Aggressorhaftung im Sinne einer Haftung für den Verstoß gegen ein absolutes "Angriffskriegsverbot" (das auch nicht bestand) gesehen.


Damit handelt es sich auch nicht hinsichtlich der Reparationen und der Verbindung zu Art. 231 VV um "Siegerjustiz"; allenfalls läßt sich die Höhe der Forderungen kritisieren, das hat aber nichts mit der Verantwortung zu tun. Insbesondere die völkerstrafrechtliche Komponente fehlt, die "aggression" ist von den Siegermächten ausschließlich im technischen Sinn verstanden worden (Ausdehung der Reparation über die Haftung für "force" und "invasion" hinaus, um damit zB die Schäden des U-Boot-Krieges zu erfassen).

Was sollen das für "Kommentatoren" gewesen sein?
Dazu der australische PM Hughes am 14.2.1919:
"A belligerent is entitled to demand from a defeated enemy compensation, ... independently of the question whether the war ... was in violation of international law" - das wird billigerweise wohl von jedem Land der Welt 1914 unterschrieben worden sein.
Ansonsten bitte ich um Hinweise, wer das vor Kriegsausbruch bzgl. "Delikthaftung" anders gesehen haben soll.



Ausführlich dazu zB: Wolfgang Eichhorn, Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung, rechtliche und praktische Probleme unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands (1918-1990).


Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass es auch durchaus vor dem Ersten Weltkrieg Ansätze und Hinweise gab, die Delikthaftung aus dem Angriffskrieg zu formulieren können; das ist aber obsolet, weil praktisch nicht erfolgt.
 
Teil VIII des Versailler Vertrag ist mit Wiedergutmachung überschrieben. Art. 231 regelt, dass "Deutschland..als Urheber für alle ...Schäden verantwortlich" ist, die die Allierten durch den Krieg erlitten haben. Auch wenn nur die englische und französische Fassung verbindlich sind, ist der Wortlaut eindeutig.

Im Recht gibt es zwei Möglichkeiten Verbindlichkeiten zu begründen, Vertrag oder Delikt. Vertrag liegt sicherlich nicht vor (der Versailler Vertrag manifestiert nur eine Verbindlchkeit, die vorher entstanden sein muss. Delikt ist es auch nicht, da nach damaliger Rechtsauffassung nichts unerlaubtes getan wurde, #162. In #182 - dort wird eigentlich eine gegenteilige Auffassung vertreten - wird seltsamerweise auch gesagt,dass Delikt nicht vorliegt. Das überrascht und dürfte kaum die Auffassung der französischen Regierung gewesen sein. Denn wenn kein Delikt vorliegt, was begründet dann die Verantwortung?

Das Problem sind nicht die Reparationen (wohl aber deren Höhe), sondern die Begründung der Verantwortung (deswegen passt auch das Zitat von Hughes nicht wie auch die anderen Ausführungen zum Deliktsrecht vor dem 1. Weltkrieg). Die Begründung der Verantwortung, die Kriegsschuld, war glatter Rechtsbruch (mit üblen Folgen).
 
#182 Mit Kommentatorn bezeichne ich die Teilnehmer an dem Forum, die Kommentare zu einem bestimmten Thema abgeben.
 
Teil VIII des Versailler Vertrag ist mit Wiedergutmachung überschrieben.

Vielleicht war #182 etwas schwer verständlich, daher folgendes Zitat:
"Seit dem Altertum hat es [als Kriegsfolge] bereits Entschädigungen in Form von Tributleistungen gegeben, ohne dass es einer rechtlichen Begründung bedurfte. Die finanziellen und wirtschaftlichen Lasten des Krieges wurden den Besiegten einseitig vom Sieger auferlegt. Diese Praxis war über Jahrhunderte hinweg verbreitet, wenn auch mit unterschiedlichen Bezeichnungen ...(indemnité, indemnisation)."
Eichhorn, Einleitung, S. 13 (erster Absatz).

Gegeben ist also völkerrechtliches Gewohnheitsrecht (auch deutscherseits angewandt, siehe Brest-Litowsk, im übrigen siehe Hughes) ohne deliktische Verknüpfung, wo also liegt das Problem?


