Karl der Große - Der Vater Europas

Worin bestand Karls moralische Größe in Relation zu den moralischen Maßstäben seiner Epoche?

Zu den Wertmaßstäben oder auch den Anforderungen seiner Zeit - und darüber reden wir vor allem - zählte der Sieg über seine Feinde und die Errichtung eines mächtigen Reichs, das im Idealfall das größte der bekannten Welt sein sollte. Schriften der Antike und des Altertums zählen u.a. noch Milde, Mut, Gerechtigkeit auf, wie sie z.B. die Fürstenspiegel nennen. Allerdings wird damals wie heute eine Kluft bestanden haben zwischen dem Ideal und der Realität.

Waren Herrscher besonders der Antike und des frühen Mittelalters nicht ausreichend skrupellos - wir sprachen darüber bei Chlodwig I. - fanden sie sich beizeiten bestenfalls entthront wieder, meist jedoch ermordet.
 
Zu den Wertmaßstäben oder auch den Anforderungen seiner Zeit - und darüber reden wir vor allem - zählte der Sieg über seine Feinde und die Errichtung eines mächtigen Reichs, das im Idealfall das größte der bekannten Welt sein sollte.
In diesem Falle eines mächtigen, das Banner des Christentums vor sich hertragenden Reiches, weswegen sich die Frage nach der Macht der Moral ebenso stellt, wie die nach der Moral der Macht:

Die christliche Lehre bietet moralische Maßstäbe, die unabhängig vom Zeitgeist Gültigkeit haben.
Die Gefahr geht mE zum Einen vom falsch verstandenen Missionsgedanken der Lehre aus. Zum Anderen führt eine Verschmelzung des göttlichen mit dem weltlichen Machtanspruch dazu, dass die Moral (hier ursprüngliche christliche Lehre) an Macht verliert und der weltlichen Macht "angepasst" wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die christliche Lehre bietet moralische Maßstäbe, die unabhängig vom Zeitgeist Gültigkeit haben.
Die Gefahr geht mE zum Einen vom falsch verstandenen Missionsgedanken der Lehre aus.

Die christliche Lehre hatte im Hohen Mittelalter einen anderen Zungenschlag, wie wir mit Blick auf die Kreuzzüge, die brutale Eroberung Jerusalems mit zehntausenden Toten und anderen Greueln an Muslimen wissen, die durchaus von den Päpsten gutgeheißen und keineswegs als gotteslästerlich betrachtet wurden.

Das gilt auch für die Sachsenkriege Karls des Großen, denen ebenfalls tausende Unschuldige zum Opfer fielen und die erklärtermaßen zur "Bekehrung" der heidnischen Sachsen zum Christentum geführt wurden. Und wenn man die entsprechenden Quellen liest, so wird ziemlich eindeutig klar, dass Karl sogar an dieses "Missionswerk" glaubte, es also keineswegs nur ein intsrumentalisierter Vorwand zur Machtausweitung war - jedenfalls nicht primär.

Dass im Hinblick auf "gottesfürchtige Kriege" die Muslime den Christen in nichts nachstanden, sei nur der Vollständikeit halber bemerkt.
 
