WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Was man, wie bereits angeführt auch durch weitgehende Autonomie und Föderalismus hätte umsetzen können und die Auflösung der Donaumonarchie nicht zwangslöufig voraussetzte.

Daran, dass Wilson 1914 weder die Londonder, noch die Pariser, noch die St. Petersburger Politik diktierte, werde ich nicht erinnern müssen?

Du weißt schon, das Wilson während der Waffenstillstandsverhandlungen mit seinen Alliierten in Kontakt stand? Er wird seine Äußerungen entsprechend abgestimmt haben.
 
Die Frage, warum sich die britische Regierung entschloss sich auf den Boden der Garantieverpflichtung schlussendlich nachzukommen und sich auf diesen Boden zu stellen, ist für das Vorhandensein dieser Verpflichtung völlig belanglos.

Findest du? Es zeigt ein wenig die Moral der Garantiemacht England. Es ging um Frankreich.

Bethmann wollte damit aus dem Zwei-Fronten-Krieg einen Krieg nur an einer Front machen, davon spreche ich nicht.

Natürlich. Er wollte den Krieg soweit es irgend möglich war begrenzen.

talien unterlag gemäß dem Dreibundvertrag den gleichen dort festglegten Beistandsverpflichtungen, wie die anderen beiden Vertragspartner, das wirst du nicht abstreiten wollen?
Und offensichtlich sah sich Rom in Interpretation des Deibundvertrags nicht gezwungen Wien bei einem Vorgehen gegen Serbien beizustehen.
Bedeutet, Entweder war Berlin dazu ebenfalls vertraglich nicht gezwungen oder aber es müsste belegt werden, dass die italienische Interpretation des Deribundvertrags hinsichtlich Beistandspflicht (nicht hinsichtlich Kompensationswünschen, das wäre eine andere Frage) ungültig sein müsste.

Möchtest du die formale Plausibilität der italienischen Haltung in der Beistandsfrage in Zweifel ziehen?

Ich habe lediglich ausgeführt, das Italien nicht zu den Mittelmächten gehört. Rom war Bestandteil des Dreibundes, nicht des Zweibundes.

Nach den Buchstaben des Dreibundes war Italien nicht verpflichtet auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg einzutreten. Tatsächlich ist es auf Seiten des Meistbietenden in den Krieg eingetreten. Auch war es nicht sonderlich freundlich von Rom, vertrauliche Information wie das zu stellende Ultimatum an Belgrad sogleich nach Petersburg weiterzureichen. Das war ja schon fast eine feindliche Handlung. Und der Dreibundvertrag sah keine Kündigung des Vertrages vor, wie es Rom in Mai 1915 getan hatte. Das war aalglatter Vertragsbruch.

Es ist vollkommen absurd zu erwarten, das Wien Rom in so einer bedeutenden Frage konsultiert, wenn der Ballhausplatz vollkommen zu Recht annahm, das von Italien sowieso keine Unterstützung und erst Recht keine Diskretion zu erwarten war. Du bist also der Meinung, Wien sollte sich selbst aktiv Schaden zufügen?
A propro, Italien hatte es doch selbst aktiv vorgelebt und Wien und Berlin vor dem Tripoliskrieg auch nicht konsultiert.
Und wie schon gesagt: Formal führte Italien Krieg gegen seine eignen Bündnispartner, da der Dreibundvertrag keine Kündigungsklausel hatte, sondern lediglich eine bestimmte Laufzeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kurz ein Blick auf Österreich-Ungarn am Vorabend des Weltkrieges. Die Ergebnisse und die Politik Österreich-Ungarns während der Balkankriegen bildeten kein Anlass zur Freude für die Staatsmänner de Ballhausplatzes.

Die Kriege selbst hatten in vielen Branchen einen Rückgang der Exportmöglichkeiten verursacht. So war beispielsweise der Absatz von Eisen um 30% zurückgegangen; die Textilindustrie, die besonders exportorientiert war, musste die Produktion um 40% drosseln. Die Ballankriege hatten den Aufschwung der Konjunktur zunichte gemacht und die Wirtschaft der k.u.k. Monarchien in eine Krise gestürzt, die bis zum Weltkrieg nicht überwunden werden konnte.

Es war nicht gelungen aus der Konkursmasse ehemals osmansichen Territoriums Gewinne zu erzielen, noch hatte man die zu Anfang der Krise postulierten wirtschaftlichen Ziele erreichen können. (1)

Albanien erwies sich als instabil und wirtschaftlich umkämpfter als je zuvor. Und der freie Zugang nach Saloniki und dessen Umwandlung in einen Freihafen brachte ebenfalls enttäuschende Resultate: die Hafenstadt nunmehr in Besitz von Griechenland, hatte durch die Aufteilung Mazedoniens auf die Staaten des Balkanbundes ihr Hinterland verloren. Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Saloniki selbst und in seiner unmittelbaren Umgebung hatte sich deutlich verschlechter. „Auch nach 18monatiger Besetzung hatte die griechische Regierung wenig getan, um Handel und Verkehr wiederherzustellen, sowie die vielen zerstörten Städte und Dörfer wieder aufzubauen. Ein großes Ärgernis stellte auch die Tatsache dar, das Saloniki in die z.T. neuzuschaffende Eisenbahlinie von Athen nach Belgrad und schließlich Wien nicht miteinbezogen werden sollte. Man war der Regierung vor, sie wolle den gesamten Verkehr nach Athen-Piräus richten und Saloniki zugrunde richten.“(2)

In Folge der Umgestaltung der Landkarte des Balkans waren ca. 400.000 Menschen aus Mazuedonien nach Kleinasien vertrieben worden; die traditionell als Abnehmer österreich-ungarischer Produkte galten.