Art. 231 regelt, dass "Deutschland..als Urheber für alle ...Schäden verantwortlich" ist, die die Allierten durch den Krieg erlitten haben. Auch wenn nur die englische und französische Fassung verbindlich sind, ist der Wortlaut eindeutig.
Was soll das nun das zur völkerrechtlichen Delikthaftung aussagen?
Art. 231 stützt sich nicht auf völkerrechtswidriges Verhalten, gerade nicht auf den nicht sanktionierten guerre d' aggression; (anders als die jüngere deutsche Verhaltensweise: s.o.)

Im Recht gibt es zwei Möglichkeiten Verbindlichkeiten zu begründen, Vertrag oder Delikt. Vertrag liegt sicherlich nicht vor (der Versailler Vertrag manifestiert nur eine Verbindlchkeit, die vorher entstanden sein muss.
Hier soll wohl an die - schon fragwürdige Analogie von Völkerrecht und Zivilrecht (für deutsche Terminologie: besser dann Anspruch oder Schuld) - angeknüpft werden, aber Du beantwortest Deine Frage selbst anhand des völkerrechtlich bindenden Vertrages.



Das überrascht und dürfte kaum die Auffassung der französischen Regierung gewesen sein. Denn wenn kein Delikt vorliegt, was begründet dann die Verantwortung?
Wieso überrascht? Mag sein, dass es sich zunächst bezüglich der frz. Regierung anders verhielt, aber im Verlauf der Verhandlungen über die Reparationshöhe (nicht im VV geregelt) spätestens Mitte der 20er nicht mehr:
Burnett, Reparation at the Paris Conference, Band 1, S. 145ff.

Hast Du andere Hinweise?



Die Begründung der Verantwortung, die Kriegsschuld, war glatter Rechtsbruch (mit üblen Folgen).
Das verstehe ich nicht ganz: "Begründung der Verantwortung".
Ist statt Verantwortung die Verpflichtung/Schuld gemeint?

Wo sollte die Begründung in der (völkerrechtlich-) deliktischen (!) Haftung angelegt sein?

Wenn aber Verpflichtung gemeint ist, ist der Schluss ("glatter Rechtsbruch") in Ansehung der Rechtshistorie falsch. Siehe oben.


P.S.
Die "Kommentatoren" hatte ich doch nun tatsächlich und ernsthaft als zeitgenössische kommentierende Autoren des (Kriegs-)Völkerrechts verstanden, nicht etwa als Forianer. :D

Es ist sicher empfehlenswert, etwas neuere Untersuchungen zum Thema zu lesen als die Werke des deutschen Untersuchungsausschusses in den 20ern.
siehe hierzu und zu deren Hintergrund insbesondere: Heinemann, Ulrich: Die verdrängte Niederlage, Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Band 59.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ging nur darum, sich selbst zu entschädigen und das Deutsche Reich so zu schwächen, das es erst einmal auf längere Sicht als militärischer Bedrohungsfaktor ausfiel.
Ich glaube, Deutschland sollte vor allem als mächtiger Wirtschaftsfaktor wegfallen. Die größte Reederei z.B., HAPAG, war eine deutsche. Nach dem Versailler Vertrag musste die HAPAG alle Schiffe über 1600 BRT an die Siegermächte ausliefern. Da frage ich mich, was hat ein ziviles Unternehmen in einem solchen Vertrag zu suchen. Das war nicht nur Siegerjustiz, sondern am Ende auch schnöder Raub.
 
Ich glaube, Deutschland sollte vor allem als mächtiger Wirtschaftsfaktor wegfallen. Die größte Reederei z.B., HAPAG, war eine deutsche. Nach dem Versailler Vertrag musste die HAPAG alle Schiffe über 1600 BRT an die Siegermächte ausliefern. Da frage ich mich, was hat ein ziviles Unternehmen in einem solchen Vertrag zu suchen. Das war nicht nur Siegerjustiz, sondern am Ende auch schnöder Raub.

