Die Lusitania - ein Hilfskreuzer?

Arne schrieb:
Ich dachte es wäre nun wirklich alles mehrfach dazu gesagt und wir können das Thema hier abschliessen, aber nun noch einmal um das anscheinende Mißverständnis zu klären:

1) Die hohe Verschuldung GBs in den USA war nach meiner Einschätzung kein allein entscheidender Grund zum Kriegeintritt.
2) Die USA machten sich bei den hohen Schulden 1917 weniger Gedanken um einen ausgeglichenen Haushalt in GB, sondern um den Schaden, den ihre eigene Wirtschaft bei einem Ausfall davon tragen würde.

Soweit rübergekommen? Dass du diesen Aspekt verschwindend gering und ich etwas höher einschätze, hatten wir bereits festgestellt. Das brauchst du also nicht noch einmal widerholen - ich weiß das.
Meiner Meinung nach geht es bei unserem Streit auch nicht um ein Missverständnis sondern um eine Unerklärlichkeit. Anders ausgedrückt: Ich meine, dass Du - auch nicht im Kriegseintrittsstrang - erklären kannst, worin eigentlich die eigenständige Bedeutung der Sorgen um den finanziellen Ausfall Englands liegen sollen und zwar in einem Moment, in dem die amerikanische Regierung befürchten musste, dass sich die Machtverhältnisse in Europa aufgrund der russischen Februarrevolution in Richtung eines machtpolitischen Ausfall Englands entwickeln werden. Oder gibt es etwa einen Anhalt für die These, dass die Amerikaner grundsätzlich bereit gewesen wären, den Ausfall Englands als Großmacht, nicht aber ihren Ausfall als Schuldner zu akzeptieren?
 
Repo schrieb:
Dass die deutsche Regierung bereit war alles zu akzeptieren halte ich für einen Denkfehler!

Wilson hatte angefragt, ob man mit einem Frieden auf Basis der 14 Punkte einverstanden wäre, und nur noch die Waffenstillstands-Bedingungen auszuhandeln wären. ...
So war es nun wirklich nicht. Es war die Deutsche Regierung, die Wilson am 4.10.1918 bat, auf der Grundlage seiner Vierzehnpunkte, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Mit anderen Worten: die einzige Bedingung der deutschen Seite für den Waffenstillstand war es, Wilsons Vierzehnpunkte zur Basis von Friedensverhandlungen zu machen. ALLES ANDERE war man schon Anfang Oktober 1918 bereit zu schlucken. Man stand ja auch vor dem militärischen Zusammenbruch.
 
Gandolf schrieb:
Mit anderen Worten: die einzige Bedingung der deutschen Seite für den Waffenstillstand war es, Wilsons Vierzehnpunkte zur Basis von Friedensverhandlungen zu machen. ALLES ANDERE war man schon Anfang Oktober 1918 bereit zu schlucken. Man stand ja auch vor dem militärischen Zusammenbruch.

Kannst Du Quellen für Deine These, dass die Reichsleitung "alles andere" akzeptieren wolle, nennen.

Baden, Ebert, Scheidemann, Erzberger führten ausgedehnte Gespräche, wobei Erzberger die These vertrat, dass auf einen "schlimmen" Waffenstillstand durchaus ein fairer Friede folgen könne. Die anderen traten dieser These aber scharf entgegen. wobei die Bedingungen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bekannt waren. Max von Baden bemühte sich am 28.10. diese von Foch vorab zu erfahren, was aber nicht gelang. Der Gedanke von einer Fortsetzung des Krieges zieht sich durch die "Erinnerungen und dokumente" von Max von Baden wie ein roter Faden. Wobei er die Meinung vertritt, dass bei Bekanntgabe dieser Bedingungen weder Heer noch Flotte die Fortsetzung des Krieges verweigert hätten.
Was sich aber durch den Auslaufbefehl vom 28.10. alles erledigt hätte.

Man beachte: Dies sind nicht meine Thesen sondern die von Max von Baden aus "Erinnerungen und Dokumente" Berlin 1927

Ich kann keinen Beleg finden, dass die Reichsregierung ab Anfang Oktober 1918 gewillt war "alles zu akzeptieren", dagegen spricht alles dafür, dass die Regierung durchaus der Meinung war noch Verhandlungsspielraum zu haben.
Den ihr die Seekriegsleitung dann nahm.

Grüße Repo
 
Zuletzt bearbeitet:
Bewaffnung von Handelsschiffen zulässig? Warnungslose Versenkung erlaubt?

Die deutsche Seite hat ja immer wieder behauptet, dass die Lusitania bewaffnet gewesen sein soll. Einen Beweis für diese Behauptung gibt es bislang nicht. Bei O`Sullivan findet sich der Hinweis, dass auf die Bewaffnung wie auf den Umbau zum Hilfskreuzer verzichtet wurde. Auch gab es keine Augenzeugen, die von Geschützen berichteten. Und bei den zahlreichen Tauchgängen gab es bislang keinen Geschützfund.

Doch angenommen sie wäre bewaffnet gewesen. Würde dies an dem Urteil etwas ändern, dass ihre Versenkung völkerrechtswidrig war?

Beim Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg, Schriften zum Völkerrecht, Band 119, 1995, findet man zum bewaffneten Handelsschiff folgende Bemerkungen:

"Die britische Praxis der Bewaffnung von Handelsschiffen war nach der damaligen Rechtslage keineswegs völkerrechtswidrig, war doch die alte Regel erhalten geblieben, derzufolge gegnerische Handelsschiffe nicht verpflichtet sind, prisenrechtliche Maßnahmen einer Konfliktpartei widerstandslos zu dulden." (Wolff Heintschel von Heinegg, aaO., S. 367)

"Gleichwohl [bezieht sich auf die Gefahren, die von einem bewaffneten Handelsschiff für U-Boote ausgehen konnten, Gandolf] herrschte bis nach dem Ende des II. Weltkriegs die Auffassung vor, die Bewaffnung eines Handelsschiffs ausschließlich zu Verteidigungszwecken rechtfertige einen warnungslosen Angriff nicht." (Wolff Heintschel von Heinegg, aaO, S. 375)
 
Auch in der englischen und amerikanischen historischen Literatur geht es munter durcheinander.

