Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Klar ist da was zu publiziert:

  • Pieper, Peter: Die taciteischen Annalen und die Holzfunde vom Bohlenweg XXV (Pr) zwischen Damme und Hunteburg. S. 509 - 526 (die Bilder der Holzwaffen und die Karte vom Verlauf des Bohlenweges findet man auf einer frz. Reenacter-Website mit Zusammenfassung (auf frz.) des Beitrags von Pieper).

Was allerdings die frz. Website inzwischen angeht: "Désolé, mais ce forum est actuellement indisponible."

Details von Pieper:
Das ist nicht ganz richtig: Datiert wurde der Bohlenweg, nicht die Waffen. Allerdings - das ist richtig, wurden die Zerstörung des Bohlenwegs auf 15 n. Chr. datiert. (Pieper a.a.O. S. 521) Es ist demnach tatsächlich davon auszugehen, dass diese Waffen 15 n. Chr. verloren gingen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie konnte man denn die Zerstörung des Bohlenweges auf ein Jahr genau datieren?

Ich hätte jetzt vermutet, daß die zum Bau des Bohlenweges geschlagenen Bäume dendochronologisch datiert worden sind. Dann hätte man das Jahr der Baumfällung. Hat man evtl. angenommen, daß diese sofort verbaut worden und dann im gleichen Jahr der Bohlenweg zerstört wurde?
 
Sorry,aber meine Beschäftigung mit Pieper ist zweieinhalb Jahre her. Den Argumentationsstrang kann ich nicht mehr wiedergeben. Am besten ist, du besorgst dir das Buch. Ist zwar schon zwölf Jahre alt (Was in der Geschichtswissenschaft zwar wenig ist, für Kalkriese aber viel), aber es lohnt sich.
 
Es ist durchaus möglich, dass diese Bohlenwege tatsächlich entdeckt wurden. Sollten sie wirklich existieren, so wäre es ein weiteres eindeutiges Indiz dafür, dass die Varusschlacht bei Kalkriese stattfand. :yes:
Um das Varusschlachtfeld zu erreichen schickte Germanicus 15 n.Chr. Caecina voraus, um über den trügerischen Moorboden Bohlenwege und Dämme anzulegen.

Also ich bin ja auch der Meinung, dass Kalkriese zur Varusschlacht gehört, aber bei Deiner Aussage entgeht mir die Logik. Laut Tacitus wurde Caecina losgeschickt, um die "langen Brücken" wieder herzustellen. Die existierten also vorher schon, woraus man schließen kann, dass es bei den Römer üblich war, sumpfige Stellen mit Holzbohlenstegen zu überbrücken. Solche Stege sind ja wohl nicht exklusiv in der Umgebung des Varusschlachtfelds gebaut worden. Theoretisch könnten die möglichen Stege nahe Kalkriese also während jeder beliebigen Phase des Germanicus-Feldzugs im Jahr 15 gebaut oder erneuert worden sein.

Sollte es sich um die "langen Brücken" handelt, die Tacitus in Zusammenhang mit Caecina erwähnt, dann spricht das immer noch nicht notwendigerweise dafür, dass es sich bei den Funden von Kalkriese um die Reste der Varus-Legionen handelt. Wenn besagter Bohlenweg tatsächlich in Schlagdistanz zum Oberesch liegen, wäre es genauso wahrscheinlich, dass dort ein Teil der Caecina-Schlacht geschlagen wurde.

MfG
 
Also ich bin ja auch der Meinung, dass Kalkriese zur Varusschlacht gehört,

Fast richtig. Statt "dass Kalkriese zur Varusschlacht gehört" müsste es heißen "dass die Varusschlacht zu Kalkriese gehört".

aber bei Deiner Aussage entgeht mir die Logik. Laut Tacitus wurde Caecina losgeschickt, um die "langen Brücken" wieder herzustellen.

Nein, das war später. Um das Varusschlachtfeld zu erreichen, schickte er Caecina los, um über die trügerischen Moorböden Dämme zu bauen.
 