Ja, Deutschland sollte über die militärische Kompononente hinaus natürlich auch als lästiger wirtschaftlicher Konkurrent geschädigt werden.

Kannst die ja hier einmal "nur" schon die Bedinungen für den Waffenstillstand durchlesen:


Waffenstillstandsbedingungen der Alliierten
Compiègne, 11. November 1918

A. An der Westfront

I. Einstellung der Feindseligkeiten zu Land und in der Luft, 6 Stunden nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes.

II. Sofortige Räumung der besetzten Gebiete: Belgien, Frankreich, Luxemburg sowie von Elsaß-Lothringen. Sie ist so zu regeln, daß sie in einem Zeitraum von 15 Tagen nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes durchgeführt ist. Die deutschen Truppen, welche die vorgesehenen Gebiete in dem festgesetzten Zeitraum nicht geräumt haben, werden zu Kriegsgefangenen gemacht.
Die gesamte Besetzung dieser Gebiete durch die Truppen der Alliierten und der Vereinigten Staaten wird in diesen Ländern dem Gang der Räumung folgen. [...]

III. Alle Einwohner der oben aufgezählten Länder (einschließlich der Geiseln, der in Anklagezustand Befindlichen oder Verurteilten) werden in ihre Heimat zurückgeführt. Diese Rückführung beginnt sofort und muß in einem Zeitraum von 15 Tagen beendet sein.

IV. Die deutschen Heere überlassen in gutem Zustand folgendes Kriegsmaterial: 5000 Kanonen (davon 2500 schwere und 2500 Feldgeschütze), 25000 Maschinengewehre, 3000 Minenwerfer, 1 700 Jagd- und Bornbenabwurfflugzeuge, in erster Linie alle Apparate D 7 und alle für nächtlichen Bombenabwurf bestimmten Flugzeuge. [...]

V. Räumung der linksrheinischen Gebiete durch die deutschen Armeen. Die Gebiete auf dem linken Rheinufer werden durch die örtlichen Behörden unter Aufsicht der Besatzungstruppen der Alliierten und der Vereinigten Staaten verwaltet. Die Truppen der Alliierten und der Vereinigten Staaten werden die Besetzung dieser Gebiete durch Garnisonen bewirken, die die wichtigsten Rheinübergänge (Mainz, Koblenz, Köln) inbegriffen je einen Brückenkopf von 30 km Durchmesser auf dem rechten Ufer beherrschen und außerdem die strategischen Punkte des Gebietes besetzen. Auf dem rechten Rheinufer wird eine neutrale Zone geschaffen. Sie verläuft zwischen dem Fluß und einer Linie, die parallel den Brückenköpfen und dem Fluß gezogen wird, in einer Breite von 10 km von der holländischen bis zur Schweizer Grenze. Die Räumung der rheinischen Gebiete auf dem linken und rechten Ufer wird so geregelt, daß sie in einem Zeitraum von weiteren 16 Tagen durchgeführt ist, also im ganzen in 31 Tagen nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes […]

VI. In allen geräumten Gebieten ist die Fortführung von Einwohnern untersagt; dem Eigentum der Einwohner darf kein Schaden oder Nachteil zugefügt werden. Niemand wird wegen der Teilnahme an Kriegsmaßnahmen, die der Unterzeichnung des Waffenstillstandes vorausgegangen sind, verfolgt werden.
Keinerlei Zerstörungen irgendwelchen Art dürfen ausgeführt werden. Militärische Einrichtungen jeder Art werden in unversehrtem Zustande ausgeliefert, ebenso alle militärischen Vorräte, Lebensmittel, Munition, Ausrüstungsstücke, die nicht in dem für die Räumung festgesetzten Zeitraum mitgeführt werden konnten.
Die Depots von Lebensmitteln jeder Art für die Zivilbevölkerung, Vieh usw. müssen an Ort und Stelle belassen werden.
Es dürfen keine allgemeinen oder staatlichen Maßnahmen ergriffen werden, die eine Entwertung der industriellen Anlagen oder eine Verringerung ihres Personals zur Folge hätten.

