Hallo Gandolf,
vorab möchte ich einmal sagen, dass die von mir vertretene Auffassung natürlich eine persönliche Meinung darstellt. Die ganze Thematik ist sehr umstritten, und es gibt keine völkerrechtliche Lösung mangels Rechtsprechung (dieses wiederum mangels eines vorhandenen Gerichts) dazu. Also sind wir auf den publizierten Meinungsaustausch der Völkerrechtler der verschiedenen Länder beschränkt, und auch hier übersehe ich im wesentlichen die deutsche Seite, soweit nicht ausländische Autoren zitiert werden.
Im einzelnen:
Das Thema Bewaffnung hatte ich eingeführt, weil im Dissens zum Thema eine logische Kette von der Blockade-Kriegsführung über den U-Boot-Krieg bis hin zur Bewaffnung der Handelsschiffe führt. So ist jedenfalls die Auseinandersetzung in den beteiligten Ländern darüber geführt worden.
Die Aussage „new weapons, new rules“ stammt nicht von mir, sondern aus der britischen Begründung im Streit um die Bewaffnung der Handelsschiffe, die wiederum von deutscher Seite als Völkerrechtsbruch angesehen wurde. So unterschiedlich sind die Interpretationen der Regelungen von 1907. Auch eine non-belligrante Nation wie die USA hatte mehrere Monate 1914-1915 damit zu tun, dieses Thema abzugrenzen, bis (politisch motiviert?) eine Regel dafür gefunden wurde. Dass die Bewaffnung zuvor als tatsächlich als statusbildend angesehen wurde, steht jedenfalls fest, übrigens ohne dass die übrigen Kriterien in Art. 1 bis 4 und 6 dabei für die USA eine Rolle spielten. Dass dagegen von Seiten des Deutschen Reiches formal protestiert wurde, zeigt die verworrene Situation. Es ist also ziemlich gewagt, zu Beginn des WK I die Bewaffnung als allgemein akzeptiert und zulässig für ein Handelsschiff anzusehen, ohne Statusumwandlung. Die deutsche Position wurde übrigens in dem internationalen Disput u. a. von den südamerikanischen Ländern unterstützt.
Deutschland selbst hat allerdings (ebenfalls s. o.) in der praktischen Handhabung trotz der Proteste keine Bestrafung der Besatzung bewaffneter Handelsschiffe vorgenommen, sondern diese als Kriegsgefangene betrachtet, ohne dass hierbei Art. 1-4 und 6 eine Rolle spielten. Damit ist zusammenfassend der Status „Handelsschiff“ rein tatsächlich nicht abschließend im VII. Haager Abkommen definiert. Dies ist festzuhalten.
Zu den Kriterien des Abkommens:
Diese (Art. 1-4) blende ich keinesfalls aus. Zunächst einmal sind die Art. 1 bis 4 konstitutive Faktoren. Sie sind aber nicht abschließend bestimmt, wegen der Frage der Bewaffung. Es kommt auf die Registereintragung in diesem Fall nicht mehr an. Allerdings wäre nicht Nicht-Eintragung eine Regelverletzung, denn sie ist „unverzüglich“ vorzunehmen. Dazu tritt dann nach meiner Auffassung Artikel 6: deklaratorisch kann eine Nation jedes Handelsschiff umwandeln, nämlich durch Eintragung. Diese Wirkung ist wie folgt begründet:
a) es handelt sich ein öffentliches Register. Ich hatte beispielhaft den allgemein bekannten Fall des Handelsregisters gebracht, man könnte auch das Grundbuch oder das Schiffsregister zitieren. Natürlich ist das nicht auf Völkerrecht übertragbar, hier fehlen Regelungen über die Schutzwirkung. Also sind wir auf Auslegung angewiesen. Das von Dir zitierte Gewerberegister ist nicht einschlägig, weil es sich in der Anlage nicht um ein öffentliches Register handelt, die Auskunft ist Ermessenssache. Öffentliche Register gab und gibt es in allen Nationen, jeweils mit der identischen Schutzwirkung, nämlich Rechtsicherheit zu erzeugen. Dieses dürfte den Signaturstaaten also klar gewesen sein.
b) Falls Du dem nicht argumentativ folgen willst, stellt sich die Frage, welche Funktion denn überhaupt dann diesem Register zuzubilligen wäre. Sollte es eine überflüssige Zusatzbestimmung gewesen sein? Welcher Sinn soll dann den vorsorglichen Eintragungen der schnellen Großdampfer seitens der britischen Admiralität vor Kriegsausbruch beizumessen sein? Eine überflüssige Zeremonie? Was also ist dann der Sinn und Zweck?