Nein, das war später. Um das Varusschlachtfeld zu erreichen, schickte er Caecina los, um über die trügerischen Moorböden Dämme zu bauen.

Maelonn hat sich zwar in der Tat mit der Textstelle vertan, jedoch heißt es auch auf dem Weg zum Varusschlachtfeld "pontes[que] et aggeres [...] imponeret".

Wir können allerdings - unter der impliziten Voraussetzung, dass Kalkriese ein Teil der Varusschlacht ist - die Bohlwege vom Dammer Moor als die pontes longi der Schlacht von den pontes longi ausschließen, denn die pontes longi müssen auf jeden Fall zwischen dem Varusschlachtfeld und dem Rhein gelegen haben, meines Erachtesn müssen sie auch westlich oder südlich der Ems gelegen haben (Tac. ann. I, 63, 3 - 4).
 
Zuletzt bearbeitet:
Mal 'ne ganz dumme Zwischenfrage: Nach Ptolemäus entspringt die Weser am Harzrand auf etwa der gleichen Breite wie die Ems. Könnte es sein, dass die Römer nicht 'unsere`Weser, sondern einen östlicher Nebenfluss, also Leine oder Aller, als Weser verstanden? Wenn ja, welchen Einfluss hätte dies auf die Diskussion um die Lokalisierung der Varus-Schlacht bzw. anderer Schlachten in 15/16 uZ?
[Ich bitte um Entschuldigung, falls diese Frage schon anderswo in diesem Forum diskutiert wurde - mir fehlte der Nerv, 125 Seiten durchzulesn]
 
Hallo,

nach Jahren des passiven Mitlesens, möchte ich mich gerne an dieser Diskussion beteiligen.

Mal 'ne ganz dumme Zwischenfrage: Nach Ptolemäus entspringt die Weser am Harzrand auf etwa der gleichen Breite wie die Ems. Könnte es sein, dass die Römer nicht 'unsere`Weser, sondern einen östlicher Nebenfluss, also Leine oder Aller, als Weser verstanden?

Sofern man das Melibocum Gebirge mit dem Harz gleichsetzt ergibt sich in der Tat eine Übereinstimmung des Visurgis mit dem heutigen Weser-Aller-Oker Verlauf. Da die Okerquelle auch eine Weserquelle ist, besteht dort auch nur ein bedingter Widerspruch. Mit den Kaiserpfalzen Werla und Goslar sowie dem Rammelsberger Bergbaugebiet ist dies auch ein geschichtlich sehr interessantes Gebiet. Wobei die Gold/Silbervorkommen auch ein möglicher Entstehungsgrund der Daten des Ptolemaios/Marinos sein könnten. Weiterhin muss man berücksichtigen, dass vor dem Talsperrenbau im Harz, die Oker saisonal der wasserreichste Zufluss der Weser war.
Ich würde allerdings nicht soweit gehen, die Aller-Oker generell mit dem antiken Visurgis gleichzusetzen. Die Benennung von Nebenflüssen nach dem Hauptfluss kommt bei Ptolemaios, in Gebieten ausserhalb des römischen Reiches öfter vor. So halte ich auch die östliche Rheinmündung eher für die heutige Ijssel.
Weiterhin spricht für diese Sicht, dass die Koordinaten von Küsten, Gewässern und Gebirgen bei Ptolemaios ein andere(bessere) Qualität haben als die der Städte. Das ist jedenfalls ein Ergebnis der Forschungen der TU-Berlin.
 
Wir können allerdings - unter der impliziten Voraussetzung, dass Kalkriese ein Teil der Varusschlacht ist - die Bohlwege vom Dammer Moor als die pontes longi der Schlacht von den pontes longi ausschließen, denn die pontes longi müssen auf jeden Fall zwischen dem Varusschlachtfeld und dem Rhein gelegen haben, meines Erachtesn müssen sie auch westlich oder südlich der Ems gelegen haben (Tac. ann. I, 63, 3 - 4).