VII. Die Verkehrsstraßen und -mittel jeder Art, Eisenbahnen, Schiffahrtsstraßen, Landstraßen, Brücken, telegraphische und telephonische Anlagen dürfen nicht beschädigt werden. Das gesamte dort gegenwärtig verwendete Zivil- und Militärpersonal verbleibt im Dienst.
Den assoziierten Mächten sind auszuliefern: 5 000 gebrauchsfertige Lokomotiven und 150000 Eisenbahnwagen in gutem Zustand sowie mit allen Ersatzteilen und dem nötigen Gebrauchsgerät ausgestattet. […]

IX. Das Recht der Requisition wird von den Armeen der Alliierten und der Vereinigten Staaten in allen besetzten Gebieten ausgeübt, unter Vorbehalt der Abrechnung mit den zuständigen Stellen.
Der Unterhalt der Besatzungstruppen der rheinischen Gebiete (Elsaß-Lothringen ausgenommen) erfolgt auf Kosten der deutschen Regierung.
B. Bestimmungen, betreffend die deutschen Ostgrenzen
XII. Alle deutschen Truppen, welche sich augenblicklich auf den vor dem Kriege zu Österreich-Ungarn, Rumänien, der Türkei gehörigen Gebieten befinden, müssen unverzüglich hinter die deutschen Grenzen, wie sie am 1. August 1914 waren, zurückgehen. Alle deutschen Truppen, welche sich augenblicklich auf den vor dem Kriege zu Rußland gehörigen Gebieten befinden, müssen ebenfalls hinter die wie oben angegebenen deutschen Grenzen zurückgehen, sobald die Alliierten, unter Berücksichtigung der inneren Lage dieser Gebiete, den Augenblick für gekommen erachten.

XV. Verzicht auf die Friedensverträge von Bukarest und Brest-Litowsk und ihre Zusatzverträge.

XVI. Die Alliierten sollen freien Zugang zu den von den Deutschen an ihren Ostgrenzen geräumten Gebieten haben, sowohl über Danzig als auch über die Weichsel, um die Bevölkerungen dieser Gebiete verpflegen zu können und zum Zweck der Aufrechterhaltung der Ordnung.

C. In Ostafrika
XVII. Abzug aller deutschen in Ostafrika kämpfenden Truppen innerhalb einer durch die Alliierten festgesetzten Frist.

D. Allgemeine Bestimmungen
XIX. Jeder nachträgliche Verzicht und jede nachträgliche Forderung seitens der Alliierten und der Vereinigten Staaten wird vorbehalten.
Schadenersatz: Während der Dauer des Waffenstillstandes darf der Feind kein(- öffentlichen Werte beseitigen, welche den Alliierten als Sicherheit für die Deckung der Kriegsschäden dienen könnten.
Sofortige Zurückerstattung des Kassenbestandes der Banque Nationale de Belgique und im allgemeinen sofortige Zurückerstattung sämtlicher Dokumente, Bargeld und Wertpapiere, die öffentliche und private Interessen in den besetzten Gebieten berühren.
Rückerstattung des russischen oder rumänischen Goldes, welches von den Deutschen beschlagnahmt oder ihnen ausgeliefert worden ist. Dieses Gold wird von den Alliierten bis zur Unterzeichnung des Friedens in Verwahrung genommen werden.

E. Bestimmungen hinsichtlich der Seemacht

XX. Sofortige Einstellung jeder Feindseligkeit zur See und genaue Angabe, wo sich deutsche Fahrzeuge befinden, und ihrer Bewegungen [...]

XXII. Den Alliierten und den Vereinigten Staaten sind alle zur Zeit vorhandenen Unterseeboote [...] mit ihrer vollständigen Bewaffnung und Ausrüstung in den von den Alliierten und den Vereinigten Staaten bezeichneten Häfen auszuliefern. Diejenigen, weiche nicht auslaufen können, werden, was Personal und Material anbetrifft, abgerüstet und verbleiben unter der Bewachung der Alliierten und der Vereinigten Staaten [...]