c) Wieso kann man dann – nach zwischen den Nationen herrschender Auffassung – keine Delistung vornehmen? Das nach Art. 1-4 „ausgerüstete“ Schiff kann aus dem Register während der Kriegshandlungen nicht mehr gestrichen werden. Demnach verbleibt es ALLEIN aufgrund der Registereintragung im Status des Kriegsschiffes, wie ich meine, ein starker Beleg dafür, dass dem Register eindeutig deklaratorische Wirkung zugemessen wurde, auch wenn die Kriterien des Art. 1-4 später NICHT mehr vorliegen sollten.
d) Bereits die Diskussion der Bewaffnung zeigt, dass es Schiffe gab, die nicht gelistet sein brauchen (Art. 6) und die nicht die übrigen Kriterien zu erfüllen brauchen (Art. 1-4), aber dennoch als Kriegschiffe eingestuft werden. Danach ausschließlich an den Art. 1-4 festzuhalten, erscheint mit unmöglich.
Warum nun erzeugt das Register Rechtssicherheit? Speziell im Fall der U-Boote ist die Feststellung der übrigen Kriterien (Art. 1-4) im Seekrieg kaum möglich, wenn sie sich getaucht einem Schiff nähern. Sie wären gezwungen, jedes Schiff zunächst nach Prisenordnung aufgetaucht zu stoppen und den Status zu überprüfen. Das umgewidmete Schiff fährt dann schlicht davon. Das kann auch für schnell fahrende Handelsschiffe im Verhältnis zu langsameren Überwasser-Kriegsschiffen gelten. Umgekehrt ist es Sache der kriegführenden Nation – und das stellt überhaupt kein Problem dar – die U-Boote mit Schiffserkennungs-Registern auszurüsten, die sich auch auf die Listung bei Kriegsbeginn beziehen. Die Listung könnte sicherlich unvollständig sein bei zusätzlichen Deklarationen während des Krieges, mangels möglicher Delistung ist der umgekehrte Fehler bei der Einstufung nicht denkbar. Das stellt kein Problem dar, für aktuelle Fassungen ist bei Auslaufen der U-Boote zu sorgen, die Unvollständigkeit hat auch keine nachteiligen Folgen, da dass Schiff dann als Handelsschiff eingestuft wird und nach Prisenrecht zu stoppen wäre, anstelle der warnungslosen Versenkung. Aus dem WK II (leider nur) habe ich eine entsprechende Handelsschiffs-Liste als Ausrüstung für deutsche U-Boote. Und selbstverständlich sind die Listen während des Krieges aktualisierbar. Der Abbruch diplomatischer Beziehungen spricht dagegen nicht, da die Deklaration öffentlich erfolgt. Wenn der Austausch von Kriegsgefangenen möglich ist, soll der Austausch solcher Informationen abgeschnitten sein? Was ist mit den neutralen Nationen, die jede Kriegspartei für diesen Kontakt-Austausch benennt? Dass dem Deutschen Reich die Registereintragung bekannt war, sieht man anhand des diplomatischen Austausches mit den USA. Dort wird meines Wissens (schlage ich noch einmal nach) darauf exkulpierend Bezug genommen. Die Papierlösung mit deklaratorischer Wirkung öffnet auch keinesfalls der Willkür Tür und Tor, es liegt an dem betreffenden Staat, was er daraus macht. Schließlich muss er – außer im Fall von Art.1-4 – kein Schiff dort eintragen.
Ob schließlich bei der Versenkung der Lusitania Register eingesehen wurden, ist für die völkerrechtliche Beurteilung unerheblich. Ebenso, ob ein Register verfügbar war. Wäre es nach obiger Deutung ein Handelsschiff gewesen, läge allerdings ein Verstoß vor.
Bei der Qualität der Bewaffnung liegen wir, glaube ich, auf einer Linie. Ich hatte nur die US-Entwicklung als Beispiel für eine Konkretisierung des schwierigen Begriffs der „defensiven Bewaffnung“ angeführt. Ich halte es für eine Unmöglichkeit, hier klare Kriterien aufzustellen. Zumal die US-Abgrenzung manche Kreuzerbewaffnung im WK I in der Armierung noch übertrifft. Allerdings halte ich auch die „Drehung“ des Geschützes für unpraktikabel zur Abgrenzung, eine Drehung ist praktisch schnell vollzogen.
