Heribert Illig... Was, wenn er doch Recht hat?

Geoman schrieb:
Das Rätsel "Karl der Große" wird man nicht in Sedimenten, sondern eher in dem einsam und ohne regionale Anknüpfungen in der Geschichte stehenden Aachener Dom lösen können.

Das alte Hauptziel, mal wieder und noch immer aktuell, obwohl doch längst genauer unter die Lupe genommen - tja, dazu vergleiche man doch am besten http://www.mamg.de/illig.php?referr...p://www.angelfire.com/sc3/muegoe/24anachr.htm

PS: Ohne penetrant wirken zu wollen, verweise ich nochmals auf meine Bitte im vorigen Beitrag...
 
Die schwimmenden Baumringsequenzen wurden entweder C14 oder auch historisch (Holzbalken in einem römischen oder spätmittelalterlichen Gebäude) vordatiert.

Das muss nicht so sein. Die Sequenzen lassen sich auch verlängern, in dem man Hölzer verschiedener Zeitstellung vergleicht. Historische Vordatierung wäre sogar kontraproduktiv, weil die Gefahr bestünde, dass man Zirkelschlüssen unterliegt. C 14- Vordatierung wird gemacht, das stimmt, wobei es so sein soll (ich bin da jetzt auch kein Experte), dass die nur bei sehr alten Hölzern (in einer Zeit von 5000 - 10 000 v. Chr.) noch benötigt wird.

Kurz: Das Rätsel "Karl der Große" wird man nicht in Sedimenten, sondern eher in dem einsam und ohne regionale Anknüpfungen in der Geschichte stehenden Aachener Dom lösen können.

So vereinfachen kann man es nicht. Dieses Problem hatte ich schon mal mit einem anderen User diskutiert: Damit sich die Illig-These bestätigt, müsste für jede einzelne Quelle von 614 - 911 bewiesen werden, dass sie gefälscht oder fehldatiert ist. Und das sind - allein schon von den Schriftzeugnissen her - nicht gerade wenige, dazu kommen noch Münzen, archäologische Befunde, Dendrochronologie, Inschriften usw. . Das Problem wird auch in dem Schieffer-Aufsatz ganz gut beschrieben, der sich auf der Seite von Tillmann Chladek befindet. Ich denke, daran krankt das ganze methodisch.
 
Es kann doch nicht darum gehen, dass eine Methode der Altersbestimmung auf einmal Karl den Großen genau datieren kann oder nicht. Worum es aber gehen sollte ist, dass die verschiedenen Methoden der Altersbestimmung sich gegenseitig stützen können oder wo das nicht möglich ist zu einer neuen Übereinstimmung zu bringen sind.

Ich lese hier und in anderen Strängen immer wieder etwas Problemen bei der Korrelation von Jahresringanalysen und der C14-Methode. Außer bei Korth und seinen Anhängern habe ich aber nirgens weitere Daten finden können.

@Geoman: Du scheinst ja noch weitere Quellen zu kennen. Gibt es dabei Hinweise, wie Korthes Aussagen zu den lückenlosen Jahresringtabellen passen?
Insbesondere Quervergleiche globaler Katastrophen mit den Jahresringen der Sequoias wären ja interessant.

Solwac
 
Geoman schrieb:
Kurz: Das Rätsel "Karl der Große" wird man nicht in Sedimenten, sondern eher in dem einsam und ohne regionale Anknüpfungen in der Geschichte stehenden Aachener Dom lösen können.

Karl den Großen werden wir nicht finden, aber dafür die Kalibrierung der C14 oder der Pb210-Analyse verbessern. Und das wird der Dendrochronologie sehr wohl zu gute kommen.
 
Ashigaru schrieb:
Dieses Problem hatte ich schon mal mit einem anderen User diskutiert: Damit sich die Illig-These bestätigt, müsste für jede einzelne Quelle von 614 - 911 bewiesen werden, dass sie gefälscht oder fehldatiert ist.

