Das Kaiserreich - modern oder autoritär?

Die Frage läßt sich so ohne weitere gar nicht einheitlich beanworten. Einerseits war Wilhelm II. der Moderne in Fragen wie technischen Neuerungen wie Autos, Flugzeugen, Funk, Eisenbahn etc.etc. sehr aufgeschlossen. Politisch war er eher einer von gestern, reaktionär mit Tendenzen zum Absolutismus.

Ein Literaturtipp hierzu: König, Wilhelm II. und die Moderne
 
Wir sprechen gerade in der Schule über Wilhelm 2. und Bismarck.(so von 1867-1910)
und vor allem darüber, ob das deutsche kaiserreich nach Bismarck und zu zeiten Wilhelms modern oder eher Rückständig war?
danke im vorraus:)

Franci

Die Frage ist, wie du das meinst, ob technisch oder quasi moralisch-politisch. Bei letzterem war das deutsche Kaiserreich der preussischen Könige in der Tat sehr pomadig und rückständig.
Es brauchte eben 1918 und die Matrosenaufstände etc., um diesen Mief herauszulassen.
 
Das Deutsche Kaiserreich war kein Kaiserreich der Könige Preußens. Das Kaiserreich war ein Bundestaat, ein Bündnis der Fürsten.

Das Präsidium des Bundes wurden durch den preussischen König geführt.
 
Ich habe mir jüngst den Artikel von Eberhard Demm "Sic volo sic jubilo - Das 25. Regierungsjubiläum Wilhelm II. im Juni 1913" besorgt. (Archiv für Kulturgeschichte 0003-9233, Böhlau-Verlag Köln)
Absolut lesenwert, weil er einen Blick in Ablauf, Organisation und Zuständigkeiten des Apparates und dem Befinden der Bevölkerung gibt. Ich gebe hier mal die Konklusion am Ende wieder:

