Die Entstehung der Franken

Du hast ja selber von den Plünderungen durch die Hunnen geschrieben, könnte damit nicht der allgemeine Bevölkerungsrückgang erklärt werden? Die Städte verödeten dabei natürlich stärker als das Land, da mit Niedergang von Handel und großflächiger Verwaltung die Ernährung nicht mehr für alle Städter aufrechterhalten werden konnte.
Die romanische Bevölkerung blieb im Allgemeinen solange, wie sie sich sicher fühlten und die Versorgung gesichert war. Dabei war ihnen auch egal, ob sie dazu mit den Germanen Handel treiben mußten. Ich weiß z. B., daß es auch im heutigen Schwaben romanische Siedlungen, ja sogar Städte gab und die romanische Bevölkerung auch nach der Aufgabe des Limes und der Verlegung der römischen Reichsgrenze an die Rhein-Donau-Linie für eine längere Zeit dort blieb. Römer und Germanen trieben miteinander Handel und lebten friedlich zusammen. Aber das war etwa ein Jahrhundert davor.
Bei einer Abwanderung stellt sich mir nämlich die Frage wohin?
Bei dieser Frage kann man nur eines sagen: Das hatte ganz sicher mit den Raubzügen der Franken zu tun. Sie gingen dorthin, wo es vermeintlich sicherer war, falls sie die Überfälle überhaupt überlebten. Und in dieser Zeit waren die Städte und das Land gleichermaßen betroffen.
 
@ Muspilli: die Ethnogenese der Franken wurde auch von Archäologen intensiv diskutiert. Viele Aufsätze, die darüber einen Überblick geben, finden sich in dem Band zur Ausstellung "Die Franken - Wegbereiter Europas". Ansonsten ist insbesondere auf die Arbeiten von Horst Wolfgang Böhme zu verweisen, der sich mit dem Problem der "Föderatengräber" beschäftigt hat. Auch zu deinen Fragen bzgl. Quellen etc. hätte ich noch einiges zu schreiben, mir fehlte heute aber die Zeit dazu. Vielleicht kann ich dir morgen abend etwas dazu weiterhelfen.
 
Zur Klarstellung:
Barbarossa schrieb:
Den Kern der der römischen Streitmacht bildeten die germanischen Föderaten, allen voran die Westgoten unter der Führung ihres Königs Theoderich I., zusammen mit Ostgoten, Franken, Burgunden, Quaden, Thüringern, Rugiern und Herulern.
Muspilli schrieb:
ich entdecke auch noch einen zweiten: Theoderich I. war der Ostgotenkönig
Theoderich der Große war zur Zeit der Schlacht auf den katalaunischen Feldern noch in den Windeln. Es handelte sich also tatsächlich um den westgotischen König Theoderich.
 
Es handelte sich also tatsächlich um den westgotischen König Theoderich.
Sehr peinlich, denkt man, jemand macht einen Schnitzer und verschlimmbessert dümmlich - also 'tschuldige Barabarossa.
Tatsächlich hatte ich das nur flüchtig gelesen, sonst hätte es mir auffallen können, daß das mit Theoderich dem Großen und Schlacht auf den "katalaunischen Feldern" nicht hinkommen kann.
Habe aber darauf nachgeschaut, was es dann mit einem Theoderich I. auf sich haben soll, der die Westgoten regierte und stieß auf einen Theoderid, der tatsächlich als solcher gezählt wird, während Theoderich der Große halt so heißt und es keinen zweiten Ostgotenkönig des Namens gibt. Nach ihm war's ja bald mit den Ostgoten vorbei. Sorry!!!
 
Sehr peinlich, denkt man, jemand macht einen Schnitzer und verschlimmbessert dümmlich - also 'tschuldige Barabarossa.
Ist schon ok. - kann passieren, wenn in zwei Gotischen Reichen kurz hintereinander Herrscher gleichen Namens regieren. Ich habe mich gerade auch mit der Westgotischen Geschichte sehr intensiv beschäftigt und deshalb dort einigermaßen belesen.

Zitat: "in dem Band zur Ausstellung "Die Franken - Wegbereiter Europas".

Wenn ich sowas lese oder höre, wird mir schon ganz anders. Die Franken haben wohl kaum an die europäische Einigung gedacht. Sie waren eher die Wegbereiter der Nationalstaaten Deutschland, Frankreich und Italien.
 
Also ich habe zumindest schon mal die möglicherweise zweite Erwähnung der Franken in der Historia Augusta gefunden: in den Viten der „Gallieni duo“: Hier nehmen sie als Hilfstruppen teil an der Verteidigung von Postumus‘ gallischem Sonderreich gegen Gallienus (VII, 1). Ich verstehe aber den Kontext noch nicht ausreichend; auch hier gilt die Kaisergschichte sicherlich noch as sehr unzuverlässig. Der historische Gewährmann der Vorgänge, wie sie vorher in den „30 Tyrannen beschrieben werden, scheint (auch) hier – aber wohl nicht nur – Ammianus Marcellinus zu sein – dessen „Römische Geschichte“ ist im Internet (siehe Weblinks bei Wiki) leider nur auf Latein einzusehen und da muß ich erst einmal passen –; bei ihm erscheinen die Franken denn aber schon als Salier (XVII 8, 3), deren Name von Springer ja in Frage gestellt worden war.

Ich habe auch erst einmal in der deutschen Übersetzung von Caesars „Gallischem Krieg“ (IV. Buch) über die auch im Zusammenhang der Ethnogenese genannten Usipetern, Tenkterern und Sugambrern nachgelesen : Die Usipeter und Tenkterer waren beim Einbruch nach Gallien (in das Gebiet der Menapter, die wohl sowohl am rechten wie am linken Rheinufer Siedlungen hatte, im Land der Eburonen und Condruser plünderten und schließlich über die Maas ins Land der Ambivariten) von den Römern vernichtet und vertrieben worden; sie flüchteten zu den Sugambrern, Caesar spricht sogar von einer Vereinigung. Alle drei Stämme finden sich auch unter Augustus wieder verbündet, so daß man meiner Ansicht davon hypothetisieren kann, daß hier eine Art protofränkischer Stammesbund entstanden war; es heißt zwar wohl nur von Sugambrern, daß sie am linksrheinisch angesiedelt wurden („Cugerner“), aber kann man hier nicht prinzipiell von einem erfolgreichen Zusammenschluß dieser Germanen zu einem Stammesbund ausgehen? Oder gibt es einen zwingenden Grund, anzunehmen, daß sie kurz vor der Jahrtausendwende noch getrennt existierten, weil alle drei Stämme bei einem der Drusischen Feldzüge einzeln genannt werden? Mir ist nachher nämlich bei meinen Recherchen noch kein weiterer Hinweis auf Tenkterer und Usipeter aufgefallen, außer vielleicht hier im Thread gleich zu Anfang bei DIETER (18. 07. 2005), der die Tenkterer und Usipeter noch im 3. Jh. n. Ztr. als rechtsrheinisch bezeichnet, die denn damals möglicherweise in einer Klientelbindung an Rom standen.