Die christliche Lehre hatte im Hohen Mittelalter einen anderen Zungenschlag, wie wir mit Blick auf die Kreuzzüge, die brutale Eroberung Jerusalems mit zehntausenden Toten und anderen Greueln an Muslimen wissen, die durchaus von den Päpsten gutgeheißen und keineswegs als gotteslästerlich betrachtet wurden.
Genau das meinte ich mit dem Gegensatz von zeitloser Lehre und dem Verschmelzen von geistlichen und weltlichen Machtansprüchen. Bei der "reinen" christlichen Lehre ist die Macht/das Reich nicht von dieser Welt. Deswegen sprach ich auch davon, dass die Lehre eine zeitlose Moral biete, nicht dass sie so gelebt wurde/werde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was natürlich nichts daran ändert, dass wir dieses Gefasel vom Sachsenschlächter mal ad acta legen sollten.
Lass mich noch ein wenig faseln über...
...die Sachsenkriege Karls des Großen, denen ebenfalls tausende Unschuldige zum Opfer fielen...
...wenngleich man sagen muss [1]:
"die Kriege im späten Mittelalter nahmen nur selten das Ausmaß eines Genozid an. Karl der Große [...] führte bald einen dreißig Jahre währenden [Angriffs-]Krieg gegen die Sachsen. Nachdem diese fast ein ganzes fränkisches Heer vernichtet hatten, ließ Karl der Große 4500 Gefangene 'an einem einzigen Tage enthaupten' [...] In der Pose von Israeliten in einem neuen Gelobten Land hatte das Heer Karl des Großen sich anscheinend von den biblischen Massakern an den Amalekitern und Moabitern inspirieren lassen. Dennoch waren im Mittelalter Vertreibungen häufiger als physische Vernichtung. Andere Annalen verzeichneten, daß 'die Franken eine große Zahl von Männern' erschlagen hätten, aber auch, dass sie 'viele Sachsen in Ketten nach Francia zurückbrachten'. Des weiteren wird berichtet, dass im Jahr 795 '7070 [aus Sachsen] weggeführt wurden' und danach noch einmal '1600 führende Männer'. Neun Jahre später ließ Karl der Große 'alle Sachsen, die jenseits der Elbe und in Wihmodia wohnten, [...] zusammen mit ihren Frauen und Kindern nach Francia verbringen'." [2]
Genozid? Der Zeitgeist forderte halt seinen Tribut, wie ein anderer Sachverständiger an einem Beispiel verdeutlicht:
"Und wenn Stalin beim russischen Volk [...] Methoden angewendet habe, wie sie damals Karl der Große beim deutschen Volk angewendet hätte, so dürfe man mit Rücksicht auf den derzeitigen kulturellen Stand der Russen nicht den Stab darüber brechen."
[1] Ben Kiernan: Erde und Blut. Völkermord und Vernichtung von der Antike bis heute. München 2007, S. 94
[2] Die letzte Information präziser ("zehntausend Sachsen mit Weib und Kind") bei Hans K. Schulze: Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen. Sond. Berlin 1994, S. 156
 
KdGnur auf die "Sachsenkriege" zu reduzieren, ist reichlich kurz gesprungen.
Da waren ja dann auch noch Bayern, Lombarden, etc.

Und will man den fränkischen Zahlen glauben, haben die Franken fast ganz Sachsen entvölkert. Nur , gegen wen führten sie dann danach in Sachsen Krieg?
So hoch ist auch die Vermehrungsrate von Sachsen nicht.
Und alle Sachsen aus Wigmodien und jenseits der Elbe? Dithmarschen kam erst in der Neuzeit zum HRR.

Also die Annalen beschönigen ganz schön.
KdG war ein König der Franken, ein bedeutender, aber er handelte als Franke für seine Familie und seine "Freunde", Moral und Glaube kommen da im Tagesgeschäft nicht vor.
 
KdGnur auf die "Sachsenkriege" zu reduzieren, ist reichlich kurz gesprungen.
Da waren ja dann auch noch Bayern, Lombarden, etc.

Niemand hat Karl auf die Sachsenkriege "reduziert" und wenn ich sie weiter oben erstmals angeführt habe, so sollte das lediglich ein Beispiel dafür sein, was jeder Historiker bereits im Proseminar lernt: Menschen müssen aus ihrer Zeit heraus beurteilt werden, nach den Konventionen und moralischen Maßstäben ihrer Epoche. Das bedeutet nicht, dass das Wirken eines antiken oder mittelalterlichen Herrschers von uns heutigen kritiklos bejubelt werden soll. Denn es gab Herrscher wie Vlad Tepes, Caracalla und andere, die selbst nach damaligen Maßstäben als "blutrünstig" galten und/oder durch Terror regierten.

Bedenkt man das alles, dann kann man Herrscher wie Karl, Caesar, Kyros II., Augustus oder Friedrich Barbarossa durchaus zubilligen, dass sie innerhalb der Bedingungen, Begrenzungen und Anforderungen ihrer Zeit Ansehen und Macht der ihnen anvertrauten Staaten steigerten, in der Regel umsichtig und verantwortungsvoll regierten und die Masse der Bevölkerung keinen Verfolgungen aussetzten. Dass sie dennoch Kriege führten und andere Länder und Völker unterwarfen, zählt zu den Erwartungen, denen sich jeder Herrscher beugen musste.
 
Karl der Große - "Vater Europas"?

Inwiefern kann man Karl der Große "Vater Europas" nennen? Also warum wird er oft so genannt? Und inwiefern ist es korrekt zu behaupten, dass aus seinem Reich, die Länder Deutschland, Italien und Frankreich entstanden sind?

Würde mich auf schnelle Antwort freuen :)

danke schonmal im vorraus :)
 
Vielleicht überlegst du dir erstmal, wann KdG denn lebte und wie Europa vor seiner Machtübernahme aussah.

Karl der Grosse

Im nächsten Schritt solltest du dir anschauen, wie sich Europa denn so zum Ende seiner Machtzeit, bzw. unter der Regentschaft seiner Nachkommen verändert hatte. Aus diesem Vergleich heraus hast du dann die Antwort.