Wilhelm II. interessierte sich bekanntlich sehr für das Zeremoniell, erweiterte und differenzierte es, kümmerte sich persönlich um neue Kleiderordnungen und die prunkvolle Ausstattung der Empfangsräume und lud auch Vertreter von Bürgertum und Arbeiterschaft zu Empfängen und Galatafeln ein. So ist es kein Wunder, dass er frühzeitig mit den Planungen für sein Regierungsjubiläum begann, sich eingehend mit der Choreografie der Festlichkeiten befasste und sich sogar persönlich um die Auswahl von Orden und Geschenken kümmerte.
Nun wissen wir zwar, dass solche Feste in zeremoniellen Fragen politische Macht demonstrieren sollen, man muß sich aber fragen, wie real diese Macht eigentlich gewesen ist. Ich will hier nicht auf die Diskussion über das persönliche Regiment eingehen - Alexander König dürfte inzwischen das Entscheidende darüber gesagt haben - mir scheint aber, dass das Zeremoniell mit seiner symbolhaften Macht- und Prestigeansprüchen den politischen Gegebenheiten gar nicht mehr entsprach und nur noch den Schein einer Macht repräsentierte. Wenn bei der Galatafel der Reichskanzler hinter der kaiserlichen Familie und den Bundesfürsten platziert wurde, die Vorstände von Reichstag und Landtag noch viel weiter unten hinter irgendwelchen Hofchargen saßen und normale Abgeordnete erst gar nicht eingeladen waren, so entsprach das nicht den wahren Machtverhältnissen, und der höfische Pomp konnte über die Tatsache nur zeitweise hinwegtäuschen. Ein glazvolles Auftreten in genau geplanten und wohl einstudierten Zeremonien war für Kaiser Wilhelm II wohl deshalb so wichtig, da es ihm aus verschiedenen Gründen nicht gelang, sich mit seinen Machtansprüchen gegen andere Instanzen der politischen Willensbildung durchzusetzen.
In seiner Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit entwickelte er allerdings ein beachtliches Talent. Er war kein höfisch-zurückhaltender Serenissimus alten Schlages, sondern ein moderner charismatischer Medienmonarch, der mit seinem theatralischen Auftreten und selbst mit seinen burschikosen Allüren bei der Bevölkerung viel Anklang fand. Seine Popularität bei einem großen Teil der Bevölkerung ist unbestreitbar. Während autoritäre und totalitäre Regime des 20.Jahrhunderts "spontane" Demonstrationen zentral organisierten und die Menschen zur Teilnahme abkommandierten, war es hier umgekehrt. Bürger und Kleinbürger sowie religiös oder national eingestellte Arbeiter, insbesondere aus Preußen, engagierten sich beim Regierungsjubiläum mit aufrichtiger Begeisterung und die kaiserlichen Behörden, Zivilkabinett und Oberhofmarschallamt, hatten eher Mühe, den Andrang zu begrenzen. Die schönen Glückwunschadressen, Ansprachen und Gedenkbände mit ihrer byzantinischen Lobhudelei und der Andrang der Honorationen zu Wilhelms Empfängen waren allerdings auch durch den Wunsch nach glanzvoller Selbstdarstellung, nach Prestige, Orden und Rangerhöhungen begründet.
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Glanz des Regierungsjubiläums eine gewisse Isolierung des Kaisers verschleierte: von den Sozialdemokraten und den Minderheiten, die er sich durch ungeschickte Äußerungen und eine falsche Politik entfremdet hatte, von der zum Teil noch partikularistisch eingestellten Bevölkerung außerhalb Preußens, die keine Deputationen zu Empfang und Galatafel schickte, nicht zuletzt im Ausland, da nur wenige Länder durch Festveranstaltungen und Geschenkee ihre Sympathien bekundet hatten. Immerhin zeigte es sich, daß Deutschamerikaner zwar nicht die Bundesregierung selbst, aber viele einflussreiche Freunde in den USA mobilisieren konnten.
Wie Schein und Wirklichkeit auseinanderklafften, zeigen auch die schönen Ansprachen über den "Friedenskaiser", die den Eindruck der sonstigen bramarbasierenden und aggressiven Reden Wilhelms II nicht so ohne weiteres abschwächen konnten und vollends durch die zur gleichen Zeit im Reichstag beschlossene substantielle Heeresverstärkung um zwei Armeekorps konerkariert wurden.
So geschickt die Mediensteuerung des Kaisers mit ihren ausgefeilten Zeremonien auch war, sie konnte seine zumeist ungenügende politische Aktivität nicht wettmachen. Wilhelm spielte gern den Kaiser und er spielte ihn gut, aber er hatte weder Zeit noch Lust noch den Machtinstinkt, sich als Kaiser in der täglichen Regierungsarbeit durchzusetzen.

Und doch noch ein kurzes Zitat im Kapitel über das Pressecho und die Wertungen Wilhelms Verdienste oder Verfehlungen mit Seitenhieb auf meinen speziellen "Lieblingshistoriker" :pfeif: John Röhl und dessen abseitige Position:


Bemerkenswert ist die unterschiedliche Einschätzung des Kaisers in beiden Artikeln: während Gädke ihm persönlich die Fehler der deutschen Politik anlastet, ist er bei Gerlach nur ein "Geschobener" ohne eigenes Profil und ohne wirklichen Einfluss, was mit Ausnahme John C.G. Röhls wohl eher der Meinung heutiger Historiker entspricht.
 
