Sind die Slawen in Wirklichkeit Ostgermanen?

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Ich möchte doch gerne mal erläutert haben, welche genetischen Merkmale du aufgrund einer ethnischen Zugehörigkeit meinst erkennen zu glauben. Ebenso interessiert mich, was für dich kulturelle Merkmale von Menschen sowie gebietsrechtliche Merkmale von Menschen sind. Und auch der Begriff "Sippengenetik".


Ethnische Zugehörigkeit:

Ethnische Zugehörigkeit bezeichnet alle Merkmale, die einen Menschen oder eine Gruppe für die Mehrheitsbevölkerung als fremd erscheinen lassen, wie (Mutter)sprache, Hautfarbe, Kultur, Sitten oder Religion.
Klagsverband » Ethnische Zugehörigkeit/Herkunft

............ (Ethnologen) fassen mit diesem Begriff benannte Populationen von Menschen zusammen ...........
Ethnie – Wikipedia

Sippengenetische Verwandtschaftsbeziehungen:

wenn mehrere Familien, untereinander verwandter Stammhalter dann als Sippe eine Gemeinschaft bilden. (teilweise bei größeren Gemeinschaften heute noch bei Roma und Sinti anzutreffen)

auch:
Die Soziobiologie ist ein strikt evolutionsbiologisch orientierter Zweig der Verhaltensbiologie, der in den 1940er-Jahren in den USA begründet wurde. Sie erforscht die biologischen Grundlagen jeglicher Formen des Sozialverhaltens bei allen Arten von sozialen Organismen einschließlich des Menschen. Der Begriff Soziobiologie wurde 1975 durch Edward Osborne Wilson in seinem Werk „Sociobiology - The New Synthesis“ geprägt.
Soziobiologie – Wikipedia

Kulturelle Merkmale

(näher darauf einzugehen sprengt den Rahmen)

Kultur

(zu Lateinisch cultura, „Bearbeitung“, „Pflege“, „Ackerbau“, von colere, „wohnen“, „pflegen“, „den Acker bestellen“) ist im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Kulturleistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der Technik, der Bildenden Kunst, aber auch geistiger Gebilde wie etwa im Recht, in der Moral, der Religion, der Wirtschaft und der Wissenschaft. .........

Kultur – Wikipedia

u.a.:
http://www.sozialwiss.uni-hamburg.d...in/reckwitz/pdf/2004Kultur_und_Kontingenz.pdf


Gebietsrechtliche Merkmale:

Landes- Grenzen, Staatsgrenzen, autonome Gebiete, Schutzgebiete von Naturvolksgruppen, u.s.w.
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viele der genannten Gebiete/Disziplinen überlagern sich, oder werden differenziert betrachtet.
 
Rechtsbegriffe?
Damit kann ich im Zusammenhang mit Sprachgruppen gar nichts anfangen.


Deine weiteren Ausführungen über die Zuordnung von Einzelpersonen durch Reisepass, damit ist sicher die Staatsangehörigkeit gemeint, kann ich teilweise nachvollziehen.
So richtig klar ist mir aber nicht, das durch die alten Ägypter drastisch werdende Problem. Die hatten doch gar keins, wie du auch sagst.
Haben nicht viel mehr die Leute ein Problem, die "völkische" Zugehörigkeiten über Sprache und Aussehen definieren wollen.

Rechtbegriff ist immer mit Sprache verbunden; denn rechtbegriffliche Grundlagen in einer menschliche Gemeinschaft (als jeweiliger Codex) setzten eine Amtssprache in Vorrausetzung der linguistischen Festsetzung der Aussprache in Anwendung auch wenn in einem Staat mehrere Sprachen gesprochen werden, voraus (u.a. Latein als übergeordneter Sprachbegriff im christlichen Rechtsraum).

Und die (alten) Ägypter hatten riesige Probleme damit: siehe „Hyksos“ (-Hirtenkönige, Herrschaft der Fremdländer, auch Herrschaft der Fremden) in weiterer Folge persische, griechische und römische Besatzer als Pharaonen Ägypten regierten und ausbeuteten.
 
Zum Kern der Fragestellung

Ich frage mich, ob die Fragestellung einfach etwas unglücklich ist: Wenn wir nicht fragen ob es die Slawen gab ODER sie Ostgermanen sind sondern fragen, ob die Slawen, deren Existenz zu bezweifeln mir wenig sinnvoll erscheint, Ostgermanen sind, wird vielleicht ein Schuh draus.

Mir scheint doch weitgehend Einigkeit darüber zu herrschen, dass die Gruppe der slawischen Völker/Sprachen existiert. Es wurde gefragt, ob sie slawisch heissen soll. Das ist nur eine Frage der Bezeichnung.

Zudem scheint doch auch Einigkeit zu herrschen, dass sich die slawischen Sprachen erheblich von einer Gruppe germanischer Sprachen unterscheiden, zu denen Deutsch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, Niederländisch gehören.

Desweiteren scheint Einigkeit darüber zu bestehen, dass die Gruppe der slawischen Sprachen mit dieser germanischen Sprachgruppe verwandt ist.

Bleibt also die Frage nach dem Verwandtschaftsgrad.