Nach den Popperschen Falsifizierungskriterien mag diese Äußerung ja noch irgendwie zulässig sein, aber in der Praxis könnte man bei all den ungelösten historischen Rätseln und Problemen mit dieser Forderung wohl 99,9999 % aller historischen Theorien und Einschätzungen über Bord werfen...

Aber für Außenseiter wie Illig gelten halt, wie schon an anderer Stelle betont, offensichtlich und selbstverständlich besonders strenge, ja strengste Regeln ....

PS: Die Quote der nachweislich gefälschten Merowingerurkunden hat in den letzten Jahren beständig zugenommen. Welchen Stellenwert hat da eine einzelne Quelle (hier=Urkunde), wenn sie Morgen oder Übermorgen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon als gefälscht eingestuft wird? Es geht also nicht um einzelnste Quellen, sondern um eine unbefangenen Diskussion von These und Antithese, damit schlussendlich die Indizien die Geschichte entscheiden können!
 
Also nach meinem Verständnis von wissenschaftlichem Arbeiten sollten einer Theorie die Quellen nach Möglichkeit nicht widersprechen. Tut es eine doch, dann brauch man richtig gute Gründe, warum man diese Quellen ablehnt bzw. warum meine Theorie dennoch richtig ist.
Von daher werden an Illig nicht andere Maßstäbe angelegt. Das Problem ist einfach, dass Illig eine solche These hat, dem einfach Massen von Quellen widersprechen. Und wie schon öfters betont: Es geht nicht nur um Urkunden. Da gibt es die Bauten - nicht nur die Pfalzkapelle in Aachen! - Münzen, Inschriften, Literatur, andere Völker und ihre Aufzeichnungen und archäologischen Überreste - Islam, Byzanz, Wikinger, Juden. Sehr viele Probleme, für die Illig Lösungen anbieten muss, die einer Prüfung standhalten, damit seine These eine Chance hätte.
 
Nach den Popperschen Falsifizierungskriterien mag diese Äußerung ja noch irgendwie zulässig sein, aber in der Praxis könnte man bei all den ungelösten historischen Rätseln und Problemen mit dieser Forderung wohl 99,9999 % aller historischen Theorien und Einschätzungen über Bord werfen...
Und das ist unter anderem der Grund, warum man eine kontinuierlich aufeinander aufbauende Geschichtswissenschaft braucht... Glaube nicht, dass es nicht schon in der Frühmittelalterforschung mehrere Paradigmenwechsel gegeben hat (einer läuft m.E. gerade).

Aber für Außenseiter wie Illig gelten halt, wie schon an anderer Stelle betont, offensichtlich und selbstverständlich besonders strenge, ja strengste Regeln ....
Ja, Moment: Illigs These ist nun mal sehr radikal. Er behauptet nicht: nur die und die Quellen sind erfunden. Er behauptet nicht: dieses und jenes Detail stimmt nicht an der Überlieferung zu Karl dem Großen. Er behauptet: die Geschichtsschreibung hat 297 Jahre komplett erfunden. Dass schließt ein, dass jede nach den geschichtswissenschaftlichen Methoden in diesen Zeitraum datierte Quelle nicht "echt" sein kann. Darauf hat er sich festgelegt, daran muss er sich messen lassen.

Die Quote der nachweislich gefälschten Merowingerurkunden hat in den letzten Jahren beständig zugenommen.
Es ist oft genug hier dargelegt worden, dass sich Fälschungen sehr in ihrer Funktion und Art voneinander unterscheiden. Zweitens müsste der Nachweis erbracht werden, dass eine bestimmte Fälschung auch den Zweck der Chronologiefälschung hatte! Dieser Punkt wird oft übergangen. Zweitens gibt es zahlreiche Quellen, die so in ihrer Zeit verhaftet sind (ich verweise hier auf den m.E. sehr guten Schieffer-Aufsatz), dass man sich fragt, wieso die überhaupt gefälscht worden sein sollen.