Gefunden habe ich leider noch keine Hinweisen, in welcher „Überlieferung für die Folgezeit“ (Klaus Rosen, Die Völkerwanderung, München: Beck, 2002), d. h. für die Zeit zwischen 245 und 357, die „fränkischen“ Teilstämme (Ampsivarier, Chattuarier, Brukterer u. Chamaven) genannt werden. Das erscheint mir weiterhin wesentlich zu erfahren, bevor man weiteren Überlegung zur Ethnogenese dann nach diesem Zeitraum anstellt.
 
Diese Erwähnung wird von Historikern sogar im Zusammenhang größerer fränkischen Raubzügen – die Barbarossa kürzlich erwähnte – bis nach Spanien gesehen; kennt jemand die entsprechenden Stellen?
Ich glaube, die Sache mit den fränkischen Seeräubern, die bis nach Spanien vorstießen, findet sich bei dem byzantinischen Geschichtsschreiber Zonaras (zu dem ich sonst nicht viel sagen kann, er ist eher unbekannt). Eine weitere wichtige und vor allem zeitnahe Quelle ist der sogenannte Panegyricus des Mamertinus. Dies gilt als erste völlig authentische Quelle, in der Franken und auch Alemannen genannt werden.
Findet man sie beispielsweise in der „Römischen Geschichte“ von Ammianus Marcellinus? Von diesem spätantiken Historiker behauptet Matthias Springer wiederum, das er die Herrschaftsbezeichnung „Salier“ irrtümlich anstatt „Franken“ verwendet.
Ich habe mal nachgeschaut, und der Name Franci taucht bei Ammianus Marcellinus sehr wohl auf - z.B. in den Büchern XV und XVII. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Springer das wirklich so geschrieben hat. Wenn ich mich recht erinnere, nennt er auch selbst in einem Aufsatz mal die Stelle mit der gemeinsamen Nennung der "Franci" und Saxones.

Oder bleibt als Quelle für das 3. Jh. nur die römische Kaisergeschichte?
Siehe oben. Es gibt auf jeden Fall nicht viele Quellen.
 
Ganz herzlichen Dank, seien es auch nicht nicht viele, so hast du mir immerhin ein paar genannt und vielleicht findet sich davon was im Web!

Mupilli: Findet man sie beispielsweise in der „Römischen Geschichte“ von Ammianus Marcellinus? Von diesem spätantiken Historiker behauptet Matthias Springer wiederum, das er die Herrschaftsbezeichnung „Salier“ irrtümlich anstatt „Franken“ verwendet.

Ich habe mal nachgeschaut, und der Name Franci taucht bei Ammianus Marcellinus sehr wohl auf - z.B. in den Büchern XV und XVII. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Springer das wirklich so geschrieben hat. Wenn ich mich recht erinnere, nennt er auch selbst in einem Aufsatz mal die Stelle mit der gemeinsamen Nennung der "Franci" und Saxones.

Das wird wohl richtig sein, was du sagst, könnte mir aber vorstellen, daß es eine frühere Stelle ist, wo der Name "Franken" auftaucht.
Ich gebe aber zu, daß ich lediglich in einem populärwissenschaftlichen Artikel von Périn über Springers These gelesen habe sowie im Nachtrag zur vierten Auflage von Ewigs Merowingerbuch.
- "Une étude récente de l'historien Matthias Springer (1997) a prouvé que Julien a mal compris, qui était de culture grecque et largement tributaire d'interpètes, a mal compris le qualificatif haut-allemand saljon qui désignait alors tous les Francs vivant sous le même régime juridique. Il en a ainsi fait le substantif ethnique sans lendemain de Salioi (alors que le nom grecque de Fraggoi/ Francs existait), transcrit par le historien Ammien Marcellin ein Salii/ Saliens. Il faut donc renoncer, aujourd'hui à utiliser le terme de Saliens pour qualifier les Francs de l'Ouest dont la dynastie mérowingienne serait issue. Quant au terme de Francs 'Ripuaires' [...] il est anachronique pour l'époque mérovingienne puisqu'il n'est pas mentionné avant le huitième siècle." (Périn)
- Ewig gibt an, M. Springer "bestreitet die Existenz eines salfränkischen Teilstammes, m. E. zu Unrecht. Mißverständlich ist allerdings die summarische Bezeichnung der Franken Childerichs und Chlodwigs als Salier, da die Salier wie die anderen fränkischen Teilstämme in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts bei der Übersiedlung in die Germania II und die Belgica II von der Bildfläche verschwinden. Die mit Chlodio ca. 448/51 einsetzende Okkupation der Gebiete zwischen Silva Carbonaria und der Somme ist zwar von den salisch-toxandrischen Franken ausgegangen, aber nicht nicht mehr von ihnen allein getragen worden."

Kurz: Hier sind zwei Autoren - Springer und Périn, der ihm zustimmt - die davon überzeugt sind, daß es keine Salier gab.

Ich persönlich denke übrigens, daß die Merowinger das "vornehmste Geschlecht" (Gregor v. Tours) eines protofränkischen Stammesverbandes - möglicherweise die "Urzelle des Franken - aus Sugambrern, Tencterern und Usipiern hervorgegangen sind.
 
Ich persönlich denke übrigens, daß die Merowinger das "vornehmste Geschlecht" (Gregor v. Tours) eines protofränkischen Stammesverbandes - möglicherweise die "Urzelle des Franken - aus Sugambrern, Tencterern und Usipiern hervorgegangen sind.

wußte nicht, wie ich noch schnellstmöglich meinen Beitrag ändern konnte, daher muß ich jetzt noch hinzufügen: ignoriert den Einschub, den ich im Überschwange auch nicht einmal korrekt hingekriegt; hätte eigentlich heißen müssen: möglicherweise die "Urzelle" der Franken. Aber mir ist beim nachdenken über diese Aussage aufgefallen, daß die These wenig haltbar wäre. Mit den Merowingern und Sugambrern liegt die Sache nicht wirklich anders, obwohl ich mir eine Zusammenhang vorstellen könnte: Geary schreibt, daß die bei Gregor von Tours und anderen erwähnten Sigambrer nur eine Reminiszenz an die Sugambrer seien und das meint der Autor wohl nicht im Sinne von "Erinnerung an die Vorfahren" - so würde ich das gerne verstehen, was aber Spekulation ist.
 
