Luther hat den Antisemitismus nicht erfunden. Seit der Spätantike waren Vorurteile gegen Juden weit verbreitet, und innerhalb der Kirche gab es eine lange Tradition des Antisemitismus. Johannes Chrysostomus, Thomas von Aquin, Franz von Assisi haben sich antijüdisch geäußert. Die Vorwürfe, dass Juden Christus ans Kreuz gebracht haben, Ritualmordvorwürfe, Hostienschändung, Brunnenvergiftung waren Vorwürfe, die immer wieder erhoben wurden. An vielen Kirchen waren Judensäue abgebildet, Luther kam täglich daran vorbei. Im Zuge des 1. Kreuzzugs kam es zu Pogromen, vielerorts wurden Juden vertrieben, nur eine Minderheit stand unter herrschaftlichem Schutz, das Judentum galt als Häresie, was wiederum Anlass für Vertreibung werden konnte.
Mit dem Buchdruck wurden auch Pamphlete gegen Juden,Ritualmord-Geschichten, Verschwörungstheorien weit verbreitet. Luther hatte sich intensiv mit dem Tanach beschäftigt, er hatte dazu auf Übersetzungen und Grammatiken von deutschen Humanisten zurückgreifen müssen. Diese Leute hatten im Grunde die Hebraistik begründet, und sie hatten dazu eine päpstliche Erlaubnis. Es kam im Mittelalter vor, dass Mönche, die die Heilige Schrift übersetzten, zum Judentum übertraten. Das waren seltene Fälle, die Scholastiker erhoben aber immer wieder den Vorwurf, dass Hebraisten verkappte Juden und Häretiker seien. Das führte dazu, dass die Hebraistiker judenfeindliche Traktate hinzufügten, um diesem Vorwurf zu entgehen. Luther arbeitete mit der Hebräischgrammatik des Johann Reuchlin, mit Konrad Pelikans und Wolfgang Capito. 1518 kaufte die Uni Wittenberg auf Luthers Drängen eine hebräische Bibel, vermutlich die von Soncino an und er benutzte die damals relativ neuen Werke von Johannes Böschenstein und Mathias Aurogallus. Luthers Hebräischkenntnisse waren aber begrenzt, und statt sie zu vervollkommnen griff er gegen den Rat und die Kritik von Rabbinern ausschließlich auf Argumente und Vorstellungen christlicher Hebraistiker und jüdischer Konvertiten wie Nikolaus von Lyra, Paulus de Santa Maria oder Jakob Pfefferkorn. Luther misstraute aber auch Konvertiten wie Böschenstein, die auch jüdische Schriften auslegten oder wie Mathäus Adriani seine Bibelübersetzung in Frage stellte. Die lateinische Bibelübersetzung von Sebastian Münster, der sich eng an rabbinische Exegese anschloss, lehnte Luther als "judaisierend" ab.
Persönliche Kontakte mit Juden hatte Luther kaum. Er und Katherina von Bora verdächtigten jüdische Ärzte, sie umbringen zu wollen. Mit einigen Rabbinern hatte Luther mal diskutiert, was ihn zu seiner negativen Einstellung gegen Rabbiner bestärkte. Jakob Gipher, einen konvertierten Juden, der sich später Jakob Hebräus nannte, verschaffte er eine Stelle als Hebräisch-Lehrer.
Zu Juden hatte Luther sich verschiedentlich geäußert, die Äußerungen stehen auch in Zusammenhang mit innerchristlichen Konflikten und Entwicklungen.
1513 hielt Luther seine ersten Psalmen-Vorlesungen. Er äußerte sich recht judenfeindlich, warf ihnen den Tod Christi vor und dass sie ihn nicht als Messias anerkennen und damit die Sünde des Christusmord immer wiederholen. Nach Luthers Vorstellung konnten nur Judenchristen errettet werden.
1514 wurde Luther um ein Gutachten ersucht von Spalatin. In Köln hatte Johannes Reuchlin den Talmud gegen den Dominikaner Nicolas Hoogstraten und den Konvertiten Pfefferkorn verteidigt und ihm eine wichtige Rolle bei der Exegese zugebilligt. Luther sprach Reuchlin vom Vorwurf der Häretik frei und kritisierte den Verfolgungseifer von Reuchlins Gegnern.
1515/16 hielt Luther seine Römerbrief-Vorlesungen. Er befand, dass die Juden, durch ihre Ablehnung Christi ihre Heilsprivilegien verloren hätten.
1521 lehrte Luther, dass Jesus der Messias sei, dass die Juden dieses Heilsgebot missverstanden hätten und die Mehrheit von ihnen verstockt sei.
Trotzdem sollten Christen gegen sie freundlich sein und sie nicht verachten, da täglich einige Juden ihren Irrtum einsehen könnten. Gewalt bei der Judenmission lehnte Luther ausdrücklich ab.
