Entstehung und Verbreitung der deutschen Sprache

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Sandra-123

Gast
Hallo zusammen,

ich grübele derzeit sehr viel über die Entstehung der deutschen Sprache und dessen Verbreitung, als es noch keine modernen Medien gab. Wie wurde 'damals' die deutsche Sprache vereinheitlicht? Wer hat die Wörter in Umlauf gebracht und wie?

Fragen über Fragen.

Wer kann mir hier helfen?

Ich bin Sandra, 42, gelernte Bankkauffrau und Mama eines 4-jährigen Sohnes.

Liebe Grüße
Sandra
 
Es gab 1876 und 1901 Orthografische Konferenzen, die zur Vereinheitlichung der Schriftsprache beigetragen haben. Neben dem Hochdeutschen war in Norddeutschland auch die Niederdeutsche Sprache als Schriftsprache üblich. Luthers Bibelübersetzung war ein Beispiel der Vereinheitlichung der hochdeutschen Sprache. Johannes Bugenhagen übersetzte sie ins Niederdeutsche und verfasste eine Niederdeutsche Kirchenordnung. In HH, Schleswig-Holzbein und McVorpomm kann man Niederdeutsch auch als Wahlpflichtfach in der Schule wählen.

In Umlauf gebracht hat die Worte wohl keine einzelne Person. Das war ein laufender Prozess. Aus Althochdeutsch zu Mittelhoch-, bzw. niederdeutsch entwickelte sich langsam über Jahrhunderte hinweg die moderne Sprache. Die gesprochene Sprache ist ja regional immer noch sehr unterschiedlich. Die Linguisten hier im Forum können da alles in allem aber viel besser Auskunft geben als ich Laie.
 
Die deutsche Sprache gehört zu der Gruppe der germanischen Sprachen, die wiederum zur Gruppe der indoeuropäischen Sprachen gehört (manchmal liest man auch indogermanisch, aber indoeuropäisch ist eigentlich die bessere Bezeichnung).

Man hat lange nach der "Ur-Heimat" der Indoeuropäer gesucht, deren Sprachen sich in der Vorgeschichte (also der Zeit vor der schriftlichen Überliefeurng) bereits von Indien bis Frankreich erstreckte, im Laufe der folgenden Jahrhunderte auch bis auf die britischen Inseln und Portugal.

Seit der Frühen Neuzeit (also in der Folge der Entdeckung Amerikas und seiner Eroberung durch europäische Mächte) sind mit den romanischen Sprachen Spanisch, Portugiesisch und Französisch, mit den germanischen Sprachen Englisch und Niederländisch (in geringem Maße auch Deutsch und der deutsche Dialekt Jiddisch) auf den Doppelkontinent getragen worden.

Als früheste schriftlich überlieferte indoeuropäische Sprache gilt das indische Sanskrit, welches heute nur noch eine kultische Sprache ist, aber natürlich gibt es in Indien bis heute - neben nichtindoeuropäischen Sprachen - noch indoeuropäische Sprachen. Auch das Persische, das man im Iran und in Afghanistan spricht und das Kurdische sind indoeuropäische Sprachen, ebenso das Slawische und Baltisch, die italischen Sprachen, zu denen das Lateinische gehört, das Griechische und das Keltische. (Italisch bitte nicht mit Italienisch verwechseln, Italienisch ist wie Französisch, Portugiesisch oder Spanisch und noch einige Sprachen mehr eine Fortsetzerin des Lateinischen, man spricht von den romanischen Sprachen.)

Ausgestorbene indoeuropäische Sprachen sind z.B. das Tocharische, das man wohl im Westen der Wüste Gobi sprach, und das Hethitische. Die Hethiter waren eine Kultur in Anatolien, die Kontakte zu den mesopotamischen Völkern (die semitische Sprachen sprachen) und den alten Ägyptern unterhielt, teils kriegerische, teils friedliche Kontakte.

Zu den germanischen Sprachen zählen die skandinavischen Sprachen (außer dem Finnischen, das keine indoeuropäische Sprache ist), also Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Isländisch, die angelsächsischen Sprachen (Englisch, Scots; auf den britischen Inseln spricht man aber auch - vor allem in abgelegenen Regionen - mehrere keltische bzw. gälische Dialekte, in Cornwell, Wales, Irland und Schottland sowie einigen Inseln, etwa der Insel Man), das Friesische, das Niederländische und Vlaams/Flämische, das eigentlich nur die belgische Variante des Niederländischen ist, sowie das Oberdeutsche und das Niederdeutsche. Niederdeutsch und Niederländisch/Flämisch gehören zu derselben Dialektgruppe innerhalb der germanischen Sprachen.

