Konfession, Antisemitismus und NS

Dann müsste man der fairnesshalber aber auch darlegen, welche eher katholischen Wurzelwerke Hitler zu seinem Judenhass inspiriert haben.

Ich denke, man müsste auch im Bezug auf Luther selbst die Frage stellen, welche katholischen Wurzeln dessen Resentiments gegenüber den Juden eigentlich hatten.

Ich würde mal meinen, dass das was Luther da an judenfeindlichem Mist von sich gegeben hat, im Grunde genommen so überhaupt nichts substanziell neues war, sondern er sich damit vor allem in eine Tradition intoleranter, katholischer Kleriker eingereiht hat.

Er mag was die Qualität seiner Ausfälle angeht, in seiner Zeit ein Extrem gewesen sein, aber was genau war an dem, was er hierzu geschrieben hat, wirklich neu?
Im Grunde genommen hat er in seinen Hetzpamphleten Resentiments wiedergekäut, die bereits seit Jahrhunderten in der Welt waren und er hat zu verbrecherischen Maßnahmen aufgerufen, die in Europa leider nun auch kein besonderes Novum war.

Es macht die Sache natürlich nicht besser, bzw. weniger verbrecherisch dass er einfach vorhandene verbrecherische Ideen und Forderungen wieder aufgewärmt hat.

Wenn man aber behaupten wollte, er sei der Ideengeber für die Nazis im Punkto Antijudaismus/Antisemitismus gewesen, müsste er in diesem Sinne qualitativ neues dazu "beigetragen", nicht nur alte intolerante Traditionen übernommen haben.
 
Wenn man aber behaupten wollte, er sei der Ideengeber für die Nazis im Punkto Antijudaismus/Antisemitismus gewesen, müsste er in diesem Sinne qualitativ neues dazu "beigetragen", nicht nur alte intolerante Traditionen übernommen haben.
Wenn ich das richtig verstanden habe, wollte Luther ursprünglich Juden davon überzeugen, einen (reformierten) christlichen Glauben anzunehmen. Dieses Vorhaben scheiterte und schlug in Hass gegen Menschen mit jüdischer Religion um.

Seit den Kreuzzügen gab es religiös begründete Pogrome gegen Juden. Protestanten gab es noch nicht.

In den Jahrzehnten und Jahrhunderten vor Luther traten viele Juden in Spanien zum Christentum über. Im katholischen Spanien war aber das Vorurteil verbreitet, dass diese Conversos heimlich weiter den jüdischen Glauben ausübten. Daher wurden ab 1478 die sogenannten limpieza de sangre , "Blutreinheitsgesetze", erlassen. Konvertierten Juden wurde der Zugang von Ämtern verwehrt. Sie standen gegenüber der spanischen Inquisition unter Torquemada und seinen Nachfolgern unter Generalverdacht. Man musste einen genealogischen Nachweis erbringen, dass man "altchristlicher" Abstammung war, um Nachstellungen zu entgehen. Der Vergleich zum Ariernachweis der Nazis liegt nahe. Die limpieza de sangre kann man durchaus als protorassistischen Antisemitismus ansehen. 1492 wurden alle Menschen, die sich zum Judentum bekannten, aus Spanien vertrieben. Man hoffte damit das "Converso-Problem" zu lösen, was sich jedoch nicht bewahrheitete. @El Quijote dürfte sich damit aber besser auskennen als ich.

Ich möchte Luthers religiös begründeten Hass gegen Juden in seinem späteren Leben nicht schönreden, dennoch entbehrt er der rassistischen Komponente wie sie unter Torquemada, den "katholischen Königen" und ihren habsburgischen Nachfolgern an der Tagesordnung war.
 
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In den Jahrzehnten und Jahrhunderten vor Luther traten viele Juden in Spanien zum Christentum über. Im katholischen Spanien war aber das Vorurteil verbreitet, dass diese Conversos heimlich weiter den jüdischen Glauben ausübten. [...]

Ich habe davon mal in einem Überblickswerk über die Geschichte Spaniens gelesen. Und wenn ich mich daran recht erinnere, schlug das auf der iberischen Halbinsel gegen Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts in regelrechte Vertreibungen um.

Und das wäre dann auch nicht die erste Vertreibung innerhalb Europas gewesen, sowas gab es ja auch in England im 13. Jahrhundert schonmal.

Deswegen wie gesagt die Frage und die darf im Speziellen @Dion gern beantworten:
Was ist an Luthers Resentiments gegenüber den Juden oder an an seinen Aufrufen Verbrechen ihnen gegenüber zu verüben in der Weise qualitativ neu, dass man ihn als Ideengeber heranzitieren könnte?