Ich sehe noch eine große Schwäche an der Illigschen Theorie, die darin besteht, dass er das, was in der Psychologie "Problemraum" genannt wird, nicht gut definiert hat. Das langweilige an Dissertationen ist ja oft, dass erst mal ausführlich Definitionen gewälzt und Arbeitsmethoden erläutert werden. Gerade dies ist aber absolut notwendig.
Illig hatte im Erfundenen Mittelalter damit einige Schwierigkeiten; am häufigsten wurde das Problem genannt: warum als reale Eckdaten 614 und 911? Es fanden sich, soweit ich weiß, in dem Buch keine Antworten darauf, warum gerade diese Daten.. Dies hätte er unbedingt erbringen müssen. Stattdessen - so las ich neulich in einem Forum (wars hier, wars woanders? Keine Ahnung) sieht er diese Daten wohl als vorläufig an; es könnte also genausogut sein, dass das Mittelalter nur zu 200, 150 oder 50 Jahren (oder auch 400) erfunden ist. Hat er sich da ein Hintertürchen offen gelassen? Gleichzeitig hat er - sein zweites großes Manko - in seinem ersten Buch (im Nachfolger "Wer hat an der Uhr gedreht?" schon), sich nicht damit befasst, wer die Fälschung organisiert hat (über das Problem des "wie" decke ich mal fairerweise den Mantel des Schweigens). Drittens hat er neben der Zeit auch den Raum nicht definiert: "Erfundenes Mittelalter" nur im Karolingerreich? Oder überall?
Dies sind meines Erachtens die Punkte, die Illigs Buch eben von einer profunden wissenschaftlichen Arbeit unterscheiden. Die schwammigen Parameter des "Problemraums" bieten natürlich jede Menge Gelegenheit zu Ausflüchten; auch den Chronologiekritikern als Szene gereicht sie wohl eher zum Nachteil, da es ja oft heftigen Streit unter den diversen Autoren gibt, wie viel Geschichte nun gefälscht sein soll: Iligs 300 Jahre? Die ganze Antike und das Mittelalter? Alles ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Geoman schrieb:
PS: Die Quote der nachweislich gefälschten Merowingerurkunden hat in den letzten Jahren beständig zugenommen. Welchen Stellenwert hat da eine einzelne Quelle (hier=Urkunde), wenn sie Morgen oder Übermorgen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon als gefälscht eingestuft wird?
Es gibt nicht nur Urkunden, es gibt jede Menge anderer Schriftstücke aus dieser Zeit, Beschlussprotokolle von regionalen Kirchensynoden usw. Deren Fälschung macht keinen Sinn, da sie keiner von denen, die hätten von eingeschobenen 300 Jahren überzeugt werden sollen, je gelesen worden wären.
 
fingalo schrieb:
Es gibt nicht nur Urkunden, es gibt jede Menge anderer Schriftstücke aus dieser Zeit, Beschlussprotokolle von regionalen Kirchensynoden usw. Deren Fälschung macht keinen Sinn, da sie keiner von denen, die hätten von eingeschobenen 300 Jahren überzeugt werden sollen, je gelesen worden wären.
Denkst du. Die Fälscher waren eben viel gerissener, als man gemeinhin annimmt. Die haben an jede Eventualität gedacht. Die haben Protokolle gefälscht, die eh niemand liest (bis auf moderne Historiker :pfeif:), die haben Viten zu hunderten fiktiven Personen erfunden und dafür gesorgt, dass sich nach der Fäschungsaktion alle umbenannt haben. Damit nicht auffällt, dass sie nach 297 schon alle tot sein sollten. Und das alles haben sie für ganz Nordafrika, Europa und Vorderasien koordiniert (mit Pferdestafetten die überhaupt nicht wussten, was sie überhaupt transportierten, sonst wäre die Aktion ja aufgeflogen!).
Unsere Vorväter waren schon gewitzt. :yes:
 
Und sie haben es wohl auch auf Amerika ausgedehnt, um die Fälschung auch mit den Mayas und Inkas abzugleichen. Als man dann später die Wikinger erfand, hat man die Entdeckung Amerikas auf die abgeschoben, da es plausibler klang, ein Seefahrervolk habe Amerika entdeckt. Dass dieses Wissen später verloren ging, konnte man dann wirklich nicht vorhersehen.
 