1)Die archäologischen Funde helfen bei der Frage nach der Ethnogenese nur wenig weiter, da die Unterschiede zwischen den einzelnen gentes nur gering sind. Man kann wohl rhein-weser- von nordseegermanisch abgrenzen, mehr nicht. Für das Reichsgebiet ist zudem eine Zunahme von römischem Kulturgut zu verzeichnen, so daß hier eine Zuordnung noch schwieriger wird.
2)Muspili hat ganz zutreffend gefragt, wo liegen die Unterschiede zwischen gens und Stammesbund? Das ist eine problematische Frage. Ich denke, daß wir zumindest dann erst von einem echten Bund ausgehen können, wenn wir gemeinsame "staatliche" Organe oder zentrale Kulte finden. Bei den Franken fehlt dies. Sie treten lediglich bei Kriegszügen zusammen auf. Doch auch Vandalen, Carpen, Goten und Sarmaten traten zusammen auf, ohne daß wir von einem Stammesbund ausgehen würden.
3) Franken - Fremd- oder Eigenbezeichnung? Eine durchaus wichtige Frage. Sachsen, Alamannen, Fremd- oder Eigenbezeichnung? Wir wissen es nicht. Wie kamen die Römer überhaupt in Kenntnis der sie angreifenden gentes, wenn sie nicht in direktem Kontakt mit ihnen gestanden hatten? "Gestatten, mein Name ist Alamanne?" Mir erscheint es wahrscheinlich, daß bereits in Verbindung mit Rom stehende Föderaten, etc. die Namen an die Römer weitergaben. Doch auch daraus können wir weder auf Fremd- noch auf Eigenbezeichnung schließen. Ich denke das z.B. an die Gepiden, die wir nur unter diesem Namen kennen. Er soll "gepanta-die Faulen, Trägen" heißen. Zweifellos keine Selbstbezeichnung. Wie hießen sie nun wirklich. Oder klang das gotische gepanta nur ähnlich und die Goten machten sich einen Spaß daraus? Ähnliches gilt für die Franken. Wild und/oder kühn soll ihr Name bedeuten. Die Kühnen ist ohne Zweifel Selbstbezeichnung, aber die Wilden? Dies könnte auch eine abschätzige Bezeichnung von reichsangehörigen Germanen für ihre rechtsrheinischen Verwandten sein. Man bedenke, das auch der Name der Germanen, von einer gens auf andere gentes wanderte, ohne das wir es je mit einem Stammesbund zu tun gehabt hätten. Sollte sich herausstellen, daß die Franken eben erst unter Chlodwig zur gens wurden, dann muß man allerdings von einer ursprünglich fremden Bezeichnung ausgehen.
 
1)Die archäologischen Funde helfen bei der Frage nach der Ethnogenese nur wenig weiter, da die Unterschiede zwischen den einzelnen gentes nur gering sind. Man kann wohl rhein-weser- von nordseegermanisch abgrenzen, mehr nicht. Für das Reichsgebiet ist zudem eine Zunahme von römischem Kulturgut zu verzeichnen, so daß hier eine Zuordnung noch schwieriger wird.

Man schreibt ja nicht einmal bestimmten Stämmen, die in den Franken aufgingen, eine bestimmte archäologische Schicht zu, obwohl man doch eine gewisse Keramik in Rechtsrheinischen (genaueres weiß ich nicht darüber) in Erwägung zieht, diese mit den Franken in Verbindung zu bringen. Irgendwie finde ich das sehr unbefriedigend. Dann gibt es ja die Föderatengräber, die ab der Mitte des 4. Jahrhundert datiert werden. Dazwischen sieht man die fränkische Kolonenzeit, wozu man vielleicht auch archäologische Überlegungen findet. Aber das scheint zur Zeit nicht angesagt zu sein. Woran liegt das eigentlich?
Eine andere Frage ist: Wo müßte man die Ethnogenese eigentlich datierenn? Vor der Mitte des 4. Jahrhunderts doch sicherlich, war dann aber noch nicht abgeschlossen?
Ich hatte gelesen, daß sich Brukterer und Tenkterer schon früh (1. Jh.) zusammengeschlossen hatte; allerdings können die Tenkterer eh nicht vielzählig gewesen sein, könnte mir aber vorstellen, daß sie ebenso wie die Sugambrer hohes Ansehen genossen. Allerdings denke ich mir wiederum, daß sich die Tenkterer, die schon seit der Zurückschlagung durch Caesar stark vermindert waren, sich schon den Sugambrern angeschlossen hatte. Gleiches gilt für die Usipeter/Usipier und ich könnte mir letztendlich vorstellen, daß Usipeter und Tenkterer sowie die Teile der Sugambrer, die sich nicht bei der Ansiedlung ins nerbisch-treverische Gebiet beteiligten, eine Art fränkischen Urkern bildeten.
Genannt werden bei der Bildung der Franken u. a. auch die Ampsivarier und Brukterer, die jeweils noch Ende des 1. Jh. von Rom inaugierte Könige erhielten. Könnte also von ihnen nicht die Königsidee stammen?

2)Muspili hat ganz zutreffend gefragt, wo liegen die Unterschiede zwischen gens und Stammesbund? Das ist eine problematische Frage. Ich denke, daß wir zumindest dann erst von einem echten Bund ausgehen können, wenn wir gemeinsame "staatliche" Organe oder zentrale Kulte finden. Bei den Franken fehlt dies. Sie treten lediglich bei Kriegszügen zusammen auf. Doch auch Vandalen, Carpen, Goten und Sarmaten traten zusammen auf, ohne daß wir von einem Stammesbund ausgehen würden.

Auch die Frage nach einem "echten Bund" erscheint mir mithin kritisch. Es mögen sich Veränderung, Verschiebungen, Neukonstellationen in der doch wenige Jahrhunderte währenden Emtwicklung ergeben. Eine andere Sache, auf die BEORNA hier vielleicht anspielt wäre die Frage, ob sich verschiendene Stämme zu einer Koalition zusammentaten und eigenständig blieben, oder ob sie eben daraus resultierend auch miteinander zusammenwuchsen. Wie aber verhält es sich mit den Franken?
- Tatsache ist, daß die Franken in der Überlieferung für das 3. Jh. erstmals erwähnt werden und die Frage bleibt, handelt es sich schon um Zusammenschlüsse von verschiedenen Splitterstämmen.
- An anderer Stelle hat BEORNA selbst auch erwägt, ob der Name nicht ähnlich wie einst der Germanenname, später der Sueben-, dann der Gotenname verallgemeinern benutzt wurde und ich denke, auch diese Überlegung sollte man im Hinterkopf behalten.
- Schließlich sollte endlich einmal diskutiert werden, ob die Verwendung des Begriffes "Salier" letztendlich nur eine andere (meint: griechische) Bezeichnung für die im römischen Reich durch Julian angesiedelten fränkischen Laeten ist.