Ist das, was Luther da forderte am Ende mehr oder qualitativ anders als das was in anderen Teilen Europas und in den Jahrhunderten zuvor an Misshandlungen der jüdischen Bevölkerung längst Realität war?

Wie gesagt, das macht sein verbrecherisches Handeln in diesem Sinne nicht besser, damit man sich klar versteht, aber begründet er da tatsächlich neue Traditionen oder spricht er sich am Ende einfach nur dafür aus Methoden einzuführen, die andernorts längst geübte Praxis gewesen sind?
Letzteres würde ihn genau so zum Verbrecher machen, aber letztendlich eher zum Trittbrettfahrer anderer, als zum Begründer irgendwelcher speziellen Ansichten.
 
Dann müsste man der fairnesshalber aber auch darlegen, welche eher katholischen Wurzelwerke Hitler zu seinem Judenhass inspiriert haben. Denn Luthers Schriften dürften auf ihn in München, Wien und Braunau nicht den größten Einfluss ausgeübt haben.

Das ist ja gar nicht der Punkt, sondern welche gesellschaftlichen Strömungen eine Situation schufen, in welcher der Judenhass so akzeptabel wurde, dass der Holocaust durchgeführt werden konnte.
Und hier ist der negative Einfluss der antisemitischen evangelischen Theologen deutlich gegeben.
Dem Hitler, der ja Esoteriker war, war die protestantische Lehre ebenso egal wie die katholische.
Doch verstand er sicher den Antisemitismus der Protestanten zu nutzen.
1936 erscheint ein interessantes Büchlein des evangelischen Theologen Paul le Seur: Adolf Stoecker – Prophet des Dritten Reichs.
Darin preist er den Hitler, verdammt Demokratie und Unglauben usw.
Weist aber ausdrücklich darauf hin, dass der von ihm hochgelobte Stoecker kein Rassist gewesen sei, sondern wahre Wiedergeburt durch echte christliche Taufe für geeignet hielt den Makel des Judentums abzuwaschen.


Aber wer ist jetzt Adolf Stöcker?
Er ist Hofprediger des 1871 gegründeten Kaiserreichs, und er ist Politiker.
„Stöcker war der erste Politiker im Kaiserreich der den Antisemitismus ganz bewußt als Instrument zur Mobilisierung einsetzte. Mit der von ihm Ende der siebziger gegründeten Christlich-sozialen Partei beginnt die Geschichte der antisemitischen Organisationen und Sammlungsbewegungen in Deutschland.“ Volker Ullrich – Die Nervöse Großmacht – TB, S. 387

Und was schreibt der Stöcker so? Der Paul le Seur zitiert 1936 den Stöcker von 1890 Kapitel 3 :
https://archive.org/details/christlichsozia00stgoog/page/n14/mode/2up?view=theater

Überhaupt scheint der Stöcker sich ja sehr mit dem „Judenthum“ zu beschäftigen
.
„Dieses glaubenslose Judentum tat nun sein allerschlimmstes Werk: es riß dem um sein Recht ringenden deutschen Arbeiter den Gottesglauben aus dem Herzen, und erst dadurch wurde er wirklich entwurzelt. Wenn man Stöckers Reden zur Judenfrage liest, packt einen noch heute der Zorn..“,jedenfalls den Paul le Seur 1936.
Ist das der „heilige Zorn“ Luthers?
 
Das ist ja gar nicht der Punkt, sondern welche gesellschaftlichen Strömungen eine Situation schufen, in welcher der Judenhass so akzeptabel wurde, dass der Holocaust durchgeführt werden konnte.
Und hier ist der negative Einfluss der antisemitischen evangelischen Theologen deutlich gegeben.
Interessant, dass Stoeckers politische Richtung sich "christlich-sozial" nannte, etwas was man heutzutage außerhalb des blau-weißen Universums nirgendwo kennt:D. Die "Christlich-Sozialen" schafften es, von 1878 bis 1912 ganze 9 Wahlkreise zu erobern. Alle Antisemitischen Parteien zusammen kamen in keinem Deutschen Reichstag bis 1912 über 3,9% .

In Österreich war das etwas anders. Die Politik des damaligen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger dürfte auf Hitler in Wien einen großen Einfluss ausgeübt haben. Er hat Antisemitismus mehrheitsfähig gemacht.

Dem Hitler, der ja Esoteriker war, war die protestantische Lehre ebenso egal wie die katholische.
Daher verstehe ich den Verweis auf den "erfolglosen Hofprediger" Stoecker nicht so recht. Lueger liegt doch da viel näher.
 
Zuletzt bearbeitet:
zu spät zum editieren: Stoecker und Lueger fungierten als Mitglieder der "Christlich-Sozialen" Parteien in ihren jeweiligen Staaten. Daher halte ich den Vergleich für umso gerechtfertigter.
 