Folgen wir Tacitus, so hast du auf jeden Fall recht. Normalerweise müssen die pontis longi demnach zumindest westlich der Ems liegen. Allerdings gibt es auch andere (durchaus auch wissenschaftliche) Meinungen.

Aber mir geht es nicht darum hier zum wiederholten Male eine Diskussion bezügl. Kalkriese=pontes longi o.ä. zu eröffnen. Ich finde den Umstand dieses Bohlenweges und dessen Datierung (welche wohl dendrochronologisch nachgewiesen ist) sehr interessant. Mir ging -und geht es nach wie vor- darum, nähere Informationen dazu zu erhalten.
 
Wir können allerdings - unter der impliziten Voraussetzung, dass Kalkriese ein Teil der Varusschlacht ist - die Bohlwege vom Dammer Moor als die Schlacht von den pontes longi ausschließen, denn die pontes longi müssen auf jeden Fall zwischen dem Varusschlachtfeld und dem Rhein gelegen haben, meines Erachtesn müssen sie auch westlich oder südlich der Ems gelegen haben (Tac. ann. I, 63, 3 - 4).

Der Feldzug 15 n.Chr. galt doch offenbar den Bructerern. Diese siedelten nach Ptolemaios "beidseitig" der Amisia. Das Hauptsiedlungsgebiet (Grosse Bructerer) lokalisiert er sogar zwischen Amisia und Visurgis. Tacitus unterstützt das in der Germania mit der berichteten Vernichtung der Bructerer durch die Angrivarier, die man ja eher noch weiter östlich lokalisiert.
Tacitus: Germania (30-37), Die Westgermanen (lateinisch, deutsch)
Strabo erwähnt einen Schiffskampf des Drusus gegen die Bructerer auf der Amisia. Das impliziert meiner Meinung nach, dass sie diesen Fluss dominiert haben, also wahrscheinlich beidseitig wohnten.
Es kann also durchaus sein, dass Germanicus erst (fast?) bis zum Visurgis vorgestossen ist und dann erst das Varusschlachtfeld aufgesucht hat.
Die nicht berichtete Emsüberquerung ist kein Gegenargument, denn sie hat ja stattgefunden. Egal ob man Kalkriese als Varus oder Caecinaschlacht sieht.
Demnach hätte man bei Damme relativ gefahrlos im verwüsteten Bructererland die Infrastruktur reparieren können. Bei Damme wäre es auch sinnvoll gewesen, denn im folgendem Jahr geht der Feldzug wieder über die Amisia und spätestens dann hätte der Engpass bei Kalkriese (erneut?) gedroht.
 
Die nicht berichtete Emsüberquerung ist kein Gegenargument, denn sie hat ja stattgefunden. Egal ob man Kalkriese als Varus oder Caecinaschlacht sieht.

Deshalb schrieb ich ja

unter der impliziten Voraussetzung, dass Kalkriese ein Teil der Varusschlacht ist

Damit wurde die implizite Voraussetzung sogar explizit. ;)
Der Feldzug 15 n.Chr. galt doch offenbar den Bructerern.

Jein. Der erste (berichtete) Feldzug des Jahres 15 galt den Chatten, der zweite wohl in erster Linie den Cheruskern (siehe Tac. ann. I, 60, 1).

Diese siedelten nach Ptolemaios "beidseitig" der Amisia.

Wo findest du das beidseitig?
Das Hauptsiedlungsgebiet (Grosse Bructerer) lokalisiert er sogar zwischen Amisia und Visurgis.

Auch das finde ich bei Claudios Ptolemaios so nicht wieder.
Ich finde bei ihm, dass die Brukterer von den zwischen Rhein und Ems lebenden Stämmen nach den Friesen von der Küste aus gesehen der nächste Stamm seien (also, dass sie südlich der Friesen zwischen Rhein und Ems lebten, was nicht grundsätzlich ausschließt, dass sie beiderseits der Ems lebten, jedoch sprechen andere Quellen ja auch noch von den Ampsivariern, deren Name ja von der Ems abgeleitet ist). Hinter ihnen, nach Osten hin (genannt wird die Weser/Visurgis) lebten die Chauken (oder nach Ptolemaios Kauchen).