Viele Grüße
Thomas
vorab möchte ich einmal sagen, dass die von mir vertretene Auffassung natürlich eine persönliche Meinung darstellt. Die ganze Thematik ist sehr umstritten, und es gibt keine völkerrechtliche Lösung mangels Rechtsprechung (dieses wiederum mangels eines vorhandenen Gerichts) dazu. Also sind wir auf den publizierten Meinungsaustausch der Völkerrechtler der verschiedenen Länder beschränkt, und auch hier übersehe ich im wesentlichen die deutsche Seite, soweit nicht ausländische Autoren zitiert werden.
Im einzelnen:
Das Thema Bewaffnung hatte ich eingeführt, weil im Dissens zum Thema eine logische Kette von der Blockade-Kriegsführung über den U-Boot-Krieg bis hin zur Bewaffnung der Handelsschiffe führt. So ist jedenfalls die Auseinandersetzung in den beteiligten Ländern darüber geführt worden.
Die Aussage „new weapons, new rules“ stammt nicht von mir, sondern aus der britischen Begründung im Streit um die Bewaffnung der Handelsschiffe, die wiederum von deutscher Seite als Völkerrechtsbruch angesehen wurde. So unterschiedlich sind die Interpretationen der Regelungen von 1907. Auch eine non-belligrante Nation wie die USA hatte mehrere Monate 1914-1915 damit zu tun, dieses Thema abzugrenzen, bis (politisch motiviert?) eine Regel dafür gefunden wurde. Dass die Bewaffnung zuvor als tatsächlich als statusbildend angesehen wurde, steht jedenfalls fest, übrigens ohne dass die übrigen Kriterien in Art. 1 bis 4 und 6 dabei für die USA eine Rolle spielten. Dass dagegen von Seiten des Deutschen Reiches formal protestiert wurde, zeigt die verworrene Situation. Es ist also ziemlich gewagt, zu Beginn des WK I die Bewaffnung als allgemein akzeptiert und zulässig für ein Handelsschiff anzusehen, ohne Statusumwandlung. Die deutsche Position wurde übrigens in dem internationalen Disput u. a. von den südamerikanischen Ländern unterstützt.
Deutschland selbst hat allerdings (ebenfalls s. o.) in der praktischen Handhabung trotz der Proteste keine Bestrafung der Besatzung bewaffneter Handelsschiffe vorgenommen, sondern diese als Kriegsgefangene betrachtet, ohne dass hierbei Art. 1-4 und 6 eine Rolle spielten. Damit ist zusammenfassend der Status „Handelsschiff“ rein tatsächlich nicht abschließend im VII. Haager Abkommen definiert. Dies ist festzuhalten.
Zu den Kriterien des Abkommens:
Diese (Art. 1-4) blende ich keinesfalls aus. Zunächst einmal sind die Art. 1 bis 4 konstitutive Faktoren. Sie sind aber nicht abschließend bestimmt, wegen der Frage der Bewaffung. Es kommt auf die Registereintragung in diesem Fall nicht mehr an. Allerdings wäre nicht Nicht-Eintragung eine Regelverletzung, denn sie ist „unverzüglich“ vorzunehmen. Dazu tritt dann nach meiner Auffassung Artikel 6: deklaratorisch kann eine Nation jedes Handelsschiff umwandeln, nämlich durch Eintragung. Diese Wirkung ist wie folgt begründet:
a) es handelt sich ein öffentliches Register. Ich hatte beispielhaft den allgemein bekannten Fall des Handelsregisters gebracht, man könnte auch das Grundbuch oder das Schiffsregister zitieren. Natürlich ist das nicht auf Völkerrecht übertragbar, hier fehlen Regelungen über die Schutzwirkung. Also sind wir auf Auslegung angewiesen. Das von Dir zitierte Gewerberegister ist nicht einschlägig, weil es sich in der Anlage nicht um ein öffentliches Register handelt, die Auskunft ist Ermessenssache. Öffentliche Register gab und gibt es in allen Nationen, jeweils mit der identischen Schutzwirkung, nämlich Rechtsicherheit zu erzeugen. Dieses dürfte den Signaturstaaten also klar gewesen sein.
b) Falls Du dem nicht argumentativ folgen willst, stellt sich die Frage, welche Funktion denn überhaupt dann diesem Register zuzubilligen wäre. Sollte es eine überflüssige Zusatzbestimmung gewesen sein? Welcher Sinn soll dann den vorsorglichen Eintragungen der schnellen Großdampfer seitens der britischen Admiralität vor Kriegsausbruch beizumessen sein? Eine überflüssige Zeremonie? Was also ist dann der Sinn und Zweck?
