... kommen leider keinen neuen Argumente. Meine Kritik an Deinen Beiträgen bleibt deshalb die alte: keine Strukturierung der völkerrechtlichen Probleme anhand der damaligen Rechtsquellen, ständiger Aspektwechsel, du gehst von der Richtigkeit einzelner Literaturauffassungen aus und versuchst anhand dieser das 1915 geltende Recht zu konstruieren anstatt dass Du von den Rechtsquellen ausgehend die Literaturauffassungen kritisch hinterfragen würdest, etc.
Wer sucht, der findet. Dabei habe ich mich sehr bemüht. Schade, dass es bei Dir erfolglos blieb. :grübel:
Literaturauswertung finde ich eigentlich recht passend, und bei Verwendung von Monographien zu den damaligen völkerrechtlichen Rechtsquellen (zB Entstehungsgeschichte der Prisenordnung) fühle ich mich doch wohler als bei Verwendung von Handwörterbüchern. Keineswegs gehe ich ungeprüft von der Richtigkeit einzelner Meinungen aus, die von mir zitierten angelsächsischen und deutschen Literaturstellen sind jedoch durchaus erdrückend im Umfang, so dass man schon auf den Gedanken der herrschenden Meinung kommen könnte. Dass ich dabei auch die Argumentation der Literaturstellen „prüfe“, davon kannst Du ausgehen. Im Übrigen ist das keine bloße Erbsenzählung, sondern ich gebe die Begründungsstrukturen an.
Zurück zum Thema:
1. Das Kriterium der Bewaffnung hat Ausstrahlungswirkung auf die Interpretation des Umwandlungsabkommens, nämlich hinsichtlich der fraglichen Ausschließlichkeit der Regelung, sowie zur Bedeutung des Registers.
2. Wechselnde Aspekte?
Die imho etwas unpassende Heranziehung des Fryatt-Falles (den ich wie gesagt als Justizskandal betrachte) ist erledigt?
3. Dann bliebe die Frage der Bewaffnung von Handelsschiffen in der „Länderstatistik“. Hier hatte ich nachgefragt, woher Deine Länderaufzählungen stammten. Denen kann ich nämlich nicht folgen.
Ich rekapituliere:
1. Es gab ein Land, welches aus der Bewaffnung von Handelsschiffen nicht die Behandlung als Kriegsschiff folgert (GB)
2. Es gab Länder, die Bewaffnung eingeschränkt akzeptieren (Status Handelsschiff), wenn sie „defensiv“ ist (USA etc., siehe oben)
3. Es gab Länder, die überhaupt keine Bewaffnung bei Handelsschiffen akzeptieren und bei Bewaffnung die Behandlung als Kriegsschiff freigeben (D, NL)
4. Es gab Länder, die keine Position bezogen.
Aber immerhin wird deutlich, dass Argentinien, Brasilien, Chile, Großbritannien, Kolumbien, Kuba, Ecuador, Norwegen, Paraguay, Peru, Spanien, Salvador und Venezuela der vom Umwandlungsabkommen abweichenden Auffassung, eine Bewaffnung führe zu einem Statuswechsel (1), widersprochen haben. Rechnet man noch die britischen Verbündeten Belgien, Frankreich, Japan, Luxemburg, Montenegro, Russland und Serbien (Stand: 1.5.1915) hinzu, widersprachen der deutschen Vertragsabweichung bis Mai 1915 die Hälfte der 40 Unterzeichnerstaaten!!!
Das gibt diese Aussage unrichtig wieder:
1. Der Beurteilung der USA über die Zulässigkeit ausschließlich defensiver Bewaffnung haben sich angeschlossen:
Argentinien, Brasilien, Chile, China, Columbien, Cuba, Ekquador, El Salvador, Honduras, Norwegen, Paraguay, Peru, Spanien, Uruguay, Venezuela.
(jeweils unter dem Vorbehalt, ob nach Sachverhalt eine defensive oder offensive Bewaffnung vorlag).
4. Meine Statistik hatte ich oben dargelegt. Denkwürdig fand ich nun Deinen Hinweis bei der oben dargestellten Differenzierung in den Positionen einzelner Länder.
Offensive Bewaffnung des Handelsschiffes führt nach dem Standpunkt dieser Länder zur Behandlung als Kriegsschiff (egal, wie der Pott nach dem Umwandlungsabkommen listenmäßig geführt oder tatsächlich ansonsten ausgestattet worden ist).
Beispiel Spanien:
Gleichstellung: Instruktionen an die Kriegsschiffskommandanten von in Hilfskreuzer umgewandelten ODER bewaffenten Handelschiffen vom 20.6.1898.