So Colin Simpson Lusitania New York 1990:

“The [Lusitania’s] shelter deck was adapted to take four six-inch guns on either side.... Her armament was installed and on 17 September she entered
the Admiralty fleet register as an
armed auxiliary cruiser, and was so entered on the Cunard [Steam Ship
Company] ledgers. The Lusitania was ready for war.” (pp.31-32)

Jane’s Fighting Ships 1914 and The Naval Annual 1914... were standard issue to each U-boat. Both British naval
publications listed her [the Lusitania] as armed, Jane’s as an auxiliary
cruiser, The Naval Annual as an armed merchantman.” (pp.72-73)

Auf Discovery Channell liest man:

"At the outbreak of war in August 1914, the Lusitania had been handed over to the Admiralty and sent to the Canada Dock, Liverpool, where she was equipped with twelve 6-inch guns. She entered the Admiralty fleet register as an armed auxiliary cruiser, and her armament gave her a heavier broadside than the Royal Navy cruisers that patrolled the English Channel."
http://discoverychannel.co.in/wreck_detectives/ship_wrecks/index.shtml

Andere Quellen bestätigen die Einstufung als Hilfskreuzer im Jane`s und in den Schiffsregistern von Cunard, erklären aber, man habe auf die tatsächliche Ausrüstung als Hilfskreuzer verzichtet, weil die große Silhouette des Schiffs bei Kampfeinsätzen zu leicht zu treffen war und weil der Kohlenverbrauch exorbitant hoch war, auch das eine durchaus plausible Aussage.
 
Bei Colin Simpson "Die Lusitania" heisst es:

"Das Ergebnis dieser Nachforschung...wurde schließlich ergänzt durch die Entdeckung der Papiere des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Cunard-Linie Alfred Booth und seines Vetters George, der von 1914 bis 1919 stellvertretender Director General des Ministry of Munitions war...Booth fand sich am 19.2.1913 um 14 Uhr 30 auf der Admiralität ein. Der First Lord Winston Churchill führte Vorsitz... Er ließ keinen Zweifel, dass es in Kürze einen Krieg mit Deutschland geben werde. Man rechne mit seinem Ausbruch im September 1914... Er stellte fest, dass der Zeitpunkt gekommen sei, im nationalen Interesse gewisse Klauseln anzuwenden, in denen sich die Cunard-Linie verpflichtet habe, ihre Schiffe der Admiralität zur Verfügung zu stellen. Er sprach den Wunsch aus, dass man die "Lusitania", die "Mauretania", die "Invernia" und die "Aquitania"... sofort umrüste, damit sie bei Ausbruch der Feindseligkeiten unverzüglich ihre Rolle als Hilfkreuzer übernehmen könnten...Unter strenger Geheimhaltung kam die "Lusitania" am 12.Mai 1913... ins Trockendock. Die Cunard Company erklärte, das Schiff werde vorübergehend aus dem Verkehr gezogen, damit die neuen Turbinenmodelle eingebaut werden können, aber die New York Tribune ließ die Katze aus dem Sack, als sie am 19. Juni berichtete: '...wird der Windhund gemäß der neuen englischen Politik... mit Hochleistungs-Marinegeschützen ausgerüstet'... und am 16. März 1914 konnte Winston Churchill stolz dem Unterhaus berichten, dass über vierzig britische Handelsschiffe mit 'defensiver Bewaffnung' ausgerüstet worden seien. Der Terminus 'defensiv' muss...auf das Konto 'Freiheit eines Politikers' gebucht werden, denn die Cunard-Schiffe konnten alle mit einer schwereren Breitseite aufwarten als z.B. die Kreuzer der...E.-Klasse, die mit der Verteidigung des Ärmelkanals beauftragt waren... Churchill murmelte... 'Für mich sind das hier nur weitere 45.000 Tonnen Lebendköder'"

Simpson, Colin: Die Lusitania. 1972, London und Frankfurt.


Übrigens: Die "Lusitania", die 1907 bei ihrer zweiten Atlantik-Überquerung den deutschen Passagierschiffen das Blaue Band abgejagt hatte, war noch 1913 der Stolz der britischen Handelsmarine: mit vier Schornsteinen und 24 Knoten hat sie in je 4 Tagen und 19 Stunden das Meer zwischen Liverpool und New York durchrast, an die zweihundertmal. Es war übrigens das höchstgebaute, auch mit 45.000 Tonnen größte Schiff der Welt samt ihrem Schwesterschiff der "Mauretania".


Frage: Was ist an dran an der Behauptung, dass der britische Kreuzer, der nach der Torpedierung der "Lusitania" an der Unglückstelle ankam um Schiffbrüchige zu retten, auf Befehl der Londoner Admiralität abdampfen musste, ohne retten zu dürfen? :S


Saludos!
 
Sehr interessante Diskussion hier, die Lusitania ist eines meiner Lieblingsthemen.

Ich hätte folgende Frage: Wurde die Lusitania nach Queenstown beordert oder nicht? Im Netz finde ich drei Hypothesen:

* Die Lusitania wurde nicht nach Queenstown beordert.
* Vizeadmiral Coke hat die Lusitania nach Queenstown berufen, um sie zu aus der Gefahr zu bringen (dumm gelaufen...)
* Captain Turner dachte durch ein Missverständnis, er sei nach Queenstown berufen worden, und änderte den Kurs (direkt vor das U-Boot).

Was sagen die Bücher dazu - was ist richtig?
 
Die deutsche Seite hat ja immer wieder behauptet, dass die Lusitania bewaffnet gewesen sein soll. Einen Beweis für diese Behauptung gibt es bislang nicht. Bei O`Sullivan findet sich der Hinweis, dass auf die Bewaffnung wie auf den Umbau zum Hilfskreuzer verzichtet wurde. Auch gab es keine Augenzeugen, die von Geschützen berichteten. Und bei den zahlreichen Tauchgängen gab es bislang keinen Geschützfund.

Doch angenommen sie wäre bewaffnet gewesen. Würde dies an dem Urteil etwas ändern, dass ihre Versenkung völkerrechtswidrig war?


Die britsche Admiralität führte die Lusitania in ihrer Flottenliste als Reserve-Hilfskreuzer.

Amerikanische Hafenpapiere belegen, das die Lusitania mit4.200.000 Schuss Gewehrmunition, 3.240 Aufschlagzünder, 46 Tonnen Aluminiustaub zur Sprengstoffherstellung und 5000 Stück Splittergeschosse beladen war. Besonders fatal für den sehr schnellen Untergang der Lusitania war der Aluminumstaub, da dieser explodierte.

Gemäß Aussage von Senator Stone waren sogar englische Reservisten an Bord.

Churchill und seine Leute wußten genau, der deutsche Code für den Funkverkehr wurde durch Room 40 geknackt und mitgehört, das Ende April und Anfang Mai deutsche U-Boote ausliefen, die den Befehl hatten Truppentransporter im Kanal und der Südküste Englands zu versenken. Room 40 und somit auch Chruchill waren über den genauen Standort vo U 20 genau in Bilde, denn der Kommandat Schwieger hat mehr als ein Dutzend Mal seine Position durchgegeben. Trotzdem wurden keine Warnung an die Lusitania rausgegeben.


U 20 und U 27 verließen Helgoland am 30.April bzw. 04.Mai mit Zielgebiet Irische See bzw. Bristolkanal, also die wo der hauptsächliche Atlantikverkehr vonstatten ging. Diese wurde den zuständigen stellen der Royal Navy in Liverpool und Queenstown nicht mitgeteilt.