tela schrieb:
Und sie haben es wohl auch auf Amerika ausgedehnt, um die Fälschung auch mit den Mayas und Inkas abzugleichen. Als man dann später die Wikinger erfand, hat man die Entdeckung Amerikas auf die abgeschoben, da es plausibler klang, ein Seefahrervolk habe Amerika entdeckt. Dass dieses Wissen später verloren ging, konnte man dann wirklich nicht vorhersehen.

tela, ist nicht bös gemeint, aber diese Sätze nenn ich mal Erweiterungspolemik.
Dass wir Europäer ab 1492 den amerikanischen Voreinwohnern unsere (ganz dahingestellt, ob rigid gefälschte oder wenigstens ungenaue) Zeitrechnung aufstempelten, hat nachgerade nichts damit zu tun (und hier nehme ich Marbods Unklarheit auf), dass ab, sagen wir grob, Prokop bis zum Frühmittelalter wirklich eine auffällige "Undichte" an Nachrichten aus unserer EUROPÄISCHEN Konsolidierungszeit und somit der Staatenentwicklungsgeschichte bis heute fehlen.

Es ist eine Indizienverhandlung, führen wir sie fort ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
ning schrieb:
tela, ist nicht bös gemeint, aber diese Sätze sind nicht alleine polemisch.
Bedenk, dass WIR Europäer ab 1492 den amerikanischen Voreinwohnern unsere (gefälschte, richtige aber bestimmt ungenaue) Zeitrechnung aufstempelten und das hat nachgerade nichts damit zu tun (und hier nehme ich Marbods Unklarheit auf), dass ab, sagen wir grob, Prokop bis zum Frühmittelalter wirklich eine auffällige "Undichte" an Nachrichten aus unserer Vorzeit fehlen.
Es ist eine Indizienverhandlung, führen wir sie fort ;-)


Verzeih mir Ning, aber ich verstehe gerade selber meine "Unklarheit" in deiner Argumentation nicht.:grübel: :weinen:

Abgesehen davon, dass ich erhebliche Schwierigkeiten damit habe eine chronologische Differenz zwischen Prokop und Frühmittelalter zu ziehen...
 
Marbod schrieb:
Verzeih mir Ning, aber ich verstehe gerade selber meine "Unklarheit" in deiner Argumentation nicht.:grübel: :weinen:

Abgesehen davon, dass ich erhebliche Schwierigkeiten damit habe eine chronologische Differenz zwischen Prokop und Frühmittelalter zu ziehen...

Grübeln und Weinen? Ist doch gar nicht schlimm!
Zur Unklarheit sowie auch zum "abgesehen davon" hatte ich einen Eindruck diesbezüglich beim Beitrag 53.: In welche Zeit sonst, als zw. der noch augenscheinlich intensiv betrachteten Gotenzeit + (bis 600) und, sagen wir ca. 900 könnte denn am ehesten was fehlen seit der "nazarenischen bzw. bethlehemitischen" Stunde Null ?

Mein "Indiziensatz" passt auch hier. Es geht ums Schriftliche und dabei darum, ob an der oberen Ister nicht doch ein paar Merowinger und karolingische Hausmeier zuviel in die Geschichte hineingequetscht wurden. Ich würde mich deshalb auch über einen Kenntnisstand ->hier freuen, dass das ungebrochen schriftfreudige Byzanz Illig klar wiederlegen könnte.
(Anm: Ich werde Illig erst nach dieser (weiteren) Diskussion lesen, denn immerhin ist sie bisher die vielversprechendste.)

Bleibt die Hoffnung, dass wir zB. die durchs Donauwasser konservierten Baumstämme der Regensburger Brücke ganz (ganz ganz) genau als Zeitleiste nehmen könnten (inkl. Baumbefragung: "Wieviele Jahre nach dem Ende deiner einst röm. Herren bist du nun tatsächlich gefällt worden?") - also ist der naturwissenschaftliche Ansatz vermutl. der einzig hilfreiche ... und endet mit der ungewissen Geburt und dem Fallen eines Baumes ...
 
