Ich hatte bereits Beispiele genannt, bei denen eine erobernde Minderheit die unterworfene Mehrheit assimilieren konnte. Das „Aufpfropfen einer Kriegerkaste“ ist für sich kein Hindernis dabei und auch nicht eine andere Religion zu vertreten, wie das arabische Beispiel zeigt! Indem die Vandalen ihre Auffassung von Christentum durchsetzen wollten, schufen sie zwar einerseits Märtyrer des Katholizismus, gewannen dabei aber Andererseits zahlreiche Romanen für ihre Konfession.
Demnächst wirst du sagen, dass sich der Arianismus positiv auf die Dauerhaftigkeit der Germanenreiche ausgewirkt hat und die Germanenreiche aufgrund ihrer "Stabilität" immer noch existieren!
Im
Vandalenreich entsprach die konfessionelle Grenze zwischen Arianern und Katholiken bis zu einem gewissen Grade der ethnischen Scheidung zwischen Vandalen und Römern, die auch die Sonderstellung der Vandalen markierte. Der Konflikt spitzte sich zu, als
Geiserich und vor allem sein Nachfolger
Hunerich den Einfluss der katholischen Amtskirche zurückzudrängen begannen. Die Durchsetzung des arianischen Bekenntnisses unter loyalen römischen Untertanen schien die Möglichkeit zu bieten, die Basis der Vandalenherrschaft zu verbreitern und zumindest einen Teil der römischen Führungsschicht zu integrieren. Das erwies sich freilich als Utopie!
Zunächst forderte Geiserich die Übernahme des arianischen Bekenntnisses als Voraussetzung für alle Hofämter; dann wurden alle Bischöfe abgesetzt oder vertrieben, Kirchen oder Kirchengüter den Arianern übergeben. Schließlich verfügte Hunerich ein Verbot der katholischen Liturgie, sodass viele von Priestern ins Exil gehen mussten.
Es kann nicht verwundern, dass die fortgesetzte Verfolgung der Katholiken in Africa sowohl die katholische Bevölkerung als auch den katholischen Kaiserhof in Byzanz verbitterte, ferner die Enteignung der adligen Großgrundbesitzer, von denen viele, die nicht geflohen waren, versklavt wurden.
Die vandalische Oberschicht hingegen lebte im Luxus und war, so meinte der Geschichtsschreiber
Prokop, den Härten des Krieges gegen die Armee des Justinian nicht mehr gewachsen. Er schrieb:
Als die Vandalen Africa eingenommen hatten, besuchten sie täglich die Bäder, erfreuten sich an den Genüssen einer reichen Tafel, aßen das Beste und Süßeste, das Erde und Meer hervorbrachten. Und sie trugen überall Gold und kleideten sich in seidene Gewänder, verbrachten ihre Zeit bei Theateraufführungen und Tierhetzen und anderen angenehmen Beschäftigungen, vor allem aber mit der Jagd. Und sie hatten Tänzer und Mimen und Musiker, denen sie zuhörten. Die meisten von ihnen wohnten in herrlichen Parks, die wohl versehen mit Wasser und Bäumen waren. Sie hatten eine große Zahl von Banketten und erfreuten sich an aller Art von sexuellem Vergnügen.
(Prokp, Bella 4, 6, 5-9)
Selbst wenn in diesem Bericht eine gehörige Portion des moralisierenden antiken Zivilisationskritikers steckt, so ist doch kaum zu bezweifeln, dass die Vandalen ihren militärischen Biss verloren hatten, den sie ein Jahrhundert zuvor auf ihrem Weg durch halb Europa gebraucht hatten, und zwar aus purem Existenzkampf.
Somit rührte sich keine römische Hand in Africa zu ihrer Verteidigung, als es 533 zu Entscheidungsschlacht kam, durch die die Vandalen nahezu spurlos aus Afrika verschwanden. In diesem Fall waren es also
Intoleranz,
mangelnde Integrationsbereitschaft sowie eine eine gewisse
Dekadenz und
Arroganz, die das Vandalenreich nach nur 100 Jahren zum Einsturz brachten.
Die
Ostgoten hingegen haben massiveren Widerstand geleistet als alle anderen völkerwanderungszeitlichen Königreiche, die von übermächtigen Konkurrenten um die Macht angegriffen wurden. Doch das Ergebnis war das gleiche. Statt der Konsolidierung eines barbarischen Könireiches, das sich seiner römischen Umwelt bereits weitgehend angepasst hatte, kam es zu einer Neuverteilung der Macht. Dass die römische Bevölkerung Italiens zur Verteidigung der Goten freudig zu den Waffen geeilt wäre, ist nicht bekannt.
Auch die Ostgoten blieben ein Fremdkörper im romanischen Italien, deren Schicksal der eingesessenen Bevölkerung entweder gleichgültig war, oder die sogar den Untergang der arianischen Goten begrüßte, die im Volk als Ketzer betrachtet wurden. Auch in Italien galt ein Heiratsverbot zwischen Goten und Romanen, was den Ab- und Ausschluss der Goten von der Bevölkerung förderte.
Die
Langobarden, die die Ostgoten in Italien ablösten, scheiterten an einem innenpolitischen Zerfall und dem unüberbrückbaren Gegensatz zum Papsttum, das sich - trotz eines Bekenntniswechsels zum Katholizismus im 7. Jh. - von den Langobarden stetig bedroht sah. In innenpolitischen Intrigen büßte das langobardische Königtum seine Legitimität weitgehend ein. Es zerfiel in Dukate, die teils mit den Byzantinern, teils mit den Franken, teils auf eigene Faust ihre jeweilige Machtbasis zu ertweitern suchten.
Die Integrationskraft des langobardischen Traditionskerns genügte, um ein polyethnisches Heer zum Aufbruch nach Italien zu motivieren. Doch sie war nicht stark genug, um dieses Heer in Italien zusammenzuhalten und seine Einordnung in die neue Umwelt zu gewährleisten. Als das Langobardenreich in Italien sich stabilisiert hatte, stützte es sich weiterhin auf die langobardische Identität seiner Träger und auf die sozialen Erinnerungen, die sich daran knüpften. Die nie gänzlich gelungene Integration war ein zentraler Grund für den schließlichen Untergang des Langobardenreichs.