Wir sprechen gerade in der Schule über Wilhelm 2. und Bismarck.(so von 1867-1910)
und vor allem darüber, ob das deutsche kaiserreich nach Bismarck und zu zeiten Wilhelms modern oder eher Rückständig war?
danke im vorraus:)

Franci


Ich denke, es war bezeichnend für das deutsche Kaiserreich, dass es eben beides war, sowohl modern wie rückständig. Um 1900 war das Reich in Europa die größte Industrienation und Wirtschaftsmacht geworden, die selbst das bewunderte Empire eingeholt und teilweise überholt hatte. Das "made in Germany" war zu einem Qualitätsmarkenzeichen geworden. Deutsche Wissenschaftler gewannen einen Nobelpreis nach dem anderen.
Das deutsche Rentensystem war so modern, dass es von anderen Staaten kopiert wurde. Die Administration war effektiv und effizient, und es bot das Kaiserreich durchaus ein beachtliches Maß an Rechtssicherheit. 1871 wurde auch die in einzelnen deutschen Ländern bereits früher eingeführte Emanzipation jüdischer Deutscher bestätigt, die in Kunst und Industrie, in den freien Berufen die neue Freiheit nutzten, und Leute wie Fritz Haber und Walther Rathenau waren glühende Patrioten. Die deutsche Arbeiterbewgung war vermutlich die bestorganisierte in Europa und die SPD die stärkste, im Reichstag vertretene Partei.

Der Reichstag konnte freilich jederzeit aufgelöst werden, der Reichskanzler wurde vom Kaiser ernannt wie im Zeitalter der Kabinette. In Preußen, und das war ein beachtlicher Teil des Deutschen Reichs galt bis 1918 ein Dreiklassenwahlrecht nach vermögen gestaffelt. Im diplomatischen Korps, in der Armee und Administration gaben nach wie vor die alten Eliten aus Adel und Großbürgertum den Ton an, und der Charakter eines Obrigkeitsstaates wurde bei vielen Gelegenheiten deutlich: Viel belächelt wurde der Coup des Schusters Wilhelm Voigt, der als "Hauptmann von Köpenick den Bürgermeister verhaften ließ und die Stadtkasse mitgehen ließ. In Oberschlesien, Masuren und im 1871 annektierten Elsass- Lothringen wurde eine recht agggressive Germanisierungspolitik praktiziert. 1913 erregte die Zabern Affäre Aufsehen. Das Militär zeigte oft wenig Fingerspitzengefühl, was Anlass gab zu Streitereien. 1913 riet ein Oberleutnant seinen Leuten, rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. "Wenn ihr dabei einen "Wackes" (abschätzige Bezeichnung für Elsässer) niederstreckt, kriegt ihr von mir noch 2 Mark" sagte der Leutnant. Obwohl das Verhalten nicht gebilligt wurde, glaubte Reichskanzler Bethmann- Hollweg das Militär gegen Kritik in Schutz nehmen zu müssen.

Mit dem 1. Weltkrieg wurde Deutschland spätestens 1916 mit dem Dumvirat Hindenburg/ Ludendorff de facto zu einer Militärdiktatur, bei der der Kaiser nur noch gebraucht wurde, um Orden zu verteilen, und der Reichskanzler Bethmann- Hollweg noch als Sündenbock gebraucht wurde.:devil:
 
Im Ernst: Der Reichstag war doch im wesentlichen machtlos. Zwar hatten seine Mitglieder gewisse Rechte u.a. parlamentarische Immunität, aber der Reichstag konnte von Kaiser oder Reichsrat aufgelöst werden. Der Reichsrat wiederum wurde durch die Länderparlamente gestellt, deren Wahl nach dem Dreiklassenwahlrecht ablief.

El Quijote

Im Deutschen Kaiserreich hieß die Länderkammer Bundesrat.:friends:

Erst in der Weimarer Republik wurde dieses Organ Reichsrat genannt.
 
Im Deutschen Kaiserreich hieß die Länderkammer Bundesrat.:friends:

Erst in der Weimarer Republik wurde dieses Organ Reichsrat genannt.