Saloniki hatte in der Vergangenheit für Österreich-Ungarn einige Bedeutung gehabt. Saloniki war eine Handelsstadt, wo die Kaufleute, die importeuer große Lager hatten und die ganze europäische Türkei mit Industrieartikeln versorgten. Als Transitstadt hatte Österreich-Ungarn noch weniger Vorteile von griechischen Saloniki zu erwarten; hier handelt es sich um den Transit aus Serbien und Griechenland und vom Ausland nach Serbien.

Gustav Stolper kommentierte bitter: Unsere wirtschaftliche Vormachtstellung auf dem Balkan haben wir eingebüßt, und von einer Sicherstellung wirtschaftlicher Interessen ….ist bisher…. Überhaupt noch nicht gesprochen worden. Viele Jahre hat man gesagt, daß der Balkan Österreich-Ungarn den Mangel an Kolonialbesitz ersetzen muß. Damit sei es nun endgültig vorbei.(3)

Der Politcus wurde in der Österreichischen Rundschau noch deutlicher,….“wir haben das dumpfe Gefühl, daß das Jahr 1913 uns nahezu ein zweites Königgrätz gebracht hat; damals wurden wir aus dem Deutschen Bund ausgeschlossen, jetzt aus dem Balkan vertrieben.“

(1) Bridge, Österreich-Ungarn unter den Großmächten, S.320

(2) Boekh, Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg, S.225f

(3) Der Volkswirt Nr.32/09.Mai 1914
 
Okay, es kommt nichts mehr.

Ich habe noch einen interessanten Fund gemacht.

Auf einer Kabinettssitzung am 25.Juli 1914 führt der Zar das Folgende aus:

"Es sei notwendig Serbien zu beschützen, auch wenn man dazu die Mobilmachung erklären und Kriegshandlungen beginnen müsse."

Internationale Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus, Reihe 1, Band 5, S.67, Dokument Nr.79
 
Ein Rückzug kam für den Ballhausplatz sicher nicht in Frage. Das wird aus den Dokumenten ganz deutlich.
Nur lagen die internen Wiener Dokumente London zum einen nicht vor und zum anderen, hätte es, wenn sich Berlin geweigert hätte (und auch die internen Absprachen zwischen Berlin und Wien kannte London nicht), Wien zu unterstützen, dann wäre dem Ballhausplatz überhaupt keine andere Wahl geblieben.

Berlin war der Auffassung, das eine österreichische "Strafexpedition" schon aus Prestigegründen für Österreich dringend geboten war.
Ja, natürlich war es das. Es war aber weder durch den Dreibundvertrag verpflichtet daran teilzunehmen oder Österreich-Ungarn im Falle dass das zu Reaktionen führen würde Waffenhilfe zu leisten.
Hier ging Berlin über seine vertraglichen Verpflichtungen deutlich hinaus, weil es meinte, dass das in seinem Interesse lag.
Eine Bündnismechanik, die Berlin dieses Handeln aufgezwungen hätte gab es so wenig wie eine, die St. Petersburg oder Paris dieses Handeln aufgezwungen hätte.
Mir geht es einfach darum, dass die "Mechanik der Bündnissysteme" Mythenbildung ist. Es war eine Mechanik der imperialen Interessen, die weit über alles hinausgingen, was die Bündnisse (sofern sie überhaupt vertraglich fixiert waren) verlangten.

...was nicht wirklich realistisch war. Petersburg bekam immer wieder unaufgefordert entsprechende Zusicherungen von dem französischen Botschafter Paleologue.
Die Frage ist nicht ob das anhand der Dokumente, die wir heute kennen realistisch war, sondern ob man das in London für realistisch halten konnte.
London hatte eben nur in einen Teil der Dokumente und Abreden, die uns heute vorliegen Einblick.

Nicht mit einem Staatspräsidenten namens Poincare. Ausgeschlossen.
Ein Staatspräsident Poincaré konnte die Politik Frankreichs nicht Diktiren und eine massive Meinungsverschiedenheit zwischen Staatspräsident und Regierungschef hätte das Land in eine Führungskrise stürzen können, die es womöglich handlungsunfähig gemacht hätte.
Insofern war für Frankreich nicht nur die Frage von Bedeutung, was Poincaré davon hielt, sondern auch wie weit Regierungschef Viviani zu gehen war und wie sich die an der Regierung beteiligten französischen Sozialisten dazu verhalten würden.
Wäre für letztere die Haltung Poincarés vollkommen unannehmbar gwesen, hätte das zum Rücktritt Vivianis und zum Austritt der Sozialisten aus der Koalitionsregierung führen können. Frankreich wäre dann ohne handlungsfähige Regierung gewesen und kaum in der Lage sich in einen Krieg zu stürzen.
 