Karl der Große
 
Zuletzt bearbeitet:
hm, zum ersten Teil hast Du links bekommen, aber wenn Du Deinen Lehrer schocken willst:
Deutschland, Frankreich und Italien liegen zwar zum Teil auf dem ehemaligen Reichsgebiet KdGs, aber sie sind nicht aus seinem Reich entstanden. Was heute Frankreich ist, war als romanischsprechendes Gebiet schon vorher vorhanden,
 
Leg mal die Landkarte des Fränkischen Reiches unter Karl dem Großen neben eine aktuelle politische Landkarte. Dann wirst Du noch je menge anderer Länder als Frankreich, Italien und Deutschland entdecken.

Apvar
 
Schon klar, aber es geht darum, welche Länder man zumindest indirekt auf das Reich Karls des Großen zurückführen kann. Frankreich und Deutschland kann man zumindest einigermaßen auf das sich im Zuge des Vertrages von Verdun 843 ( Vertrag von Verdun ? Wikipedia ) herausbildende Westfränkische und Ostfränkische Reich zurückführen. Bei Italien würde ich das verneinen, da zwischen den Franken und der Nationalstaatsbildung im 19. Jhdt. eine viele Jahrhunderte lang währende Phase der völligen politischen Zersplitterung liegt, in der das (ohnehin nur Norditalien umfassende) Königreich Italien praktisch nur auf dem Papier existierte. Bei den anderen auf dem Gebiet des Reiches Karls des Großen liegenden heutigen Staaten ist das noch schwieriger.
 
Mit dieser Titulation kann man freilich nichts anfangen, ich habe schon gehört das Ceaser oder Napoleon Vater Europas sein sollten.

Diese Benennungen sind nicht hilfreich weil man Personen die vor Jahrhunderten gelebt haben nicht mit der heutigen Situation vergleichen kann.
 
Karl spielt zwar eine wichtige Rolle in der Grundsteinlegung des französischen Königtums und des Kaiserreichs, dennoch finde ich es ganz schön verklärend ihn als den "Godfather" Europas darzustellen, im Endeffekt legt ja das Römische Reich den Grundstein vieler Teile Europas und gerade ein Land wie Frankreich entsteht nicht direkt durch Karl, der Grundstein wird meiner Meinung nach schon mit dem romanischen Gallien gelegt, die Franken geben zwar dem Konstrukt, dass wir Frankreich nennen ein Gerüst, doch existent ist es gewiss schon im Römischen Reich, darüber hinaus ist der Einfluss der Franken verschwindet gering gegenüber den lateinischen Einfluss im französischen Kerngebiet, Karl hat ja auch nur Versucht das Imperium zu imitieren und im Endeffekt kommt er aus meiner Sicht niemals aus dem Schatten des Römischen Reichs heraus, wenn also Karl der Vater Europas ist, was ist dann Rom?
 
Karl spielt zwar eine wichtige Rolle in der Grundsteinlegung des französischen Königtums und des Kaiserreichs, dennoch finde ich es ganz schön verklärend ihn als den "Godfather" Europas darzustellen,

Die Metapher von Karl dem Großen als dem "Vater Europas" ist wenig zutreffend. Karl war sicher ein mächtiger Herrscher, der weite Teile Europas beherrschte und viel dazu beitrug, dass das Frankenreich mit dem antiken Erbe Roms pfleglich umging und Teile dieses Erbes bewahrte. Die von ihm angestoßene "karolingische Renaissance" - Reform der Bildung durch Rückgriff auf die Antike in der Kunst und Wissenschaft - ist gewiss vorbildlich und trug zur Wiederentdeckung und Sicherung antiken Bildungsguts bei.

Dennoch verzerrt das Bild vom "Vater Europas" die Wirklichkeit, ganz abgesehen davon, dass viele europäische Herrscher darauf einen Anspruch hätten. - Aus dem Karolingerreich gingen Deutschland und Frankreich hervor; diese Entwicklung hatte Karl allerdings nicht geplant, ganz abgesehen davon, dass man Frankreich und Deutschland nicht oder nur bedingt als "Gründungsnationen Europas" betrachten kann.

Frantisek Graus, ein bekannter tschechischer Historiker, sagte einmal dazu: "Karl als Europäer, dieser Irrtum wird genauso vorübergehen wie alle anderen Versuche, ihn zum Idealtypus zu machen." Karl der Große war eine mächtige und charismatische Herrschergestalt; aber zur Identifikationsfigur sollte man ihn nicht hochstilisieren.
 
Zurück
Oben