Ich selbst habe zwar noch nicht die Gelegenheit gehabt, in den von ASHIGARU anempfohlenen Quellen nachzulesen. Aber die Erwähnungen in der Historia Augusta erscheinen mir anachronistisch.

3) Franken - Fremd- oder Eigenbezeichnung? Eine durchaus wichtige Frage. Sachsen, Alamannen, Fremd- oder Eigenbezeichnung? Wir wissen es nicht. Wie kamen die Römer überhaupt in Kenntnis der sie angreifenden gentes, wenn sie nicht in direktem Kontakt mit ihnen gestanden hatten? "Gestatten, mein Name ist Alamanne?" Mir erscheint es wahrscheinlich, daß bereits in Verbindung mit Rom stehende Föderaten, etc. die Namen an die Römer weitergaben. Doch auch daraus können wir weder auf Fremd- noch auf Eigenbezeichnung schließen. Ich denke das z.B. an die Gepiden, die wir nur unter diesem Namen kennen. Er soll "gepanta-die Faulen, Trägen" heißen. Zweifellos keine Selbstbezeichnung. Wie hießen sie nun wirklich. Oder klang das gotische gepanta nur ähnlich und die Goten machten sich einen Spaß daraus? Ähnliches gilt für die Franken. Wild und/oder kühn soll ihr Name bedeuten. Die Kühnen ist ohne Zweifel Selbstbezeichnung, aber die Wilden? Dies könnte auch eine abschätzige Bezeichnung von reichsangehörigen Germanen für ihre rechtsrheinischen Verwandten sein. Man bedenke, das auch der Name der Germanen, von einer gens auf andere gentes wanderte, ohne das wir es je mit einem Stammesbund zu tun gehabt hätten. Sollte sich herausstellen, daß die Franken eben erst unter Chlodwig zur gens wurden, dann muß man allerdings von einer ursprünglich fremden Bezeichnung ausgehen.

Man hatte sich hier im Forum ja schon darauf geeinigt, daß der Frankenname eben nicht in erster Linie "frei" bedeutet. Im Anschluß an die letzte Überlegung BEORNAs ließe sich dann im Übergang von einer Fremd- zu einer Eigenbezeichnung die Umdeutung des Namens verständlich machen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Muspilli:

Dann gibt es ja die Föderatengräber, die ab der Mitte des 4. Jahrhundert datiert werden. Dazwischen sieht man die fränkische Kolonenzeit, wozu man vielleicht auch archäologische Überlegungen findet. Aber das scheint zur Zeit nicht angesagt zu sein. Woran liegt das eigentlich?
Bei den Föderatengräbern sehe ich das Problem, dass sie, obwohl sie germanische und römische Gegenstände enthalten, nicht zwingend auf bestimmte germanische Ethnien verweisen. Die Föderaten waren zwar in der Regel Franken und Alemannen, konnten aber aufgrund der "Internationalität" des römischen Heers (ist nicht ganz der passende Begrif, weiß jetzt nix besseres) genau so gut aus anderen Völkern Germaniens stammen. Ein klassisches Beispiel ist der Alemannenkönig Vadomar, der nach der Niederlage Karriere im römischen Heer machte, aber im Osten des Reiches kämpfte.

Eine andere Frage ist: Wo müßte man die Ethnogenese eigentlich datierenn? Vor der Mitte des 4. Jahrhunderts doch sicherlich, war dann aber noch nicht abgeschlossen?
Ein ganz schwieriges Problem. Bei den Alemannen sehe ich hier den Forschungsfortschritt etwas weiter, da hier v.a. Steuer für mich glaubwürdig nachweisen konnte, dass die Ethnogenese sich aus Jungmannschaften herleitet, die sich im Dekumatland ansiedelten - anderes Thema. Bei den Franken ist es m.E. deshalb schwieriger, weil:
- sie nach heutiger Ansicht ihre Siedlungsgebiete rechts des Rheins zunächst beibehielten, wenngleich diese sich im 5./6. Jahrhundert zunehmend entvölkerten. Es ist m.E. unmöglich zu sagen, ab wann diese Menschen fränkisch geworden sein sollen.
- ein fränkisches Gemeinwesen im Sinne eines Staates wohl nicht vor Chlodwig existierte. Erst ab da lassen sich spezifisch "fränkische" Punkte ausmachen. Dennoch gibt es hier auch Probleme, gerade z.B. im linguistischen Bereich (Springer zufolge sollen sich das Altsächsische und Altfränkische ähnlicher gewesen sein als das Altsächsische und Angelsächsische). Ich denke, dass sich die Ethnien erst infolge der Staatenbildung herausbildeten. Wenn man z.B. näher betrachtet, bei welchen Stämmen die Historiker glauben, dass sich aus ihnen die Sachsen bzw. Franken herausbildeten, so ergibt sich, dass es sich um Stämme handelte, die im 1. Jahrhundert noch mehr oder weniger benachbart in einem Gebiet lebten. Die Hypothesen sind mannigfaltig, weil die Ethnien in den frühmittelalterlichen Quellen nicht näher beschrieben sind.
Ich bin hier völlig mit Springer der Meinung, dass man das Problem am ehesten von den Adelsfamilien her aufzäumen sollte.
Es ist nämlich durchaus möglich, dass sich das Stammesbewußtsein bei manchen Stämmen noch lange hielt, obwohl sie faktisch Bestandteil des Frankenreiches waren. Dieses Problem sehe ich etwa bei den Chattuariern/Brukterern, die noch bis ins 8. Jahrhundert in den Quellen auftauchten. Näher lässt sich nicht beschreiben, was deren spätere Namen wie "Borchtari" besagen - einfach ein Anachronismus, geografische Einordnung, oder tatsächliche Stammesorganisationen? Ich neige zwar zum Letzteren, aber es gibt wenig Anhaltspunkte.
Meine Ansicht, ab wann fränkische Ethnogenese: ich denke auch, sie setzt irgendwo im 4. Jahrhundert ein, vielleicht mit der Besiedlung Toxandriens.