Ob man nun die Astgabel, wo beide noch zusammen sind germanisch nennt oder dafür einen anderen Namen verwendet ist dann eine weitere Frage.
 
Ich frage mich, ob die Fragestellung einfach etwas unglücklich ist: Wenn wir nicht fragen ob es die Slawen gab ODER sie Ostgermanen sind sondern fragen, ob die Slawen, deren Existenz zu bezweifeln mir wenig sinnvoll erscheint, Ostgermanen sind, wird vielleicht ein Schuh draus.

Diese Frage müsste man aber genauso mit "Nein!" beantworten. Slawen sind eben Slawen, Ostgermanen sind Germanen. Was macht einen Ostgermanen aus? Ein Ostgermane ist jemand, dessen Muttersprache das Germanische ist und der relativ weit östlich wohnt, so wie z.B. die Vandalen, die in Schlesien lebten oder die Goten die von der Weichselmündung zum Schwarzen Meer zogen. Von den Vandalen haben wir nur einen Satz überliefert, dafür aber ein ganzes Bündel an - zweifellos germanischen - Namen, von den Goten besitzen wir eine ganze Bibel. Eine andere Frage ist, ob Germanen zu Slawen wurden und Slawen zu Germanen. Dies sind Prozesse die mit einiger Sicherheit stattgefunden haben, vielfach sogar nachvollziehbar sind.


Desweiteren scheint Einigkeit darüber zu bestehen, dass die Gruppe der slawischen Sprachen mit dieser germanischen Sprachgruppe verwandt ist.

Bleibt also die Frage nach dem Verwandtschaftsgrad.

Ob man nun die Astgabel, wo beide noch zusammen sind germanisch nennt oder dafür einen anderen Namen verwendet ist dann eine weitere Frage.

Die Verwandtschaft des Germanischen mit den Slawischen ist äußerst weitläufig. Zwar wird heute die frühere Einteilung der indoeuropäischen Sprachen in Satem- und Kentumsprachen* von den meisten Linguisten abgelehnt, aber es ist bezeichnend, dass man die germanische Sprachgruppe den Kentumsprachen zuordnete, während man die slawische Sprachgruppe den Satemsprachen zuordnete.


*centum, lat.; satem, pers. für hundert.
 
Wie El.Qu. es schon sagte: Der Verwandtschaftsgrad ist sehr gering.

Was man in Sachen Slawen wirklich immer vor Augen halten muss, ist, dass die Slawen vor allem eine Linguistisch Eingeteilt sind, und weniger kulturell, als es zB bei den Kelten ist oder den Germanen. Das Liegt einfach daran, dass sie von ihren Kulturen her sehr vielfältig sind, und oft auch untereinander sehr verschieden sind. Nehmen wir mal ein paar Beispiele:

Die Bulgaren sind kulturell näher bei den Nicht-Slawischen Rumänen, als bei den slawischen Serben.

Die Slowenen sind kulturell näher bei den Nicht-Slawischen Österreichern (obwohl sie auch einen starken slawischen Einfluss hatten), als mit einem slawischen Serben.

Ein Tscheche, hat kulturell mehr mit den Nicht-Slawischen Ostdeutschen gemein, als mit einem slawischen Russen.

Das, wo es inner-slawische Gemeinsamkeiten gibt (ausser die Sprache), sind Mazedonier-Bulgaren (wissen wir alle warum, man denke an den Macedonismus-Thread), Russen und Ukrainer, und Slowenen, Tschechen und Sorben (man sehe sich mal die Trachten an.)
 
Was man vielleicht erwähnen sollte, dass es vor der Trennung wohl eine gemeinsame germanisch-balto-slawische Gruppe der Indoeuropäer gab, von denen sich zuerst die Germanen abspalteten. Da wir aber ostgermanische und auch slawische Sprachzeugnisse besitzen, ist die These abzulehnen. Germanen und Slawen gehören nunmal verschiedenen Zweigen innerhalb der Indogermanen an, wenn auch nah verwandt.
 
Also, "Bashta" wird wohl kaum ein deutscher Verstehen. "Tatko" vielleicht. "Brat" und "Sestra" schon eher. "Chicho"/"Cico" und "Lela" aber wieder gar nicht. Und detete auch nicht. Und auch Baba und Diado bezweifle ich stark.

Im übrigen ist Russisch ein schlechtes Beispiel, da die Russen irre viele Deutsche Lehnwörter haben, mehr als zB Serben oder Bulgaren.

Und auch deine genannten Worte zeigen im Gegenteil, recht entfernt verwandt, denn KEIN Deutscher, Österreicher oder Schweizer wird wirklich zuordnen können, was diese Wörter bedeuten. Sie sind nur ähnlich, weil slawische und germanische Sprachen indo-europäischen Ursprungs sind.

Den Germanischen Sprachen viel näher sind die lateinischen Sprachen, zB Pater - Vater, Mater - Mutter etc.
 