Die britschen Kriegsschiffe Gloucester, Orion und Jupiter bekamen Order das Gebiet zu meiden, aber die neutrale Handelsschiffahrt erhielt keine entsprechende Nachricht.

Der Kommandant von U 20 hat gemäß seinen Befehlen gehandelt. Das Schiff befand sich im Kriegsgebiet. Woher sollte er wissen, das statt Soldaten Zivilisten an Bord waren? Gerade die Kanadier und Briten setzten Passagierdampfer, Chruchill bezifferte 24 für Großbritannien, für Truppentransporte ein. Und Großbritannien setzte diese Passagierdampfer als Hilfskreuzer ein.

Da die Lusitania Munition- und Transportschiff unterwegs war und auch offiziell als Hilfkreuzer der britschen Marine eingetragen war, liegt kein Bruch des Völkerrechts vor.

(Quelle für diese Informationen: "Des Kaiser U-Boote" von Joachim Schröder)

Grüße
Amicus
 
Hallo Amicus,

zunächst einmal gratuliere ich Dir zur Anschaffung des Buchs von J. Schröder. Mit diesem Buch hat Schröder sicherlich Verdienste erworben, soweit er die Konflikte zwischen der Reichsleitung, der Seekriegsleitung und den U-Boot-Kapitänen um den richtigen U-Boot-Krieg darstellt. Hier gelingt es ihm ja auch mit so manchen Legenden aufzuräumen, die bisher die deutsche Geschichtssschreibung des U-Boot-Krieges im ersten WK begleitet hat (insb. die angebliche Bedeutung der britischen Gegenmassnahmen für den Übergang zum unbeschränkten U-Boot-Krieg).

Doch leider ist Schröder der Teil seines Buches nicht gelungen, in dem er zu den völkerrechtlichen Bewertungen des Lusitania-Zwischenfalls Stellung nimmt. Schröder ist Historiker und kein Jurist. Das kann man ihm nicht vorwerfen. Aber man kann schon kritisieren, dass er sich nicht wenigstens die juristische Methodenlehre angeeignet hat, um dann mit dieser eine Antwort auf die Rechtsfrage der völkerrechtlichen Bewertung der Versenkung der Lusitania zu suchen. Das ist ungefähr so, wie wenn man eine volkswirtschaftliche Frage der Vergangenheit beantworten möchte, ohne sich vorher die entsprechenden volkswirtschaftlichen Kenntnisse angeeignet zu haben. Dementsprechend sehen auch Schröders Ausführungen zur völkerrechtlichen Bewertung des Lusitania-Zwischenfalls aus: er orientiert sich nicht an den damaligen Rechtsquellen und zieht infolgedessen auch nicht aus diesen seine Schlüsse sondern er trägt all das zusammen, was er zu diesem Aspekt gefunden hat, ohne sich durch die Aneignung der einschlägigen Fachkenntnisse in die Lage versetzt zu haben, den Schein vom Sein trennen zu können.:(

Ich will das mal an den beiden Argumenten "Eintragung ins Flottenregister" und "Munitionstransport" verdeutlichen:

Schröder leitet wie viele andere Autoren auch von der Erwähnung der Lusitania in den einschlägigen Flottenhandbüchern als Hilfskreuzer deren Eigenschaft als Kriegsschiff ab. Das geht jedoch an der Rechtslage völlig vorbei. Denn nach der VII. Haager Konvention über die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegsschiffe (1907) war für die Bewertung eines Schiffs als Handelsschiff oder als Kriegsschiff u.a. entscheidend, ob es als Kriegsschiff äußerlich gekennzeicht war (Art. 2). Das war die Lusitania aber nicht! Infolgedessen handelte es sich bei ihr um ein Handelsschiff und nicht um ein Kriegsschiff; vgl. mein Beitrag # 159 in diesem Stang.

Und für Handelsschiffe galt - worauf Schröders gesamte Diss. zu Recht aufbaut - die Prisenordnung. Schrieder hätte demnach das Handelsschiff Lusitania anhalten und nach Konterbande, insb. Munition, durchsuchen müssen. Nachdem er die Munition gefunden hätte, hätte er die Besatzung und die Passagiere die Gelegenheit geben müssen, sich zu retten, und erst danach hätte er die Lusitania versenken dürfen.

Doch abgesehen von diesem fachfremden Schnitzer im Detaillbereich des Lusitania-Zwischenfalls ist Schröder im Kernbereich seiner Dissertation herausragendes gelungen. Es lohnt sich dieses Buch zu lesen!
 
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Hallo Amicus,

zunächst einmal gratuliere ich Dir zur Anschaffung des Buchs von J. Schröder.


Dankeschön!

Mit diesem Buch hat Schröder sicherlich Verdienste erworben, soweit er die Konflikte zwischen der Reichsleitung, der Seekriegsleitung und den U-Boot-Kapitänen um den richtigen U-Boot-Krieg darstellt. Hier gelingt es ihm ja auch mit so manchen Legenden aufzuräumen, die bisher die deutsche Geschichtssschreibung des U-Boot-Krieges im ersten WK begleitet hat (insb. die angebliche Bedeutung der britischen Gegenmassnahmen für den Übergang zum unbeschränkten U-Boot-Krieg).


Ich habe das Buch noch nicht ausgelesen, bin aber doch sehr angetan von der Lektüre. An dieser Stelle nochmals Danke für den klasse Tipp!

Schröder leitet wie viele andere Autoren auch von der Erwähnung der Lusitania in den einschlägigen Flottenhandbüchern als Hilfskreuzer deren Eigenschaft als Kriegsschiff ab.
Das geht jedoch an der Rechtslage völlig vorbei. Denn nach der VII. Haager Konvention über die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegsschiffe (1907) war für die Bewertung eines Schiffs als Handelsschiff oder als Kriegsschiff u.a. entscheidend, ob es als Kriegsschiff äußerlich gekennzeicht war (Art. 2).


Das bedeutet im Endeffekt, das es nicht ausreichend war, das die Lusitania als Hilfskreuzer geführt und eingesetzt worden war, sonderm auch von außen als solches erkennbar sein musste. Oh Mann, das war aber eine dicke Lücke in der Haager Konvention und die nutzte Großbritannien kanllhart aus, um Deutschland in Konflikt mit anderen Mächten, insbesondere den USA, zu bringen.

Grüße
Amicus
 
Das bedeutet im Endeffekt, das es nicht ausreichend war, das die Lusitania als Hilfskreuzer geführt und eingesetzt worden war, sonderm auch von außen als solches erkennbar sein musste. Oh Mann, das war aber eine dicke Lücke in der Haager Konvention und die nutzte Großbritannien kanllhart aus, um Deutschland in Konflikt mit anderen Mächten, insbesondere den USA, zu bringen.
Vorab mal folgendes: die Lusitania wurde nicht als Hilfskreuzer eingesetzt. Den Deutschen war auch durchaus bekannt, dass die Lusi als Passagierdampfer unterwegs war. Die deutsche Botschaft hat ja auch in New York die Passagiere vor der Überfahrt auf der Lusi gewarnt. Dass die deutschen U-Boote nicht angewiesen wurden, gegenüber der Lusi nach der Prisenordnung vorzugehen, hing schlicht und ergreifend damit zusammen, dass die Seekriegsleitung den U-Boot-Krieg nicht nach Prisenordnung führen wollte. Zudem versuchte sie durch die Warnungen in NY die bei einem Zwischenfall getöteten Passagiere für ihr Schicksal selbst verantwortlich zu machen.

