"haud procul" und seine Bedeutung bei Tacitus

"Kürzlich" ist wieder einmal so ein dehnbarer Begriff...

Exakt.
Das betreffende Wort im Original ist nuper, welches übrigens, wenn man es z.B. einmal durch einen Translator Latin->English schickt, zum Wort kürzlich ähnlich "aussagekräftige" Resultate bringt wie "not long ago" oder "recently": das kann je nach situativer Verwendung (gemeint ist damit die, welche dem Verfasser dabei in den Sinn kam und nicht dem Leser!) von gestern bis ist noch kein Jahr her beinahe alles sein...
 
Exakt.
Das betreffende Wort im Original ist nuper, welches übrigens, wenn man es z.B. einmal durch einen Translator Latin->English schickt, zum Wort kürzlich ähnlich "aussagekräftige" Resultate bringt wie "not long ago" oder "recently": das kann je nach situativer Verwendung (gemeint ist damit die, welche dem Verfasser dabei in den Sinn kam und nicht dem Leser!) von gestern bis ist noch kein Jahr her beinahe alles sein...


Langsam schält er sich heraus, der neue Thread. Durch den Nebel glaube ich seinen Namen erkennen zu können:

"nuper" und seine Bedeutung bei Tacitus
 
Von der Küste aus sind jedenfalls keine Feldzüge in das Innere Germaniens hinein vorgetragen worden. Dazu brauchten die Römer nämlich massenhaft Versorgungsgüter. Die kamen überwiegend aus Gallien und ließen sich über die Lippe viel leichter nach Germanien hineinschaffen als über eine rund 1000 Kilomter lange Route über den Rhein, die Nordsee und dann über die Ems, die Weser oder die Elbe. Nur Germanicus hat zweimal diesen Umweg gewählt, um seinen empfindlichen Tross ungefährdet tief ins Feindesland zu bringen.

Du irrst dich. In Anbetracht dessen, dass dir die Hist. Romana des V.Paterculus offensichtlich unbekannt ist, trägst du deine Thesen mit erstaunlicher Selbstsicherheit vor.

Dort ist nämlich zum Tiberiusfeldzug des Jahres 5 n.Chr. zu lesen:

„Ja es geschah schließlich, was man niemals zuvor zu hoffen gewagt, geschweige denn versucht hatte: Ein römisches Heer wurde mit seinen Feldzeichen 400 Meilen vom Rhein aus bis zum Fluss Elbe geführt, der durch das Gebiet der Semnonen und Hermunduren fließt. Und dem bewunderswerten Glück wie der Vorsorge des Feldherrn sowie seiner genauen Beobachtung der Jahreszeiten war es zu danken, dass sich ebendort die Flotte wieder mit Tiberius Caesar und seinem Heer vereinigte. Sie war die Meeresbuchten entlanggesegelt, war aus diesem zuvor völlig unbekannten Meer in den Elbefluss hinein und stromaufwärts gefahren und brachte außer Siegen über zahlreiche Volksstämme auch eine reiche Fülle von Lebensmitteln aller Art mit.“
(V. Paterculus, Hist. Romana, II.,106)


Über groß angelegte Eroberungsfeldzüge an der Nordseeküste steht in den Quellen nichts.

Auch da irrst du dich. Die Chauken unterwarfen sich Tiberius im Jahre 4 n.Chr. und auch die Langobarden wurden im Verlaufe dieses Feldzugs besiegt. (V. Paterculus, Hist. Romana, II.,106, 1)

Bitte lies doch erst einmal gründlich die Quellen und argumentiere DANACH. :winke:
 
Ich hab mal eine Frage an die Lateinspezialisten hier:

Worauf bezieht sich das haud procul eigentlich? Von hier wurde das Heer in die entlegensten Teile des Bruktererlandes geführt und alles Gebiet zwischen Ems und Lippe verwüstet, nicht weit vom T.W., ...

Auf das Gebiet zwischen Ems und Lippe oder auf die entlegensten Teile des Bruktererlandes?

In meiner lateinischen Ausgabe steht das ganze so:

ductum inde agmen ad ultimos Bructerorum, quantumque Amisiam et Lupiam amnes inter vastatum, haud procul Teutoburgiensi saltu, in quo...

Kann man allein vom lateinischen her sagen, worauf sich das bezieht? Von der Kommasetzung her würde ich ja sagen, dass die Sache mit Ems und Lippe ein Einschub ist, den man auch weglassen könnte, ohne den Sinn des Satzes zu verändern, dass es sich damit also auf die entlegensten Gebiete beziehen würde. Allerdings meine ich in Erinnerung zu haben, dass die Kommas nicht original sind, sondern von den Herausgebern eingefügt wurden?