Nur lagen die internen Wiener Dokumente London zum einen nicht vor und zum anderen, hätte es, wenn sich Berlin geweigert hätte (und auch die internen Absprachen zwischen Berlin und Wien kannte London nicht), Wien zu unterstützen, dann wäre dem Ballhausplatz überhaupt keine andere Wahl geblieben.

Das ist korrekt. London hätte aber auch ohne Weiteres in Petersburg zur Mäßigung auffordern können; doch das wollte man nicht.

Ja, natürlich war es das. Es war aber weder durch den Dreibundvertrag verpflichtet daran teilzunehmen oder Österreich-Ungarn im Falle dass das zu Reaktionen führen würde Waffenhilfe zu leisten.

Auch das ist korrekt. Die Sicht der deutschen Regierung sah jedoch ganz anders aus. Man sah eben die Großmachtstellung und Prestige Wiens gefährdet und handelte entsprechend. Auch Petersburg war gegenüber Serbien zu nichts verpflichtet und war dafür auch bereit einen Weltkrieg in Kauf zu nehmen. Berlin wollte, das der Konflikt zwischen Wien und Belgrad, also eben lokal, ausgetragen werden sollte. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob für Paris der Bündnisfall tatsächlich gegeben war, da Russland ja selbst militärisch offensiv gegen Wien vorgehen wollte; den Bündnisfall also für Berlin gewissermaßen provoziert hatte, denn Petersburg wußte natürlich um die deutsche Verpflichtung. Und für England war Belgien der Vorwand.


Die Frage ist nicht ob das anhand der Dokumente, die wir heute kennen realistisch war, sondern ob man das in London für realistisch halten konnte.
London hatte eben nur in einen Teil der Dokumente und Abreden, die uns heute vorliegen Einblick.

Dem Foreign Office war vollkommen bewusst, das Paris die Russen nicht sich selbst überlassen würden. Das kam für Paris überhaupt nicht in Frage, denn das hätte wohl den Verlust des Bündnispartners bedeutet.

Ein Staatspräsident Poincaré konnte die Politik Frankreichs nicht Diktiren und eine massive Meinungsverschiedenheit zwischen Staatspräsident und Regierungschef hätte das Land in eine Führungskrise stürzen können, die es womöglich handlungsunfähig gemacht hätte.
Insofern war für Frankreich nicht nur die Frage von Bedeutung, was Poincaré davon hielt, sondern auch wie weit Regierungschef Viviani zu gehen war und wie sich die an der Regierung beteiligten französischen Sozialisten dazu verhalten würden.
Wäre für letztere die Haltung Poincarés vollkommen unannehmbar gwesen, hätte das zum Rücktritt Vivianis und zum Austritt der Sozialisten aus der Koalitionsregierung führen können. Frankreich wäre dann ohne handlungsfähige Regierung gewesen und kaum in der Lage sich in einen Krieg zu stürzen.

Viviani war gewissenmaßen Knetmasse in den Händen Poincares. Er war die viel stärkere Persönlichkeit und pflegte sich gegenüber dem Premier durchzusetzen.
 
Dem Foreign Office war vollkommen bewusst, das Paris die Russen nicht sich selbst überlassen würden. Das kam für Paris überhaupt nicht in Frage, denn das hätte wohl den Verlust des Bündnispartners bedeutet.

Das kam vielleicht für Poincaré nicht in Frage, aber die Rechnung konnte man nicht ohne Viviani und die Sozialisten machen, die darüber ganz anders denken konnten.
Das Poincaré die dominierende Figur der französischen Politik war, als Staatspräsident auch eine stärkere Stellung hatte und sich in der Regel gegen Viviani durchsetzte mag zwar alles stimmen, dennoch hätte Viviani wenn er sich hierzu berufen gefühlt oder ihn seine Partei entscheidend dazu gedrängt hätte, auf die Notbremse treten können.

Letztendlich war Vivianis Koalitionsregierung von den Sozialisten abhängig und das waren bekanntlich ohnehin nicht die enthusiastischsten Freunde des russischen Zarismus.
Hätten sich die Sozialisten dazu entschieden das nicht mit zu machen, hätten sie Viviani ein Ultimatum stellen und versuchen ihn dazu zwingen zu können Poincaré zurück zu pfeifen und aus der Regierung auszutreten, wenn das nicht passierte.

Poincaré stand vielleicht sehr energisch hinter diesem Bündnis, ob Viviani und die Sozialisten Poincarés Kurs aber mittragen oder ihn durchkreuzen würden, war alles andere als sicher, vor allem in dem Moment, in dem sich Kriegsgfahr tatsächlich abzuzeichnen begann.
 
Ein Beispiel:

Am 18.Juli, also während des Staatsbesuchs von Frankreichs Staatspräsidenten und Außenminister, hatte Sasonow erste Hinweise erhalten, das die Monarchie beabsichtige ein Ultimatum an Belgrad zu richten. Russland werde „in keinen Fall einen Anschlag auf die Unabhängigkeit“ (1) Serbiens dulden.

