Gerhard Mentzel
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Dieser Gedankenansatz besteht für mich aus zuviel Glauben und zuwenig handfester Geschichte bezüglich der eigentlichen Fragestellung dieses Threads.
Natürlich ist von den Schöpfern der christlichen Religion nicht von Null begonnen worden, sondern auch Elemente bereits existierender Kulte verarbeitet worden. Dies aber macht Jesus weder realer noch irrealer als Person.
Was die "Person Jesus" am Anfang geschichtlich nachweislich war, genau darum habe ich auf die Auswertungen von Josef Grillmeier über die christlichen Denkanfänge und Diskussionen verwiesen.
Die historische Kritik bzw. Geschichtsforschung liegt hinter uns. Die anfängliche Aufklärung hat ihre Arbeit getan. Auch in Sachen der theologischen Deutung der neutestamentlichen Geschichten und Aussagen von und über Jesus, die inzwischen von der neutesamtlichen Exegese allesamt als theologische Bedeutungsaussagen über den Chrisuts gelesen werden. Mit Geschichte im engen Sinne, wie sie hier als historisch hinterfragt wird, kann daher das NT und damit auch das dort handelnde Wesen nicht das Geringste zu tun haben.
(Auch wenn spätestens seit Albert Schweizer klar sein sollte, dass über die geschichtliche Existenz Jesus im bisherigen Sinne nichts zu sagen ist, wird sonderbarer in der Theologielehre auf alte Weise weitergesucht, werden dicke Bücher über einen jungen Juden geschrieben und an Weihnachten entsprechende Dokumentarfilme gezeigt. Gleichwohl auch dabei, zumindest wenn ernsthaft argumentiert wird, immer deutlicher wird, dass die historische Person die hoheitliche war.)
Wer jetzt gläubig im herkömmlichen Sinne ist, macht sich keine weitere Gedanken über die historische Geschichte, fragt nicht weiter nach dem wahren Geschichtsgeschehen, sondern sieht den wundertätigen Heilsprediger der Buchgeschichte einfach als Gottessohn, Christus des Glaubens... redet über ihn als lebendiges Wort/Logos, wie das in der Predigt zu hören ist. Denn davon gehen alle Geschichten und Aussagen des NT nach Ansicht der Theologen aus.
Wer andererseits aufgrund heutiger Beobachtung annimmt, dass in einer Predigt nur gläubiges (für Atheisten: leeres) Stroh gedroschen wird, der denkt dass dies auch am Anfang so war. Der glaubt die Christologie als Glaubenrede hinter lassen zu können, glaubt an die Geschichte eines jungen Humanapostel... Doch genau das bedeutet m.E., das Geschichtsgeschehen zu verdrängen.
Denn egal welche der verschiedenen anfänglich als christlich geltenden Denkrichtungen, die in theologischer Weise diskutierten, wir betrachten, so ging es bei allen um das mensch"gewordene" Wort, damit den Logos des griechischen Monismus als Christus mit Namen Jesus. Nur er kann das historische Wesen sein, das Geschichte schrieb. Ein Guru, der heute als historisch gilt, hätte in dem geistigen Kontext des damaligen Denkens, einer heute geschichtlich nachzuvollziehenden griechisch-jüdischen Glaubensaufklärung in Auseinandersetzung mit römischem Kaiserkult, polytheisitschem Götterkult, entleerter jüdischen Tempeltradition bzw. blindwütigem Gesetzesgehorsam sowie philosophischer Vernunftvergottung (Stoa, die das beherrschende neue Denken war) nicht wirklich was zu sagen gehabt. Die Vergottung eines Heilspredigers wäre weder für Juden, noch für Griechen denkbar gewesen. Und ein Guru hätte keine Geschichtswirkung erzielt, wie wir sie nachzeichnen können. Er hätte bei rationaler Betrachtung der geschichtlichen Umstände auch nicht die Explosion an Litaratur über eine geistige Wende ausgelöst, wie wir sie heute in Händen halten, selbst in Qumran ausgraben.
Das sind m.E. einige der historische Fakten. (Allein schon die anfänglichen hochtheologischen Diskussionen der verschiedenen Denkrichtungen, die zwar gegensätzlich waren, aber allesamt als christlich galten, sich heute teilweise erst geschichtlich fassen lassen und völlig verschiedene Jesusgeschichten oder Darstellungen enthalten, müssen bei rationaler Auswertung deutlich machen, dass der christliche Glaubensgrund anders ausgesehen hat, als das, was heute als historische Person hingestellt wird.)
Die einzige historische Person, die als Jesus geschichtlich zu orten ist, ist genau die, über die nachweislich am Anfang diskutiert wurde. Und dies war, was die Griechen im Rahmen monistischer Welterklärung Logos nannten. Über die menschliche Person (Rolle, Aufgabe) des Logos wurde genau von denen gestritten und gegenüber abstrakten Philosophielehren argumentiert, die sich für die menschlich Person (Rolle, Aufgabe) Jesus stark gemacht haben. Heute wissen bei Auswertung des Wissens um den Anfang christlicher Geschichte auch warum: Weil sie weder eine gnositsch Vergeisterung, abstrakte Philosophiekonstruke, sondern mit bekannten, kultgerechten Bilder an den jüdischen Monothismus anknüpfen wollten.
Um einen jugen Christus-Gott, wie heute geglaubt wird, kann es bei Auswertung der Geschichte bzw. des damaligen geistigen Kontext und der Problemstellung keiner der Denkrichtungen gegangen sein.
Der buchstäbliche Glaube hat bisher die Auswertung des Geschichtswissens verdrängt. Doch so wenig wie das AT eine Wissenschaft über die Weltentstehung oder eine einfache geschichtliche Darstellung sein will, will dies das NT. Und so wie der buchstäbliche Glaube das Fragen nach den naturkundlichen, kausalen Ursachen allen Werdens nicht weiter verdrängen konnte, so denke ich, dass der Glaube an Bilder und Buchstaben auch das Wissen um die Geschichte, die geistige Grundlage der wahren Zeitenwende, die geschichtliche Person Jesus, nicht ewig verdrängen kann.
Mit meinem Verweis auf das anfängliche Denken wollte ich daher keine Kirchengeschichte entfachen oder theologische Dogmen oder Glaubenslehren diskutieren, sondern nur dazu anregen, in rationaler und aufgeklärter Weise, völlig glaubensunvoreingenommen aus neuer Perspektive zu Fragen und zu geschichtlich zu forschen. Denn genau darum geht es hier.