Mit eben dieser Stellung des Bundesrat[h]es beschäftige ich mir zurzeit. In der Verfassung ist er die erste Institution die genannt wird. Er besteht aus 58 Vertretern der Mitglieder des Bundes. Diese Vertreter waren Mitglieder der einzelnen Regierungen? Denn im Verfassungtext fällt lediglich das Wort "Bevollmächtigte".
Meine Frage: Inwiefern waren die Bürger der einzelnen Staaten durch diese Bevollmächtigten vertreten? Wenn also Preußen 17 Bevollmächtigte entsandte und diese Bestandteil der Regierung waren und durch ein Dreiklassenwahlrecht gewählt wurden, waren die Bürger ja zumindest indirekt repräsentiert. Wie trifft das für die anderen Bundesstaaten zu? War z.B. die Bürgerschaft Bremens "direkter" repräsentiert, weil die dortige Regierung anders zustande kam?

Lg
 
Der Bundesrat hat in der politischen Praxis doch deutlich, im Gegensatz zu seiner in der Verfassung angedeuteten Stellung, an Kaiser und Kanzler verloren. Das Wahlrecht war in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich. Im Süden war es wohl deutlich demokratischer als in Preußen. Die Anzahl der Mitglieder der Mitglieder richtete sich nicht nach der Größe der jeweiligen Bevölkerung, sondern nach der Größe der Fläche des jeweiligen Landes.

Die Regierungen der Länder ernannten ihre Bevollmächtigten, die übrigens nur einheitlich abstimmen konnten.
 
Die Anzahl der Mitglieder der Mitglieder richtete sich nicht nach der Größe der jeweiligen Bevölkerung, sondern nach der Größe der Fläche des jeweiligen Landes.

Die Regierungen der Länder ernannten ihre Bevollmächtigten, die übrigens nur einheitlich abstimmen konnten.

Leuchtet mir ein. Jedoch: Inwieweit waren die Bürger (demokratisch) an den Regierungen der Länder beteiligt?
Grundsätzlich schonmal gut zu wissen, dass es wohl ein Süd-Nord-Gefälle gab.
 
Ich glaube du sitzt da einem Missverständnis bezüglich der Regierungen auf. Die Regierungen der Länder waren meistens, wie die Reichsregierung auch, vom jeweiligen Fürsten ernannt und waren rechtlich Teil der Beamtenschaft. Dieser bestimmte auch die Bevollmächtigten. Die Vertreter der Hansestädte hingegen dürften tatsächlich etwas wie eine demokratische Legitimation besessen haben.
 
Kein Missverständnis! Deine Antwort beantwortet ja direkt meine Frage. Zusammenfassung: Mit Ausnamhe der Hansestädte war der "Wille des Volkes" nicht im Bundesrat repräsentiert?!
 
Das richtete sich nach den Verfassungen der einzelnen Bundesländer. In Bayern beispielsweise sah die Verfassung von 1818 zwei Kammern vor. In der ersten saßen Vertreter des Adels und auch der Geistlichkeit. In der zweiten Kammer saßen die Volksvertreter. Bayern war eine konstitutionelle Monarchie.
 
Mit eben dieser Stellung des Bundesrat[h]es beschäftige ich mir zurzeit. In der Verfassung ist er die erste Institution die genannt wird. Er besteht aus 58 Vertretern der Mitglieder des Bundes. Diese Vertreter waren Mitglieder der einzelnen Regierungen? Denn im Verfassungtext fällt lediglich das Wort "Bevollmächtigte"...

"Bevollmächtigte" waren Botschafter/Gesandte. Also der/die Vertreter des jeweiligen Souveräns, wer auch immer das war, also Beamte, keine "Volksvertreter" etwaiger Parlamente.

So wie heute der Botschafter der Bundesrepublik, die Bundesrepublik z.B. in Kamerun vertritt.

Zur Ernennungspraxis im Kgr. Preußen, vergl. z.B. hier:

http://preussenprotokolle.bbaw.de/bilder/Band 8-1.pdf

M.
 
Kein Missverständnis! Deine Antwort beantwortet ja direkt meine Frage. Zusammenfassung: Mit Ausnamhe der Hansestädte war der "Wille des Volkes" nicht im Bundesrat repräsentiert?!