Gleiches gilt für die Usipeter/Usipier und ich könnte mir letztendlich vorstellen, daß Usipeter und Tenkterer sowie die Teile der Sugambrer, die sich nicht bei der Ansiedlung ins nerbisch-treverische Gebiet beteiligten, eine Art fränkischen Urkern bildeten.
Möglich, letztendlich aus obengenanntem schwer beweisbar. Dazu fällt mir, dass einige Autoren besonders vor 1970 auch die Chatten zum fränkischen Urkern rechneten. Ich denke, man sollte zunächst nicht ins 1. Jahrhundert zurückgehen, sondern sich eher mit dem Problem der sog. "Ripuarier"/Rheinfranken beschäftigen und ergründen, was dieser Begriff eigentlich genau bezeichnen, da es ziemlich klar ist, dass dies die Franken waren, die um 500 am und auch noch jenseits des Rheins lebten.

Genannt werden bei der Bildung der Franken u. a. auch die Ampsivarier und Brukterer, die jeweils noch Ende des 1. Jh. von Rom inaugierte Könige erhielten. Könnte also von ihnen nicht die Königsidee stammen?
Die Königsidee halte ich wirklich für ein Produkt des späten 5. Jahrhunderts. Die Tatsache, dass Chlodwig durch Kaiser Anasthasius legitimiert wurde, dass Theoderich vor ihm "Rex" wurde - hiermit stellte er sich eindeutig in die römische Tradition. Meiner Meinung nach lag es auch sehr stark in der Persönlichkeit des Chlodwig begründet, dass er ein Alleinkönigtum schuf, welches ja nach seinem Tod sofort wieder abgeschafft wurde.


Ich empfehle dir sehr den Ausstellungskatalog "Die Franken - Wegbereiter Europas". Dort äußern sich in zahlreichen Aufsätzen die wichtigsten Experten aus Deutschland und Frankreich zu vielen von dir aufgeworfenen Fragen, wobei zu sagen ist, dass die Ethnogenese der germanischen Stämme ein sehr beliebtes Thema ist.

Weitere Empfehlung:
Siegmund, Frank: Alemannen und Franken. Ein Versuch, aufgrund des archäologischen Fundguts die Siedlungsgebiete der Franken, Alemannen und anderer germanischer Stämme in Deutschland in der Zeit von 450 - 700 abzugrenzen. Zur Ethnogenese wirst du hier aber nichts finden.

Und schließlich noch diesen Aufsatz:

Springer, Matthias: Geschichtsbilder, Urteile und Vorurteile – Franken und Sachsen in den Vorstellungen unserer Zeit und in der Vergangenheit. In: Stiegemann, Christoph/Wemhoff, Matthias: 799. Kunst und Kultur der Karolingerzeit – Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn. Beiträge zum Katalog der Ausstellung Paderborn 1999. Mainz 1999. S. 224 – 233.
 
Bei den Föderatengräbern sehe ich das Problem, dass sie, obwohl sie germanische und römische Gegenstände enthalten, nicht zwingend auf bestimmte germanische Ethnien verweisen.

Das ist wohl ein guter Einwand, aber sie werden sowohl von Périn als auch von Ewig direkt mit den Franken genannt, so daß ich davon ausgehen wollte, daß man diese Zuschreibung wohl vornimmt.

Bei den Franken ist es m.E. deshalb schwieriger, weil:
- sie nach heutiger Ansicht ihre Siedlungsgebiete rechts des Rheins zunächst beibehielten, wenngleich diese sich im 5./6. Jahrhundert zunehmend entvölkerten. Es ist m.E. unmöglich zu sagen, ab wann diese Menschen fränkisch geworden sein sollen.
- ein fränkisches Gemeinwesen im Sinne eines Staates wohl nicht vor Chlodwig existierte. Erst ab da lassen sich spezifisch "fränkische" Punkte ausmachen.

Obzwar ich dir in vielem sehr gerne folgen würde, sehe ich nichts desto weniger das Problem, daß von Franken schon sehr viel früher die Rede ist. Außerdem spricht man - oder zumindest Eugen Ewig tut das - im Anschluß an die Überlieferung Gregor von Tours von fränkischen Königreichen oder wohl besser Fürstentümern vor Chlodwig im Sinne von Civitasherrschaften.

Dennoch gibt es hier auch Probleme, gerade z.B. im linguistischen Bereich (Springer zufolge sollen sich das Altsächsische und Altfränkische ähnlicher gewesen sein als das Altsächsische und Angelsächsische).

Das finde ich wirklich einen interessanten Einwand und mich würden Einzelheiten zu den relativen Ähnlichkeiten zwischen dem Altsächsischen und Altfränkischen interessieren.

Ich denke, dass sich die Ethnien erst infolge der Staatenbildung herausbildeten. Wenn man z.B. näher betrachtet, bei welchen Stämmen die Historiker glauben, dass sich aus ihnen die Sachsen bzw. Franken herausbildeten, so ergibt sich, dass es sich um Stämme handelte, die im 1. Jahrhundert noch mehr oder weniger benachbart in einem Gebiet lebten. Die Hypothesen sind mannigfaltig, weil die Ethnien in den frühmittelalterlichen Quellen nicht näher beschrieben sind.
Ich bin hier völlig mit Springer der Meinung, dass man das Problem am ehesten von den Adelsfamilien her aufzäumen sollte.
Es ist nämlich durchaus möglich, dass sich das Stammesbewußtsein bei manchen Stämmen noch lange hielt, obwohl sie faktisch Bestandteil des Frankenreiches waren. Dieses Problem sehe ich etwa bei den Chattuariern/Brukterern, die noch bis ins 8. Jahrhundert in den Quellen auftauchten. Näher lässt sich nicht beschreiben, was deren spätere Namen wie "Borchtari" besagen - einfach ein Anachronismus, geografische Einordnung, oder tatsächliche Stammesorganisationen? Ich neige zwar zum Letzteren, aber es gibt wenig Anhaltspunkte.
Meine Ansicht, ab wann fränkische Ethnogenese: ich denke auch, sie setzt irgendwo im 4. Jahrhundert ein, vielleicht mit der Besiedlung Toxandriens.

Irgendwie habe ich da das Bedürfnis dezidiert zu formulieren: Entweder hat die Ethnogenese vorher stattgefunden oder alle Erwähnungen vor dem Auftauchen des Salierbegriffs anachronistisch genannt müssen anachronistisch genannt werden.
Im zweiten Fall wären die Salier die "echten Franken" - ich glaube sowas wurde hier schon diskutiert und wurde verworfen. Dazu paßt dann auch noch, daß die Brukterer und Chattuariern wie du sagst - noch später genannt werden. Wenn das auch bei den Chamaven nach der Ansiedlung in Toxandrien von "Franken" der Fall wäre, wäre gleichfalls klar, daß sie anschlossen oder absorbiert wurden.