Also, "Bashta" wird wohl kaum ein deutscher Verstehen. "Tatko" vielleicht. "Brat" und "Sestra" schon eher. "Chicho"/"Cico" und "Lela" aber wieder gar nicht. Und detete auch nicht. Und auch Baba und Diado bezweifle ich stark.
Bashta, tatko, Cico und Lela kenne ich nicht. Russisch? Also Russisch Vater Otez, Mutter match, Sohn suin, Tochter - dotch, Bruder brat, Schwester sestra, Tante totja, Onkel djadja.

Alle genannten Begriffe dürften keine Lehnwörter sein. Worauf stützt Du Deine Aussagen. Innerhalb der indogermanischen Familie sind Balten und Slawen die nähsten Verwandten der Germanen. So kenne ich das.

Latein Sohn filius
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann das doch nicht an einzelnen Wörtern festmachen. Sonst würde ich nämlich davon ausgehen, daß Deutsch (Vater, Mutter, Bruder) dem Persischen (pedar, madar, baradar) am nächsten ist.
 
Um es kurz aus Laiensicht zu erklären: es gibt einige Forscher, welche davon ausgehen, daß Protogermanisch, Protoslawisch und Protobaltisch gemeinsam eine Dialektgruppe innerhalb der indoeuropäischen Sprachen bildeten.
ABER: Das ist eine Forschungsmeinung - sprich: ein großer Teil der Fachwelt teilt diese Sichtweise so nicht, und bewiesen ist da sowieso nichts, da diese "Einheit" lediglich vermutet wird.
 
Weiterhin haben viele Wörter in den einzelnen Sprachen einen Bedeutungswandel durchgemacht, in anderen, nahe verwandten nicht.
Ein Beispiel, wo das deutlich durch schimmert:
In Norwegen liest man überall am Straßenrand meist selbstgemalte Hinweisschilder für Ferienunterkünfte:
"ledige hytter" oder "billige hytter"

Nun, ledig heißt bei uns inzwischen nicht wie früher "unbesetzt, frei", sondern unverheiratet. Und als billig gilt ja im Deutschen mittlerweile nur minderwertiger Ramsch, wir bzw. die Werbetexter sagen lieber preiswert oder günstig.
 
Gerade billig ist aber ein Wort, welches sich im Deutschen in den letzten 200 Jahren sehr stark gewandelt hat. Billig vor 200 Jahren bedeutete 'gerecht'. Ein gerechter Preis zeigte an, dass etwas seinen Preis wert war, billig wurde also von 'gerecht' zu 'preiswert'. Derzeit macht billig den Bedeutungswandel durch, den du gerade beschreibst, nämlich dass billig eine pejorative Bedeutung erhält, im Sinne von 'qualitativ minderwertig'.
 
Im Verb billigen hat sich die ursprüngliche Bedeutung ja durchaus noch erhalten. Und wie der edle Hidalgo konstatiert hat, haben sich die interessierten Kreise auch bei der Bedeutungsverschiebung des Adjektivs noch nicht völlig durchgesetzt.;)
Auch einer Aufgabe oder Verpflichtung entledigt man sich noch.

Davon abgesehen entwickeln sich Sprachen zweifellos nicht nur durch Laut-, sondern auch durch Bedeutungsverschiebungen auseinander. Ein Beispiel für beides ist schmeicheln, das im Jiddischen noch die ursprüngliche Bedeutung, wie das anders lautende englische smile, hat.
 
Um es kurz aus Laiensicht zu erklären: es gibt einige Forscher, welche davon ausgehen, daß Protogermanisch, Protoslawisch und Protobaltisch gemeinsam eine Dialektgruppe innerhalb der indoeuropäischen Sprachen bildeten.
ABER: Das ist eine Forschungsmeinung - sprich: ein großer Teil der Fachwelt teilt diese Sichtweise so nicht, und bewiesen ist da sowieso nichts, da diese "Einheit" lediglich vermutet wird.

ja richtig, wobei es mich immer wundert, wenn man Gesetzmäßigkeiten und ursprüngliche indoeuropäische Wörter konstruiert, dass man die Zwischenkonstrukte und Verwandtschaftsgrade nicht eindeutig feststellen kann. Meiner Ansicht nach ist aber die Germano-Balto-Slawische These noch führend.
 
@haetius: Meiner Ansicht nach ist aber die Germano-Balto-Slawische These noch führend.
Das kommt jeweils darauf an, wie selektiv man die unterschiedlichen Positionen liest, wahrnimmt, überdenkt - und was man zu ignorieren pflegt, weil nicht ins eigene Bild passend.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bashta, tatko, Cico und Lela kenne ich nicht. Russisch? Also Russisch Vater Otez, Mutter match, Sohn suin, Tochter - dotch, Bruder brat, Schwester sestra, Tante totja, Onkel djadja.

Alles Bulgarisch:

Bashta: Vater
Tatko: Väterchen
Cico: Onkel
Lela: Tante

Otez ist der kirchliche Vater
Match sagen wir nur bei einem Fußball-Match


Im übrigen: haben die Russen genauso "Butterbrod", heißt aber noch lange nicht, das die Sprachen nah beinander sind.

Und wo du eine Gemeinsamkeit in den germanischen Sprachen bei Wörtern wie zB Bog siehst, ist mir sehr schleierhaft.
 
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