1523 veröffentlichte Luther seine Schrift "Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei". Luther reagierte damit auf den Vorwurf, er leugne die Jungfräulichkeit Marias. Durch Nacherzählung der biblischen Heilsgeschichte wollte Luther diesen Vorwurf widerlegen und dazu Juden zur Konversion reizen. Jakob Gipher, dem er einen Job verschaffte, war nicht zuletzt durch Luthers Predigten zur Konversion motiviert worden. Luther betonte, dass Jesus, Maria und die Apostel Juden waren, er kritisierte die Judenmission, sagte, die Gewalt habe Juden nur noch verstockter gemacht, so wie die Mission durchgeführt wurde, sei es kein Wunder, dass eher Christen Juden wurden. Luther zeigte in dieser Lebensphase durchaus Verständnis für Juden, sagte, wenn man sie von allen Gewerben ausschlösse treibe man sie in den Wucher.
Ritualmordlegenden und die Diffamierung der Juden als Hostienschänder bezeichnete Luther als "Narrenwerk". Er plädierte dafür, Juden als Blutsverwandte Christi zu behandeln sie mit Christen zusammen wohnen zu lassen und sie freundlich zu behandeln. "Wie sollte man sie bessern? Solange man sie mit Gewalt bedränge, verleumde und anklage, dass sie Christenblut gebrauchten, um nicht zu stinken und anderes Narrenwerk mehr, könne man nicht Gutes an ihnen bewirken."
Luther betonte, dass die Juden durch die Tora und die Propheten wie kein anderes Volk ausgezeichnet seien und Ghettoisierung und Arbeitsverbote einzustellen seien.
1523 führte Luther auch sein einziges Streitgespräch mit drei Rabbinern, die ihn um Vermittlung für einen Schutzbrief baten. Luther lehnte die Fürsprache ab, zeigte sich enttäuscht, dass Juden nicht reihenweise zum Christentum konvertierten.
1536 erließ Johann Georg I. ein Dekret, das Juden Einreise, Durchreise, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit in Kursachsen untersagte. Josel von Rosheim, der Anwalt der Juden bat daraufhin 1537 Luther um Vermittlung. Anscheinend sahen viele Juden in Luther einen potenziellen Fürsprecher. Luther lehnte diese Vermittlung ab und weigerte sich, sich mit Josel von Rosheim zu treffen. Er wurde davon beeinflusst, dass in Mähren die sogenannten Sabather sich für den Sabbat statt des Sonntags als Feiertag aussprachen und glaubte an den Einfluss jüdischer Proselyten. Das führte bei Luther zu einer immer aggressiveren Sprache und einer immer größeren Radikalität, häufig auch zu Obszönitäten.
1538 schrieb Luther "Wider die Sabather" und 1543 sein aggressivstes Pamphlet "Wider die Juden und ihre Lügen"
1546 reiste Luther zu Albrecht VII. von Mansfeld und versuchte mit Predigten eine Ausweisung der Juden zu erreichen. Nachdem sie inMagdeburg vertrieben wurden, fanden sie in Eisleben Aufnahme. Luther versuchte auch Philipp von Hessen zu Ausweisungsdekreten zu bewegen. Luther, Martin Bucer und Melanchthon hatten Philipps Ehe mit Margarethe von der Saale abgesegnet. Nach Reichsgesetzen Bigamie und Ehebruch, da Philipps rechtmäßige Gattin noch lebte. Philipp lehnte das aber ab.
Von Luthers Gesamtwerk waren die antisemitischen Texte nur ein kleiner Teil, sie waren aber recht bekannt, und Luther wurde auch immer wieder von Antisemiten vereinnahmt.
Trotzdem änderte das nicht viel daran, dass Luthers Schriften und sein Auftreten in Europa für ungeheures Aufsehen sorgten. Vor allem seine Schrift von 1523 "Dass Jesus Christus ein geborener Jude ist" wurde in vielen jüdischen Gemeinden als ein Fanal wahrgenommen. Juden aus den Niederlanden verschickten Exemplare und Übersetzungen davon an bedrängte Gemeinden unter anderem in Spanien.
Luthers Radikalisierung nach 1523 und seine heftigsten Pamphlete wurde von vielen Juden nicht ausreichend wahrgenommen oder auch ausgeblendet.
Zu Heinrich Heines Zeit wurde Luther bereits zunehmend von Nationalisten und Antisemiten vereinnahmt, die sich auf seine Pamphlete beriefen und diese veröffentlichten.
In Deutschland ein Wintermärchen überliefert Heine ein positives Lutherbild. Er ist für Heine ein wortgewaltiger Reformator, der ein "großes Halt gesprochen" habe.