Sasonow wollte seinem Ansinnen entsprechenden Nachdruck verleihen und strebte deshalb in dieser Frage ein gemeinsames Vorgehen mit Frankreich an. Gegenüber Buchanan, englischer Botschafter in Petersburg, kündigt er an, dass er die französische Führung bitten werde, to give a word of warning at Vienna.“ (2)

Dieses Ansinnen fand allerdings beim französischen Außenminister Viviani keine ungeteilte Zustimmung. Sasonow beschloss sich dann an Poincare zu wenden, wie er den englischen Botschafter wissen ließ. (3)

Am Abend des 22.Juli telegrafierte Sasonow an seinen Botschafter Schebeko in Wien, daß er im gemeinschaftlichen Vorgehen mit seinem französischen Kollegen die Habsburgermonarchie auf die gefährlichen Folgen aufmerksam machen solle, zu denen Forderungen führen könnten, die nicht im Einklang mit der staatlichen Souveränität Serbiens stehen würden. (4)

Dem Tagebuch Poincares ist zu entnehmen, das Viviani sich zu diesem Schritt entschlossen habe, nachdem er sich persönlich darum bemüht hatte, den Außenminister auf Linie zu bringen. (5)

(1)Tagebuchaufzeichnung russisches Außenministerium vom 18.07.19145 in Internationale Beziehungen des Imperialismus Reihe I, Band 4 , Dokument Nr. 272

(2)Die Britischen Amtlichen Dokumente, Band 11, Dokument Nr.60

(3) Die Britischen Amtlichen Dokumente, Band 11, Dokument Nr.76

(4) Die internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus, Reihe I, Band 4, Dokument 322

(5) Schmidt, Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914
 
Dem Foreign Office war vollkommen bewusst, das Paris die Russen nicht sich selbst überlassen würden. Das kam für Paris überhaupt nicht in Frage, denn das hätte wohl den Verlust des Bündnispartners bedeutet.

Ergänzend hierzu der englische Botschafter Buchanan, der am 25.07.1914 an seinem Chef Grey telegrafierte:

"[...] Der französische Botschafter gab mir zu verstehen, daß Frankreich Rußland nicht bloß diplomatisch energisch unterstützen werde, sondern im Notfall auch alle ihm durch sein Bündnis auferlegten Verpflichtungen erfüllen werde." (1)

In einem weiteren Telegramm vom gleichen Tage teilte Buchanan u.a. mit:

"[...] Französischer Botschafter bemerkte sodann, er habe eine Anzahl Telegramme vom stellvertretenden Minister des Äußeren erhalten; kein einziges von ihnen verrate geringste Anzeichen von Unschlüssigkeit und er sei in der Lage, Seiner Excellenz formelle Zusicherung zu geben, daß sich Frankreich vorbehaltlos an Seite Rußlands stelle." (2)

Hervorhebung durch mich.

(1)Die Britischen Amtlichen Dokumente zur Vorgeschichte des Weltkrieges Band 11, Dokument Nr. 101
(2) Die Britischen Amtlichen Dokumente zur Vorgeschichte des Weltkrieges Band 11, Dokument Nr. 125
 
Dem Tagebuch Poincares ist zu entnehmen, das Viviani sich zu diesem Schritt entschlossen habe, nachdem er sich persönlich darum bemüht hatte, den Außenminister auf Linie zu bringen. (5)

Woraus zu entnehmen ist, dass Viviani das eigentlich ein kleines Bisschen anders sah als Poincaré.
Und Viviani persönlich von der Notwendigkeit zu überzeugen, das war das eine, aber es mussten auch die beiden sozialistischen Parteien und ihre Abgeordneten, die Vivianis Regierung mittrugen davon überzeugt werden und dass ließ sich nicht so einfach im stillen Kämmerlein zwischen Poincaré und Viviani ausverhandeln.

Viviani selbst gehörte der PRS ("Parti républicain-socialiste) an an der Regierung beteiligt war ebenfalls die PRRRS ("Parti républicain, radical et radical-socialiste").

Diese beiden Parteien stellten in der Regierung neben Viviani als Regierungchef und Außenminister (bis zum 3. August) mit Adolphe Messimy (Ministre de la Guerre) und Armand Gauthier de l'Aude (Ministre de la Marine, ebenfalls bis zur Kabinettsumbildung am 3. August) beide PRRRS auch die Verbindugsstelle der Politik zu den Teilstreitkräften, die Ministerien des Inneren, der Finanzen und der Kolonien lagen ebenfalls in der Hand der PRRRS.

Gouvernement René Viviani (1) — Wikipédia

Viviani konnte auf seine Parteifreunde und Koalitionspartner von PRS und PRRRS zwar einwirken, hätten sich diese beiden Parteien aber Poincarés Kurs verweigert und Viviani die Unterstützung entzogen oder wären aus der Regierung, die dann keine Mehrheit mehr gehabt hätte, ausgetreten, hätte dass dazu führen können, dass Frankreich de facto handlungsunfähig gewesen wären, im Besonderen auch, wenn sich die PRRRS und aus der Koalition und die von ihr gestellten Minister aus der Regierung zurückgezogen hätten, denn dann hätte Frankreich nicht nur ohne Regierungsmehrheit im Parlament, sondern abrupt auch ohne Kriegs- Marine- Innen- Finanz- und Kolonialminister dargestanden.

Natürlich hätte man die Positionen neu besetzen können, aber Nachfolger hätten dann keine Zeit gehabt sich einzuarbeiten und ob man ohne eingearbeiteten Kriegsminister, ohne Klärung der Finanzierung und ohne Regierungsmehrheiten im Parlament in einen Krieg hineeingehen möchte, erscheint mir doch überlegenswert.

