thanepower
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Die Frage aber bleibt doch:
Inwieweit konnten sich die russischen Entscheidungsträger sich eines solchen fatalen Mechanismus bewusst sein und diesen mit ihren Handlungen abgleichen?
1. In vorangegangenen Krisen zwischen 1905 und 1913 hat Russalnd als Großmacht dem DR bei politischen Konflikten nachgegeben wie 1908 besonders deutlich.
2. Das DR hat sich bei seiner Außenpolitik in hohem Maße nach 1890 auf militärische Macht und weniger auf diplomatisches Geschick verlassen. Das hat in Europa zu einer generellen Entfremdung, aus der Sicht des DR zur "Einkreisung" geführt.
3. Die Formulierung des Ultimatus an die Serben war so scharf formuliert, nach damaligem diplomatischn Verständnis, dass es als nicht annehmbares Ultimatum verstanden wurde und somit unter anderem durch Sazonow sofort als konstruierter Anlaß für einen Krieg interpretiert wurde.
4. Diese Haltung unterstellte Sazonow als Motivation Ö-U und unterstellte ebenfalls, dass das DR die militärischen Machtmittel zur "Drohung" zur Verfügung stellen würde, wie in den Jahren zuvor. Und analysierte die Situation damit zutreffend.
5. Die "Lösung" der Serbienfrage zielte aus der Sicht von Ö-U darauf ab, Serbien territorial zu belassen, es aber als "Satelliten"-Staat in das informelle Imperieum von Ö-U zu integrieren
6. Dieses konnte Russland vor dem Hintergrund der Kriege gegen das Osmanische Reich und seinen eigenen Kriegstoten nicht akzeptieren und darauf basierte der publizistische Druck von Seiten der Pan-Slawisten.
7. Vor diesem Hintergrund hat Russland mobilisiert und war sich durchaus bewußt, dass es für einen potentiellen Krieg mobilisieren würde. Einmal mehr, Russland hat mobilisiert, weil es sich durch die Veränderung des politischen Status quos auf dem Balkan - Süd-Slawen-Problem - in seiner Rolle als "Schutzmacht" bedroht sah.
8. Hätte sich Ö-U vollständig mit seinen Vorstellungen in Serbien durchgesetzt, dann wäre das politische Ergebnis für Russland identisch gewesen mit einem weiteren verlorenen Krieg. Und hätte massive Auswirkungen auf seine "Bündnisattraktivität" in ganz Süd-Ost - Europa gehabt.
Und weil es den beiden anderen Mächten kriegerische Absischten unterstellt hatte. Die ja auch vorhanden waren. Insofern waren die Einschätzungen von Sazonow nicht ganz falsch.
Den engen Zeitplan, insbesondere die zentrale Rolle von Lüttich, des Schlieffenplan kannte Sazonow natürlich nicht. Den kannte noch nicht mal KW II und auch nicht der Kriegsminister Falkenhay. Das war eines der best gehütesten militärischen Geheimnisse.
Letztlich ist die russische Führung und auch die französische Führung durch die Krise "überrollt" worden. Das Ultimatum ist gezielt zu dem Zeitpunkt abgeschickt worden an dem die französische Führung auf See war. Zudem hat das DR durch Störsender gezielt die Kommunikation zwischen Frankreich und den Schiffen versucht zu unterbinden und somit die Abgewogenheit der Meinungsbildung durch die französische Führung negativ beeinträchtigt.
Und die Geschwindigkeit der Entwicklung lief ja auch innerhalb von ca. einer Woche!!! ab , seit dem 23. 07. 1914. Gemessen an den langen Verzögerungen von Telegrammen bis zum Lesen durch die Zielperson verging relativ lange Zeit. Es wurden Entscheidungen von allen Seiten getroffen vor dem Hintergrund einer sehr eingeschränkten Sicht auf die realen Prozesse.
Und deswegen wäre es extrem wichtig gewesen, dass es keine militärischen Pläne gegeben hätte, die das Primat der Politik durch vermeintliche Sachzwänge und in Form von Automatismen eingeschränkt haben.
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