-> Bei den Brukterern würde ich vielleicht einhaken - aber das wurde im Thread ja schon diskutiert - daß sie nämlich auch von den Sachsen absorbiert wurden (so wohl nach Springer, wenn ich mich richtig entsinne). Solche eine gleichsame Aufnahme von Teilen dieses Stammes und anderer (ich denke dabei z. B. an die Chauken) könnte vielleicht die von dir angedeuteten linguistischen "Ähnlichkeiten" fundieren.

Dazu fällt mir, dass einige Autoren besonders vor 1970 auch die Chatten zum fränkischen Urkern rechneten.

Ich war etwas überrascht, als ich in der französischen Wikipedia bei den "fränkischen" Stämmen nicht nur die Chatten erwähnt fand, sondern sogar die Cherusker.

Ich denke, man sollte zunächst nicht ins 1. Jahrhundert zurückgehen, sondern sich eher mit dem Problem der sog. "Ripuarier"/Rheinfranken beschäftigen und ergründen, was dieser Begriff eigentlich genau bezeichnen, da es ziemlich klar ist, dass dies die Franken waren, die um 500 am und auch noch jenseits des Rheins lebten.

Finde ich prinzipiell gut; allerdings will ich nochmal sagen: für die Ethnogenese scheint der Begriff "Ribuarier" eigentlich anachronistisch, da erst auch späterer Überlieferung bekannt.

Die Königsidee halte ich wirklich für ein Produkt des späten 5. Jahrhunderts. Die Tatsache, dass Chlodwig durch Kaiser Anasthasius legitimiert wurde, dass Theoderich vor ihm "Rex" wurde - hiermit stellte er sich eindeutig in die römische Tradition. Meiner Meinung nach lag es auch sehr stark in der Persönlichkeit des Chlodwig begründet, dass er ein Alleinkönigtum schuf, welches ja nach seinem Tod sofort wieder abgeschafft wurde.

Mag ich nicht so zustimmen. Bekanntlich kannten die Germanen auch andere Begriffe für ihre Anführer. Wie du es beschreibst, würde verständlich, warum sich dort der Begriff (Rex) für diese Position durchsetzte, mehr aber auch nicht; ich muß bei diesem Einwand aber auch zugebe, daß ich "Königsidee" also in einem etwas weiteren Sinne meine und will nochmal dazu bei Geary und Wolfram nachlesen.

Und danke für deine erläuterten Literaturempfelungen!!!
 
Das ist wohl ein guter Einwand, aber sie werden sowohl von Périn als auch von Ewig direkt mit den Franken genannt, so daß ich davon ausgehen wollte, daß man diese Zuschreibung wohl vornimmt.

Die Referenz zu den Föderatengräbern sind die Arbeiten Horst Wolfgang Böhme. Der argumentiert aber ähnlich. Für mich geht es mehr um grundsätzliche methodische Probleme, die in den letzten Jahren Autoren wie Springer, Geuenich oder Grahn-Hoek aufwarfen. Es geht generell um die Frage, wie verlässlich Interpretationen aus dem archäologischen Fundgut sind.

Obzwar ich dir in vielem sehr gerne folgen würde, sehe ich nichts desto weniger das Problem, daß von Franken schon sehr viel früher die Rede ist. .... von fränkischen Königreichen oder wohl besser Fürstentümern vor Chlodwig im Sinne von Civitasherrschaften.

Das habe ich auch nicht bestritten. Nur ist es schwierig, herauszufinden, was der z.b. im Panegyricus des Mamertinus genannte Franken-Begriff genau meint. Persönlich tendiere ich ja, wie es Steuer bei den Alemannen aufzeigt, zu Jungmannschaften verschiedener Stämme. Es ist ja so, dass die ersten Erwähnungen der Franken immer in Verbindung mit Kriegszügen stehen.

Das finde ich wirklich einen interessanten Einwand und mich würden Einzelheiten zu den relativen Ähnlichkeiten zwischen dem Altsächsischen und Altfränkischen interessieren.

Da kann ich im einzelnen leider nicht so viel zu sagen, da ich das nur bei Springer u. hier und da woanders zitiert gelesen habe, ohne die etymologischen Arbeiten dazu zu kennen.

-> Bei den Brukterern würde ich vielleicht einhaken - aber das wurde im Thread ja schon diskutiert - daß sie nämlich auch von den Sachsen absorbiert wurden (so wohl nach Springer, wenn ich mich richtig entsinne).

Zu diesem ganzen Abschnitt fällt mir leider gerade nicht viel ein, nur zu den Brukterern: die entsprechende Stelle bei Beda Venerabilis ist leider sehr fragmentarisch. Im Zuge eines Angriffs der Sachsen sind die christlichen Brukterer vertrieben worden. Ich denke auch, dass ihr Gebiet zum Teil von den Sachsen erobert wurde. Allerdings gab es 738 einen Gau oder eine Provincia der "Borchtari" innerhalb des Frankenreiches. Neuansiedlung, geografische Bezeichnung, ist es das Brukterergebiet, dass nicht an die Sachsen fiel? Wieder eine Frage, die sich kaum beantworten lässt.

Ich war etwas überrascht, als ich in der französischen Wikipedia bei den "fränkischen" Stämmen nicht nur die Chatten erwähnt fand, sondern sogar die Cherusker.

Das ist ja das Problem. Es ist verführerisch und vielleicht noch nicht mal falsch, alle der gut bekannten Rhein-Weser-Germanen in Verbindung zu bringen mit Sachsen und Franken. Nur ist der Wissensgewinn oft nur gering. Übrigens gehen die Cherusker in der deutschen Wikipedia in den Sachsen auf: http://de.wikipedia.org/wiki/Cherusker
Ich denke, wenn es derart wenige Anhaltspunkte gibt, sollte man sich einfach mit der Aussage begnügen, dass z.B. die Cherusker das letzte Mal um 95 erwähnt werden und dann irgendwann nicht mehr existierten.

Finde ich prinzipiell gut; allerdings will ich nochmal sagen: für die Ethnogenese scheint der Begriff "Ribuarier" eigentlich anachronistisch, da erst auch späterer Überlieferung bekannt.

Ja, allerdings existiert der Begriff der "Francia Rinensis" durchaus relativ zeitnah.

Wie du es beschreibst, würde verständlich, warum sich dort der Begriff (Rex) für diese Position durchsetzte, mehr aber auch nicht; ich muß bei diesem Einwand aber auch zugebe, daß ich "Königsidee" also in einem etwas weiteren Sinne meine und will nochmal dazu bei Geary und Wolfram nachlesen.

Da würde ich auch noch mal nachschauen.
 
@ Ashigaru
Herzlichen Dank für deine Antwort; du hast dich echt schlau gemacht.
Schon dein Hinweis auf die Chatten-Diskussion im Zusammenhang mit den Franken hat mir beim Nachlesen in der Chronik der Deutschen, die 1983 das Auftauchen der Franken um 240 ansetzte und am Mittelrhein lokalisiert, ins Gedächtnis gerufen, daß solche Kenntniswiedergaben ja immer zeitgebunden sind.