Insofern gab es selbst wenn Viviani nicht die politisch stärkste Peersönlichkeit war in Form von PRS und PRRRS zu diesem Zeitpunkt ein politisches Gegengewicht zu Staatspräsident Poincaré, so dass London selbst wenn man dort den Konfrontationskurs Poincarés richtig einschätzte, nicht unbedingt damit rechnen musste, dass dieser Kurs auch durchsetzbar sei, wenn es tatsächlich um die Frage eines bewaffneten Konfliktes ging.
Setzte immerhin voraus, dass sich letztendlich die französischen Sozialisten dafür hergeben würden die Imperialistischen Einflussinteressen des Zarenreiches zu unterstützen und man durfte mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass dass für sie eine extrem schwer zu schluckende Kröte sein würde und ggf. zu widerstannd gegen solche Zumutungen führen konnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Woraus zu entnehmen ist, dass Viviani das eigentlich ein kleines Bisschen anders sah als Poincaré.
Und Viviani persönlich von der Notwendigkeit zu überzeugen, das war das eine, aber es mussten auch die beiden sozialistischen Parteien und ihre Abgeordneten, die Vivianis Regierung mittrugen davon überzeugt werden und dass ließ sich nicht so einfach im stillen Kämmerlein zwischen Poincaré und Viviani ausverhandeln.

Eben nicht wirklich, denn Sasonow musste sich ja mit seinem Anliegen an Poincare wenden, nachdem er bei Viviani gescheitert war, was für sich genommen schon ein recht ungewöhnlicher Schritt gewesen war, und dieser hatte Viviani dann "auf Linie gebracht", damit in Wien entsprechend abgestimmt vorgegangen wird. Für solche Maßnahmen bedarf es wohl nicht der Zustimmung der Parteien; ansonsten wäre die Regierung ja überhaupt nicht handlungsfähig.

Zwischen dem 18.Juni und dem 29.Juli leitete faktisch der Poltische Direktor des Französischen Außenministerium Berthelot die Amtsgeschäfte. Der in auswärtigen Dingen vollkommen unerfahrene Bienvenu-Martin stand unter dem Einfluss von Berthelot und hatte sich dessen Einschätzngen zu eigen gemacht.
Ziel der französischen Außenpolitik war es, das sich Wien und Berlin ins Unrecht setzen, damit London militärisch interveniere und das französische Volk geschlossen hinter der Regierung stand. So ähnlich wie auch in Deutschland.
So legte dann Berthelot beispielsweise den serbischen Botschafter am 24.07.1914 nahe, das Ultimatums Wiens nicht a limine abzulehnen, sondern sich auf die Forderungen einzulassen, die mit seiner Souveränität und Ehre im Einklang standen. Sollte der Ballhausplatz dies als unzureichend empfinden, dann gestand sie öffentlich ein, das ihr Ultimatum in der Absicht entworfen worden war, eine militärische Auseinandersetzung einzuleiten, und hatte sich geschickt ins Unrecht setzen lassen. Sehr gute Regieanweisung von Berthelot. Als die französische Staatsspitze am 25.07.1914 an Bord der France von der Absicht Russlands erfuhr, Wien um eine Verlängerung des Ultimatums zu bitten, war es wieder Poincare, der Viviani veranlasste diesen Schritt sofort zu unterstützen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Turgot du ignorierst weiterhin dass es damit Viviani zu überzeugen nicht getan war, auch die beiden sozialistischen Parteien, die die Regierungsmehrheit sicherten und die für einen Krieg relevanten Ministerien in der Hand hatten, dieser Linie folgen mussten.
Und dass wenn sie damit nicht einverstanden waren, was sich nicht ohne weiteres voraussetzen lässt, diese Poincarés konterkarieren konnten.

Du bemühst oben den Vergleich mit Deutschland.
Dir ist doch klar, wie großes Kopfzerbrechen sich die Regierung Bethmann-Hollweg über die Haltung der Sozialdemokraten zum Krieg machte und was alles in Bewegung gesetzt werden musste, was nicht öffentlich werden durfte etc. um Loyalität der Sozialdemokraten nicht zu verlieren.
Dabei hatten die Sozialdemokraten in Deutschland aber überhaupt keine Schlüsselpositionen im politischen System inne, hätten auch die Kriegskredite, selbst wenn sie als stärkste im Parlament vertetene Partei dagegen gestimmt hätte alleine nicht ablehnen können.
Das einzige Machtmittel, dass die SPD gehabt hätte, wäre der Aufruf zum Generalstreik gewesen und selbst dass fürchteten Bethmann-Hollweg und co. wie der Teufel das Weihwasser.

Die sozialistischen Parteien in Frankreich waren vielleicht was die Massenbasis angeht nicht so stark, wie die SPD, konnten im Gegensatz zur SPD im politischen System Frankreichs aber Schlüsselpositionen einnehmen.

Ein halb verdecktes Spiel wie in Deutschland, dass darauf hinauslief geheime Schritte hinter dem Rücken der Sozialisten zu gehen und anderen die Verantwortung zuzuschieben konnte vor diesem Hintergrund nicht funktionieren.
Und im Gegensatz zu Deutschland stand den französischen Sozialisten nicht nur der Aufruf zum Streik zu Gebote, sondern es gab ohne sie überhaupt keine intakte Regierung und sie hatten mit Finanzen, Innen, Flotte, Marine, Kolonien und Krieg auch mehr oder minder sämtliche für einen militärischen konflikt relevante Ministerien in der Hand, von denen aus sich jegliche Kriegsvorbereitung im Kern sabotieren ließ.