Im Rheinland gibt es eine Art stufenweisen Übergang von den oberdeutschen Dialekten zu den niederdeutschen Dialekten. Das hat historische Gründe, da eine Dialektveränderung, welche im frühen Mittelalter das Oberdeutsche vom Niederdeutschen getrennt hat, von Süden nach Norden wanderte und im Rheinland verschiedene Dialektmerkmale des Oberdeutschen verschieden weit nach Norden gewandert sind.

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Sprach-Entwicklung hat im Wesentlichen zwei Hauptgründe:
1.) Vereinfachung
2.) Präzisierung

Die Vereinfachung führt dazu, dass auf der lautlichen Ebene, Wörter "faul" ausgesprochen werden ("es ist" > " 'ss is' ") oder auf der grammmatikalischen Ebene Formen wegfallen (die frühen indoeuropäischen Sprachen hatten viele Fälle, die in den modernen indoeuropäischen Sprachen häufig nicht mehr existieren, die Slawischen Sprachen etwa haben z.T. bis heute 7 Fälle (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Vokativ, Instrumental.....) aber das Bulgarische hat nur noch einen Fall. Das Deutsche hat offiziell vier Fälle (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ) aber es gibt immer mehr Menschen, die den Genitiv nicht mehr verwenden. Die Unterscheidung ist teilweise nur noch anhand des Artikels (mask. der, des, dem, den; fem. die, der, der, die; neutr. das, des, dem, das; Plural die, der, den, die) zu machen. In den romanischen Sprachen ist das noch krasser: Das Lateinische hatte noch Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Ablativ und Vokativ, aber die romanischen Sprachen kennen nur noch Nominativ, Dativ und Akkusativ, diese sind aber fast nur noch anhand der Beziehung im Satz auszumachen.

Die Präzisierung führt dazu, das neue Worte gebildet werden.

Für die deutsche Sprache war die lutherische Übersetzung der Bibel sehr wichtig. Es war nicht die erste Übersetzung der Bibel ins Deutsche, wie manchmal behauptet wird, aber es war die erste Übersetzung, die nicht für den Gelehrtengebrauch gemacht wurde, sondern für das einfache Volk, das kein Latein und Griechisch konnte. Luther bediente sich dabei des Meißener Kanzleistils und "schaute dem Volks auf's Maul". Damit verhalf Luther den oberdeutschen oder hochdeutschen Dialekten dazu, zum Standarddeutschen zu werden. Das führt wiederum dazu, dass das Hochdeutsche in Norddeutschland weniger Dialektmerkmale hat, als das Hochdeutsche in Süddeutschland, da das Hochdeutsche eben eigentlich ein süddeutscher Dialekt ist. Natürliche fließen auch plattdeutsche Elemente in die standarddeutsche Sprache ein (in Berlin icke, in ganz Norddeutschland wat, dat, et (was, das, es)).

Insbesondere im ländlichen Raum halten sich die Dialekte länger als in den Städten, da Dialekt in den Städten lange den Ruch des Ungebildeten hatte. Mittlerweile denkt man da um, aber für viele Dialekte ist es bereits zu spät, da seit den 1970er Jahren in den meisten niederdeutschen und friesischen Regionen fast nur noch Hochdeutsch gesprochen wurde und knapp anderthalb Generationen nur hochdeutsch aufgewachsen sind. Regionale Eigenheiten des Standarddeutschen nennt man zur Unterscheidung vom Dialekt Regiolekt.

Es gibt Dialekt, Regiolekt, Soziolekt (Sprache von Schichten, Klassen oder Milieus), Funktiolekt (Berufssprachen, etwa Wissenschaftssprache oder Handwerksprachen), Ideolekt (persönliche Spracheigenheiten eines Sprechers).

Vor den elektronischen Massenmedien, also vor Radio und Fernsehen, hat es im Prinzip außer der Schule (Schulpflicht nicht vor 1807) keine Möglichkeit einer gelenkten sprachlichen Vereinheitlichung gegeben.
 
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Niederdeutsch und Niederländisch/Flämisch gehören zu derselben Dialektgruppe innerhalb der germanischen Sprachen.