Es kann also durchaus sein, dass Germanicus erst (fast?) bis zum Visurgis vorgestossen ist und dann erst das Varusschlachtfeld aufgesucht hat.
Die nicht berichtete Emsüberquerung ist kein Gegenargument, denn sie hat ja stattgefunden. Egal ob man Kalkriese als Varus oder Caecinaschlacht sieht.

Indirekt wird die Überquerung der Amisia zweimal berichtet, einmal in Tac. ann. I, 60, 2 und Tac. ann. I, 63, 3. Allerdings ist die Emsüberquerung an beiden Stellen nicht zwingend zu erschließen.

Bei Damme wäre es auch sinnvoll gewesen, denn im folgendem Jahr geht der Feldzug wieder über die Amisia und spätestens dann hätte der Engpass bei Kalkriese (erneut?) gedroht.

Die Überquerung der Ems im Jahre 16 muss jedoch viel weiter nördlich geschehen sein, denn Tacitus spricht in Tac. ann. II, 8 von der Mündung des Flusses und wir haben hier eine der seltenen Stellen, an denen Tacitus Germanicus kritisiert.
 
Jein. Der erste (berichtete) Feldzug des Jahres 15 galt den Chatten, der zweite wohl in erster Linie den Cheruskern (siehe Tac. ann. I, 60, 1).

Jau, stimmt.:scheinheilig:


Wo findest du das beidseitig?

Bei Ptol. Geogr. 2,11,8
"Das Gebiet Germaniens bewohnen entlang des Rheins, begonnen von Norden die KLEINEN Brukterer und die Sugambrer"
und Ptol. Geogr. 2,11,16
"Kleinere Völker siedeln 'im Landesinnern' verstreut: nähmlich zwischen den Kleinen Chaukern und den 'Angilischen' Sueben die GROSSEN Brukterer, südlich von ihnen die Chämer zwischen den Grossen Chaukern und den 'Angilischen' Sueben die Angrivarier."
Da in Geogr. 2,11,11 die kleinen Chauker zwischen Ems und Weser lokalisiert werden erstreckt sich das Gebiet der Brukterer bei Ptolemaios folglich zwischen Rhein und Weser.

Die Überquerung der Ems im Jahre 16 muss jedoch viel weiter nördlich geschehen sein, denn Tacitus spricht in Tac. ann. II, 8 von der Mündung des Flusses und wir haben hier eine der seltenen Stellen, an denen Tacitus Germanicus kritisiert.

Ja, aber hatte er das im Jahre 15 vielleicht noch nicht so geplant.
Über das Dammer Moor hätte er den Weg ins Cheruskerland abkürzen und sicherer gestalten können. Die Caecina-Schlacht und die gescheiterte Instandsetzung zwangen Ihn möglicherweise zum Umdenken.
 
Bei Ptol. Geogr. 2,11,8
"Das Gebiet Germaniens bewohnen entlang des Rheins, begonnen von Norden die KLEINEN Brukterer und die Sugambrer"

Soweit kann ich dir folgen.


und Ptol. Geogr. 2,11,16
"Kleinere Völker siedeln 'im Landesinnern' verstreut: nämlich zwischen den Kleinen Chaukern und den 'Angilischen' Sueben die GROSSEN Brukterer, südlich von ihnen die Chämer zwischen den Grossen Chaukern und den 'Angilischen' Sueben die Angrivarier."

Woher kommt das "angilische", das finde ich weder im griechischen, noch im lateinischen Text oder in der englischen Übersetzung. Ich finde auch kein πρὸς μεσημβρίαν (nach Süden hin). Mit was für einer Textausgabe/Übersetzung arbeitest du?
(Ich arbeite hiermit: DRAFT DRAFT DRAFT ? LacusCurtius ? Ptolemy's Geography ? Book II, Chapter 10 ? DRAFT DRAFT DRAFT)

Da in Geogr. 2,11,11 die kleinen Chauker zwischen Ems und Weser lokalisiert werden, erstreckt sich das Gebiet der Brukterer bei Ptolemaios folglich zwischen Rhein und Weser.