XIII. Die Kriegsschiffe der deutschen Hochseeflotte, welche die Alliierten und die Vereinigten Staaten bezeichnen, werden sofort abgerüstet und alsdann in neutralen Häfen oder in deren Ermangelung in Häfen der alliierten Mächte interniert [...]

XXVI. Die Blockade der alliierten und assoziierten Mächte bleibt im gegenwärtigen Umfange bestehen. Deutsche Handelsschiffe, die auf hoher See gefunden werden, unterliegen der Wegnahme.
Die Alliierten und die Vereinigten Staaten nehmen in Aussicht, während der Dauer des Waffenstillstands Deutschland in dem als notwendig anerkannten Maße mit Lebensmitteln zu versorgen.

XXIX. Deutschland räumt sämtliche Häfen des Schwarzen Meeres und liefert den Alliierten und den Vereinigten Staaten sämtliche von den Deutschen im Schwarzen Meere beschlagnahmten russischen Kriegsschiffe aus [...]

F. Dauer des Waffenstillstandes

XXXIV. Die Dauer des Waffenstillstandes wird mit der Möglichkeit der Verlängerung auf 36 Tage festgesetzt.
Während dieser Dauer kann der Waffenstillstand, wenn seine Bestimmungen nicht ausgeführt worden sind, von einer der vertragschließenden Parteien gekündigt werden. Diese muß von der bevorstehenden Kündigung 48 Stunden vorher Kenntnis geben.
Es gilt als ausgemacht, daß die Ausführung der Artikel III und XVIII zur Kündigung des Waffenstillstandes wegen unzulänglicher Ausführung in den bestimmten Fristen nur für den Fall böswilligen Verhaltens bei der Ausführung Anlaß gibt.
Um die bestmögliche Ausführung des vorliegenden Abkommens zu sichern, wird die Einsetzung einer Ständigen Internationalen Waffenstillstandskommission grundsätzlich angenommen. Diese Kommission wird unter oberster Leitung des Oberkommandos der Alliierten zu Wasser und zu Lande ihre Tätigkeit ausüben.
Der vorliegende Waffenstillstand ist unterzeichnet worden am 11. November 1918 um 5 Uhr - französische Zeit.

Quelle: Dokument: Vertrag: Waffenstillstandsbedingungen der Alliierten, 1918
 
Reparationen sind zulässig, darauf habe ich ausdrücklich hingewiesen, # 183. Das Problem ist die Verknüpfung mit der Schuld, und die ist nach dem Wortlaut des Vertrages nun mal gemacht worden.

In der Tat versuchte Frankreich damit seine Stellung in Europa über Jahrzehnte zu verbessern, indem es (a) Deutschland finanziell ausblutete und (b) sich selbst bereicherte (die Reparationen waren zum Großteil keine "Reparaturen" von Kriegsschäden). Um das durchzusetzen hat man zum Kunstgriff der "Schuld" gegriffen.
 
Vom 20. bis zum 23. Juli 1914 hält sich der französische Präsident Raymond Poincare zu einem länger geplanten Besuch in St. Petersburg auf. Es finden Militärparaden statt usw. Der Generalissimus der russischen Armee, Großfürst Nikolaj Nikolajewitsch, der die französischen Gäste geladen hat, lässt die Tafel mit Disteln, der Blume des seit dem Krieg 1870/71 durch Deutschland annektierten Lothringens, schmücken. Auf dem Tisch stehen außerdem Schalen mit Erde aus Lothringen. Während des Tischgesprächs meinte die Frau des Großfürsten, eine montenegrische Prinzessin, zum französischen Botschafter, der Krieg werde vor Ablauf dreier Wochen ausbrechen und von Österreich wird nichts mehr übrigbleiben. Frankreich werde sich Elsaß und Lothringen zurücknehmen und beide Armeen, die russische und französische, werden sich in Berlin vereinigen. Deutschland wird vernichtet werden.

