Dieser Brief ist aber doch weitgehend bekannt. Er liest sich aber etwas anders als das kürzere Zitat aus Pollmann. Zudem stellt Trotha die Ausweisung auch als eine Möglichkeit dar.
Wie kannst du da eine andere Lesart erkennen. Laut von Trotha kann die
Ausweisung hilfweise als Alternative gesehen werden, wenn die physische Vernichtung des Volkes nicht möglich ist.
von Trotha schrieb:
Ich glaube, daß die Nation als solche vernichtet werden muß, oder, wenn dies durch taktische Schläge nicht möglich war, operativ und durch weitere Detail-Behandlung aus dem Lande gewiesen wird.
Man beachte die Formulierung als Bedingungsatz: Wenn die notwendige Vernichtung nicht möglich ist, sollte man sie möglichst mit Gewalt vertreiben.
Von Trothas Brief ist gespickt mit Euphemismen für Gewalt und Gräueltaten. Mit "taktischen Schlägen", "Detail-Behandlung" oder "aus dem Land weisen" ist die massive Anwendung von Gewalt gemeint - wahrscheinlich eben jene Formen der Gewalt, die durch die deutschen Truppen tatsächlich ausgeübt wurde.
Außerdem hatte von Trotha ja am 30.9. die Verfolgung der Herero eingestellt. Wie ich bereits erwähnte, war man schon während des Septembers bis an den Eiseb vorgedrungen. Schon damals fand man Tote und totes Vieh.
Was soll das bedeuten? Willst du jetzt von Trotha hoch anrechnen, dass er die weitere Verfolgung einstellte, nachdem er feststellte, dass er sie bereits in eine lebensfeindliche Region zurückgedrängt hatte.
In der Chronologie folgt auf den 30. Septemder unmittelbar der "Vernichtungsbefehl" am 2. Oktober. Jeder Herero, der aus der lebensfeindliche Wüste nach Deutsch Süd-West zuürückkehrte sollte er schossen werden.
Wenn Trotha also seine Vernichtungsabsicht gegenüber von Schlieffen äußert, dann ist das bar jeder Realität, vor allem im Angesicht des losbrechenden Aufstandes der Nama. Ich weiß gerade nicht wer, aber jemand aus Trothas Umfeld beschrieb von Trotha als Schlächter und das er zugleich Rassist war, ist ebenfalls bekannt. Dem kann man wohl kaum widersprechen.
Die Vernichtungsabsicht von Trotha wird doch nur realistischer, wenn man von Trotha rassistisches Denken und einen pychopathischen Charakter unterstellt.
Schneider-waterberg zitiert aus Trothas Tagebuch, Trotha habe den Befehl fabriziert. Wenn das so zutrifft, paßt das deutlich zu den Geschehnissen. Trotha makierte den harten Mann im Angesicht seines Versagens.
Das ist aber wieder eine andere Logik hinter den Greueltaten. Die Vernichtung wäre dann dadurch begründet, weil es keine andere Lösung gebe. Diese Deutung widerspricht aber von Trothas Brief vom 4. Oktober vollständigt. Dort äußerste von Trotha, die Vernichtung des Volkes sei notwendig, weil unmöglich die Gefangenen zu versorgen, da dirs aufgrund von Infektionskrankheiten zu riskant für die eigenen Soldaten sei.
von Trotha 4. Oktober schrieb:
Außerdem würde irgendeine Milde von meiner Seite von seiten der Herero nur als Schwäche aufgefaßt werden. Sie müssen jetzt im Sandfeld untergehen oder über die Betschuanagrenze zu gehen trachten.
Von Trotha markiert nicht einfach den harten Mann aufgrund persönlicher Kränkung und Niederlage, sondern folgt damit gewissermaßen auch einer Staatsräson. Ziemlig analog Kaiser Wilhelms II. "Hunnenrede": "
Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Führt eure Waffen so, daß auf tausend Jahre hinaus kein Chinese mehr es wagt, einen Deutschen scheel anzusehen."
