Zum Rest später, hierzu vorab:
Zitat @Admiral: "Faktisch bedeutete dies, dass gegen den Reichstag keine Politik mehr gemacht werden konnte."
Hier ist interessant, dass die Kriegserklärung ohne den Reichstag ausgesprochen wurde.
Zitat @Admiral: "Der Reichstag war verfassungsrechtlich nicht in die Kriegserklärung involviert. Gerade bei dieser Frage wird die offensichtlich von niemand mehr bestrittene Macht des Reichstags bzw. der Parteien deutlich."
Abgesehen von der mangelnden Logik in diesem Satz (Darlegung der Macht anhand einer Frage - Kriegserklärung -, in der nicht mitentschieden wurde) wird die These von der Macht des Reichstags iVm der Kriegserklärung durch Deine Hinweise/Verknüpfung auf die Kriegskredite begründet. Diese Schlußfolgerung ist Unsinn und steht konträr zu den Fakten. Zwei Bemerkungen dazu:
1. Das Problem der Kriegsfinanzierung ist in den Planungen ein "Problem" von wenigen Monaten (-> Schlieffenplan). Zu diesem Zweck ist ist Hilfe der Reichsbank der sogenannte "Silberschatz" kreiert worden, um die geschätzten 2-3 Milliarden für Mobilisierung und "kurzen Krieg" aufbringen zu können. Die Fondsdotierung wurde aufgrund der notorisch knappen Reichskasse bis Juli 1914 auf etwas über 200 Millionen gebracht. Hinzu kamen die Reichsbankreserven (die durch den Bankenansturm im Juli 1914 um 15- 20% gerupft wurden, aber für die ersten Monaten noch ausreichten). Dieses ist der finanzielle Aspekt der Aushebelung der politischen Opposition, auch soweit sie im Reichstag saß.
2. Zur militärisch-polizeilichen Variante habe ich mich oben geäußert. Bevor hier weiter (@admiral: "Notstandspläne") im Nebel gestochert oder munter bei Helfferich & Co. abgeschrieben wird, wären ein paar Darstellungen zm Thema empfehlenswert. Es geht hier um militärische Erlasse und Verfügungen zur Polizeigewalt.
Das ist eine mittlerweile typische Ungenauigkeit.
1. Es geht hier nicht um "hätte können". Zunächst einmal wurde der "Kriegszustand" erklärt, zB Verfügung 31.7.1914 des Oberbefehlshabers in den Marken für Berlin und der Provinz Brandenburg. Zitat: "Durch Allerhöchste Verordnung ist für Berlin ... der Kriegszustand erklärt. ..."
2. Weiterhin ging Art. 68 der Reichsverfassung mangels eines Gesetzes zur Verkündung und Wirkung ins Leere. Auf das Fehlen einer Verkündung nach Art. 68 hinzuweisen, ist daher eine recht merkwürdige Argumentationsweise (oder soll hier wieder Rechtstaatlichkeit suggeriert werden?). Der Artikel hatte deshalb auch keine Gültigkeit für das Königreich Bayern (was spätere Unterschiede dort zur übrigen Pressezensur begründet hat).
3. Trotzdem gab es den "Kriegszustand", und zwar nach Maßgabe des Preußischen Belagerungszustandsgesetz aus 1851, diese wiederum auf Basis der Verfassung von 1850. Verkündigung des Kriegszustandes im Reichsgesetzblatt 1914, S. 263.
Der Krieg wurde ohne Reichstag erklärt.
Betr. Reichstag ging es um die Finanzierung-, und damit um die Machtfrage. Zur Relativierung siehe oben. Es geht hier auch nicht darum, ob jemand wissen konnte, was passiert wäre, wenn es hätte ohne gehen können. :devil:
Es geht um die Frage, ob die Befehle draußen waren. betr. der Ausführung der "Notstandspläne", nämlich zur innenpolitischen Durchsetzung des gerade erklärten Krieges, falls sich jemand querlegt. Dass hier das Militär 1912/1914 recht zahm wurde (wir reden ja über das Kaiserreich, und das beginnt bekanntlich nicht 1911), lag an Machbarkeitsstudien zur Bekämpfung innerer Unruhen im Kriegsfall, die über Jahrzehnte angelegt wurden - soviel zur "Macht" des Reichstages. Im übrigen kam es durch den nationalen Schwenk nicht zum Äußersten, aber das war - wie gesagt - nicht die Frage.
Die Verdrehung ist Dir etwas durchsichtig geraten, ich rufe gerne nochmal zur Erinnerung und zum Verständnis Deine These von der Macht des Reichstags auf:Die folgende Anmerkung (#77) – es wäre auch ohne die SPD gegangen – hat man der Ausgangsfrage nichts zu tun.
Zitat @Admiral: "Faktisch bedeutete dies, dass gegen den Reichstag keine Politik mehr gemacht werden konnte."
Hier ist interessant, dass die Kriegserklärung ohne den Reichstag ausgesprochen wurde.