Das lässt sich nicht wegignorieren, weder mit dem Verweis auf die Ansichten Poincarés noch mit dem Umstand, dass sich Viviani Poincaré letztendlich beugte.
Mit den beiden sozialistischen Parteien verblieb ein potentieller Veto-Player, der nur sehr schwer berechenbar war.

Das wusste man in London und damit war eine Beteiligung Frankreichs an einem potentiellen Konflikt durchaus nicht ausgemacht.
Hätten die Sozialisten Poincarés Politik, die einen Krieg offen riskierte, konterkarieren wollen, hätten sie jederzeit die Machtmittel dazu in der Hand gehabt.
Die Frage war, wollten sie.

Ob Frankreich in den Krieg ziehen würde oder nicht, hing leetztendlich an der Frage ob die französischen Sozialisten das russische Bündnis am Ende als wichtiger bewerten würden, als ihre Ablehnung von Zarismus, Imperialismus und ihre Ablehnung von Krieg im Allgemeinen.
Bei Poincaré, selbst Lothringer und keiner sozialistischen Ideen verdächtig waren diese Hürden nicht vorhanden. Bei Viviani und den beiden sozialistsichen Parteien schon.
 
Möglicherweise reden wir wieder aneinander vorbei. Egal.

Was glaubst du wohl, weshalb Paris auf das deutsche Ultimatum eine eher ausweichende Antwort gegeben hatte? Es ging darum Deutschland ins Unrecht zu setzen. So bekam man die Bevölkerung und die Parteien hinter sich. Genau wie Bethmann Russland ins Unrecht setzen wollte. Das bedeutete in der Praxis, das Frankreich es Deutschland überlassen wollte, den Krieg zu erklären. Hierzu bedurfte es keiner Zustimmung der Sozialisten, sondern einer entsprechenden Außenpolitik, die ganz entscheidend von Poincare gestaltet wurde. Das habe ich in #933 versucht zum Ausdruck zu bringen.
Frankreich stand aufgrund seiner geographischen Lage nicht so enorm unter zeitlichen Druck wie Deutschland.
 
So weit ich sehe, wurde die Sitzung des sog. Kriegsrats vom 8. Dezember 1912 in diesem Forum noch nicht oder nicht ausreichend thematisiert. Dabei wurde dort schon damals gesagt, dass ein Krieg unvermeidlich sei, und dass je früher er stattfindet, desto besser sei es (für Deutschland).

Aus dem Tagebuch von Georg Alexander von Müller, Admiral und Chef des dem Kaiser direkt unterstellen Marinekabinetts, über eine Besprechung beim Kaiser Wilhelm II. am 8. Dezember 1912 – ich zitiere den betreffenden Abschnitt ganz, damit man sich besser darauf beziehen kann:

«Sonntag. Zu 11h zu Sr. Maj. ins Schloß befohlen mit Tirpitz, Heeringen (V. Adm.) u. Gen. v. Moltke. S. M. an der Hand eines telegr. Berichtes des Botschafters in London, Fürst Lichnowski über politische Lage. Haldane hat als Sprachrohr Greys Lichnowski erklärt, daß England, wenn wir Frankreich angriffen, unbedingt Frankreich beispringen würde, denn England könne nicht dulden, daß die balance of power in Europa gestört werde. S. M. begrüßt diese Mitteilung als erwünschte Klärung der Situation denjenigen gegenüber, die sich von Pressefreundlichkeiten der letzten Zeit Englands sicher fühlten.

S. M. habe sich folgendes Bild gemacht:

Österreich müsse den auswärtigen Slaven (den Serben) gegenüber kraftvoll auftreten, sonst verliere es die Macht über die Slaven der österr.-ung. Monarchie. Wenn Rußland die Serben stütze, was es offenbar tue (Sassonows Erklärung, Rußland werde sofort in Galizien einrücken, wenn Österreich in Serbien) wäre der Krieg auch für uns unvermeidlich. Wir könnten aber hoffen, Bulgarien u. Rumänien u. auch Albanien, auch vielleicht die Türkei auf unserer Seite zu haben. Ein Bündnisangebot Bulgariens an die Türkei sei schon ergangen. Wir haben den Türken sehr zugeredet. S. M. habe auch kürzlich dem Kronprinzen von Rumänien der auf Durchreise von Brüssel hier war, sehr zur Verständigung mit Bulgarien zugeredet. Treten diese Mächte auf Österreichs Seite, dann seien wir soweit frei, um den Krieg mit ganzer Wucht gegen Frankreich zu führen. Die Flotte müsse sich natürlich auf den Krieg gegen England einrichten. Der vom Ch. d. Admiralst., im letzten Vortrag erörterte Fall eines Krieges gegen Rußland allein, werde nach der Haldane'schen Erklärung außer Betracht bleiben. Also gleich Unterseebootskrieg gegen englische Truppentransporte in der Schelde bezw. bei Dünkirchen, Minenkrieg in Themse. An Tirpitz: Schleunige Mehrbauten von U-Booten etc. Empfehlung einer Konferenz aller interessierten Marinestellen. Gen. v. Moltke: ‹Ich halte einen Krieg für unvermeidbar u. je eher je besser. Wir sollten aber durch die Presse besser die Volkstümlichkeit eines Krieges gegen Rußland im Sinne der Kaiserl. Ausführungen vorbereiten.› S. M. bestätigt dies u. fordert Staatss. auf auch mit seinen Pressemitteln nach dieser Richtung hin zu wirken. T. macht darauf aufmerksam, daß die Marine gern das Hinausschieben des großen Kampfes um 1½ Jahre sehen würde. Moltke sagt, die Marine würde auch dann nicht fertig sein u. die Armee käme in immer ungünstigere Lage, denn die Gegner rüsteten stärker als wir, die wir mit dem Gelde sehr gebunden seien.