Zuletzt bearbeitet:
ning schrieb:
tela, ist nicht bös gemeint, aber diese Sätze nenn ich mal Erweiterungspolemik.

kein Problem. Bin mir bewußt, dass es mit der Sache aber auch absolut gar nix zu tun hatte. War eine spontane Eingebung und wahrscheinlich nicht so wirklich toll. :rotwerd:
Gelobe Besserung!
 
ning schrieb:
Bleibt die Hoffnung, dass wir zB. die durchs Donauwasser konservierten Baumstämme der Regensburger Brücke ganz (ganz ganz) genau als Zeitleiste nehmen könnten (inkl. Baumbefragung: "Wieviele Jahre nach dem Ende deiner einst röm. Herren bist du nun tatsächlich gefällt worden?") - also ist der naturwissenschaftliche Ansatz vermutl. der einzig hilfreiche ... und endet mit der ungewissen Geburt und dem Fallen eines Baumes ...

Aber ist das nicht wieder eine methodische Leichtfertigkeit ähnlich der Illigs, den Beweis an einer Tatsache festzuhängen. So einfach ist das nicht. Ich verweise nur auf fingalos Einwurf der Synodalprotokolle, die niemand in ihrer Zahl fälschen konnte und musste - es sei denn, sie sind echt.

Die byzantinischen Aufzeichnungen im besagten Zeitraum sind doch sehr zahlreich, z.B. berichten griechische Quellen von einer Verlobung König Ludwigs II mit einer byzantinischen Prinzessin (ist nichts geworden, aber das hat andere Gründe als die Nichtexistenz Ludwigs II). Für Illigisten wäre das natürlich Quatsch, denn Konstantin Porphyrogennetos war ja - wie praktisch - Teil der Verschwörung...
 
Schini schrieb:
Aber ist das nicht wieder eine methodische Leichtfertigkeit ähnlich der Illigs, den Beweis an einer Tatsache festzuhängen. So einfach ist das nicht. Ich verweise nur auf fingalos Einwurf der Synodalprotokolle, die niemand in ihrer Zahl fälschen konnte und musste - es sei denn, sie sind echt.

Methodische Leichtfertigkeit, ähnlich Illigs, und so einfach nicht?
Die gottseidank (durch all die Zeiten hinuntergeflossenes Donauwasser) konservierten Baumstämme der Brücke in Regensburg fielen mir gerade ZU ALLER ERST ein, wenn ich an Nicht-Leichtfertigkeit bei der Nachweissuche (und "schwer genug") denke!

Schini schrieb:
Die byzantinischen Aufzeichnungen im besagten Zeitraum sind doch sehr zahlreich, z.B. berichten griechische Quellen von einer Verlobung König Ludwigs II mit einer byzantinischen Prinzessin (ist nichts geworden, aber das hat andere Gründe als die Nichtexistenz Ludwigs II). Für Illigisten wäre das natürlich Quatsch, denn Konstantin Porphyrogennetos war ja - wie praktisch - Teil der Verschwörung...

Ich habe Fingalos Hinweis gut gelesen. Fein wäre, wenn man dazu einen histor. CSI-Bericht nachschickt, ob an ein paar Stellen (dort, wo es um Jahreszahlen geht einzig und allein) das Leder unberührt von Iler und Schabmesser blieb. "Echt" sind sie bestimmt, nur: wann tatsächlich verfasst nach Christi Geburt.
Und regionale Synoden halte ich für erheblich, ebenso wie Schenkungsurkunden, Lehensvergaben etc. - was gab es denn sonst an schriftlichem Alltag außer Vertrags- und polit. Verhaltenscodices, die auch künftige Generationen einsehen mussten?
 