Nicht unbedingt. Wir wissen ja, dass die Brukterer zur Zeit der augusteisch-tiberischen Kriege zwischen Ems und Lippe, sicherlich auch beiderseits der Ems ihr Stammesgebiet hatten. Nun sind allerdings die germanischen Stämme und Stammesgebiete zur damaligen Zeit alles andere als statisch, sowohl, was die Zugehörigkeit einzelner Gefolgschaften, angeht, als auch, was das Stammesgebiet angeht. Wenn also die Chauken zwischen Ems und Weser und die Brukterer südlich davon lokalisiert werden, dann kann das durchaus mit dem Stammesgebiet der Brukterer zwischen Ems und Lippe passen, da die Ems im Oberlauf ja nicht wie im Unterlauf von Süd nach Nord, sondern von Ost nach West fließt. Ich würde auch nicht zuviel Gewicht auf die Stammesgebiete der Brukterer nach Ptolemaios legen, der schrieb über hundert Jahre später, insofern ist er ein schwieriger Zeuge für die Verteilung der Stammesgebiete um die Zeitenwende herum. Ganze Stämme verschwanden damals, neue tauchten auf, andere wiederum waren nur Teilstämme (nehmen wir die Ampsivarier an der Ems oder die Chasuarier an der Hase).
Strabo z.B. berichtet von der Lippe als Fluss der durch das Land der Brukterer fließt und bei Tacitus (Hist. IV, 65) entführen die Brukterer bei Köln(!) die Trireme des Prätor Cerialis (der sich gerade an Land mit einer schönen Ubierin vergnügte, will Tacitus wissen), die sie ihrer Priesterin Veleda zum Geschenk machten und zu diesem Zweck die Lippe hinaufführten (Hist. V, 22): "Multa luce revecti hostes captivis navibus, praetoriam triremem flumine Lupia donum Veledae traxere."

Wie gesagt, ich will gar nicht grundsätzlich ausschhließen, dass das Stammesgebiet der Brukterer, so wie es über die Lippe hinaus ging, auch über die Ems hinaus ging, aber so klar, wie du das siehst, geben die Quellen das m.E. nicht her.
 
Woher kommt das "angilische", das finde ich weder im griechischen, noch im lateinischen Text oder in der englischen Übersetzung. Ich finde auch kein πρὸς μεσημβρίαν (nach Süden hin). Mit was für einer Textausgabe/Übersetzung arbeitest du?

Das "Angilische" ist an besagter Stelle nur eine Erklärung des Übersetzers.
Originär kommte es aus Ptol. Geogr. 2,11,15
Ich arbeite mit dem Stückelberger.


Nun sind allerdings die germanischen Stämme und Stammesgebiete zur damaligen Zeit alles andere als statisch, sowohl, was die Zugehörigkeit einzelner Gefolgschaften, angeht, als auch, was das Stammesgebiet angeht.

Richtig, Gewissheit über die genaue Lokalisierung werden wir deshalb nie haben.

Ich würde auch nicht zuviel Gewicht auf die Stammesgebiete der Brukterer nach Ptolemaios legen, der schrieb über hundert Jahre später, insofern ist er ein schwieriger Zeuge für die Verteilung der Stammesgebiete um die Zeitenwende herum.