Zitat @Admiral: "Der Reichstag war verfassungsrechtlich nicht in die Kriegserklärung involviert. Gerade bei dieser Frage wird die offensichtlich von niemand mehr bestrittene Macht des Reichstags bzw. der Parteien deutlich."
Abgesehen von der mangelnden Logik in diesem Satz (Darlegung der Macht anhand einer Frage - Kriegserklärung -, in der nicht mitentschieden wurde) wird die These von der Macht des Reichstags iVm der Kriegserklärung durch Deine Hinweise/Verknüpfung auf die Kriegskredite begründet. Diese Schlußfolgerung ist Unsinn und steht konträr zu den Fakten. Zwei Bemerkungen dazu:
1. Das Problem der Kriegsfinanzierung ist in den Planungen ein "Problem" von wenigen Monaten (-> Schlieffenplan). Zu diesem Zweck ist ist Hilfe der Reichsbank der sogenannte "Silberschatz" kreiert worden, um die geschätzten 2-3 Milliarden für Mobilisierung und "kurzen Krieg" aufbringen zu können. Die Fondsdotierung wurde aufgrund der notorisch knappen Reichskasse bis Juli 1914 auf etwas über 200 Millionen gebracht. Hinzu kamen die Reichsbankreserven (die durch den Bankenansturm im Juli 1914 um 15- 20% gerupft wurden, aber für die ersten Monaten noch ausreichten). Dieses ist der finanzielle Aspekt der Aushebelung der politischen Opposition, auch soweit sie im Reichstag saß.
2. Zur militärisch-polizeilichen Variante habe ich mich oben geäußert. Bevor hier weiter (@admiral: "Notstandspläne") im Nebel gestochert oder munter bei Helfferich & Co. abgeschrieben wird, wären ein paar Darstellungen zm Thema empfehlenswert. Es geht hier um militärische Erlasse und Verfügungen zur Polizeigewalt.
Das ist reine Theorie und ist schlicht nicht der historische Geschehensablauf (was auch zugegeben wird). Der Kaiser hätte sicherlich das Kriegsrecht nach Art. 68 Reichsverfassung erklären können.
Das ist eine mittlerweile typische Ungenauigkeit.
1. Es geht hier nicht um "hätte können". Zunächst einmal wurde der "Kriegszustand" erklärt, zB Verfügung 31.7.1914 des Oberbefehlshabers in den Marken für Berlin und der Provinz Brandenburg. Zitat: "Durch Allerhöchste Verordnung ist für Berlin ... der Kriegszustand erklärt. ..."
2. Weiterhin ging Art. 68 der Reichsverfassung mangels eines Gesetzes zur Verkündung und Wirkung ins Leere. Auf das Fehlen einer Verkündung nach Art. 68 hinzuweisen, ist daher eine recht merkwürdige Argumentationsweise (oder soll hier wieder Rechtstaatlichkeit suggeriert werden?). Der Artikel hatte deshalb auch keine Gültigkeit für das Königreich Bayern (was spätere Unterschiede dort zur übrigen Pressezensur begründet hat).
3. Trotzdem gab es den "Kriegszustand", und zwar nach Maßgabe des Preußischen Belagerungszustandsgesetz aus 1851, diese wiederum auf Basis der Verfassung von 1850. Verkündigung des Kriegszustandes im Reichsgesetzblatt 1914, S. 263.
Das ist mit obigen Ausführungen obsolet.Aber so ging man nicht vor und mir ist nicht bekannt, dass einer der damals leitenden Politiker ernsthaft das Kriegsrecht ausrufen wollte.
Das hat nichts damit zu tun, dass Notstandspläne bestanden (die dürften in jedem Land bestehen). Niemand weiß was passiert wäre, wenn plötzlich führende SPD Politiker verhaftet worden wäre. Niemand in der Reichsleitung wollte herausfinden, ob es wirklich „ohne gegangen“ wäre.
Der Krieg wurde ohne Reichstag erklärt.
Betr. Reichstag ging es um die Finanzierung-, und damit um die Machtfrage. Zur Relativierung siehe oben. Es geht hier auch nicht darum, ob jemand wissen konnte, was passiert wäre, wenn es hätte ohne gehen können. :devil:
Es geht um die Frage, ob die Befehle draußen waren. betr. der Ausführung der "Notstandspläne", nämlich zur innenpolitischen Durchsetzung des gerade erklärten Krieges, falls sich jemand querlegt. Dass hier das Militär 1912/1914 recht zahm wurde (wir reden ja über das Kaiserreich, und das beginnt bekanntlich nicht 1911), lag an Machbarkeitsstudien zur Bekämpfung innerer Unruhen im Kriegsfall, die über Jahrzehnte angelegt wurden - soviel zur "Macht" des Reichstages. Im übrigen kam es durch den nationalen Schwenk nicht zum Äußersten, aber das war - wie gesagt - nicht die Frage.