Ich finde erstaunlich, wie genau man Bescheid wusste, und das nicht in Berlin.
Russland kam diese Kriese ganz gelegen. Der Feind, Deutschland, war lokalisiert und hatte kaum nennenswerte Verbündete. Russland dagegen hatte Frankreich, da schien der Sieg so gut wie sicher. Bei einem schnellen Sieg hätte sich Russland so einige Probleme vom Halse geschafft und die Bevölkerung wäre auch ersteinmal beruhigt. Na ja, letzteres vielleicht nicht ganz so sicher, denn da war schon einiges am Brodeln. Ich denke aber, wenn einer den Krieg wollte, dann Russland, auch wenn es aus der totalen Fehleinschätzung der eigenen Kräfte heraus geschah. Man wird dabei sicher seine Haupthoffnungen auf Frankreich gerichtet haben.
Wenn einer Schuld hatte, dann Nikolai und nicht Wilhelm. Die Rechnung hat der Zar dann letztendlich auch bezahlen müssen und das im Keller eines Wohnhauses in Jekaterinburg.
 
Wenn einer Schuld hatte, dann Nikolai und nicht Wilhelm

Ist diese deine Aussage so zu verstehen, das du die Auffassung bist, das der Zar Nikolaus die Schuld am Ersten Weltkrieg hat und Wilhelm dafür keine Verantwortung trägt?
 
Unten sind Telegramme vom Zaren Nikolaus an Wilhelm, aus denen hervorgeht, das Nikolaus eigentlich nicht so unbedingt den Krieg gewollt hat.

Nikolaus am 29.Juli 1914 an Wilhem II.

Ich bin froh, dass du zurück bist. In diesem ernsten Augenblick wende ich mich an Dich um Hilfe. Ein unwürdiger Krieg ist erklärt worden. Die Entrüstung in Russland, die ich teile, ist ungeheuer. Ich sehe voraus, dass ich sehr bald dem auf mich ausgeübten Druck erliegen und gezwungen sein werden, äusserste Massnahmen zu ergreifen, die zum Krieg führen werden. Um ein solches Unheil wie einen europäischen Krieg zu verhüten, bitte ich dich in Namen unserer alten Freundschaft, alles Dir Mögliche zu tun, um Deinen Bundesgenossen davon zurückzunehmen, zu weit zu gehen. (1)

Ein weiteres Telegram ebenfalls aber später am 29.Juli von Nikolaus an Wilhelm. Es folgte die wichtige Passage:

[....] Es würde sich empfehlen, das österreichisch-serbische Problem der Haager Konferenz vorzulegen. Vertraue auf Deine Weisheit und Freundschaft. (2)

Und noch ein Telegramm vom 30.Juli 1914 von Nikolaus an Wilhelm

Danke Dir herzlich für Deine schnelle Antwort. Sende heute abend Tatischtschew mit Instruktionen. Die militärischen Massnahmen, die jetzt in Kraft getreten sind, wurden vor 5 Tagen zum Zwecke der Verteidigung wegen der Vorbereitungen Österreichs getroffen. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass diese Massnahmen in keiner Weise Dein Amt als Vermittler stören werden, das ich hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken Druck auf Österreich, damit dieses zu einer Verständigung mit uns kommt. (3)


(1) Juli 1914. Die europäische Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, S. 258, München 1965

(2) Juli 1914. Die europäische Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, S. 288, München 1965

(3) Juli 1914. Die europäische Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, S. 292, München 1965
 
Von Reichskanzler Bethmann ist folgende Äußerng aus dem Jahre 1917 überliefert. Diese Ausführungen hat Bethmann gegenüber dem Reichstagsabgeordneten Haußmann gemacht.


"Ja, Gott, in gewissen Sinne war es ein Präventivkrieg. Aber wenn der Krieg doch über uns hing, wenn er in zwei Jahren noch viel gefährlicher und unentrinnbarer gekommen wäre und wenn die Militärs sagen, jetzt ist es noch möglich, ohne zu unterliegen, in zwei Jahren nicht mehr! Ja, die Militärs! Er war doch nur zu vermeiden durch die Verständigung mit England, dasist noch heute meine Meinung."(1)

Diese Aussage ist eindeutig und unmissverständlich.