Die von mir genannte Haager Konvention enthielt keine "Lücke" sondern stieß das Tor zur Rechtsunsicherheit weit auf. Die Konvention erlaubte ja sogar die Umwandlung eines Handelsschiffs in ein Kriegsschiff auf hoher See. Infolgedessen konnte es auch gar nicht auf die Eintragungen in den Flottenregistern und Flottenhandbüchern für die Begründung der Kriegsschiffeigenschaft ankommen, sondern man benötigte äußere Erkennungszeichen.

Die Lusi war aber nicht als Kriegsschiff gekennzeichnet. Hierüber haben weder Besatzungsmitglieder noch Passagiere noch der deutsche U-Boot-Kapitän Schrieder in seinem Logbuch berichtet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vorab mal folgendes: die Lusitania wurde nicht als Hilfskreuzer eingesetzt. Den Deutschen war auch durchaus bekannt, dass die Lusi als Passagierdampfer unterwegs war.


Das stimmt! Deshalb ja auch die landesweiten Warnungen. Das Wilson sich geweigert hat, seine Landsleute öffentlich vor der Nutzung britischer Schiffe zu warnen, ist schon fragwürdig.

Es ist aber doch strittig, ob auf der Lusitania Geschütze installiert waren. Auf jeden Fall war die Lusitania seit 1913 mit Panzerplatten, Munitionsräumen und entsprechenden Vorrichtungen für Geschütze versehen worden, um sie als Hilskreuzer einsetzen zu können.


Unstrittig hingegen ist das verantwortungslose Vorgehen der britischen Admiralität, die Lusitania als Transporter für Munition usw. und gleichzeitig als Passagierschiff zu verwenden.

Die deutsche Botschaft hat ja auch in New York die Passagiere vor der Überfahrt auf der Lusi gewarnt.


Die Deutsche Botschaft hat in Zeitungsanzeigen im ganzen Land am 01.Mai 1915, jeweils unter der Anzeige der Cunard Linie, die Passagiere über die Versenkungsgefahr auf britischen Schiffen insgesamt, die in das Kriegsgebiet fahren gewarnt.

Dass die deutschen U-Boote nicht angewiesen wurden, gegenüber der Lusi nach der Prisenordnung vorzugehen, hing schlicht und ergreifend damit zusammen, dass die Seekriegsleitung den U-Boot-Krieg nicht nach Prisenordnung führen wollte.

Die Seekriegsleitung wollte um jeden Preis den unbeschränkten U-Bootkrieg, wider besseren Wissens, denn die U-Bootkommandanten haben ja eindrucksvoll gezeigt, das sehr wohl ein erfolgreicher U-Bootkrieg nach der Prisenordnung möglich ist.

Zudem versuchte sie durch die Warnungen in NY die bei einem Zwischenfall getöteten Passagiere für ihr Schicksal selbst verantwortlich zu machen.

Kamen die Anzeigen nicht von der Deutschen Botschaft? Na ja, ich kann die Amerikaner nicht so ganz verstehen, trotz der Bekanntmachungen in ein Schiff zu steigen und das eigene Leben zu riskieren , sieht schon nach Vanbanquespiel aus. Es war ja imerhin bekannt, das Krieg herrschte.

Die von mir genannte Haager Konvention enthielt keine "Lücke" sondern stieß das Tor zur Rechtsunsicherheit weit auf. Die Konvention erlaubte ja sogar die Umwandlung eines Handelsschiffs in ein Kriegsschiff auf hoher See. Infolgedessen konnte es auch gar nicht auf die Eintragungen in den Flottenregistern und Flottenhandbüchern für die Begründung der Kriegsschiffeigenschaft ankommen, sondern man benötigte äußere Erkennungszeichen.


Na, dann meinen wir ja dasselbe.


Die Lusi war aber nicht als Kriegsschiff gekennzeichnet. Hierüber haben weder Besatzungsmitglieder noch Passagiere noch der deutsche U-Boot-Kapitän Schrieder in seinem Logbuch berichtet.


Korrekt! Aber es war den deutschen U-Bootkommandanten bekannt, das "Passagierschiffe" beispielseise von den Kanadiern und Briten als Truppentransporter eingesetzt wurden. Woher sollte er wissen, das es sich nicht um einen Truppentransporter handelte? Chruchill bezifferte die Zahl dieser Schiffe auf 24. Von den Kanadiern war bekannt, das sie britische Häfen anliefen.

Natürlich hätte er schon aus humanen Erwägungen im Zweifelsfall die Lusitania fahren lassen sollen.

Grüße
Amicus
 
Vorab mal folgendes: die Lusitania wurde nicht als Hilfskreuzer eingesetzt. Den Deutschen war auch durchaus bekannt, dass die Lusi als Passagierdampfer unterwegs war. Die deutsche Botschaft hat ja auch in New York die Passagiere vor der Überfahrt auf der Lusi gewarnt. Dass die deutschen U-Boote nicht angewiesen wurden, gegenüber der Lusi nach der Prisenordnung vorzugehen, hing schlicht und ergreifend damit zusammen, dass die Seekriegsleitung den U-Boot-Krieg nicht nach Prisenordnung führen wollte. Zudem versuchte sie durch die Warnungen in NY die bei einem Zwischenfall getöteten Passagiere für ihr Schicksal selbst verantwortlich zu machen.

Die von mir genannte Haager Konvention enthielt keine "Lücke" sondern stieß das Tor zur Rechtsunsicherheit weit auf. Die Konvention erlaubte ja sogar die Umwandlung eines Handelsschiffs in ein Kriegsschiff auf hoher See. Infolgedessen konnte es auch gar nicht auf die Eintragungen in den Flottenregistern und Flottenhandbüchern für die Begründung der Kriegsschiffeigenschaft ankommen, sondern man benötigte äußere Erkennungszeichen.

Die Lusi war aber nicht als Kriegsschiff gekennzeichnet. Hierüber haben weder Besatzungsmitglieder noch Passagiere noch der deutsche U-Boot-Kapitän Schrieder in seinem Logbuch berichtet.

Die Zeitungsanzeigen mit den Warnungen kamen von der kaiserl. dt. Botschaft.

Die Lusitania war so schnell, dass keine Chance bestand das Schiff unter normalen Umständen mit einem U-Boot zu versenken.