Spanisches Seekriegshandbuch vom 6.5.1941 formuliert schriftlich die Haltung des Landes, in Übereinstimmung mit dem seit 1916 vorgenommenen Anschluß an die Meinung der USA in dieser Frage:
Kapitel 10, Seeprisen, Artikel 87: Ausübung des Aufbringungsrechtes: „Als kriegführende Kriegsschiffe jeder Art werden angesehen: Kriegschiffe … und Schiffe, die in Kriegschiffe umgewandelt worden sind. Diese Eigenschaft wird von Privatschiffen nicht erfüllt, auch wenn sie Verteidigungswaffen führen“. Der Umwandlungsakt gilt also bei Angriffswaffen als vorgenommen.
Fangen wir mal an, dass zu zerlegen:Rechnet man noch die britischen Verbündeten Belgien, Frankreich, Japan, Luxemburg, Montenegro, Russland und Serbien (Stand: 1.5.1915) hinzu, widersprachen der deutschen Vertragsabweichung bis Mai 1915 die Hälfte der 40 Unterzeichnerstaaten!!!
Zu Frankreich:
Französische Marine-Instruktion vom 8.3.1934, unter Berücksichtigung des VII. Haager Abkommens 1907: Kap. I, Art. 2, nach Aufzählung von Angriffsoptionen auf Handelsschiffe: „Sie werden ein Handelsschiff nicht lediglich aus dem Grunde angreifen, weil es defensiv bewaffnet ist.“ Hieraus folgt, dass die Behandlung als Kriegsschiff bei offensiver Bewaffnung zulässig ist.
Diese Position ist mW unverändert sei dem 20.10.1915, Instruktionen betreffend bewaffnete Handelsschiffe – NWC 1917, S. 153.
Zu Belgien:
hat dazu überhaupt keine Position bezogen, dass 1914 eingerichtete Prisengericht endete im Okt. 1914 und wurde erst 1919 wieder errichtet. Vorher: nur Abkommensbeitritt.
Zu Japan:
Japanische Prisenordnung vom 6.10.1914, Kapitel V, Artikel 15: Hinweis auf Geltung des Umwandlungsabkommens,
Keine Regelung zur Behandlung bewaffneter Handelsschiffe, die Frage ist ungeregelt (auch idF von 1942)´
Auch bei den übrigen Zuordnungen zu einer Partei finde ich nichts. Daher gehe ich von einer Mehrheit der Länder aus, die mindestens bei offensiver Bewaffnung über die von Dir angeführte „Abgeschlossenheit“ des Umwandlungsabkommens hinausgehen. Zur der Frage: konstitutive oder deklaratorische Wirkung der Kriegsschiffslistung (wie bei der Lusitania – die Rückstufung während des Krieges wird im Meinungstreit als unzulässig angesehen) werden wir ebenfalls nicht auf einen Nenner kommen, die Argumente waren bereits ausgetauscht.
5. Dass die Abgrenzung zwischen offensiver und defensiver Bewaffnung untauglich ist, dafür lässt sich beispielhaft eine Diskussion sehr gut anführen: USA.
Es gelang nie, taugliche Abgrenzungskriterien (zB das zitierte Kaliber 12,7cm) zu entwickeln, weil JEDE Waffe einsatzabhängig offensiv genutzt werden kann. Vom
Memorandum des State Department betreffend bewaffnete Handelsschiffe vom 25.3.1916 (kürzere Fassung 19.9.1914) – NWC 1916, S. 101 über
Instruktionen an die Marine der USA zur Seekriegsführung vom 8.4.1917/30.6.1917 zur
Diskussion und Memorandum von US-Völkerrechtlern an Roosevelt im Oktober 1939, bis zum
US-Seekriegshandbuch vom 25.9.1955 – NWC 1955, S. 359ff zieht sich das Ringen um die Abgrenzungskriterien offensiv-defensiv. Während dieser Zeit führte die offensive Bewaffnung STETS (und als mit Seekriegsrecht übereinstimmend angesehen) zur Behandlung als Kriegsschiff: warnungslose Versenkung. Die unsinnige, fruchtlose Diskussion erreichte schließlich folgenden Stand: Kapitel V, Aufbringung und Zerstörung, No. 503 lit. b) Zerstörung feindlicher bewaffneter Handelsschiffe VOR Aufbringung, idF warnungslose Versenkung und Behandlung als Kriegsschiff: „wenn sie bewaffnet sind und wenn Grund zur Annhame besteht, dass diese Bewaffnung zu Angriffen gegen einen Feind benutzt worden ist oder dass dieses beabsichtigt wird“. Es geht hier nicht mehr um den Qualität der Bewaffnung, sondern um ihre Nutzung bzw. Nutzungsabsicht.
Bei dieser Quellenlage finde ich die herrschende Auffassung dort, das zumindest „offensiv“ bewaffnete Handelsschiffe – egal ob in Liste und/oder umgewandelt oder nicht – stets Kriegsschiffe darstellen. Darum ging es mir.
Sollte dieses akzeptabel sein, wird die Abgeschlossenheit der Schiffsliste zur Illusion. Das wäre ein wichtiger Schritt in der rechtshistorischen Interpretation des Abkommens und im Nebeneinander mit dem Völkergewohnheitsrecht.