#79 Scorpio, 19.12.2010
#36 Brissotin, 17.12.2010
Also ich finde, das ist ein absolut historisches Thema.
Das Zusammenleben (wechselseitig) von Tier und Mensch beschäftigt den Menschen seit Menschengedenken. Ich denke da an ein Epigramm, eines der ersten antiken Werke das ich je im O-Ton anschaute, das ich im Lateinunterricht las und worin ein Kind auf einem Wal reitet (wenn ich mich recht entsinne). Dann denke ich an all die Jagdmuseen in Dtl. mit Exponaten zu der überaus spannenden Geschichte des Kampfes zwischen Tier und Mensch. Bis ins 18.Jh. hinein war die Jagd mit der Saufeder und andere Jagdarten ein gefährlicher Sport, der für mich teilw. eher etwas von einem Männlichkeitsritual an sich hat - man will zeigen, was man drauf hat, dass man ein richtiger Kerl ist. Kraftmeierei, nicht nur bei August II. von Polen, spielte da bestimmt eine Rolle.
Das Gegenteil vom maneater haben wir in der Hagensage vor uns. (Wenn ich jetzt nix verwechsle.) Hagen wird darin als kleines Kind von einem Greifvogel entführt und irgendwie später gerettet. Leider habe ich den Schluss vergessen, kann mich nur noch an das Wehklagen der Umstehenden entsinnen, als Hagen davon getragen wurde.
Dass der Mensch sowas wie eine Urangst vor Tieren hat, halte ich nur für logisch. Vielleicht geht das Menschen, die überhaupt nicht mit der Natur in dem Sinne in Kontakt treten, dann auch ab (Ich denke jetzt an Großstädter, der wohlmöglich nie mal tiefer in einen Wald rein gegangen sind, wo sonst keine Menschen waren.).
Vielleicht eher im Sinne des Threads: Ich habe den alten Thread zur Bestie von Gévaudan wiedergefunden.
http://www.geschichtsforum.de/f55/bestie-vom-g-vaudan-17181/
Ob wohl die Dimensionen von dem Vieh auf dem Stich stimmen:
Datei:Wolf of Chazes.jpg ? Wikipedia ? Sieht ja schon gewaltig aus. :angsthab:
Die Alpharaubtiere und die Reaktionen des Menschen auf sie, haben in Mythologie, Literatur und Religion der Menschheit Spuren hinterlassen, weshalb ich ihn auch unter Kulturgeschichte eingestellt habe. Wie sensationsheischend und voyeuristisch der Begriff Menschenfresser, Man-Eater auch sein mag, so erinnert er doch daran, wo der Mensch Zehntausende von Jahren in der Nahrungskette gestanden hat, nämlich durchaus nicht immer und unangefochten oben.
Wie verhielt sich nun die Menschheit zu den Gipfelräubern und Menschenfressern? Die Reaktionen reichen von Hass und Entsetzen bis zu Ehrfurcht und Bewunderung.
Die Ägypter kannten die blutdürstige, löwenköpfige Göttin Sachmet, die Inder Narasimha, einen löwenkofigen Gottmenschen, der als Inkarnation Vishnus verehrt wird. Die Aboriginals in Arnhemland pflegen totemistische Traditionen zu einheimischen Tieren, besonders zu Bäru, dem Leistenkrokodil. Viele Sagen und Legenden der Inuit drehen sich um den Eisbär. In einer dieser Sagen frisst eine Eisbärin eine Schwangere, zieht aber das ungeborene Kind, dass es sie aus dem Mutterleib reißt, liebevoll auf. Auf dem Indonesischen archipel begruben Frühmenschen ihre Toten in Gruben,über die sie Steine türmten, um nicht den Kommodowaran anzulocken. Die Ainu verehren den Braunbär higuma als Berggott. Ähnlich war es mit der kultischen Verehrung von Haien in Polynesien oder auf Sumatra, wo der Tiger als Richter und Beschützer der ahnen verehrt wurde. Die Udege in Sibirien verehrten Amba- den sibirischen Tiger, als Herrn des Waldes.
Der Leviathan taucht im Alten Testament und als Synonym des Staates bei Hobbes auf, erst später wurde er mit dem wal identifiziert, doch gemeint ist das Nilkrokodil, und nirgendwo ist seine Beschreibung anschaulicher, als im Buch Hiob, Kap 41:
Während die asiatischen Löwen, mit denen sich Simson und David herumbalgten, erschienen oft als Inbegriff für Unheil, aber auch als Metapher, dass die Hochmütigen, Starken zuz erwarten haben, die Gott missachten: "Des Löwen Knurren, sein Brüllen werden enttäuscht, der Löwe verendet aus Mangel an Beute, die Jungen der Löwin zerstreuen sich" so heißt es in Hiob, Kap 4, 10 ff...
Die Löwen verschonen aber den Propheten Daniel und fressen freundlicherweise die Satrapen, die ihn angeschwärzt hatten.
der Lewiathan erscheint als ein weit ungemütlicher, überlebensgroßer Zeitgenosse, ein riesiges Monstrum mit Zähnen und gepanzerter Haut. Er ist aber keine Gottheit mehr, sondern ein Werkzeug Gottes, dass den armen Hiob plagt.
"Wer öffnet die Tore seines Mauls? Rings um seine Zähne lagert Schrecken, Reihen von Schilden sind sein Rücken, verschlossen mit Siegel aus Kieselstein...."
"Kannst du das Krokodil mit einem angelhaken ziehen, mit der Leine seine Zunge niederdrücken?
Legst du ihm ein Binsenseil um die Nase, durchbohrst du mit einem Haken seine Backe?" ....
So kühn ist keiner, wer könnte ihm wohl trotzen? Hiob, Kap 41
Gott, der mit dem Teufel gewettet hat, dass Hiob trotzdem gottesfürchtig bleibt, gerät fast ins Schwärmen über seine Kreation, und die Quintissenz besteht darin, dass das Ungeheuer, so schrecklich es sein mag, doch Gottes Geschöpf ist. Leviathan dient dazu, den Menschen Demut zu lehren.
Ein wunderbares Ungeheuer ist Grendel, das Monstrum, das Beowulf und seine Gefährten an den Hof König Hrodgars zieht. Grendel schleicht sich fast wie einer von Jim Corbetts Leoparden in Hrodgars Methalle, um die betrunkenen Krieger zu fressen. Seine mutter ist ein noch schlimmeres Kaliber, von dem die Tigerin von Champawatt noch etwas hätte lernen können.
Doch im Tod hat Grendel fast etwas Mitleidenserregendes. Dieses wunderbare altenglische Epos erscheint streckenweise frappierend aktuell und liest sich fast wie der Schwanengesang der "Gipfelräuber"