Die Bürger des Kaiserreichs waren selbstverständlich nicht im Bundesrat repräsentiert. In den Bundesrat entsandten die Länderregierungen Bevöllmächtigte. Doch wurden die Länderregierungen nicht von den Abgeordneten der Landtage gewählt, sondern von den fürstlichen Herrschern der Länder ernannt - oder auch aufgelöst. Insofern besteht ein Unterschied zwischen dem Bundesrat im kaiserlichen Deutschland und dem der heutigen Bundesrepublik.
 
Zuletzt bearbeitet:
Möglicherweise habe ich mich oben nicht deutlich genug ausgedrückt.:winke:
Die Bevollmächtigten des Bundesrates waren an den Instruktionen ihrer Regierungen gebunden, von denen sie auch ernannt worden. Die Regierungen widerrum wurden von den jeweiligen Landesfürsten (König, großerzog etc.) ernannt und entlassen.

Preußen selbst verfügte im Bundesrat zwar nur 17 Stimmen, aber es war ein leichtes für Bismarck Majoritäten zu organisieren. Es gab ganz 17 "Zwergstaaten" wie beispielsweise Schwarzburg-Rudolfstadt die jeweils nur über einer Stimme verfügten. Diese "Zwergstaaten" waren i.d.R. von Preußen wirtschaftlich abhängig und wurden so auf Kurs gebracht. Des Weiteren ist anzumerken, das der Bundesrat nicht über einen eigenen bürokratischen Apparat verfügt, ja nicht einmal über ein eigenes Gebäude. Sitzungen fanden meistens im Reichskanzleramt statt. Vorlagen für den Budnesrat wuden häufig "auf dem letzten Drücker" eingebracht. Vertreter der kleinen und Zwergstaaten waren gar nicht oder nur unzureichend informiert und häufig genug auch gar nicht fachlich kompetent genug, so das sie der preußischen Bürokratie hoffnungslos unterlegen waren. Außerdem, wie schon erwähnt, waren die Bevolmächtigten instruktionsgebunden. Instruktionen erteilte die Regierung, die aber nun von den Informationen aus Berlin abhängig waren.

Nipperdey, Machtstaat vor der Demokratie
Mommsen, Das Ringen um den nationalen Staat
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Kaiserreich war ein Rechtsstaat von hoher Qualität.

Erwähnt sei beispielsweise hier das Reichspressegesetz aus dem Jahre 1874, welches die Beschlagnahme jeglicher Druckerzeugnisse ohne vorherige gerichtliche Billigung ermöglichte. Dieses Gesetz ermöglichte der Polizei gegen die ultramontane katholische und gegen die sozialistische Presse rücksichtslos vorzugehen, wenn diese auch nur den Anschein des Eindrucks erweckten, gegen bestehende Gesetze zu verstoßen. Die verantwortlichen Drucker, Verleger, Redakteure und Verteiler konnte Geldstrafen bis zu 1.000 Reichsmark aufgebrummt bekommen und mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden. Lasker prangerte diese Vorlage zwar als Angriff auf die Pressefreiheit an, doch die Vorlage passierte den Reichstag.
Aber schon vor der Annahme dieses Gesetz gaben die geltenden preußischen und Reichsgesetze dem preußischen Innenminister, von Bismarck angetrieben, Gelegenheit massiv, repressiv vorzugehen. Ein Gesetz aus dem Jahre 1850 gestattete der Polizei, bei denen öffentliche Angelegenheiten und politische Gegenstände diskutiert wurden, weitgehend nach eigenem Ermessen einzuschreiten. Das Strafgesetzbuch sah Geldstrafen bis zu 600 RM und Haft bis zu zwei Jahren vor.