Da widerspricht wiki: "In der Vergangenheit wurden das Niederländische und das Niederdeutsche manchmal als eine gemeinsame Gruppe dargestellt, da beide Sprachgruppen nicht an der zweiten Lautverschiebung teilnahmen. Die moderne Sprachwissenschaft lehnt dieses Modell jedoch ab, weil diese Einteilung sich nicht durch gemeinsame Neuerungen auszeichnet, sondern eine Restklasse darstellt. Außerhalb der Fachwelt ist dieses überholte Modell trotzdem noch häufig anzutreffen."
 
Das Ripuarische ("Kölsch"), das zwischen den niederdeutschen und den hochdeutschen Dialekten steht, hat auch gemeinsame Eigenheiten mit dem Niederländischen. Natürlich hat es vor allem seit der Unabhängigkeit der Niederlande 1648 sprachliche Eigenentwicklungen gegeben.
Ich habe mich darüber mal mit einer niederländischen Kollegin unterhalten. Ich meinte zu ihr: Afrit, (das niederländische Wort für die Autobahnausfahrt) sei doch ein wenig antiquiert, man würde ja nicht abreiten. Da meinte sie zu mir, dass sie sich in Dtld. immer erschrecken würde, weil die Uitfaart im Niederländischen die Trauerprozession des Leichnams zum Friedhof sei.

Das Niederländische stellt natürlich eine eigene Dach- und Ausbausprache dar. Das ändert aber nichts daran, dass es ein Dialektkontinuum zum Niederdeutschen ist und mit Ausnahme zum Rheinischen Fächer die Dialektgrenze zwischen dem Oberdeutschen und dem Niederdeutschen härter ist, als zwischen dem Niederdeutschen und dem Niederländischen.
 
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Vielleicht liege ich damit falsch, aber ich hatte es mal so verstanden, dass man Dialekte, die auf dem Fränkischen (und Süddeutschen) beruhen eher als "oberdeutsch" oder "hochdeutsch" bezeichnet, Dialekte die aus dem Sächsischen hervorgegangen sind eher als niederdeutsch. Da das Niederländische vom Niederfränkischen abstammt, sah ich größere Nähe zum Hoch- als zum Niederdeutschen.
 
Das ist eine große Verwirrung. Wenn wir vom Sächsischen sprchen, meinen wir dann das Altsächsische, das Widukind gesprochen hat (altniederdeutsch) oder das Sächsische des Bundeslandes Sachsen (Oberdeutsch)?*
Fränkisch: Ripuarisch ist in der Dialektologie ein fränkischer Dialekt. Politisch reden wir von Franken, wenn wir die Region um Bayern meinen. Das ist große Sprachverwirrung. ;) Aber ich bin in den einzelnen Dialektbezeichnungen auch nicht firm. Ich hatte zwar einen hochkompetenten Prof. im germanistischen Dialektologie-Seminar, aber mir fehlten da einfach ein paar dialektologische Grundlagen (ich habe im Grundstudium außer der Einführung in die germanistische Sprachwissenschaft, wo Dialektologie mit einer Sitzung abgehandelt wurde) nie Dialektologie belegt und habe im Hauptseminar Dialektologie zwar insbesondere dem Prof begeistert zugehört, aber letztlich wenig aus dem Seminar mitgenommen (und weder Referat gehalten noch Hausarbeit geschrieben, das sind ja meist die Sachen, aus denen man am Ende am meisten dauerhaftes Wissen zieht).

*Das Sächsische hat teilweise einige Typologien, die ans Niederdeutsche erinnern (was aber eine sächsische Eigenheit ist, kein Hinweis auf die ein etwaiges Nichtstattfinden der Hochdeutschen Latverschiebung im Sächsischen.
 
Das ist eine große Verwirrung.
Die Verwirrung sehe ich ein. Ich bezog mich bei "Sächsisch" und "Fränkisch" auf die Karolinger, bzw. die mittelalterlichen Herzogtümer und nicht auf das heutige Bundesland oder die Region in Bayern.
Also ganz grob gesprochen:
Sachsen - Niedersachsen, Westfalen, teilw. Schleswig-Holstein "Nordalbingen"
Franken - Rheinland, Lux, Mosel (Hessen, wobei es da auch "sächsische" Dialekte gibt)

So wird es ja auch in etwa auf der von dir geposteten Karte oben dargestellt. Die sächsischen (niederdeutschen?) Dialekte erscheinen als grau.
 