Von Trotha begründet sein Vorgehen wie folgt:
- die Herero sind kein notwendiges Arbeitsmaterial und daher verzichtbar und nicht schützenwert
- gefangene Herero stellen ein Infektionsrisiko für die deutschen Truppen, tot sind sie ungefährlich
- die Vernichtung der Herero ist die einzige Lösung im Rassenkampf
- Milde gegenüber den Herero würde als Schwäche ausgelegt werden und die Herrschaft in Afrika gefährden, ein Exampel muss statuiert werden
- eine weitere militärische Verfolgung in der Wüste ist ein nicht notwendiges Risiko, da Herero dort auch weiteres militärisches Vorgehen in Wüste sterben werden
Punkt 1 ist eine ökonomische Abwertung der Herero. Bei Punkt 2 argumentiert von Trotha eugenisch und gewissermaßen hygienisch. (Die Argumentation erinnert stark an die systematische Tötutung von Tuberkolose kranken sowjetischen Kriegsgefangenen im 2. Weltkrieg.) In Punkt 3 wird klar sozialdarwinistisch bzw. rassistisch argumentiert. In Punkt 4 geht um die Sicherung der Herrschaft und Hierarchie zwischen Deutschen und Afrikanern, die nur durch Gewalt aufrecht erhalten kann.
In Punkt 5 begründet von Trotha, warum er eben nicht alle Herero aufhängen und erschießen lässt. Dies sei zum einen militärisch nicht möglich, zum anderen aber aufgrund der Lebensfeindlichkeit der Wüste nicht notwendig, um sein gestecktes Ziel die Vernichtung, hilfsweise Vertreibung der Herero zu erreichen.
Alle Argumente vereint, dass von Trotha die Herero gegenüber den Deutschen als minderwertig einstufte. Eine rassistische Ideologie durchdringt daher seine Argumentation vollständig.
Die Verbrechen der Herero während des Aufstandes, Samuel Mahareros Vernichtungsbefehl, die Ermordung von Siedlern usw. spielen eine imgrunde untergeordnete Rolle.
von Trotha 02.10.1904 schrieb:
Die Hereros sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und andere Körperteile abgeschnitten, und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen.
Hier wird vor allem deutlich, dass eben keine Gefahr im Verzug mehr besteht. Die Herero sind feige und wolle nicht mehr kämpfen. Die Hereros entziehen sich der Feldschlacht, was als Feigheit ausgelegt wird. Die Hereros gelten als tickende Zeitbomben, die jederzeit wieder ausflippen könnten und sich aufgrund ihrer Feigheit nicht militärisch besiegen lassen. Sie können keine deutschen Untertanen bleiben, weil sie nicht beherrschbar und nicht zu unterwerfen sind. Am Ende eines Rassenkampfes steht die Vernichtung. Rache oder Vergeltung spielt in seiner Argumentation keine erkennbare Rolle. Nach der Logik des Rassenkampfes, stehen sich die Rassen feindlich gegenüber und wollen einander vernichten. Dieser Kampf kann nur durch Vernichtung beendet werden. Es wäre daher nur logisch, wenn von Trotha in dem Aufstand der Herero einen Rassenkampf sehen würde mit dem Ziel die deutsche Rasse zu vernichten.
von Trotha 02.10.1904 schrieb:
Ich nehme mit Bestimmtheit an, dass dieser Erlass dazu führen wird keine männlichen Gefangenen zu machen, aber nicht zu Grausamkeit gegen Weiber und Kinder ausartet. Diese werden schon fortlaufen, wenn zweimal über sie hinweggeschossen wird.
Die Frage ist auch, was von Trotha mit Ausartung meint. Sie sind zwar dem Untergang geweiht, aber es wäre ein aus der Art schlagen, wenn deutschen Truppen Frauen und Kinder erschießen.
von Trotha 04.10.1904 schrieb:
Andererseits ist die Aufnahme der Weiber und Kinder, die beide zum größten Teil krank sind, eine eminente Gefahr für die Truppe, sie jedoch zu verpflegen eine Unmöglichkeit. Deshalb halte ich es für richtiger, daß die Nation in sich untergeht, und nicht noch unsere Soldaten infiziert und an Wasser und Nahrungsmitteln beeinträchtigt.
Bei der Maßgabe Frauen und Kinder nicht zu erschießen, geht es viel mehr um die Disziplinierung der deutschen Soldaten, als um die Rettung der Frauen und Kinder. Die Vernichtung der Herero erledigt die Wüste. Nicht die Herero sollen vor dem Tod bewahrt werden, sondern die deutschen Soldaten vor einer unnötigen Verrohung. Der Kaiser selbst machte in der sogenannten "Hunnenrede" deutlich, worauf es für deutschen Soldaten in Übersee ankommt.
Kaiser Wilhelm II. schrieb:
Bewährt die alte preußische Tüchtigkeit, zeigt euch als Christen im freundlichen Ertragen von Leiden, möge Ehre und Ruhm euren Fahnen und Waffen folgen, gebt an Manneszucht und Disziplin aller Welt ein Beispiel.
Die Schonung von Frauen und Kinder ist ein Beispiel von Disziplin und Manneszucht, nicht aber von Milde. Milde hat von Trotha zuvor selbst ausgeschlossen.