Das ist ja gar nicht der Punkt, sondern welche gesellschaftlichen Strömungen eine Situation schufen, in welcher der Judenhass so akzeptabel wurde, dass der Holocaust durchgeführt werden konnte.
...und der Beginn dieser "Strömungen", die geradlinig und konsequent zum Holocaust geführt haben, liegt im 16. Jh.? ...und diese "Strömungen" benötigten über 350 Jahre, natürlich voller Konsequenz und permanenter Rückbesinnung auf ihren Beginn namens Luther, um sich dann im späten 19. & frühen 20.Jh. zu entfalten, um ihre Blüten gut 400 Jahre nach ihrem "Ursprung" im 1000jährigen Reich zu entfalten?
...und das lässt sich ebenso geradlinig und konsequent nachweisen??
 
Es geht um diese Behauptung von mir: Luthers Vorschläge lesen sich wie ein Programm für die Nazis.
es geht nicht allein um diese Behauptung von dir, sondern darum, dass das der Stand der Forschung sei - letzteres hast du mit einigen Wikipedia-Zitaten zu untermauern versucht (auf teils abenteuerliche Weise) - - - dann ist vermutlich das hier (aus Wikipedia, siehe paar Beiträge zuvor) falsch:
"Beitrag der Antisemitismusforschung
Seit etwa 1990 wird die monokausale Deutung einer ursächlichen Beziehung zwischen Luthers Judentexten und dem Nationalsozialismus kaum noch vertreten. Luther wird wegen der theologischen Gründe seines Judenhasses nur selten als Antisemit eingestuft. Gleichwohl gelten seine judenfeindlichen Schriften als Mitursache des Antisemitismus, weil sie im Protestantismus antisemitisch gedeutet und benutzt wurden. Für Christhard Hoffmann (1994) spielte Luther „für die spezifisch deutsche Ausprägung der Judenfeindschaft […] eine entscheidende, weichenstellende Rolle“.[179] Laut Birgit Gregor (1999) übernahm Luther von Anfang an das kirchliche Streben, das Judentum durch vollständige Assimilierung aufzulösen. Auch seine scheinbar „judenfreundlichen“ Schriften seien von diesem Ziel bestimmt. Der bisher unzureichend erforschte „protestantische Antisemitismus“ sei keine direkte Kontinuität „von Luther zu Hitler“, sondern eine „konstruierte Kontinuität“: Seit Adolf Stöcker hätten bestimmte protestantische Interessengruppen Luther künstlich als prominenten Vorläufer für ihre eigenen antisemitischen Ziele benutzt und dazu lange vorhandene antijüdische Ressentiments und Stereotype in veränderter Zeitsituation bewusst mit darwinistischer und rassistischer Judenfeindschaft verschmolzen.[180]
Der heutige Konsens der Lutherforschung lautet: Luthers Grundthesen zum Judentum blieben konstant, waren theologisch, nicht rassistisch motiviert und deckten sich weitgehend mit dem vorgegebenen christlichen Antijudaismus.[181] (...)
"
und man müsste Tante Wiki korrigieren?
Warum geschieht das nicht?
 
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...und der Beginn dieser "Strömungen", die geradlinig und konsequent zum Holocaust geführt haben, liegt im 16. Jh.?
Das ist Unsinn und ich weiß nicht ob das überhaupt jemand behauptet.
Auch ist natürlich eine "monokausale Deutung" Nonsens.
Ich denke darüber zu diskutieren entführt die Betrachtung in eine unfruchtbare Polarisierung die den Blick auf die Rolle der völkisch-antisemitischen Theologen verstellt.
 
Wenn man denn nun unbedingt Traditionslinien konstruieren will und Luther und Treitschke zu Apologeten der NS-Rassenideologie erklären will, sollte man aber auch die Unterschiede nicht völlig ausblenden. Weder für Treitschke, noch für Luther war die Frage des Blutes entscheidend.
Da bin ich anderer Meinung – Luther und Treitschke (ein Historiker!) sagen, dass (Bluts)Deutsche Wirte sind und Juden hier nur Gäste. Beide lassen Juden nur die Auswahl, sich taufen zu lassen, dann können sie bleiben, sonst sollen sie vertrieben werden.

Dass Nazis nicht einmal getaufte Juden verschonten, steht auf einem anderen Blatt.

Wo ist die Verbindung zwischen Luthers (verhetzenden) theologischen Schriften und den pseudobiologischen Rassetheorien der Nazis?
Ich sehe kaum Unterschiede zwischen der Hetze Luthers und der der Nazis, denn beide verneinen die Existenzberechtigung der Juden in Deutschland. Siehe bitte dazu meine gestrige Antwort #55, in der die Aussagen Luthers den Taten der Nazis gegenüber gestellt habe.