Zuletzt bearbeitet:
ning schrieb:
Ich habe Fingalos Hinweis gut gelesen. Fein wäre, wenn man dazu einen histor. CSI-Bericht nachschickt, ob an ein paar Stellen (dort, wo es um Jahreszahlen geht einzig und allein) das Leder unberührt von Iler und Schabmesser blieb. "Echt" sind sie bestimmt, nur: wann tatsächlich verfasst nach Christi Geburt.
Und regionale Synoden halte ich für erheblich, ebenso wie Schenkungsurkunden, Lehensvergaben etc. - was gab es denn sonst an schriftlichem Alltag außer Vertrags- und polit. Verhaltenscodices, die auch künftige Generationen einsehen mussten?

Dabei hast du dann wohl überlesen, dass allein die Anzahl dieser Dokumente einen so erheblichen Umfang an Falschungstätigkeiten hervorgerufen haben müßten, dass es in einem Menschenleben von den angeblichen Fälschern gar nicht bewerkstelligt werden konnte, schon gar nicht unbemerkt.:pfeif:
Und regionale Synoden sind unerheblich, ungefähr genauso interessant bzw. fälschenswert wie die Protokolle der monatlichen Zusammenkunft des Brieftaubenzüchtervereins von Mannheim-Sandhofen...
 
Ashigaru schrieb:
Ja, Moment: Illigs These ist nun mal sehr radikal. Er behauptet nicht: nur die und die Quellen sind erfunden. Er behauptet nicht: dieses und jenes Detail stimmt nicht an der Überlieferung zu Karl dem Großen. Er behauptet: die Geschichtsschreibung hat 297 Jahre komplett erfunden. Dass schließt ein, dass jede nach den geschichtswissenschaftlichen Methoden in diesen Zeitraum datierte Quelle nicht "echt" sein kann. Darauf hat er sich festgelegt, daran muss er sich messen lassen.


Nunja, was radikal ist und was nicht ist immer sehr relativ: Auch die Kontinentalverschiebungstheorie Alfred Wegeners erschien über Jahrzehnte hinweg als so radikal, das sie in peer-reviewten Veröffentlichungen radikal zensiert wurde: Die Kontinente hat aus Sicht der Standardwissenschaften eben da zu bleiben, wo der liebe Gott sie hingesetzt hatte und sich nicht von der Stelle zu bewegen... Heute wissen wir, dass diese fundamentalistische Auffassung weniger durch Indizien als einen Mythos gestützt wurde.

Es kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass Ähnliches mit der Zeitachse passiert. Z. B. das Ereignisse, die wir heute nacheinander anordnen, parallel abgelaufen sind, oder dass wir merken, dass bestimmte Zeiträume nur mühsam mit Ereignissen zu füllen sind oder eben nur mit windigen Ereignissen, die wir nur aus zweiter oder dritter Hand in den Mund kennen.

Wenn man vom Glaubensstreit (Illig ist ein aufgeblasener radikaler Spinner etc.) auf die sachlicher Ebene der Indizienauseinandersetzung wechselt, dann sind nicht nur Illig und seine Kombatanten in der Pflicht zu zeigen, dass eine Zeitachse, ohne diese dreihundert Jahre die Geschichte widerspruchsfreier und besser verständlich macht, sondern dann sind auch die Vertreter der herrschenden Lehre in der Pflicht, zu zeigen, dass diese drei Jahrhundert mit Inhalten gefüllt werden können und benötigt werden, um z. B. plausible Modelle für den Übergang von der Stätantike zum Hochmittelalter machen zu können.

Von einigen erfreulichen Auanahmen (etwa ning) abgesehen, befinden wir uns hier noch auf der Ebene eines Glaubenskrieges, wo Illigs These nur mit spitzen Fingern angefasst und eigentlich von vorneherein aus dem Bauch (Lesen Illigs wäre Zeitverschwendung etc.) heraus für abstrus gehalten wird. Wenn in diesem Stadium penetrant nachgehakt wird und z. B. einige nicht unmittelbar vom Tisch zu fegende Indizien für Illigs These vorgelegt werden, dann wird häufig auf die "Naturwissenschaft" rekurriert.