1917/18 sind diese Luxusschnelldampfer vollgestopft mit US-Soldaten ständig allein ohne Geleit über den Atlantik gerast. (Auch die in den USA beschlagnahmten deutschen) Keinen einzigen hat ein U-Boot erwischt. Und sie werden sich bestimmt bemüht haben.

Eine gezielte Versenkung der Lusitania ist auszuschließen. Ebenso wie eine gezielte "Opferung". Es sei denn, man würde die Schiffsführung unter die Selbstmord-Attentäter rechnen.
Die kam dem Schwieger zufällig vors Rohr, und Schwieger hat abgedrückt.

Grüße Repo
 
Dass die deutschen U-Boote nicht angewiesen wurden, gegenüber der Lusi nach der Prisenordnung vorzugehen, hing schlicht und ergreifend damit zusammen, dass die Seekriegsleitung den U-Boot-Krieg nicht nach Prisenordnung führen wollte. ...

Die von mir genannte Haager Konvention enthielt keine "Lücke" sondern stieß das Tor zur Rechtsunsicherheit weit auf. Die Konvention erlaubte ja sogar die Umwandlung eines Handelsschiffs in ein Kriegsschiff auf hoher See. Infolgedessen konnte es auch gar nicht auf die Eintragungen in den Flottenregistern und Flottenhandbüchern für die Begründung der Kriegsschiffeigenschaft ankommen, sondern man benötigte äußere Erkennungszeichen.
Die Lusi war aber nicht als Kriegsschiff gekennzeichnet. Hierüber haben weder Besatzungsmitglieder noch Passagiere noch der deutsche U-Boot-Kapitän Schrieder in seinem Logbuch berichtet.

Hallo Gandolf,

hierzu möchte ich folgendes zu bedenken geben, ich habe mir auch die #159 angeschaut:

Für die Einstufung der bewaffneten oder für Bewaffnung vorbereiteten Kauffahrteischiffe ist folgender Zusammenhang bedeutsam: Blockaderecht – U-Boot-Krieg – Bewaffung der Handelsschiffe.

Eingangs ist die Zulässigkeit der Blockade an sich beachtenswert, diese wird unter Ziffer 4 der Erklärung vom 16. April 1856 über Grundsätze des Seerechts (Pariser Deklaration) zugestanden. Dass der U-Boot-Krieg und die Blockade einen sachlichen Zusammenhang aufweisen, wird zum Beispiel durch die Note der deutschen Regierung an die USA vom 15.5.1915 nahegelegt (Verweis auf vorheriges Angebot an GB auf Aussetzung des U-Boot-Krieges gegen Aufhebung der Blockade des Deutschen Reichs). Die Blockaderegelungen machen nebenbei vor dem Hintergrund Sinn, Rechte und Pflichten der Neutralen zu regeln. Hinzu tritt die Erklärung über das Seekriegsrecht (Londoner Erklärung vom 26.02. 1909): Als Kriegskonterbande galten auch Lebensmittel (Art. 24), weshalb auch Hungerblockaden nicht ausgeschlossen waren. Daneben konnten kriegsführende Parteien durch Erklärung die Blockade auf weitere Güter als die in Art. 22 und 24 Genannten ausdehnen. Die Blockaderegelungen dienten somit völkerrechtlich bis dato nicht ausgeschlossen der Regelung des Handelskrieges gegen die Ressourcen des Kriegsgegners, somit indirekt bereits gegen die Bevölkerung.

Zur Listung als Kriegschiff:
Art. 6: Der Kriegsführende, der ein Kauffahrteischiff in ein Kriegsschiff umwandelt, muss diese Umwandlung möglichst bald auf der Liste seiner Kriegsschiffe vermerken (Abkommen über die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegsschiffe vom 18. Oktober 1907). Dass dieses praktische Bedeutung hatte, sieht man am zitierten Lusitania-Fall, bei dem die deutsche Regierung zu Recht in dem Notenaustausch mit den USA auf die britische Navy-List mit dem Verzeichnis der Kriegsschiffe hingewiesen hat. Das deutsche Reich hat sich hierauf berufen. Vorab: die Bewaffnung ist für die Kategorisierung tatsächlich nicht notwendig, die Vorbereitung oder Absicht der Bewaffnung schließt eine Listung nicht aus.

Um ein Kriegsschiff handelt es sich, so hattest Du das auch bereits dargestellt, wenn es dem direkten Befehl, der unmittelbaren Aufsicht und der Verantwortlichkeit der Macht, deren Flagge es führt, unterstellt ist (Art. 1) und wenn es die äußeren Abzeichen der Kriegsschiffe trägt (Art. 2); daneben muss der kommandierende Offizier im Staatsdienst stehen (Art. 3), sein Name in der Rangliste der Streitkräfte oder in einer gleichwertigen Liste enthalten sein (Art. 3) und die Besatzung den Regeln der militärischen Disziplin unterworfen (Art. 4).

Selbst wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist die Listung möglich und gilt im Umgang der Staaten untereinander. Dieses ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck eines Register, das gerade Unklarheiten beseitigen soll, indem sich Dritte darauf berufen können. Dessen ungeachtet erzwingt die Wortwahl „möglichst bald“ eine unverzügliche Listung solcher Schiffe nach Umwandlung, anderenfalls würde gegen Seekriegsrecht verstoßen. Man kann dieses mit einem entweder-oder zusammenfassen. Das Register erspart insofern die "abstrakte" Prüfung anhand äußerer Merkmale, es verschafft Dritten eine Schutzwirkung und das Recht auf Berufung auf die entsprechenden Einträge. Der von Dir angesprochene Unterschied zwischen konstitutiver und deklaratorischer Bedeutung kann bei einem Register lediglich ein "Vorziehen" der Einstufung bewirken, nämlich eine Einstufung als Hilfskreuzer auch bei fehlender Registereintragung aufgrund konstituvier Bedingungen, niemals jedoch das Streichen der Rechtswirkung nach Deklaration.

Zurück zur Bewaffnung:
Die Bewaffnung der Handelsschiffe wurde nun wieder als Reaktion u. a. auf den U-Boot-Krieg gewertet. Sie ist nach herrschender Meinung während des Ersten Weltkrieges bis nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zwingend, um den Status des Kauffahrteischiffes zu verlassen, sondern dieses erfolgt durch Deklaration, siehe oben. Umgekehrt ist ein bewaffnetes Schiff als Umgehungsversuch der Regelungen ein Kriegschiff, auch wenn es nicht die Abzeichen der Kriegsschiffe einer Kriegspartei trägt: Art. 1 und 2 fordern die äußeren Anzeichen, sie deklarieren sie nicht als Voraussetzung für die Einstufung als Kriegsschiff. Die „Merkmale“ der Umwandlung selbst sind vielmehr in dem Abkommen nicht geregelt, sondern könnnen durch die Art der Bewaffnung vermutet werden. Art. 3 und 4 lassen zusätzlich neben der Bewaffnung die Art der Besatzung als Indiz vermuten, auch unbewaffnete Schiffe können der militärischen Gewalt unterstehen. Man sieht: die Listung macht zur Abgrenzung zunächst einmal grundsätzlich Sinn für jede Kriegspartei. Sie ist deklaratorisch, soweit die übrigen Merkmale enthalten sind, der Eintrag führt jedoch auch dazu, dass sich dritte Staaten darauf berufen können (landläufig könnte man das mit der Wirkung bestimmter deklaratorischer Einträge in ein Handelsregister vergleichen).