Prinzipiell bin ich natürlich deiner Meinung, daß man bezüglich der kaiserzeitlichen Germanennamen vorsichtig sein muß; nur wenn aus sicherlich eben so begründeten Zweifel aufgrund nicht eindeutiger archäologischer Funde bestimmte Schlüsse nicht gezogen werden können, und dann auch die schriftlichen Überlieferungen immer zweifelhafter werden, folgt daraus nicht notgedrungen irgendwann Chronologiekritik? Dagegen spricht natürlich, daß die Forschung selbst gerade im Umbruch ist, wie die Diskussion Springers in der Literatur wohl anzeigt.

M. a. W.: Diskussion vertagt. Jetzt muß ich mich mal wieder schlau machen.
 
Prinzipiell bin ich natürlich deiner Meinung, daß man bezüglich der kaiserzeitlichen Germanennamen vorsichtig sein muß; nur wenn aus sicherlich eben so begründeten Zweifel aufgrund nicht eindeutiger archäologischer Funde bestimmte Schlüsse nicht gezogen werden können, und dann auch die schriftlichen Überlieferungen immer zweifelhafter werden, folgt daraus nicht notgedrungen irgendwann Chronologiekritik?

Na ja, es ist kein Zufall, dass Pseudowissenschaftler genau in den Bereichen wuchern, wo die Quellenlage schlecht ist. Da können sie ihre Theorien leichter einbringen. Was das frühmittelalterliche Europa betrifft, so ist die Quellenlage aber nicht überall gleich schlecht - dies gilt zum Beispiel für die politischen Geschehnisse im Kern des Merowingerreichs oder für Byzanz.
Ich bin übrigens nicht generell gegen die archäologische Interpretation. Sie hat auch viele nützliche Aussagen gebracht (z.B. Verbreitung der "Reihengräberzivilisation"). Aber in den vergangenen Jahren gab es gewichtige Einwände von Seiten der Historiker insbesondere in Bezug auf die ethnischen Interpretationen.
 
Ich hatte eigentlich gehofft, da mein Computer heute morgen beim Absenden des Beitrages Probleme bereitet, daß der Beitrag nicht gepostet wurde. Dumm gelaufen für mich: er ging doch raus, und so muß ich denn doch antworten auf deine Bemerkung dazu:

Na ja, es ist kein Zufall, dass Pseudowissenschaftler genau in den Bereichen wuchern, wo die Quellenlage schlecht ist. Da können sie ihre Theorien leichter einbringen. Was das frühmittelalterliche Europa betrifft, so ist die Quellenlage aber nicht überall gleich schlecht - dies gilt zum Beispiel für die politischen Geschehnisse im Kern des Merowingerreichs oder für Byzanz.

Wenn es da mal Theorien zu gäbe! Ich habe zwar nicht viel von Topper gelesen, aber seine Bemerkungen in einem Buch von 1999 waren leider viel zu überflächlich, um auch nur einen gewissen Ansatz für Kritik zu bieten. Und Illig hat sich ja gerade auf andere Jahrhunderte gestürzt. Mir kommt der Gedanke nur, seitdem ich über die Zweifelhaftigkeit der Historia Augusta gelesen habe. Aber sie ist ja nicht die einzige Quelle für das 3. Jahrhundert, um das es hier unter anderem eher geht - wie ich meine - als um das 5. und 6. Jahrhundert, für das die Franken ja mit eigenen Quellen aufwarten können. Im 5. Jahrhundert ist es nun einmal so, daß wir da schon fest etablierte Frankenherrschaften auf dem römischen Territorium haben. Es mag sein, daß dieser Zeit der ethnogenetische Prozeß noch nicht abgeschlossen ist, aber er war dann schon mutmaßlich - nach zeitgenössischer Auffassung schon mindestens 200 Jahre - in vollem Gange.
Aber ich gebe zu, daß es mir wäre lieber gewesen wäre, mein Gedanke wäre zufällig nicht im Thread angekommen!

Jetzt kurz zu der "Königsidee". Ich habe bei Geary & Wolfram nachgeschaut. Dort die verschiedensten Begriffe auf, die ja hinlänglich bekannt sein dürften, aber zum Teil nicht nur aus verschiedenen Sprachen, sondern eben auch verschiedenen Zeiten stammen, was das tiefere Verständnis zunächst erschwert. Der keltogermanische Begriff für König - "reiks" - stellt wohl das Äquivalent zu "rex" dar, der bei Gregor von Tours erst für Chlodwig (?) verwendet wird.... aber ich muß passen. Vielleicht weiß jemand mehr dazu, der sich da besser auskennt.

Ich bin übrigens nicht generell gegen die archäologische Interpretation. Sie hat auch viele nützliche Aussagen gebracht (z.B. Verbreitung der "Reihengräberzivilisation"). Aber in den vergangenen Jahren gab es gewichtige Einwände von Seiten der Historiker insbesondere in Bezug auf die ethnischen Interpretationen.

Ich werds erst zum ENde des Monats schaffen, die empfohlenen Bücher - sofern nicht ausgeliehen - in einer Bibliothek einzusehen oder auszuleihen. Und ich bin gespannt.
 
Verdammt, jetzt kann ich den Beitrag nicht ändern, obwohl die Möglichkeit günstig wäre, da noch niemand geantwortet hat. Nun mache ich es mit Selbstzitat.

Wenn es da mal Theorien zu gäbe! [/QUTOE]
Natürlich gibt es einen ambitionierten Theorieversuch im deutschsprachigen Web: Die RMNG, die ein intergatives chronologiekritisches Modell erarbeiten, mit dem Illig Kontakt plegte und dem Topper assoziert ist - allerdings ist dieser Theorieansatz etwas weitab jeglicher Diskussion der Ethnogenese der Franken.

Mir kommt der Gedanke nur, seitdem ich über die Zweifelhaftigkeit der Historia Augusta gelesen habe.
Um genau zu sein, auch wenn Illigs These bezüglich der Karolinger nicht haltbar ist, bin ich auf der Suche nach Phantomzeit von mehr oder weniger 300 Jahren, allerdings nicht im ganzen zusammenhängenden Stück. Insofern wäre ich ein solcher Laienhistoriker, Aber das sei nur bemerkt, ich bestehe nicht darauf und schließlich wäre das in einem anderen Thread zu diskutieren.