Also, kann man aufgrund des lateinischen Textes eigentlich entscheiden, was nicht weit weg vom saltus t. war? Das Gebiet von Lippe und Ems oder die entlegensten Gebiete der Brukterer?
 
Auch J-S. Kühlborn weist darauf hin, dass es „Schwierigkeiten“ seitens der althistorischen Forschung bezüglich der Kalkriese-Varusschlacht-These gibt.

„So stellt sich die grundsätzliche und bislang nicht eingehend erörterte Frage, ob sich feinchronologisch das Münz- und sonstige Fundspektrum des Haltern-Horizontes überhaupt von dem der Germanicuszeit unterscheiden lässt. Damit steht und fällt die Deutung des Fundplatzes Kalkriese als Örtlichkeit der Varusschlacht, ganz abgesehen von den sich aus dieser Identifizierung ergebenden Schwierigkeiten, auf die in erster Linie Vertreter der althistorischen Forschung aufmerksam gemacht haben.“

J.S. Kühlborn: Frühe Germanienpolitik. Die Feldzüge unter Augustus und Tiberius in Nordwestdeutschland. in: Wamser, Ludwig (Hrsg.). Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer“, München, 2004, S.33
 
Lesen wir weiter, was in der althistorischen Forschung zu diesem Thema geäußert wird:

„Laut Neubourg (1887,14), John (1963,935) und Petrikovits (1966, 179 Anm.20) meint Tacitus mit „haud procul“ grundsätzlich eine kleine Entfernung von drei bis vier Stunden Fußmarsch (dagegen weniger überzeugend Zangemeister 1887, 245 f.); während Timpe (1993,25) zuzustimmen ist, wenn er meint „sicherlich liegt es nicht gerade nahe, damit den Nordabhang des Wiehengebirges („Kalkriese“, Anm. d. Verf.) bezeichnet zu finden“. Ähnlich urteilen im Endeffekt Knoke (1887, 142;192 194) Wilisch (1909,347), Koestermann (1957,442, 1963,209).(…), John (1963,955), Norkus (1976,75) und Lehmann (1990,154 Anm.36; 158).

Peter Kehne, Vermarktung contra Wissenschaft: Kalkriese und Versuch zur Vereinnahmung der Varusschlacht, in: Die Kunde, Band 54, 2003, S. 105


Timpe, Dieter 1993: Geographische Faktoren und politische Entscheidungen in der Geschichte der Varuszeit. In R.Wiegels/W.Woesler: Arminius und die Varusschlacht. Geschichte-Mythos-Literatur. Paderborn-München-Wien-Zürich 1995, S.13-27
 
Was hat das (Beitrag 11:52) mit der Frage des haud procul zu tun? Wäre dieser Beitrag nicht besser aufgehoben in: Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft? Und da verweise ich mal auf Beitrag 877, der eine aktuellere Forschungsmeinung zum Thema der Münzen enthält.

Um sich Gedanken darüber machen zu können, was 'nicht weit' ist, wäre es erst einmal sinnvoll sich Gedanken darüber zu machen, wo denn Germanicus wirklich gewesen ist. Zwingend ist es nämlich nicht, dass er sich an der Lippe aufgehalten hat, als ihn das Verlangen überkam.
 
Zuletzt bearbeitet:
El Quijote hat dankenswerter Weise auf eine weitere Vröffentlichung von Timpe hingewiesen, der zu entnehmen ist:

„Die Bestimmung des Schlachtortes durch die Nähe zum Oberlauf von Ems und Lippe und dem Grenzgebiet der Brukterer (Tac, ann, I, 60, 3) war in dem städtelosen Land nicht nur die einzig mögliche, sondern verrät bereits die Absicht der Präzisierung.“

Dieter Timpe, Röm-Germ. Begegnung in der späten Republik und frühen Kaiserzeit, München, Leipzig 2006, S.431
 
Was hat das (Beitrag 11:52) mit der Frage des haud procul zu tun? Wäre dieser Beitrag nicht besser aufgehoben in: Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft? Und da verweise ich mal auf Beitrag 877, der eine aktuellere Forschungsmeinung zum Thema der Münzen enthält.

Gab es Schwierigkeiten beim Verständnis des Textes?