Daneben ist die Zulässigkeit der defensiven Bewaffnung für Handelsschiffe allgemein erst im Kriegsverlauf und danach in der Rechtsentwicklung (Heintschel 1995, zuvor aber auch schon z. B. Stauffenberg 1938) in Folge des Handelskrieges der U-Boote (new weapons, new rules) anerkannt worden, was natürlich ein Abgrenzungsproblem der Bewaffnung zu Verteidigungszwecken mit sich bringt. Die Bewaffnung ist auch bereits vor dem U-Boot-Krieg problematisiert worden, da sich auch Handelsschiffe nicht widerstandslos aufbringen lassen mussten. Deutschland hat die Status-Frage der Bewaffnung von Handelsschiffen bereits während des Krieges zwar bestritten, aber entgegenkommend behandelt, als es die Besatzung von mit Waffen Widerstand leistender Handelsschiffe nicht bestrafte, sondern als Kriegsgefangene behandelte (Befehl vom 22.6.1914, RGBl. 1914, S. 300).

Die Rückumwandlung eines umgewidmeten Handelsschiffes während des Krieges ist im übrigen unzulässig (vgl. z.B. den britischen Vertreter auf der zweiten Haager Friedenskonferenz, Lord Reay).

Also:
Kriegsschiff inkl. Hilfskreuzer (im Gegensatz zum Handelsschiff):
Ist in der geforderten Listung enthalten und/oder durch die geforderten äußeren Merkmale bestimmt. Es muss nicht bewaffnet sein, siehe Segelschulschiffe (Sohler 1956 mit weiteren Verweisen).
Handelsschiff: kann defensiv bewaffnet sein, wenn es nicht in der Listung der Kriegschiffe enthalten ist und nicht die äußeren Merkmale (Besatzung, etc.) aufweist

Damit fehlt noch eine notwendige Interpretation: Wenn man die Bewaffnung untersucht, was als defensiv zu gelten hat, führt die Qualität der Waffen nicht weiter, da jede Waffe offensiv einsetzbar ist. Mithin kann es nur auf eine funktionale Abgrenzung ankommen, also auf den Auftrag des Schiffes. Dass dieses schwer nachprüfbar ist, muss nicht erläutert werden, es bleiben bei Zweifelsfällen nur die realisierten Sachverhalte und gegebenen Befehle, also der tatsächliche Einsatz des Schiffes. Bei einer defensiven Funktion darf die Bewaffnung nur zur Abwehr von Angriffen eingesetzt werden.

Einige Quellen:
Heintschel von Heinegg, Wolff: Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg
Schlepple, Eberhard, Das Verbrechen gegen den Frieden und seine Bestrafung –unter Berücksichtigung des Grundsatzes nulla poena sine lege.
Sohler, Herbert, U-Boot-Krieg und Völkerrecht, Beiheft 1 Marine-Rundschau 1956
Schenk von Stauffenberg, Berthold, Das Prisenrecht der französischen Instruktionen vom 8. März 1934, ZAÖRV 1938.
Bailey, AHR 1935. S. 54 ff., zitiert nach ZAÖRV 1936

Diese Interpretation fand auch zunächst im WK II Anwendung:
Bestimmung von Handelsschiffen aus dem Operationsbefehl für die deutschen U-Boote am 3.9.1939, gemäß Prisenordnung vom 29.8.1939, der mit der funktionsbezogenen Abgrenzung der Handelschiffe in Zusammenhang steht und völkerrechtlich nicht beanstandet wurde. Danach gab es Ausnahmen von der Handelskriegsführung:
1. Truppentransporter gehören zur bewaffneten Macht und sind wie Kriegsschiffe zu behandeln.
2. Handelsschiffe (ob bewaffnet oder unbewaffnet, Bewaffnung ist jedoch die logische Voraussetzung), die an Kampfhandlungen teilnehmen, verlieren dadurch ihren friedlichen Charakter und müssen sich wie Kriegsschiffe behandlen lassen, setzen sich also der warnungslosen Versenkung aus. Darunter fällt das Fahren im Geleit. "Wer Waffenhilfe in Anspruch nimmt, muss Waffeneinsatz gegenwärtigen.".
(Sohler, U-Boot-Krieg und Völkerrecht)

Schließlich ist in Schenk, Seekrieg und Völkerrecht, S. 54 ff ein interessanter Aspekt beschrieben:
Die USA erkannten zunächst nach Kriegsausbruch nur unbewaffnete Handelsschiffe als solche an! Problematisch ist diese Haltung insbesondere zur Anwendung der 24-Stunden-Regel, wonach Kriegsschiffe den Hafen wieder zu verlassen haben. Da im Sep. 14 die Merrison in Philadelphia und die Adriatic in New York einliefen, war eine Entscheidung gefordert. Die Schiffe wurden erst nach Abbau ihrer Armierung wieder freigelassen, wobei die Entwaffnung nach deutscher und auch weit verbreiteter internationaler Auffassung den Status nicht wieder korrigieren kann.
Die USA gab dann am 19.9. eine Bestimmung heraus: danach wird die defensive nicht als eine Bewaffnung gewertet: defensiv ist Geschützkaliber unter 6 Zoll, keine Geschützmontage auf dem Vorschiff, geringe Munitionsbevorratung.
Die Unmöglichkeit dieser Unterscheidung wurde vom Völkerrechtler Borchard nachgewiesen, AJ 1940, S. 108.
Um in diesem Wirrwarr Zwischenfälle zu vermeiden, wurde trotzdem die Kriegsführenden ersucht, bewaffneten Schiffen das Anlaufen der US-Häfen zu untersagen.
Im Notenwechsel 1915 nach Verschärfung des UBootkrieges und nach einigen Zwischenfällen kündigten die USA dann gegenüber England im Notenwechsel an, bewaffnete HS künftig als Hilfskreuzer zu behandeln (18.1.1916, Note US-FR 1916, Suppl., S. 146.)
Dazu kam es dann aber nicht: Memorandum of the status of armed merchant vessels, US-FR 1916, Suppl., S. 244: Wenn keine Umstände für ein "aggressives Verhalten eines bewaffneten Handelsschiffes vorgelegt" werden konnte, wurde der friedliche Charakter vermutet. Dieser Umschwung hatte lt. Schenk ausschließlich politische Gründe.