(1) Wolfgang Steglich, Die Friedenspolitik der Mittelmächte 1917/18, Bd.1 S.418, Wiesbaden 1964
 
Ist diese deine Aussage so zu verstehen, das du die Auffassung bist, das der Zar Nikolaus die Schuld am Ersten Weltkrieg hat und Wilhelm dafür keine Verantwortung trägt?
In erster Linie war meine Aussage provokativ. Also, den Zaren wollte ich nicht direkt als Kriegstreiber klassieren. Es gab aber Leute in seiner Umgebung, die wollten unbedingt den Krieg, wie der Großfürst Nikolaj Nikolajewitsch. Der Zar kümmerte sich lieber um seine Familie und ließ die anderen machen. Die Leute, die in dieser Kriese keine Entspannung wollten, saßen in St. Petersburg. Man wollte einen Befreiungsschlag, einen Erfolg, um von dem Karren, der in Russland sehr tief im Dreck steckte, abzulenken. Man wollte propagandistisch den bedrängten Slawen auf dem Balkan helfen und die vordringenden Germanen in ihre Schranken weisen, ganz im Sinne Alexander Newskis. Das sollte nationale Gefühle hochspülen. Funktionierte auch am Anfang. Die Russlanddeutschen bekamen es zu spüren. Es nützte ihnen auch nichts, dass sie sich zu Russland bekannten. Ihnen blieb der Makel der fünften Kollone. Ihre Geschäfte wurden demoliert und die Leute verprügelt.
Die Schuld am Krieg, denke ich, liegt bei all denen, die ihn hätten verhindern können. Allerdings, die Uhr war bis zum Anschlag aufgezogen. Da kamen Automatismen zum wirken, dass man sich mit aller Macht hätte dagegen stämmen müssen. Das hat niemand getan. Alles nur Lippenbekenntnisse. Selbst die Linke in Deutschland hatte keine klare Front gegen den Krieg (von einigen Stimmen abgesehen).
Das niemand wirklich gegen den Krieg arbeitete, lag wohl in der Annahme, dass jeder einen Verteidigungskrieg führe. Niemand sah sich als Agressor.
In dieser allgemeinen Schuld oder Schuldlosigkeit, waren aber die Russen die entschlossendsten. Immerhin, Paul Grun, ein deutscher war der erste Gefallene des Krieges, erschossen von einem Russen.
 
(...)Wenn einer Schuld hatte, dann Nikolai und nicht Wilhelm.(...)

Diese Aussage ist nicht richtig.

Die Militärs aus dem Hintergrund haben in der Julikrise 1914 die Staatsoberhäupter, vor allem in Deutschland und Russland dazu gebracht, die jeweiligen Stellen der Armee zu mobilisieren. Dies wurde zumeist erreicht, indem falsche Meldungen verbreitet wurden, oder auch einfach nur Informationen vorenthalten wurden. Die Konsequenz daraus war, das die nun in gang gesetzten Mobilisierungspläne nicht mehr angehalten werden konnten.
Letztlich war der "Große Funke" das serbisch-österreichische Problem, daß angeblich nicht mehr auf diplomatischen Weg zu lösen war. Die Vernetzung der einzelnen Staaten mit ihren Bündnissen war nach der Entfachung des "Brandes" nur noch der "Brandbeschleuniger"...

Schuld haben all die jenigen, die sich am Krieg beteiligten, denn "Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin!"...
 
Die Militärs aus dem Hintergrund haben in der Julikrise 1914 die Staatsoberhäupter, vor allem in Deutschland und Russland dazu gebracht, die jeweiligen Stellen der Armee zu mobilisieren. Dies wurde zumeist erreicht, indem falsche Meldungen verbreitet wurden, oder auch einfach nur Informationen vorenthalten wurden. Die Konsequenz daraus war, das die nun in gang gesetzten Mobilisierungspläne nicht mehr angehalten werden konnten.
Das ist wohl richtig. Im Grunde waren die Monarchen auch zu "schwach" oder unwillig, wirklich Politik zu betreiben. Ein bequemes Leben macht faul und da überlässt man gerne den anderen das Denken. Wilhelm mischte sich zwar gerne hin und wieder mal ein, was aber bekanntlich alles andere als wirklich produktiv war.