c) Wieso kann man dann – nach zwischen den Nationen herrschender Auffassung – keine Delistung vornehmen? Das nach Art. 1-4 „ausgerüstete“ Schiff kann aus dem Register während der Kriegshandlungen nicht mehr gestrichen werden. Demnach verbleibt es ALLEIN aufgrund der Registereintragung im Status des Kriegsschiffes, wie ich meine, ein starker Beleg dafür, dass dem Register eindeutig deklaratorische Wirkung zugemessen wurde, auch wenn die Kriterien des Art. 1-4 später NICHT mehr vorliegen sollten.
d) Bereits die Diskussion der Bewaffnung zeigt, dass es Schiffe gab, die nicht gelistet sein brauchen (Art. 6) und die nicht die übrigen Kriterien zu erfüllen brauchen (Art. 1-4), aber dennoch als Kriegschiffe eingestuft werden. Danach ausschließlich an den Art. 1-4 festzuhalten, erscheint mit unmöglich.
Warum nun erzeugt das Register Rechtssicherheit? Speziell im Fall der U-Boote ist die Feststellung der übrigen Kriterien (Art. 1-4) im Seekrieg kaum möglich, wenn sie sich getaucht einem Schiff nähern. Sie wären gezwungen, jedes Schiff zunächst nach Prisenordnung aufgetaucht zu stoppen und den Status zu überprüfen. Das umgewidmete Schiff fährt dann schlicht davon. Das kann auch für schnell fahrende Handelsschiffe im Verhältnis zu langsameren Überwasser-Kriegsschiffen gelten. Umgekehrt ist es Sache der kriegführenden Nation – und das stellt überhaupt kein Problem dar – die U-Boote mit Schiffserkennungs-Registern auszurüsten, die sich auch auf die Listung bei Kriegsbeginn beziehen. Die Listung könnte sicherlich unvollständig sein bei zusätzlichen Deklarationen während des Krieges, mangels möglicher Delistung ist der umgekehrte Fehler bei der Einstufung nicht denkbar. Das stellt kein Problem dar, für aktuelle Fassungen ist bei Auslaufen der U-Boote zu sorgen, die Unvollständigkeit hat auch keine nachteiligen Folgen, da dass Schiff dann als Handelsschiff eingestuft wird und nach Prisenrecht zu stoppen wäre, anstelle der warnungslosen Versenkung. Aus dem WK II (leider nur) habe ich eine entsprechende Handelsschiffs-Liste als Ausrüstung für deutsche U-Boote. Und selbstverständlich sind die Listen während des Krieges aktualisierbar. Der Abbruch diplomatischer Beziehungen spricht dagegen nicht, da die Deklaration öffentlich erfolgt. Wenn der Austausch von Kriegsgefangenen möglich ist, soll der Austausch solcher Informationen abgeschnitten sein? Was ist mit den neutralen Nationen, die jede Kriegspartei für diesen Kontakt-Austausch benennt? Dass dem Deutschen Reich die Registereintragung bekannt war, sieht man anhand des diplomatischen Austausches mit den USA. Dort wird meines Wissens (schlage ich noch einmal nach) darauf exkulpierend Bezug genommen. Die Papierlösung mit deklaratorischer Wirkung öffnet auch keinesfalls der Willkür Tür und Tor, es liegt an dem betreffenden Staat, was er daraus macht. Schließlich muss er – außer im Fall von Art.1-4 – kein Schiff dort eintragen.
Ob schließlich bei der Versenkung der Lusitania Register eingesehen wurden, ist für die völkerrechtliche Beurteilung unerheblich. Ebenso, ob ein Register verfügbar war. Wäre es nach obiger Deutung ein Handelsschiff gewesen, läge allerdings ein Verstoß vor.
Bei der Qualität der Bewaffnung liegen wir, glaube ich, auf einer Linie. Ich hatte nur die US-Entwicklung als Beispiel für eine Konkretisierung des schwierigen Begriffs der „defensiven Bewaffnung“ angeführt. Ich halte es für eine Unmöglichkeit, hier klare Kriterien aufzustellen. Zumal die US-Abgrenzung manche Kreuzerbewaffnung im WK I in der Armierung noch übertrifft. Allerdings halte ich auch die „Drehung“ des Geschützes für unpraktikabel zur Abgrenzung, eine Drehung ist praktisch schnell vollzogen.
Viele Grüße
Thomas