(Anmerkung: die Darstellung habe ich mal an anderer Stelle aufgearbeitet)

Das Ganze ist also eine sehr schwierige Frage. Unvermeidbar sind die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe in den Vereinbarungen im Kriegsrecht und die Fortentwicklung des Rechts mit allen Auslegungsproblemen, wenn man einmal die praktische Entwicklung der Kriegsführung und den oben zitierten Grundsatz new weapons, new rules, betrachtet. Ich würde zusammenfassend die Listung als entscheidendes Kriterium ansehen, da man im U-Boot-Krieg kaum von einer anderweitig möglichen Identifizierung ausgehen kann.

Thomas
 
Beeindruckend und Kompetent!

Bleibt noch anzumerken:
Schenk von Stauffenberg, Berthold, Das Prisenrecht der französischen Instruktionen vom 8. März 1934, ZAÖRV 1938.

Dies ist der Bruder des bekannteren Claus. Jurist, Ab 1939 Marinerichter, Am 20. Juli Verbindungsmann zum Oberkommando der Marine am 10. August 1944 hingerichtet.


Grüße Repo
 
Eigentlich wollte ich nur meinen Beitrag ändern und nun ist alles weg.:mad:
 
Zuletzt bearbeitet:
Um ein Kriegsschiff handelt es sich, so hattest Du das auch bereits dargestellt, wenn es dem direkten Befehl, der unmittelbaren Aufsicht und der Verantwortlichkeit der Macht, deren Flagge es führt, unterstellt ist (Art. 1) und wenn es die äußeren Abzeichen der Kriegsschiffe trägt (Art. 2); daneben muss der kommandierende Offizier im Staatsdienst stehen (Art. 3), sein Name in der Rangliste der Streitkräfte oder in einer gleichwertigen Liste enthalten sein (Art. 3) und die Besatzung den Regeln der militärischen Disziplin unterworfen (Art. 4).
Hier stimme ich Dir zu. Völlig zu recht entnimmst Du die völkerrechtlichen Voraussetzungen eines Kriegsschiffs den Artikel 1 bis 4 des VII. Haager Abkommens über die Umwandlung der Kauffahrteischiffe vom 18.10.1907. In diesem Abkommen wurde das Zielobjekt einer solchen Umwandlung - das Kriegsschiff - verbindlich definiert. Die Lusitania erfüllte von diesen Voraussetzungen keine einzige. Mithin handelte es sich bei ihr auch nicht um ein Kriegsschiff, sondern um ein Handelsschiff.

Leider lässt Du Dich bei Deinen weiteren Ausführungen nicht von diesen im Umwandlungsabkommen anerkannten Kriterien eines Kriegsschiffes leiten. Du blendest diese vielmehr aus und willst in der Registereintragung/Listung bzw. Bewaffnung die entscheidenden kriterien für die Einstufung der Lusitania sehen, obwohl diese Kriterien im Umwandlungsabkommen nicht als Voraussetzung eines Kriegsschiffs formuliert bzw. noch nicht einmal erwähnt wurden. Überzeugend ist das nicht.
silesia schrieb:
Art. 6: Der Kriegsführende, der ein Kauffahrteischiff in ein Kriegsschiff umwandelt, muss diese Umwandlung möglichst bald auf der Liste seiner Kriegsschiffe vermerken (Abkommen über die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegsschiffe vom 18. Oktober 1907). Dass dieses praktische Bedeutung hatte, sieht man am zitierten Lusitania-Fall, bei dem die deutsche Regierung zu Recht in dem Notenaustausch mit den USA auf die britische Navy-List mit dem Verzeichnis der Kriegsschiffe hingewiesen hat. Das deutsche Reich hat sich hierauf berufen. Vorab: die Bewaffnung ist für die Kategorisierung tatsächlich nicht notwendig, die Vorbereitung oder Absicht der Bewaffnung schließt eine Listung nicht aus.

Selbst wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist die Listung möglich und gilt im Umgang der Staaten untereinander. Dieses ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck eines Register, das gerade Unklarheiten beseitigen soll, indem sich Dritte darauf berufen können. Dessen ungeachtet erzwingt die Wortwahl „möglichst bald“ eine unverzügliche Listung solcher Schiffe nach Umwandlung, anderenfalls würde gegen Seekriegsrecht verstoßen. Man kann dieses mit einem entweder-oder zusammenfassen. Das Register erspart insofern die "abstrakte" Prüfung anhand äußerer Merkmale, es verschafft Dritten eine Schutzwirkung und das Recht auf Berufung auf die entsprechenden Einträge. Der von Dir angesprochene Unterschied zwischen konstitutiver und deklaratorischer Bedeutung kann bei einem Register lediglich ein "Vorziehen" der Einstufung bewirken, nämlich eine Einstufung als Hilfskreuzer auch bei fehlender Registereintragung aufgrund konstituvier Bedingungen, niemals jedoch das Streichen der Rechtswirkung nach Deklaration.

(...)

Man sieht: die Listung macht zur Abgrenzung zunächst einmal grundsätzlich Sinn für jede Kriegspartei. Sie ist deklaratorisch, soweit die übrigen Merkmale enthalten sind, der Eintrag führt jedoch auch dazu, dass sich dritte Staaten darauf berufen können (landläufig könnte man das mit der Wirkung bestimmter deklaratorischer Einträge in ein Handelsregister vergleichen).
Die Eintragung eines Handelsschiffs in die "Liste der Kriegsschiffe" soll die Rechtswirkung erzeugen, dass es sich bei dem eingetragenen Schiff um ein Kriegsschiff handelt???

Welcher Regelung entnimmst Du diese Rechtsfolge? Im Umwandlungsabkommen steht nichts davon! Im Gegenteil: das Umwandlungsabkommen macht die Kriegsschiff-Eigenschaft von den von Dir oben genannten Voraussetzungen (Artikel 1 bis 4) abhängig. Die Eintragung in die Liste ist laut Artikel 6 des Umwandlungsabkommens keine Voraussetzung für die Umwandlung. Mit ihr wird lediglich über eine erfolgte Umwandlung informiert.

Du vergleichst die Liste der Kriegsschiffe mit dem Handelsregister. Doch beim Handelsregister bestehen SPEZIELLE VORSCHRIFTEN, mit denen zum Beispiel das Vertrauen in die inhaltliche Richtigkeit des Registers geschützt werden. Das Umwandlungsabkommen enthält keine derartige Bestimmung für die Liste der Kriegsschiffe (wo denn? welche denn?). Diese Liste ist folglich eher mit dem Gewerberegister vergleichbar: dort sind die Eintragungen allgemein-informatorischer Natur, sie sind unverbindlich und begründen keinen Vertrauensschutz.