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Die niederfränkische Dialektgruppe ist die, die als Dachsprache das Niederländische ausgebildet hat. Weiches Dialektkontinuum zum Niederdeutschen, abgestuftes Dialektkontinuum zum Oberdeutschen durch den Rheinischen Fächer; in der Benrather Linie, die Oberdeutsch und Niederdeutsch in einer relativ harten Dialektgrenze voneinander trennt, fließen die verschiedenen Isoglossen, die den Rheinischen Fächer bilden, zusammen.
Das Problem der obigen Karte ist, dass sie gewissermaßen die fränkischen Mundarten abbildet. Ich wollte eigentlich eine nicht so spezielle Karte zum Rheinischen Fächer nehmen, aber die habe ich nicht gefunden. Wäre der rheinische Fächer nicht, bestünde zwischen dem blaßgelb dargestellten Nordniederfränkisch (1c) und dem violetten Rheinfränkischen (5) dieselbe harte Dialektgrenze, wie zwischen diesem und dem Westfälischen. Da solltest du dich nicht täuschen lassen von der Bezeichnung Fränkisch und dass das Westfälische ausgegraut ist.
 
Und um zur Urspungsfrage zurück zu kommen. Vereinheitlicht wurde die Deutsche Sprache im Grunde durch Luther und seine Bibelübersetzung.
Damit wurde seine Sprache als Eckpfeiler gesetzt. Damit ist provokant gesagt, das heutige Hochdeutsch, ein Süddeutscher Dialekt.
Berühmte Germanisten waren die Gebrüder Grimm. Sind aber heute vor allem durch ihre Märchensammlung bekannt. Und natürlich Konrad Duden.
 
Und um zur Urspungsfrage zurück zu kommen. Vereinheitlicht wurde die Deutsche Sprache im Grunde durch Luther und seine Bibelübersetzung.
Damit wurde seine Sprache als Eckpfeiler gesetzt.

Wobei Luther nicht einfach seinen heimischen Dialekt als Basis genommen hat, sondern die oben erwähnte Meißner Kanzleisprache:
Dass das Meißner Kanzleideutsch überregional so gut verständlich war, liegt u. a. daran, dass es seinerseits auf einem Ausgleichsdialekt basierte: "Hier waren seit dem 13. Jh. Siedler aus Hessen, Thüringen, Ostfranken, teilweise auch dem Rheinland und den Niederlanden, zusammengetroffen. Die obersächs. Mundarten sind das Ergebnis von Ausgleichsvorgängen jener Zeit."
Geschichte der deutschen Sprache

Wir hatten das auch schon in diesem Thread:
Entwicklung zum Neuhochdeutschen
 
Damit ist provokant gesagt, das heutige Hochdeutsch, ein Süddeutscher Dialekt.

Wie Sepiola geschrieben hat, beruht das heutige Standardhochdeutsch auf den mitteldeutschen Ausgleichsdialekten. Ansonsten wäre diese vereinheitlichende Sprache nicht im Norden und im Süden verstanden und akzeptiert worden. Wie schon El Quijote schrieb, war die Luther-Übersetzung nicht die erste, aber dennoch die am weitesten verbreitete und einflussreichste Bibelübersetzung.

Im Süden hatte es das 'Luther-Deutsch' aus konfessionellen Gründen, aber auch wegen des Wiener Hofes als Zentrum schwerer als im Norden. Es wären noch Gottsched und Adelung zu nennen sowie die Weimarer Klassiker, die der mitteldeutschen Norm auch im Süden endgültig Geltung verschafften.

Martin Luther – Wikipedia

Standarddeutsch – Wikipedia

Entwicklung zum Neuhochdeutschen
 
Zur deutschen Sprachgeschichte gibt es auch einen Artikel in der Wikipedia:

Deutsche Sprachgeschichte – Wikipedia .

Allerdings bezieht sich der Artikel in erster Linie auf das Hochdeutsche. Hochdeutsch bezieht sich auf die süddeutschen Dialekte, die noch in mittel- und oberdeutsche Dialekte unterteilt werden. Und mit "süddeutsch" sind hier die Gebiete südlich der Benrather Linie gemeint.

Die norddeutschen Dialekte (= nördlich der Benrather Linie) werden als Niederdeutsch bezeichnet.

Hierzu der folgende Artikel:

Niederdeutsche Sprache – Wikipedia
 
In welcher Sprache hat man denn in Ostfriesland die Bibel gelesen?
Zunächst auf Niederdeutsch, ab dem 17. Jahrhundert bei den Lutheranern auf Hochdeutsch, bei den Reformierten auf Niederländisch.