Schuld haben all die jenigen, die sich am Krieg beteiligten, denn "Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin!"...
Na ja, wenn's denn so einfach wäre.
In der U-Bahn kommt es zur Schlägerei und alle schauen weg. Nicht wirklich eine Lösung. Mitmachen... auch nicht. Reden... bekommt man auch eins auf die Schnauze...
 
Na ja, wenn's denn so einfach wäre.
In der U-Bahn kommt es zur Schlägerei und alle schauen weg. Nicht wirklich eine Lösung. Mitmachen... auch nicht. Reden... bekommt man auch eins auf die Schnauze...

Gutes Beispiel, aber wenn Du in der U-Bahn bist und andere Leute sollen für dich eine Prügellei führen, siehst du ganz schön "blöd" aus, wenn deine Leute es nicht tun, denn dann gibt es keine Prügellei.....

So der übertragene Sinn....
 
Gutes Beispiel, aber wenn Du in der U-Bahn bist und andere Leute sollen für dich eine Prügellei führen, siehst du ganz schön "blöd" aus, wenn deine Leute es nicht tun, denn dann gibt es keine Prügellei.....

So der übertragene Sinn....

Es wird ja keiner gezwungen, außer von der sich bei einer Prügelei dynamisch entwickelnden Situation. Da fliegen Fäuste, erst zwei, dann ein paar Zähne, dann drei...
Aber so ist es, wenn alle gerecht und maßvoll wären, dann gäbe es kein Elend auf der Welt. Der Mensch ist aber auch nur ein Tier und wird immer wieder von den Mechanismen in seinem Kleinhirn gelenkt. Sattfressen bevor es scheinbar nichts mehr gibt, ist da wohl am meisten verbreitet.
 
Ich auch

[...] Aber wenn der Krieg doch über uns hing, wenn er in zwei Jahren noch viel gefährlicher und unentrinnbarer gekommen wäre [...]
Das kling ganz danach, dass man 1914 wirklich keine andere Wahl mehr sah, als in dem kommenden - unvermeidlichen - Krieg den ersten Schlag zu führen, weil man sonst überhaupt keine Chance mehr gehabt hätte. (Was vom strategischen und rüstungstechnischen Standpunkt, auch rückblickend, unzweifelhaft richtig ist)
Das ist von der militärischen Logik her völlig legitim und wurde auch schon von anderen Staaten praktiziert, denen man diesbezüglich keine Vorwürfe macht.

[...] Er war doch nur zu vermeiden durch die Verständigung mit England, dasist noch heute meine Meinung.[...]
Und genau das hatte halt nicht geklappt. Zu einer Nichteinigung gehören allerdings dann doch auch immer zwei. Auf die lange Tradition Englands, bis zum letzten Verbündeten zu kämpfen und selbst dann fein raus zu sein, wurde ja schon hingewiesen. Ich bin weiterhin der Ansicht, dass das britische Angebot kein wirkliches Zuckerle war.

Unten sind Telegramme vom Zaren Nikolaus an Wilhelm, aus denen hervorgeht, das Nikolaus eigentlich nicht so unbedingt den Krieg gewollt hat.
Wenn ich nur nach dem Telegrammen gehe, die unmittelbar vor Kriegsausbruch zwischen Nikolaus und Wilhelm hin und hergingen, dann komme ich allerdings zu dem Schluss, dass auch Wilhelm "nicht so unbedingt den Krieg gewollt hat".
Inwieweit das auf beiden Seiten bloßes Kalkül gewesen sein mag, um den jeweils anderen in Sicherheit zu wiegen, sei dahingestellt. Das gölte dann aber für beide Seiten.
Wenn wir die Äußerungen von Politikern für bare Münze nehmen, dann
Walter Ulbricht, 15. Juni 1961:
[...] Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten
muss die Berliner Mauer wohl heimlich von der CIA gebaut worden sein.

@ Rurik

Gibt es für die von Dir beschriebene Szene beim Empfang des französischen Präsidenten Beweise, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat?
Falls dem so ist, könnte man das im Rahmen dieser Diskussion nicht einfach geflissentlich ignorieren.
 
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