Das heißt, man verlässt sich darauf, dass die unbestechliche und messescharfe naturwissenschaftliche Methodik Illig schon richten bzw. in seine Schranken weisen wird. Doch dies ist auch ein Aberglaube: Die naturwissenschaftliche Zeitbestimmungs-Methodik ist vor allem bezüglich der letzten, sagen wir mal 6.000 Jahr aufs engste mit historisch ermittelten Daten verknüpft oder genauer gesagt von ihnen infiziert und belastet. Dies führt zu Widersprüchen, Zirkelschlüssen und vielschichtigen Problemen..

Selbst dem eigentlich C14-gläubigen Frühgeschichtler SCHWABEDISSEN [1977] ist einmal so etwas wie der Kragen geplatzt, weil ihm bei der Verankerung der C14-Methode Widersprüche aufgefallen sind:

»W. F. LIBBY benutzte seinerzeit ›historische‹ ägyptische Daten, um die Brauchbarkeit der (konventionellen) C14-Methode zu dokumentieren. Heute wird die ägyptische Chronologie herangezogen, um nachzuweisen, dass die konventionellen C14-Daten falsch und die jahrringkorrigierten Daten richtig sind«.

Kurz: Die Historiker sollten sich bei der Auseinandersetzung mit der Illigschen These nicht zu sehr auf das Totschlagvermögen naturwissenschaftlicher Chronolgiemethodik verlassen. Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen.

Zudem besteht ja schon seit längerer Zeit ein berechtigtes Mißtrauen der Historiker gegenüber C14-Daten, z. B. wenn aufgrund von einer oder zwei Datierungen bislang evidente, weil gut belegte Handelsbeziehungen zwischen Kulturen mal so eben vom Tisch gefegt werden.
 
Geoman schrieb:
Kurz: Die Historiker sollten sich bei der Auseinandersetzung mit der Illigschen These nicht zu sehr auf das Totschlagvermögen naturwissenschaftlicher Chronolgiemethodik verlassen. Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen.


Entschuldige bitte, aber genau das unterstellst du hier mit anscheinend wachsender Begeisterung den Historikern, während mittlerweile 2 Threads mit Argumentationen gefüllt werden, wie Illigs These auch ohne "das Totschlagvermögen naturwissenschaftlicher Chronolgiemethodik" widerlegt werden kann. Und um dann mal in die Fußstaphen von Hyokkose, Tela, fingalo und Co. zu treten: Das wird von dir bisher konsequent ignoriert.
 
ning schrieb:
Methodische Leichtfertigkeit, ähnlich Illigs, und so einfach nicht?
Die gottseidank (durch all die Zeiten hinuntergeflossenes Donauwasser) konservierten Baumstämme der Brücke in Regensburg fielen mir gerade ZU ALLER ERST ein, wenn ich an Nicht-Leichtfertigkeit bei der Nachweissuche (und "schwer genug") denke!



Ich habe Fingalos Hinweis gut gelesen. Fein wäre, wenn man dazu einen histor. CSI-Bericht nachschickt, ob an ein paar Stellen (dort, wo es um Jahreszahlen geht einzig und allein) das Leder unberührt von Iler und Schabmesser blieb. "Echt" sind sie bestimmt, nur: wann tatsächlich verfasst nach Christi Geburt.
Und regionale Synoden halte ich für erheblich, ebenso wie Schenkungsurkunden, Lehensvergaben etc. - was gab es denn sonst an schriftlichem Alltag außer Vertrags- und polit. Verhaltenscodices, die auch künftige Generationen einsehen mussten?

Da bin ich vor allem lokal bewandert: Besitzverzeichnisse/Liegenschaftskataster (notitiae arnonis, um 790) und das Verbrüderungsbuch von St. Peter (erste Einträge um 784 rum).

Besonders schön:
Die Stiftsbibliothek St.Gallen läßt ihre Handschriften digitalisieren, darunter auch das Kapiteloffiziumsbuch, ein Bibliotheksverzeichnis aus der Mitte des 9. Jahrhunderts, Rechtstexte, Heiligengeschichten.... zum Anschauen!!!
 
Zurück
Oben