Ptolemaios benutzte Daten von Marinos der ein "Zeitalter" vor ihm lebte. Also evtl. schon sehr nah bei Tacitus.
Der Stückelberger schreibt sinngemäss:
"Es gibt auch Forscherstimmen die Tacitus als eine Quelle von Ptolemaios sehen wollen. Sie stützen sich dabei auf den Ort SIATUTANDA, und führen ihn auf eine missverstandene Stelle in Ann. 4,73 zurück. ad sua tutanda degressis rebellibus."
Wobei unklar bleibt, wo Ptolemaios die Koordinaten dazu genommen hat.
Da die Brukterer zu Tacitus Zeiten auch schon augerottet waren kann man nicht mal genau sagen welche Quelle älter ist.

bei Tacitus (Hist. IV, 65) entführen die Brukterer bei Köln(!) die Trireme des Prätor Cerialis (der sich gerade an Land mit einer schönen Ubierin vergnügte, will Tacitus wissen), die sie ihrer Priesterin Veleda zum Geschenk machten und zu diesem Zweck die Lippe hinaufführten (Hist. V, 22): "Multa luce revecti hostes captivis navibus, praetoriam triremem flumine Lupia donum Veledae traxere."

Wobei nicht gesagt wird dass Veleda eine "Priesterin der Brukterer" war.
Sie könnte auch eine allgemein anerkannte Autorität der am Bataveraufstand beteiligten Germanen gewesen sein.

Wie gesagt, ich will gar nicht grundsätzlich ausschhließen, dass das Stammesgebiet der Brukterer, so wie es über die Lippe hinaus ging, auch über die Ems hinaus ging, aber so klar, wie du das siehst, geben die Quellen das m.E. nicht her.

Und ich wollte nur zeigen, dass die Eingrenzung "zwischen Lippe und Ems" auch nicht in Stein gemeisselt ist. :)
 
Strabo z.B. berichtet von der Lippe als Fluss der durch das Land der Brukterer fließt und bei Tacitus (Hist. IV, 65) entführen die Brukterer bei Köln(!) die Trireme des Prätor Cerialis (der sich gerade an Land mit einer schönen Ubierin vergnügte, will Tacitus wissen), die sie ihrer Priesterin Veleda zum Geschenk machten und zu diesem Zweck die Lippe hinaufführten (Hist. V, 22): "Multa luce revecti hostes captivis navibus, praetoriam triremem flumine Lupia donum Veledae traxere."

Wobei nicht gesagt wird dass Veleda eine "Priesterin der Brukterer" war.
Sie könnte auch eine allgemein anerkannte Autorität der am Bataveraufstand beteiligten Germanen gewesen sein.

Ähem...
In (Hist. IV, 61) steht natürlich ganz klar, dass Veleda eine Priesterin vom Stamm der Brukterer war.:pfeif:

Gruss
jchatt
 
Verehrte Mitdiskutanten,

ganz aktuell habe ich einem Vortrag von Frau Wilbers-Rost und ihrem Ehemann lauschen dürfen. Es ging vor allem um die aktuellen Auswertungen, sowie auch um einen Ausblick in die Zukunft.

Sehr interessant fand ich die Ausführungen von Dr. Achim Rost. Bekanntlich widmet er sich der noch recht jungen Wissenschaft der Schlachtfeldarchäologie. Demnach entwirft er folgendes mögliches Szenario:
Die Römer kamen aus östlicher Richtung. Wahrscheinlich haben die Germanen die Römer natürlich schon vor dem Engpass angegriffen. Sie nutzten dabei wohl Waldkanten oder Verhaue. Die Römer waren in dieser Phase jedoch noch gut organisiert. Lt. Rost waren sie darauf trainiert den Tross zu schützen und zu erhalten und sich auch um die Verletzten zu kümmern, bzw. diese mitzunehmen. Dies würde die relativ (zum Oberesch) wenigen Funde östlich vom Oberesch erklären. Der Hauptangriff erfolgte dann am Oberesch (Wall). Dort ist die römische Armee dann kollabiert (genau dieses Wort hat Rost benutzt). Nordwestlich gibt es dann noch ein paar Funde, die Rost mit Absetzbewegungen erklärt. Sehr interessant war dann die Verteilung der Fundstücke. So fanden sich am Wall insbesondere viele Nägel. Auch Reste von Schildrandstücken. Eine mögliche Erklärung könnte sein, daß es sich bei den Nägeln um Befestigungen für Schildbuckel handeln könnte. Daraus könnte man ableiten, daß die Germanen die Schilde auf dem Schlachtfeld eingesammelt haben, an den Wall gebracht haben wo sie dann an Ort und Stelle verschrottet wurden, d.h. die Schildränder und Buckel wurden entfernt. Den Schild selber (Holz) konnte man nicht verwenden. Diese wurden wohl einfach am Schlachtfeld zurückgelassen. Überhaupt sind die Plünderungen ein immer wichtigeres Thema. Denn im Prinzip finden sich in Kalkriese nicht unbedingt die Reste einer Schlacht, sondern eher das, was nach der Schlacht und den anschließenden Plünderungen von den Germanen am Ort gelassen wurde - aus welchem Grund auch immer.