„ Zwischen 1650 und 1850 war Ostfriesland ein Dreisprachenland. Im reformierten Westen lehrte und predigte man auf niederländisch, im lutherischen Osten war die Sprache der Schule und der Kanzel Hochdeutsch. In beiden Landesteilen aber war die ‚lingua franca‘ (die Verkehrssprache eines eines größeren mehrsprachigen Raums) Niederdeutsch“, erklärt Dr. Fort in seiner Dokumentation „Die Tradition des Niederländischen in Ostfriesland“ [...]
Nach dem Übergang Frieslands an das Königreich Hannover im Jahre 1815 bemühte sich die Regierung hartnäckig und mit wachsendem Erfolg darum, das Niederländische als Schul- und Kirchensprache durch das Hochdeutsche zu ersetzen.

Der Borkumer Pfarrer schreibt noch 1865:
„... mit Ausnahme der jetzigen Jugend haben alle Einwohner ihre Bibel, ihr Gesangbuch und ihren Katechismus nur in holländischer Sprache gelernt und so erklingt ihnen das Deutsche als eine fremde Sprache“. Als Seelsorge für Arme und Alte und Unkundige möge doch eine Ausnahme erteilt werden, um in den Nebengottesdiensten holländisch zu predigen.
Aus dem Archiv des Heimatvereins (Borkumer Zeitung, 26. / 27.10.2015) | Heimatverein der Insel Borkum e.V.
 
Wie definierst Du "Deutsch"? Zählen die niederdeutschen und niederfränkischen Dialekte dazu oder nicht? Oder gehen wir nicht vom gesprochenen, sondern vom geschriebenen Deutsch aus? Dann haben wir drei "deutsche" Schriftsprachen, das Niederländische war ja keine "ausländische" Sprache, sondern wurde (außer im heutigen Belgien) auch am Niederrhein, im Emsland und in Ostfriesland als Hochsprache verwendet.

Hier noch zur Situation am Niederrhein: Niederländisch im Rheinland

Ich selber habe irgendwann in Mülheim a. d. Ruhr eine ältere Schrifttafel (+/- 1800?) gesehen, in der der Ortsname "Meurs" auftauchte. Dabei handelt es sich um das niederrheinische Moers (oe wird wie ö ausgesprochen). In der Schreibweise Meurs sieht man noch den niederländischen Einfluß. Im Ndl. wird eu wie ö ausgesprochen. Aber auch in anderen Orten am Niederrhein habe ich gelegentlich in älteren Schrifttafeln noch Texte gesehen, wo in Ortsnamen das Niederländische erkennbar war.

So weit mir bekannt, war im westlichen Münsterland (also an der Grenze zu den Niederlanden) die Situation bis ins 19. Jahrhundert ähnlich. Wie das im Westen des heutigen Niedersachsens (Grenze zu Niederlanden) war, ist mir nicht bekannt.

(Ggf. könnte man zur Geschichte des Niederländischen im Westen Deutschlands einen eigenen Thread aufmachen)
 
Interessant.
Hier ging es ja ursprünglich um die Frage, ob eine Entwicklung des Alten Reiches zu einem deutschen Nationalstaat irgendwie vorstellbar wäre. Dabei habe ich Niederdeutschland unreflektiert zu Deutschland gerechnet, obwohl es bestimmt mal ein Dialektkontinuum von Süd- nach Norddeutschland und über Holland bis nach Flandern gegeben hat.
 
Das niederdeutsche Sprachgebiet in Norddeutschland (Norddeutschland hier = nördlich der Benrather Linie) gehört durchaus zu Deutschland. Auch die Niederlande konnte man bis ins 17. Jahrhundert zu Deutschland zählen. Noch heute wird im Englischen Niederländisch als Dutch bezeichnet.

Zu den Begrifflichkeiten und der Wechsel von Deutsch zu Niederdeutsch und dann zu Niederländisch für das Niederländisch siehe Niederländische Sprache – Wikipedia
 
obwohl es bestimmt mal ein Dialektkontinuum von Süd- nach Norddeutschland und über Holland bis nach Flandern gegeben hat.
Solange die Dialekte nicht ausgestorben sind, existiert das Dialektkontinuum noch. Das Klever Platt ist dem Niederländischen sehr nahe:
As den Schlächter op de Dääl kömmt, es gen Tidd mer öm te mäste

As den Schlächter op de Dääl kömmt, es gen Tidd mer öm te mäste.

=
Wenn der Metzger auf die Tenne kommt, ist keine Zeit mehr zu mästen.

(Mein Versuch einer Übersetzung ins Niederländische:)
Als de slager naar de deel komt, is er geen tijd meer om te mesten.
 
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