Dann noch einmal:
„So stellt sich die grundsätzliche und bislang nicht eingehend erörterte Frage, ob sich feinchronologisch das Münz- und sonstige Fundspektrum des Haltern-Horizontes überhaupt von dem der Germanicuszeit unterscheiden lässt. Damit steht und fällt die Deutung des Fundplatzes Kalkriese als Örtlichkeit der Varusschlacht, ganz abgesehen von den sich aus dieser Identifizierung ergebenden Schwierigkeiten, auf die in erster Linie Vertreter der althistorischen Forschung aufmerksam gemacht haben.“

J.S. Kühlborn: Frühe Germanienpolitik. Die Feldzüge unter Augustus und Tiberius in Nordwestdeutschland. in: Wamser, Ludwig (Hrsg.). Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer“, München, 2004, S.33

Ist es nun klar geworden? :winke:
 
Ich hab mal eine Frage an die Lateinspezialisten hier:

Worauf bezieht sich das haud procul eigentlich? Von hier wurde das Heer in die entlegensten Teile des Bruktererlandes geführt und alles Gebiet zwischen Ems und Lippe verwüstet, nicht weit vom T.W., ...

Auf das Gebiet zwischen Ems und Lippe oder auf die entlegensten Teile des Bruktererlandes?

In meiner lateinischen Ausgabe steht das ganze so:

ductum inde agmen ad ultimos Bructerorum, quantumque Amisiam et Lupiam amnes inter vastatum, haud procul Teutoburgiensi saltu, in quo...

Kann man allein vom lateinischen her sagen, worauf sich das bezieht? Von der Kommasetzung her würde ich ja sagen, dass die Sache mit Ems und Lippe ein Einschub ist, den man auch weglassen könnte, ohne den Sinn des Satzes zu verändern, dass es sich damit also auf die entlegensten Gebiete beziehen würde. Allerdings meine ich in Erinnerung zu haben, dass die Kommas nicht original sind, sondern von den Herausgebern eingefügt wurden?

Also, kann man aufgrund des lateinischen Textes eigentlich entscheiden, was nicht weit weg vom saltus t. war? Das Gebiet von Lippe und Ems oder die entlegensten Gebiete der Brukterer?


Als Lateinexperte würde ich mich zwar nicht bezeichnen wollen, habe aber lange Jahre (liegt allerdings viele Jahre wieder zurück) diese Sprache gelernt:

Zunächst einmal sind die Kommata (wie auch Punkte und Leerzeichen zwischen den Wörtern) eine "Erfindung" späterer Generationen. Aber was zwischen quantumque und vastatum steht, kann man schon als Einheit betrachten. Das "haud procul etc." steht aber für sich. Die deutsche Übersetzung folgt da sprachlich schon sehr dem lateinischen Original. Ein direkter, grammatikalischer Bezug auf die "ultimos Bruc." bzw. Gebiet zwischen Ems und Lippe ist da nicht vorhanden.

Hier im Thread war da doch (zwei oder drei Seiten zurück) ein interessanter Vergleich:

Wenn ich in München bin, bin ich nicht weit von den Alpen, wo das Matterhorn ist. Das heißt aber nicht, daß ich in München auch nahe am Matterhorn mich befinde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier im Thread war da doch (zwei oder drei Seiten zurück) ein interessanter Vergleich:

Wenn ich in München bin, bin ich nicht weit von den Alpen, wo das Matterhorn ist. Das heißt aber nicht, daß ich in München auch nahe am Matterhorn mich befinde.


Dieser Vergleich war leider nicht sehr geistreich (ebenso wie Vergleiche zum Erzgebirge o.ä.)
Dieser Vergleich unterschlägt, dass Germanicus das Schlachtfeld auch tatsächlich aufsuchte (sofern man Tacitus Glauben schenken darf).
(Schreibt mal einen solchen Vergleich in eine wissenschaftliche Arbeit.....)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Aber was zwischen quantumque und vastatum steht, kann man schon als Einheit betrachten. Das "haud procul etc." steht aber für sich. Die deutsche Übersetzung folgt da sprachlich schon sehr dem lateinischen Original.
Da muss ich dennoch nochmal nachfragen. Bezieht sich das haud procul auf das Gebiet Lippe/Ems oder auf die entlegensten Gebiete der Brukterer oder kann man es rein vom sprachlichen her nicht entscheiden, ist beides gleich gut möglich?

Und Nicole: Du stellst Fragen zu Münzen und sonstigen Funden aus Kalkrise. Die sind hier einfach im falschen thread, da es hier doch um die Frage des haud procul gehen soll.

Und ob jetzt ein Ort noch haud procul ist oder nicht, kann ich erst entscheiden, wenn ich mir Gedanken darüber mache, wo denn Germanicus gewesen ist. Deswegen die Frage danach, wie man das lateinische hier genau bewerten muss.

Denn vom militärischen Aspekt her macht ein Zug an die Lippe eigentlich kaum einen Sinn. Was hätte Germanicus da noch tun sollen? Die Brukterer waren durch Stertinius vertrieben, das Land schon verwüstet. Bewegungstherapie für 8 Legionen?
 