In Zukunft, d.h. in den kommenden drei Jahren (hierfür steht die Finanzierung) will man sich wohl mehr um die "Rahmenbedingungen" dieser Schlacht kümmern. Rost geht davon aus, daß Kalkriese zwar wohl nicht vollkommen unbekannt für die Römer war, allerdings auch nicht von römischer Infrastruktur erschlossen war. Für einen Tross ergab dies sicherlich Probleme. Wie haben die Germanen die Situation vor Ort ausgenutzt? Zur Klärung solcher Fragen soll in den kommenden drei Jahren vor allem die germanische Besiedlung vor Ort untersucht werden. Entsprechende Nachweise liegen teilweise ja auch schon vor. Diese müssen jedoch noch näher untersucht werden. Ein Hauptaugenmerk liegt somit bei den bereits entdeckten Siedlungen (Kalkriese-Dröge / Venne-Vorwalde) aber auch auf dem Kalkrieser Berg. Auch dieser soll wohl miteingebunden werden.

Wie gesagt: Sehr interessanter Vortrag. Bleibt die spannde Frage, wo bzw. an welchem Punkt der Varusschlacht man Kalkriese einordnen muß (unterstellt man einen Kontext Kalkriese/Varusschlacht) - ich erinnere an das Wort kollabiert. Leider fiel mir die Frage erst heute ein und ich konnte sie Dr. Rost somit nicht mehr stellen:autsch:

Warten wir ab, was die kommenden drei Jahre bringen.
 
Warten wir ab, was die kommenden drei Jahre bringen.

Drei Jahre warten, ehe wir weiter diskutieren? Schreckliche Vorstellung ;).

Mir scheint, dass Herr Rost gut beraten wäre, für seinen schlachtfeldarchäologischen Ansatz mal Fachleute heranzuziehen, deren Spezialgebiet nicht Archäologie sondern Militär ist. Die Theorien der Kalkriese-Ausgräber sind schließlich schon einmal von amerikanischen Schlachtfeldarchäologen über den Haufen geworfen worden..

Dem Szenario, das Rost laut Deiner Zusammenfassung geschildert hat, stimme ich grundsätzlich zu: Römer marschieren von Osten nach Westen, Kämpfe schon vor der Engstelle, dahinter Anzeichen für Absetzbewegungen, in der Engstelle selbst besonders heftige Kämpfe.

Den Begriff "kollabiert" halte ich aber für zu stark. Wäre an der Stelle ein "Zusammenbruch" der römischen Truppen erfolgt, dann wäre die Schlacht dort auch zu einer Entscheidung gekommen. Dem widerspricht aber die von Rost vorgetragene Erkenntnis, dass die Truppen vor Erreichen des Engpasses die Lage noch so weit unter Kontrolle hatten, dass sie z.B. Verwundete versorgen konnten. Wäre ein Zusammenbruch erfolgt, dann wären zwangsläufig auch die nachrückenden Truppen vernichtend geschlagen worden. In dem Fall müssten sich auch vor dem Engpass (also östlich davon) Spuren von Plünderungen finden. Wäre im Engpass nur die Nachhut des Zuges aufgerieben worden, würde das bedeuten, dass ein Großteil der Truppen (weitgehend) unversehrt durch den Engpass hindurch gekommen ist.