Das war das Ende der Besprechung. Das Ergebnis war so ziemlich o.

Der Chef des gr. Generalstabes sagt: Krieg je eher je besser aber er zieht nicht die Konsequenz daraus, welche wäre, Rußland oder Frankreich oder beide vor ein Ultimatum zu stellen, das den Krieg mit dem Recht auf unserer Seite entfesselte.

Nachm. noch an Reichskanzler wegen der Pressebeeinflussung geschrieben.»

Quelle: Tagebuch von Georg Alexander von Müller (8. Dezember 1912). Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg [BArch N 159/4 Fol. 169-171].
Abgedruckt in John C. G. Röhl, Kaiser, Hof und Staat: Wilhelm II. und die Deutsche Politik. München, 1987, S. 175-76.
 
So weit ich sehe, wurde die Sitzung des sog. Kriegsrats vom 8. Dezember 1912 in diesem Forum noch nicht oder nicht ausreichend thematisiert. Dabei wurde dort schon damals gesagt, dass ein Krieg unvermeidlich sei, und dass je früher er stattfindet, desto besser sei es (für Deutschland).

Und was genau ist daran relevant und deiner Meinung nach nicht entsprechend berücksichtigt worden?

Es handelte sich um einen Kriegsrat.
Will heißen neben dem Kaiser waren vor allem Militärexperten anwesend, weniger Exponenten der Diplomatie und der zivilen Reichsleitung.

Das die Militärs, wenn Krieg unvermeidbar war, aus technischen Gründen lieber möglichst schnell Krieg führen wollten, so lange das Kräfteverhältnis noch einigermaßen günstig für die Zentralmächte war, ist bekannt und auch im Forum immer wieder angeführt worden.

Aus dem Umstand, dass die Militärs eine militärische Konfrontation (das ganze ist im Kontext der Balkankriege zu sehen) für unausweichlich hielten, ist nicht zu schließen, dass die zivile Reichsleitung und die Diplomaten das auch so sahen.


Wie schon an anderer Stelle angemerkt: Die mangelnde Vorbereitung eines Krieges, die sich dann an der Munitionsfrage und anderen Dingen zeigt, spricht sehr stark dagegen, dass man seitens Berlin einen europäischen Krieg als Ziel der eigenen Politik längere Zeit angestrebt hätte.
Hätte man das getan, hätte man ihn entsprechend vorbereitet unter Anderem hätte man dafür gesorgt eine einigermaßen autarke Munitionsproduktion aufzubauen und Maßnahmen in die Wege geleitet die Wirtschaft insgesamt auf einen Krieg einzustellen, heißt kriegswichtige Betriebe zu klassifizieren, die kriegswichtigen Facharbeiter zu registrieren und von der Mobilisation freizustellen, außerdem die Armee so weit aufzurüsten, wie es geht, zusätzliches Bahnmaterial anzuschaffen, Umspuhranlagen im Osten aufzubauen um einen Vorstoß nach Russland hinein vortragen zu können, etc.
Das alles passierte nicht.

Wenn Berlin systematisch auf diesen Krieg hingearbeitet hätte, warum bereitete man ihn nicht entsprechend vor?
 
Zuletzt bearbeitet:
So weit ich sehe, wurde die Sitzung des sog. Kriegsrats vom 8. Dezember 1912 in diesem Forum noch nicht oder nicht ausreichend thematisiert. Dabei wurde dort schon damals gesagt, dass ein Krieg unvermeidlich sei, und dass je früher er stattfindet, desto besser sei es (für Deutschland).

Möchtest du nicht noch den Kontext des Kriegsrats vom 08.12.1912 darstellen? Sonst schwebt dein Text hier gewissermaßen im luftleeren Raum. Der Kriegsrat tritt ja nicht so ganz ohne äußeren Anlass zusammen.

Erwähnenswert ist, das die zivile Seite der Reichsleitung abwesend war, da nicht eingeladen, obwohl diese ja die auswärtige Politik des Reichs leitete und diese auch am Besten beurteilen konnte.