Dieser Vergleich war leider nicht sehr geistreich (ebenso wie Vergleiche zum Erzgebirge o.ä.)
Dieser Vergleich unterschlägt, dass Germanicus das Schlachtfeld auch tatsächlich aufsuchte (sofern man Tacitus Glauben schenken darf).
Dieser Vergleich war sehr gut, weil wir uns viel zu lange darauf konzentriert haben, ob Kalkriese nicht weit von diesem oder jenem Punkt entfernt waren und dabei vergessen haben, dass Tacitus nicht das geringste über die Entferung zum Schlachtfeld (hier: München - Matterhorn) schreibt, sondern nur über die Entferung zum saltus t. (hier: München - Alpen).
 
Die Beiträge ab #345 sollten eigentlich jedem zeigen, dass die althistorische Forschung gelinde gesagt "Schwierigkeiten" hat, die Kalkriese-Varusschlacht-These und die geographischen Angaben des Tacitus in Einklang zu bringen.
Genau das versuche ich seit etwa 100 Beiträgen zu zeigen.
 
Und Nicole: Du stellst Fragen zu Münzen und sonstigen Funden aus Kalkrise. Die sind hier einfach im falschen thread, da es hier doch um die Frage des haud procul gehen soll.

Entschuldige bitte, tela, aber langsam habe ich den Verdacht, du hast ganz allgemein Probleme mit dem Verständnis von Texten (oder tust zumindest so, wenn es dir passt).
Nocheinmal zur Erklärung: Kühlborn spircht von der ungelösten Problematik des Münzspektrums UND von den Schwierigkeiten in der althistorischen Forschung. Das geht aus der Formulierung "ganz abgesehen von" hervor.

„So stellt sich die grundsätzliche und bislang nicht eingehend erörterte Frage, ob sich feinchronologisch das Münz- und sonstige Fundspektrum des Haltern-Horizontes überhaupt von dem der Germanicuszeit unterscheiden lässt. Damit steht und fällt die Deutung des Fundplatzes Kalkriese als Örtlichkeit der Varusschlacht, ganz abgesehen von den sich aus dieser Identifizierung ergebenden Schwierigkeiten, auf die in erster Linie Vertreter der althistorischen Forschung aufmerksam gemacht haben.“

J.S. Kühlborn: Frühe Germanienpolitik. Die Feldzüge unter Augustus und Tiberius in Nordwestdeutschland. in: Wamser, Ludwig (Hrsg.). Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer“, München, 2004, S.33
 
Entschuldige bitte, tela, aber langsam habe ich den Verdacht, du hast ganz allgemein Probleme mit dem Verständnis von Texten (oder tust zumindest so, wenn es dir passt).

Danke!

Nocheinmal zur Erklärung: Kühlborn spircht von der ungelösten Problematik des Münzspektrums UND von den Schwierigkeiten in der althistorischen Forschung.

Und was hat das mit der Frage nach haud procul zu tun? Deine letzten Beiträge wären im Thread über die Zweifel an Kalkriese besser aufgehoben als im thread über Tacitus. Denn deine Zitate beziehen sich auf Kritik an Kalkriese allgemein. Damit hättest du dir deine obige beleidigende Äußerung sparen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Beiträge ab #345 sollten eigentlich jedem zeigen, dass die althistorische Forschung

was verbirgt sich unter 'die althistorische Forschung'? Sollte es nicht besser heißen: Es gibt manche Althistoriker, die... Was bringen eigentlich solche Verallgemeinerungen?
gelinde gesagt "Schwierigkeiten" hat, die Kalkriese-Varusschlacht-These und die geographischen Angaben des Tacitus in Einklang zu bringen.
Genau das versuche ich seit etwa 100 Beiträgen zu zeigen.

Und wollen wir hier einfach nur blind die Probleme der althistorischen Forschung wiederkäuen (was nicht sonderlich sinnvoll ist) oder uns auch eigenständig Gedanken machen?
 
Nocheinmal zur Erklärung: Kühlborn spircht von der ungelösten Problematik des Münzspektrums UND von den Schwierigkeiten in der althistorischen Forschung.


Und was hat das mit der Frage nach haud procul zu tun?


Meine Güte!! :motz:
Mit „haud procul“ haben sich schon einige vor uns befasst!!
Einen kleinen Einblick in die Schwierigkeiten, die sich einigen Vertretern der Althistorik dabei gestellt haben, zeigt Beitrag # 348 (mit besonderem Hinweis auf das fettgedruckte).
 
Ich hatte mich auf den Beitrag über die Probleme der Münzen bezogen, aber egal. Es bringt ja sowieso nichts.
 
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