Meinem Eindruck nach deuten die Grabungsergebnisse auf folgenden Ablauf hin: Die römischen Truppen waren schon in leichte Gefechte verwickelt, als sie sich dem Engpass näherten. Beim Durchzug wurden die Kämpfe so heftig, dass sie dort die Kontrolle verloren haben (große Verluste an Menschen und Material; keine Möglichkeit irgendwas davon zu bergen). Nach dem Durchzug konnten sie sich wieder konsolidieren und ihre eigene Marschsäule so weit sichern, dass es nicht mehr zu unkontrollierbaren Verlusten kam. Nach dem Engpass hatten sie die Sache wieder einigermaßen im Griff.

Wäre es zu dem von Rost genannten Kollaps gekommen, müssten sich entweder vor oder nach dem Engpass Spuren eines Gemetzels finden. Die fehlen aber.

Daraus schließe ich: Wenn Kalkriese Teil der Varusschlacht ist (was ich annehme!), gehört der Ort zu einer frühen Phase der Kämpfe.

Auf die Ergebnisse der weiteren Untersuchungen bin ich auch gespannt. Inwiefern die Untersuchung germanischer Siedlungen aus der Umgebung für das Verständnis hilfreich sein soll, ist mir allerdings unklar geblieben.

MfG
 
bei Tac. Ann. 64 steht in meiner Übersetzung von Wilhelm Bötticher:

"So fand er (Caecina) denn, überlegend, was kommen könnte, keinen anderen Ausweg, als den Feind in den Wäldern zurückzuhalten, bis die Verwundeten und der ganze schwere Zug einen Vorsprung hätten
"

Demnach könnte die Hauptkampflinie um den Kalkrieser Berg den Waldrand darstellen, in dem über Stunden? versucht wurde, die Germanen vom Tross fernzuhalten, der sich im Rücken nach Nordwesten absetzte.

Das Fundspektrum könnte doch auch auf im Kampf abgesplitterte Ausrüstungsgegenstände hin deuten.. aber warum kollabiert ?
 
Das Fundspektrum könnte doch auch auf im Kampf abgesplitterte Ausrüstungsgegenstände hin deuten
Du kannst wohl angesichts des Befundes relativ sicher davon ausgehen, dass die Germanen nach der Schlacht Teile der Beute erst einmal sortiert und recycelt (sprich in brauchbare und unbrauchbare Einzelteile zerlegt) haben.


aber warum kollabiert?


Westlich von Kalkriese fächert das Fundspektrum auf. Du kannst also davon ausgehen, dass in Kalkriese etwas passierte, was die Kommandostrukturen der dortig anwesenden römischen Operationseinheit extrem störte. Das Auffächern spricht dafür, dass die Römer sich hier nicht mehr diszipliniert verhielten sondern in einem großen Durcheinander das Heil nicht in einem geordneten Abmarsch, sondern in der Flucht suchten.
 
Westlich von Kalkriese fächert das Fundspektrum auf. Du kannst also davon ausgehen, dass in Kalkriese etwas passierte, was die Kommandostrukturen der dortig anwesenden römischen Operationseinheit extrem störte. Das Auffächern spricht dafür, dass die Römer sich hier nicht mehr diszipliniert verhielten sondern in einem großen Durcheinander das Heil nicht in einem geordneten Abmarsch, sondern in der Flucht suchten.

Richtig.
Die Gesamtfundmenge nimmt ab. Allerdings sind die Fundstücke z.T. hochwertiger als am Oberesch (Silbermünzen, silberne Beschläge).
Rost vermutet, daß diese Gegenstände im Zuge der Absetzbewegungen vieleicht weggeworfen wurden. Vieleicht weil sie hinderlich waren, vieleicht aber auch um sie vor Plünderung zu schützen.

Das direkt am Oberesch schon eine Verschrottung stattfand steht für mich außer Frage.
 
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