Du berufst Dich bei Deinen Ausführungen auf den "Sinn und Zweck" des Registers. Der Blick ins Register soll die Sachprüfung auf hoher See ersparen. "Dritten" würde das Register eine Schutzwirkung verschaffen. Auch für die Kriegsparteien sei die Listung vorteilhaft. Diese Ausführungen kann ich nicht nachvollziehen. Für eine Kriegspartei ist die aktuelle Liste der Kriegsschiffe des Feindes gar NICHT EINSEHBAR, da diese von der Regierung eines jeden Staates geführt wird und mit Kriegsbeginn die diplomatischen Beziehungen abgebrochen werden. Schon deshalb kann die Listung gar nicht den Zweck haben, das Vertrauen der KRIEGSPARTEIEN in die inhaltliche Richtigkeit des Registers zu schützen. Übrigens hat Schwieger laut seiner Logbucheintragung zuerst das Torpedo abgeschossen und erst als der Bug des getroffenen Schiffes in das Wasser eintauchte den Namenszug "Lusitania" erkannt. Von einer vorherigen Einsichtnahme in die Liste der Kriegsschiffe ist im Logbuch keine Rede (wie sollte die denn auch möglich sein?)!
silesia schrieb:
Für die Einstufung der bewaffneten oder für Bewaffnung vorbereiteten Kauffahrteischiffe ist folgender Zusammenhang bedeutsam: Blockaderecht – U-Boot-Krieg – Bewaffung der Handelsschiffe.

(...)

Daneben ist die Zulässigkeit der defensiven Bewaffnung für Handelsschiffe allgemein erst im Kriegsverlauf und danach in der Rechtsentwicklung (Heintschel 1995, zuvor aber auch schon z. B. Stauffenberg 1938) in Folge des Handelskrieges der U-Boote (new weapons, new rules) anerkannt worden, ...(Hervorhebung durch Gandolf)
Das Recht zur Bewaffnung von Handelsschiffen entstand im Zeitalter der Kaperei und Piraten. Die Handelsschifffahrt bewaffnete sich, um Kaperei-versuche und Piratenangriffe abzuwehren. Schon lange Zeit vor dem Ersten WK wurde so die Bewaffnung der Handelsschiffe gewohnheitsrechtlich anerkannt. Mit der Pariser Seerechtsdeklaration (1856) wurde die Kaperei verboten. Das Recht zur Bewaffnung der Handelsschiffe wurde hingegen nicht verboten. Es blieb bestehen und im Ersten WK wurde von ihm wieder Gebrauch gemacht. Mit "new weapons, new rules" hat das Recht zur Bewaffnung der Handelsschiffe nichts zu tun.

Überhaupt muss man das Umwandlungsabkommen (1907) in Zusammenhang mit dem Kaperei-Verbot der Pariser Seerechtsdeklaration (1856) sehen. Mit der Zulassung der Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe sollte die Errungenschaft des Kaperei-Verbots nicht aufgegeben werden. Deshalb stellt das Umwandlungsabkommen inhaltlich ausgestaltete Voraussetzungen an die Umwandlung eines Handelsschiffes in ein Kriegsschiff wie Befehslgewalt, unmittelbare Aufsicht und Verantwortlichkeit der Flaggenmacht, Kennzeichnung, kommandierender Offizier im Staatsdienst und Unterworfensein der Mannschaft unter den Regeln der militärischen Disziplin. So sollte sichergestellt werden, dass das umgewandelte Handelsschiff auch tatsächlich in die Seestreitkräfte eingegliedert war. Auf einen papierenen Akt wie die Eintragung des Schiffs in eine von den Kriegsparteien nicht einsehbare Liste sollte es hierbei gerade nicht ankommen. Gegenüber einer solchen Papierlösung, die aufgrund ihrer Nichteinsehbarkeit der Willkür Tür und Tor geöffnet hätte, hätte ja selbst der Kaperbrief noch einen Fortschritt auf dem Weg zu mehr Rechtssicherheit dargestellt.
silesia schrieb:
Damit fehlt noch eine notwendige Interpretation: Wenn man die Bewaffnung untersucht, was als defensiv zu gelten hat, führt die Qualität der Waffen nicht weiter, da jede Waffe offensiv einsetzbar ist. Mithin kann es nur auf eine funktionale Abgrenzung ankommen, also auf den Auftrag des Schiffes. Dass dieses schwer nachprüfbar ist, muss nicht erläutert werden, es bleiben bei Zweifelsfällen nur die realisierten Sachverhalte und gegebenen Befehle, also der tatsächliche Einsatz des Schiffes. Bei einer defensiven Funktion darf die Bewaffnung nur zur Abwehr von Angriffen eingesetzt werden. (Hervorhebung durch Gandolf)
"Entscheidend sollte es dabei nicht auf die Art der Bewaffnung, sondern auf den defensiven Charakter des Einsatzes ankommen" (Wolff Heintschel von Heinegg, Seekriegsrecht und Neutralität im Seekrieg, 1995, S. 375). Auf die Geschützkalibergröße kann es also nicht ankommen! Nach innen gedrehte Geschütze liessen auf einen defensiven Charakter des Einsatzes schliessen.
silesia schrieb:
Das Ganze ist also eine sehr schwierige Frage. Unvermeidbar sind die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe in den Vereinbarungen im Kriegsrecht und die Fortentwicklung des Rechts mit allen Auslegungsproblemen, wenn man einmal die praktische Entwicklung der Kriegsführung und den oben zitierten Grundsatz new weapons, new rules, betrachtet. Ich würde zusammenfassend die Listung als entscheidendes Kriterium ansehen, da man im U-Boot-Krieg kaum von einer anderweitig möglichen Identifizierung ausgehen kann.
Im Ubootkrieg soll keine andere Identifizierung möglich sein, als die vom Feind geführte Liste der Kriegsschiffe einzusehen, die im Kriegsfall gar nicht einsehbar war???:confused: Es gab doch die Möglichkeit ein Handelsschiff aufgrund seiner äußeren Kennzeichnung als Kriegsschiff zu erkennen (vgl. Artikel 2 des Umwandlungsabkommens).;)

Zum angeblichen Rechtsgrundsatz "new weapons, new rules" folgendes:
Wie kommst Du auf die Idee, dass eine neue Waffe wie die Uboot-Waffe die Macht haben soll, neues Recht zu erzeugen? Das Recht wird von der Rechtsgemeinschaft gesetzt durch Verträge und durch von Rechtsüberzeugungen getragenen Gewohnheiten und nicht von Waffen. In seinem für den Deutschen Reichstag geschriebenen Gutachten zur völkerrechtlichen Beurteilung des deutschen Unterseebootkrieges ordnete der Sachverständige Dr. Kriege die "Theorie von der Neuheit der Ubootwaffe" völlig zu Recht unter der Überschrift "3. Bedenkliche Theorien zur Rechtfertigung des Ubootkriegs" ein. Im weiteren führt er dann aus, dass die Uboote "alle Rechte der Kriegsschiffe (haben), (...) aber auch alle ihre Pflichten (teilen)". Noch nicht einmal die Deutsche Regierung hatte sich auf die dubiose Theorie "new weapons, new rules" berufen - und das war auch gut so.
 
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