War der Versailler Vertrag überhaupt eine "Strafe"? In Deutschland wurde er ja als "karthagischer Straffriede" wahrgenommen mit dem Ziel einer dauerhaften Schwächung Deutschlands. Doch traf diese Wahrnehmung auch zu?
Wie sie richtig feststellen, wurden die Pariser Vorortverträge von den Angehörigen aller Parteien und von der überweigenden Mehrheit der Deutschen als Knebelvertrag wahrgenommen.
Ist es denn wahrscheinlich, daß 80 Mio. Menschen eines Volkes u n d fast seine gesamten Vertreter aller Parteien einer Falscheinschätzung aufgesessen sind ?
Der Versailler Vertrag schwächte das Reich, aber er zerstörte es nicht. Die Reichseinheit blieb erhalten. "(...) Trotz seiner momentanen Härte (bot er) auf längere Sicht eine Reihe von Möglichkeiten für eine konstruktive deutsche Außenpolitik und für den Wiederaufstieg Deutschlands zu einer geachteten Großmacht" (Klaus Schwabe (Hrsg.), Quellen zum Friedensschluss von Versailles, S. 35). "Für eine kluge, besonnene und geduldige deutsche Politik, die für unseren Staat nichts anderes erstrebte, als ihn zur friedenssichernden Mitte Europas zu machen, eröffneten sich - auf lange Sicht gesehen - die besten Chancen" (Gerhard Ritter zum Versailler Vertrag - zitiert nach Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich, 1995, S. 410).
Schwabe/Ritter/Hildebrand sind das eine Ende der Scala. Da gibt es (natürlich) auch ganz andere Auffassungen.
Es gab Gebietsgewinne für fast alle heutigen Nachbarstaaten Deutschlands und Millionenheere mit Luftwaffe, Kanonen und Tanks in diesen Nachbarstaaten und es gab die Bereitschaft, diese Heere marschieren zu lassen, was auch geschehen ist.
Nach einer " friedensichernden Mitte Europas" sah das nicht aus, wohl eher nach Leichenfledderei.
Als die Franzosen im Zuge der Ruhr-Krise (1923) versuchten, diese im Versailler Vertrag angelegte Entwicklungsmöglichkeit zu kappen und Deutschland durch seine Zerstückelung als künftige Großmacht auszuschalten ("Super-Versailles"), erschien der Versailler Vertrag durchaus in einem positiven Licht: Stresemann konnte die von Frankreich betriebene Revision des Versailler Vertrags mit seinem "Beharren auf Versailles" verhindern.
Der Wahrheit die Ehre: Stresemann konnte wirklich nichts verhindern, die Engländer verhinderten (Gleichgewicht der Kräfte).....
In der heutigen Geschichtsforschung wird der Versailler Vertrag deutlich positiver eingeschätzt.
Was Wunder; die Stimmungen der damaligen Zeit sind natürlich weg, die Not natürlich auch. Wer weiß, vieleicht ist's in noch einmal fünfzig Jahren geradezu ein Segen ?
Dabei werden nicht nur die Schwierigkeiten der Friedensmacher berücksichtigt, sich überhaupt auf einen Friedensvertrag einigen zu können (Druck der Öffentlichkeit, Interessengegensätze, etc.). Es wird auch anerkannt, dass der Versailler Vertrag den Deutschen eine Reihe von Chancen bot, die letztlich dadurch verpasst wurden, dass sich diese einem Abenteurer in die Brust warfen
Naja, das war doch einige -hungrige- Jahre später.(vgl. Gottfried Niedhart, Die Aussenpolitik der Weimarer Republik, in: Lothar Gall (Hrsg.), Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 53, 1999, S. 70 ff.).
Machen wir es kürzer: Es wäre gut gewesen, sein Wort nicht zu brechen und die vierzehn Punkte des Präsidenten Wilson tatsächlich so umzusetzen wie es den Deutschen versprochen worden war.
Kleine Bemerkung am Rande: die "verpassten Chancen" beginnen freilich schon mit der deutschen Ablehnung bilateraler Verhandlungen, was wenig bekannt ist. Das ursprüngliche Konzept der Alliierten sah vor, sich zunächst einmal intern auf einen Friedensvertragsentwurf zu einigen und dann in einer zweiten Verhandlungsrunde mit den Deutschen über diesen Entwurf zu verhandeln. Im Laufe der alliierteninternen Verhandlungen zeigte sich dann aber, dass es den Alliierten nur unter größten Schwierigkeiten gelingen wird, sich intern auf einen Entwurf zu einigen, und dass es infolgedessen sehr unwahrscheinlich sein wird, das intern nur unter größten Anstrengungen gefundene Vertragspacket in einer zweiten Verhandlungsrunde, die mit den Deutschen geführt werden sollte, wieder aufzuschnüren. Man erkannte auf Seite der Alliierten durchaus das Problem, das die Deutschen in diesem Fall nur geringe Einflussmöglichkeiten auf das Vertragswerk haben werden. Deshalb bot man ihnen an, die Verhandlungen der Alliierten bilateral zu begleiten. Die Deutschen sollten nicht mit am Verhandlungstisch sitzen, aber man sollte mit ihnen, über die Themen bilateral sprechen können, die bei den Verhandlungen gerade besprochen wurden. Der deutsche Außenminister Brockdorf-Rantzau lehnte diesen Vorschlag kategorisch ab. Er bestand auf der "zugesagten" zweiten Verhandlungsrunde. Er erhoffte sich, die Alliierten in dieser Verhandlungsrunde spalten zu können, um somit den Weg für einen günstigeren Friedensschluß zu ebnen. Nur hatte er da die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die zweite Verhandlungsrunde fand zwar statt, aber in einer bis dahin nicht gekannten Form: den Deutschen wurde lediglich gestattet innerhalb einer Frist, schriftliche Stellungnahmen zum Friedensvertragsentwurf abzugeben; mündliche Verhandlungen wurden abgelehnt. Die Prognose, dass der deutsche Einfluß gering sein wird, erfüllte sich. Wie es hätte kommen können, wenn sich die deutsche Seite bei den angebotenen bilateralen Verhandlungen konstruktiv gezeigt hätte, ob es ihr möglich gewesen wäre, wenigstens bei der Erörterung der Verfahrensfragen mit am Konferenztisch zu sitzen und dann - der größeren Praktikabilität wegen - auch bei den eigentlichen Verhandlungen, wird man freilich nie erfahren.
Auch hier gebe ich ihnen Recht. Das ursprüngliche Konzept der Alliierten sah vor ! Ach, der Pläne waren so viele.....
Foch war der Auffassung, dass der Versailler Vertrag gegenüber Deutschland viel zu milde war und dass es deshalb in 20 Jahren zu einem neuen, von den Deutschen vom Zaun gebrochenen Krieg kommen wird.
Es hätte mich auch gewundert, wenn Foch der Auffassung gewesen wäre, daß von Frankreich ein Krieg vom Zaun gebrochen wird.
Ansonsten gute Arbeit, weiter so.