Es gibt auch Historiker, die dieses Zusammentreten als eine Antwort auf die anhaltende internationale Krise ansehen. Die aggressiven militärischen Ratschläge Moltkes will ich gar nicht in Frage stellen. Wilhelm II. schien in dem Moment bereit den Ratschlägen zu folgen. Aber es kam anders. Es liegt nur ein Augenzeugenbericht vor, nämlich den vor dir genannten Admiral Müller und der stellt am Ende fest, dass das Ergebnis, auf dieses kam es ja wohl schließlich an, so ziemlich Null gewesen sei. Es begann keine Propaganda, um die Bevölkerung auf Krieg einzustimmen, es wurden keine Maßnahmen in die Wege geleitet, um die deutsche Wirtschaft auf dem Krieg vorzubereiten. Auch beim Heer wurden keine Maßnahmen getroffen, denn wie sonst läßt sich erklären, das dieses im August 1914 keine umfangreichen Getreidevorräte verfügte, sondern eine Reihe von Lieferverträgen mit mit ausländischen Firmen. Dann gab es Vorbereitungen für die Kreditaufnahme von lächerlichen 5 Milliarden Mark.
Die Rohstoffversorgung war nicht gesichert, über 45% mussten importiert werden. Besonders zu erwähnen sind hier Kupfer, Eisenerz, Zink, Blei, Mangan, Nickel,Baumwolle und Wolle, da diese niemand vor Klärung der Ernährungslage aufgreifen wollte.

Deutschland importierte schon 1890/95 jährlich 200.000 t Hafer, 505.000 t Roggen, 826.000 t Weizen, 893.000 Gerste. Deutschland konnte sich und sein Viehbestand also nicht wirklich selbst ernähren; und im Kriege würde die Situation sich durch das Fehlen an Arbeitskräften und Transportmittel verschärfen. Ich will das jetzt aber nicht groß vertiefen.

Rüstungsbetriebe waren bestenfalls mit Vorräten für sechs Monate ausgestattet. Befragungen ergaben einen Durchschnittswert von gerade einmal drei Monaten; bei normaler Beanspruchung.
Stand der amtlichen Planungen war kläglich. Man war sich zwar seit 1906 durchaus der Notwendigkeit bewusstt, die offenstehenden Probleme beseitigen zu müssen, aber mit zunehmender außenpolitischer Entspannung geriet das wieder in Vergessenheit.

Ein Staat, der sich zielgerichtet auf einen Angriffskrieg vorbereitet hätte, der wäre auch entsprechend vorbereitet gewesen. Davon kann aber beim Deutschen Reich überhaupt gar keine Rede sein.

Der Kriegsrat vom 08.12.1912 blieb letzten Endes Episode. Schon Anfang Januar 1913 war die Kriegsstimmung wieder verflogen und die beschlossene Beschleunigung des U-Bootbaus fand nie statt. Als dann im April die nächste Krise da war, lehnte es Wilhelm II. alles Maßnahmen ab, die dazu geeignet gewesen wären einen Krieg auszulösen, ab.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es liegt nur ein Augenzeugenbericht vor, nämlich den vor dir genannten Admiral Müller und der stellt am Ende fest, dass das Ergebnis, auf dieses kam es ja wohl schließlich an, so ziemlich Null gewesen sei.
Laut Fritz Fischer (Krieg der Illusionen) gab oder gibt es mehrere Berichte über diese Zusammenkunft im Jahr 1912.

Ein Staat, der sich zielgerichtet auf einen Angriffskrieg vorbereitet hätte, der wäre auch entsprechend vorbereitet gewesen. Davon kann aber beim Deutschen Reich überhaupt gar keine Rede sein.
Dass das Deutsche Reich miserabel auf den - von den Militärs ersehnten - Krieg vorbereitet war, steht auf einem anderen Blatt.
 
Rüstungsbetriebe waren bestenfalls mit Vorräten für sechs Monate ausgestattet. Befragungen ergaben einen Durchschnittswert von gerade einmal drei Monaten; bei normaler Beanspruchung.

Damit verwandt:

Bis in die letzten Vorkriegsjahre hinein, investiert die deutsche Stahlindustrie munter in die Erschließung französischer Erzfelder.
Mitunter mit dem Ergebnis, dass gerade aufgefahrende Gruben in Frankreich bei Kriegsbeginn sofort beschlagnahmt werden und z.T. bis Kriegsende Metallerze für die französische Kriegswirtschaft fördern.

Auch so ein Ding, dass man so nicht hätte laufen lassen, hätte man Jahrelang auf Krieg hingearbeitet.

In diesem Fall hätte man der Industrie entsprechend nahegelegt aus strategischen Gründen und eventueller Kriegsgefahr Auslandskapital aus potentiellen Feindstaaten abzuziehen und Investitionsschwerpunkte im Ausland so zu setzen, dass die Gefahr der Beschlagnahmung im Kriegsfall gering ausfällt und die Investitionen wenigstens nicht dem Kriegsgegner in die Hände fallen.
Für die Erschließung von Erzen hätte das bedeutet, bei der Eisen und Stahl produzierenden Industrie darauf hinzuwirken Investitionsschwerpunkte wenn möglich auf die deutsche Seite der Grenze nach Deutsch-Lothringen, Luxemburg (das man handstreichmäßig nehmen würde) oder Schweden mit dessen Neutralität man im Kriegsfall rechnen durfte zu verlegen, Auslandskapital aus den Ententestaaten möglichst abzuziehen und vor allem kein weiteres Kapital in dortige Unternehmungen mehr hinein zu werfen.

Auch das passierte nicht, bis 1914 hinein wird da hübsch weiter in den frazösischen Erzbergbau investiert.
 
Zurück
Oben