'Kehrt Marsch' ist kein Befehl für ein ganzes Heer. Man kann die Funde doch auch so interpretieren: Der Durchmarsch wird durch einen Entlastungsangriff gedeckt, wobei sich die angreifenden Einheiten so stark aufreiben, dass ihr Rückzug einer Flucht gleicht.
U.S.W.
Wie gesagt: zu schmale Datenbasis.
So dünn ist die Datenbasis auch wieder nicht. Es handelt sich immerhin um einen der reichsten Fundplätze im Land. Und die Funde beweisen Folgendes:
1. Im Engpass hat eine größere römische Militäreinheit ein Gefecht geführt und ist geschlagen worden.
2. Neben Kampfeinheiten sind auch Teile des Trosses verloren gegangen.
3. Entlang des Walls waren die Verluste am höchsten und die Niederlage am offensichtlichsten.
4. Obwohl das Gefecht "unglücklich" verlief, sind die Römer stur weiter von Osten nach Westen gezogen.
Das wirft Fragen auf, die der Erklärung bedürfen:
- Warum haben die Römer das Gefecht überhaupt angenommen, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage groß war? Angesichts von starkem Feind wäre es klüger gewesen, vorsichtig vorzugehen oder Halt zu machen oder gar zurückzuweichen. Halt machen und zurückweichen geht übrigens sehr wohl auch mit einem ganzen Heer.
- Warum haben sich die Römer darüber hinaus noch auf ein Gefecht eingelassen, das ganz nach den Wünschen des Feindes in der gefährlichen Enge vor dem Abschnittswall ausgetragen werden musste? Es wäre klüger gewesen, Halt zu machen und das Hindernis zu umgehen oder es an einer günstigeren Stelle als der vom Feind vorgesehenen anzugreifen - oder, im Falle der Unterlegenheit, zurückzuweichen.
- Warum haben die Römer zu allem Überfluss auch noch den verwundbaren Tross in das ohnehin schon gefährlich enge Kampfgebiet vor dem Wall marschieren lassen (wodurch alles noch enger wurde), bevor der Feind besiegt oder zumindest gebunden war? Es wäre klüger (hier sogar unbedingt geboten!) gewesen, mit dem Tross Halt zu machen und zu warten, bis die Legionäre den Feind vertrieben hatten. Versagt dieses Vorgehen, wäre es unbedingt geboten gewesen, sich zurückzuziehen.
- Warum haben die Römer stur darauf beharrt, die Marschrichtung von Osten nach Westen beizubehalten, obwohl sie auf schmerzliche Weise feststellen mussten, dass ihre Beharrlichkeit "Nachteile" hatte? Wenn eine Militäreinheit eine Niederlage erleidet, ist es klüger, sich nicht gewaltsam in diese Niederlage hineinzustürzen, sondern anzuhalten oder sich zurückzuziehen.
Fazit: Aus der vorliegenden "Datenbasis" (tausende von archäologischen Funden) muss man schließen, dass es in jedem Fall klüger gewesen wäre, wenn die Römer an der Stelle nicht marschiert wären sondern angehalten hätten. Ich bezweifele sehr, dass sie das nicht wussten. Mindestens in militärischer Hinsicht waren diese Leute nämlich keine Volltrottel. Im Gegenteil.
Dass sie sich trotz ihrer fachlichen Kompetenz und ihrer vielfach bewiesenen Fähigkeiten trotzdem augenscheinlich "unklug" verhalten haben, kann nur einen Grund haben: Das augenscheinlich "klügere" Verhalten wäre für sie noch teurer und noch schmerzhafter gewesen. Kurz gesagt: Sie hatten keine andere Wahl.
Dafür gibt es keine unbestimmt große Zahl von Erklärungen. Es gibt nur zwei.
Erklärung eins: Der Kommandeur der Römer war vollverblödet und überdies betrunken.
Erklärung zwei: Die Römer wurden von ihrem Feind daran gehindert, "klug" zu sein und anzuhalten oder gar den Rückzug anzutreten. Ihnen blieb nur eine Option: Augen zu und durch. Oder anders ausgedrückt: Hinter ihnen war ein Feind, dem sie noch weniger entgegenzusetzen hatten als dem Feind vor ihnen. Das Kampfgeschehen, das wir aus den Funden am Oberesch ablesen können, ist nur erklärbar, wenn es vorher schon Kämpfe gegeben hat.
MfG