Pflanze, Bismarck. Der Reichskanzler
 
Erwähnt sei beispielsweise hier das Reichspressegesetz aus dem Jahre 1874, welches die Beschlagnahme jeglicher Druckerzeugnisse ohne vorherige gerichtliche Billigung ermöglichte. Dieses Gesetz ermöglichte der Polizei gegen die ultramontane katholische und gegen die sozialistische Presse rücksichtslos vorzugehen, wenn diese auch nur den Anschein des Eindrucks erweckten, gegen bestehende Gesetze zu verstoßen. Die verantwortlichen Drucker, Verleger, Redakteure und Verteiler konnte Geldstrafen bis zu 1.000 Reichsmark aufgebrummt bekommen und mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden. Lasker prangerte diese Vorlage zwar als Angriff auf die Pressefreiheit an, doch die Vorlage passierte den Reichstag.
Das ist die eine Seite, unzweifelhaft - die andere Seite ist die Tatsache, dass im Kaiserreich Richard Strauß komponieren, die Brüder Mann, Liliencron, Holz uv.a. publizieren konnten, Klimt, Munch, Schiele malen/austellen konnten. Die teils repressive Gesetzeslage wurde ja nicht permanent komplett ausgeschöpft.
 
Ferner ist zu sagen, dass das "Volk" wenig Anteil an der Regierung hatte. [FONT=Arial,Helvetica,sans-serif][FONT=Arial,Helvetica,sans-serif]Bereits die Präambel der Reichsverfassung, in der sich alle deutschen Fürsten zum Zusammenschluss ihrer Länder in einem Bundesstaat bekannten, offenbarte den Charakter der Reichsgründung als "Revolution von oben". Das Volk wurde hingegen nur beiläufig erwähnt. Seine Vertretung, der Reichstag, wurde in allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen gewählt und hatte lediglich Befugnisse bei Gesetzgebungsverfahren sowie im Budgetrecht. Der Haushalt bedurfte seiner Zustimmung, allerdings ohne Militärausgaben, die immerhin vier Fünftel der Reichsausgaben betrugen. Diese bewilligte der Reichstag für eine festgesetzte Heeresgröße zunächst für sieben, ab 1881 für fünf Jahre pauschal.

Auf die Regierungsbildung hatte der Reichstag keinen Einfluss, da der Reichskanzler ohne seine Mitwirkung vom Kaiser ernannt oder entlassen wurde, und auch den Reichstag berief der Kaiser ein oder entließ ihn. Erst kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs erfolgte unter dem Eindruck der Vierzehn Punkte von US-Päsident Wilson der Übrgang zum parlamentarischen System (Oktoberverfassung vom 28.10.1918). Wegen der 1918 ausbrechenden Novemberrevolution blieb diese Verfassungsreform jedoch ohne Auswirkungen.

Ich kann nicht erkennen, welche "modernen Züge" die Verfassung des Kaiserreichs z.B. gegenüber dem britischen oder französischen System - und damit müsste man es ja vergleichen - gehabt haben soll. In Frankreich wurde zur gleichen Zeit der Präsident vom Senat und der Abgeordnetenkammer gewählt, in Großbritannien lag die Macht seit 1911 allein beim Unterhaus, das den Premier abwählen konnte. Damit verglichen ist das Verfassungssystem des deutschen Kaiserreichs doch arg rückständig.
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Ferner ist zu sagen, dass das "Volk" wenig Anteil an der Regierung hatte. [FONT=Arial,Helvetica,sans-serif][FONT=Arial,Helvetica,sans-serif]Bereits die Präambel der Reichsverfassung, in der sich alle deutschen Fürsten zum Zusammenschluss ihrer Länder in einem Bundesstaat bekannten, offenbarte den Charakter der Reichsgründung als "Revolution von oben". Das Volk wurde hingegen nur beiläufig erwähnt. Seine Vertretung, der Reichstag, wurde in allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen gewählt und hatte lediglich Befugnisse bei Gesetzgebungsverfahren sowie im Budgetrecht.
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Zunächst vielen Dank für die Reaktionen. Das wir hier nicht über eine Demokratie sprechen steht außer Frage, ich interessiere mich aber gerade für die wenigen "demokratischeren" Elemente gegenüber der Zeit zuvor; sozusagen den "demokratischen Mehrwert"

Lg
 
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