Im 5. Jahrhundert ist es nun einmal so, daß wir da schon fest etablierte Frankenherrschaften auf dem römischen Territorium haben. Es mag sein, daß dieser Zeit der ethnogenetische Prozeß noch nicht abgeschlossen ist, aber er war dann schon mutmaßlich - nach zeitgenössischer Auffassung schon mindestens 200 Jahre - in vollem Gange.

Ich habe mir Pohls "Germanen" (2004) gekauft und darin gestöbert. Er formuliert mit einem Böhme-Zitat, daß sich die fränkische Ethnogenese auf dem Boden des römischen Reiches vollzogen hätte, weshalb man ja auch in der Forschung die römischen Grundlagen des Merowingerreiches betone; gegenüber diesem Fazit im entsprechenden Abschnitt steht Pohls Eingehen auf die Vernachlässigung der vorhergehenden Zeit, in der die Franken ihren Schwerpunkt in der Germania hatten.
Allerdings Frage ich mich dann: welcher Begriff von Ethnogenese liegt dabei zugrunde? Ich meine, daß es sich beim Auftreten der Merowinger zwar auch um die fortgeschrittene Enthnogenese, aber noch vielmehr um die fränkische Staatenbildung handelt.

zu der "Königsidee". Ich habe bei Geary & Wolfram nachgeschaut. Dort die verschiedensten Begriffe auf, die ja hinlänglich bekannt sein dürften, aber zum Teil nicht nur aus verschiedenen Sprachen, sondern eben auch verschiedenen Zeiten stammen, was das tiefere Verständnis zunächst erschwert.

Tatsächlich scheint in römischen Quellen der Antiken keine einziges Königtum über eine Generation bestand gehabt zu haben, auch nicht das der Ampsivarier oder Brukterer, deren Erbe im fränkischen Stamm ich hypothetisiert habe. Insofern ist das Königtum der Franken gänzlich anders zu erklären.
Oder scheint die Königsidee eher eng mit den Merowingern in Verbindung zu stehen? Aber vieleicht wäre das eher im Merowinger-Thread zu diskutieren.
 
Mir kommt der Gedanke nur, seitdem ich über die Zweifelhaftigkeit der Historia Augusta gelesen habe. Aber sie ist ja nicht die einzige Quelle für das 3. Jahrhundert, um das es hier unter anderem eher geht - wie ich meine - als um das 5. und 6. Jahrhundert, für das die Franken ja mit eigenen Quellen aufwarten können.

Eben. Sie ist nicht nur nicht die einzige historiografische Quelle, sondern es gibt zusätzlich noch Inschriften und Münzfunde. Das 4. und sogar Bereiche des 5. Jahrhunderts gelten sogar als mit die quellenreichsten (jetzt nur von den Schriftquellen) Epochen der römischen Geschichte.

allerdings ist dieser Theorieansatz etwas weitab jeglicher Diskussion der Ethnogenese der Franken.

Was das römische Reich betrifft, fallen mir die vollkommen absurden und außerhalb jeder ernsthaften Diskussion stehenden Theorien von Geise, Topper und Pfister ein.

Ich habe mir Pohls "Germanen" (2004) gekauft und darin gestöbert. Er formuliert mit einem Böhme-Zitat, daß sich die fränkische Ethnogenese auf dem Boden des römischen Reiches vollzogen hätte ... Ich meine, daß es sich beim Auftreten der Merowinger zwar auch um die fortgeschrittene Enthnogenese, aber noch vielmehr um die fränkische Staatenbildung handelt.

Na ja, das ist ja so die ethnogenetische Kernfrage bzgl. der Franken. Ich denke auch, dass wesentlich früher, allerdings um 300 oder nicht weit davor, schon Franken gegeben hat bzw. die Römer am Rhein mit diesem Begriff etwas anzufangen wussten. Allerdings sind m.E. die Franken zum großen Teil früher romanisiert worden als andere germanische Völker. Im späten 4. Jahrhundert wurden alemannische Offiziere im römischen Heer zunehmend durch Franken verdrängt. Ich gehe davon aus, dass nach der Eroberung Kölns um 455 die Mehrzahl der Franken bereits links des Rheins sitz.

Als Chlodwig sich an die Gründung seines Reiches machte, operierte er schon von Nordgallien aus. Auch sein Vater Chilperich oder der Rivale der Merowinger, der comes Arbogast, saßen längst links des Rheins. Als Chlodwig und später seine Söhne gegen die Alemannen und Thüringer kämpfen, ist es eine Expansion nach Osten.
 
Eben. Sie ist nicht nur nicht die einzige historiografische Quelle, sondern es gibt zusätzlich noch Inschriften und Münzfunde. Das 4. und sogar Bereiche des 5. Jahrhunderts gelten sogar als mit die quellenreichsten (jetzt nur von den Schriftquellen) Epochen der römischen Geschichte.

Du magst ja recht haben; aber wie sieht es denn da mit dem 3. Jahrhundert aus? Es ist nun einmal so, und das stellst du ja auch im Zusammenhang der "ethongenetischen Kernfrage" fest:
Ich denke auch, dass wesentlich früher, allerdings um 300 oder nicht weit davor, schon Franken gegeben hat bzw. die Römer am Rhein mit diesem Begriff etwas anzufangen wussten. Allerdings sind m.E. die Franken zum großen Teil früher romanisiert worden als andere germanische Völker. Im späten 4. Jahrhundert wurden alemannische Offiziere im römischen Heer zunehmend durch Franken verdrängt. Ich gehe davon aus, dass nach der Eroberung Kölns um 455 die Mehrzahl der Franken bereits links des Rheins sitz. [...]

Mich beschleicht der Verdacht, daß man definitiv zwischen zweierlei "Franken" unterscheiden muß - in Analogie zur systematischen Unterscheidung zwischen den von Caesar links und rechts des Rheins genannten "Germanen", die auch so hießen, und der erweiterten Verwendung des Germanenbegriffs beispielsweise für die ihm ebenfalls bekannten Sueven.: den frühen (rechtsrheinischen) Franken und den (späteren) Reichsfranken, wobei es Übergänge geben mag, aber eben auch Brüche. Mir liegt eigentlich zunächst an den der Entwicklung der frühen Franken.


Was das römische Reich betrifft, fallen mir die vollkommen absurden und außerhalb jeder ernsthaften Diskussion stehenden Theorien von Geise, Topper und Pfister ein.

Ich kenne einen Ansatz dabei eigentlich nur indirekt durch oben genannte Gruppe und durch Illig: die Evidenztheorie von Heinsohn als eventuell ernstzunehmenden.

Aber das führt wirklich von den Franken weg. Oder hast du sogar das Bedürfnis über die absurden Thesen - aber dann bitte in Bezug zur hier gestellten Frankenfrage - zu diskutieren?
 
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