Vor diesem Hintergrund ist der Wüterich Luther ein ähnlich gefährlicher Mann, wie später ein rassistischer Antisemit mit ebenfalls großer Jüngerschar.
Eben – man darf nicht vergessen, dass auch Philipp Melanchthon diesbezüglich mit Luther übereinstimmte und seine judenfeindliche Schriften weiter empfohlen hatte.

@Dion Wenn für dich der Protestantismus die Wurzel allen Judenhasses darstellt, frage ich mich, wie erklärst du dir Hitlers Judenhass, der sich im katholischen Österreich und Bayern, wo die NSDAP gegründet wurde, entwickelt hat und nicht in Berlin, Hamburg oder Wittenberg?
Was ist das für eine Frage? Kraut und Unkraut wachsen überall, es liegt an uns, dazwischen zu unterscheiden.

Außerdem konnte ich gar nicht gesagt haben, dass der Protestantismus die Wurzel allen Judenhasses darstelle, schließlich ist Judenhass älter als Protestantismus. Aber das Christentum hat seit seinem Bestehen diesen Judenhass gefördert, u.a. mit den Aussagen wie jene, Juden seien Jesusmörder gewesen.

Dann müsste man der fairnesshalber aber auch darlegen, welche eher katholischen Wurzelwerke Hitler zu seinem Judenhass inspiriert haben.
Abgesehen davon, dass auch Luther Katholik war, sprechen wir hier nicht über Hitler, sondern über Luther als Lichtgestalt, und ob seine Verehrung angesichts seiner Hetzschriften heute noch zeitgemäß ist. Dies war mein Antrieb und die Diskussion war im Ikonoklasmus-Thread gut aufgehoben – dass sie jetzt hierher verlagert wurde, war nicht meine Entscheidung.

Der Satz, wie Treitschke ihn formuliert, steht mit Luther in keinem Zusammenhang.
Klar, wer zuvor etwas als Bullshit bezeichnet, der kann nicht so leicht umkehren. Im Ernst: Da werden wir wohl nicht zusammenkommen, aber Juden – den Hinweis auf die Giordano Bruno Stiftung habe ich schon gebracht – sehen den Zusammenhang genauso wie ich ihn sehe. Auf jeden Fall hat Treitschke die Hetzschriften Luthers gekannt und damit auch den Satz, den ich zitierte.

Dass Forscher Kinder ihrer Zeit sind, ist mir bewusst, das habe ich nie bestritten.
Freut mich, dass wir hier einer Meinung sind.

Es waren nicht nur Einzelkämpfer, bei meiner Stichprobe bin ich auf ein umfangreiches Netzwerk gestoßen:

Württembergische Pfarrhauskette – Wikipedia
Soweit da bei den Namen Links vorhanden waren, waren einige auch Mitglieder der Bekennenden Kirche, und zu der ist wohl genug gesagt worden ist.

Ich bestreite ja nicht, dass es Christen, d.h. Katholiken wie Protestenten gab, die ablehnend gegenüber den Nazis standen und Juden geholfen haben, aber die beiden offiziellen Kirchen – die katholische bis 1938, die evangelischen Landeskirchen inkl. der Bekennenden Kirche aber bis zum bitteren Ende – sagten und taten nichts gegen die Judenverfolgung.

Heißt Luther konnte hetzen und zwecks Herbeiführung von Gewalttaten an seine Anhänger in dem Maße appellieren, in dem die Obrigkeit das duldete. Befehlen konnte er nichts.
Eben, er konnte selbst nicht ausführen, was er vorschlug, aber das bedeutet doch, dass er es getan hätte, wenn er in der Lage dazu gewesen wäre. Oder meinst du, er hätte seine Hetztiraden nur so zum Spaß geschrieben?

Wenn man aber behaupten wollte, er sei der Ideengeber für die Nazis im Punkto Antijudaismus/Antisemitismus gewesen, müsste er in diesem Sinne qualitativ neues dazu "beigetragen", nicht nur alte intolerante Traditionen übernommen haben.
Sind wir hier beim Patentamt, wo nur neue Ideen zählen? Nein, er war eine Autoritätsperson, auf ihn hörte man. Zumal er sich die Mühe gemacht hatte, dass alles aufzuschreiben und zu verbreiten – und das nicht nur einmal. Das ist das Entscheidende.

Ich habe es in meinem Beitrag #55 aufgezeigt, wo die Schnittmenge Luther/Nazis lag. Aber darauf ist bisher noch keiner der Diskutanten eingegangen – es wir nur drumherum geredet und versucht, eine Metadiskussion vom Zaun zu brechen, um vom eigentlichen Problem abzulenken: Sind seine vielen Stauten heute noch tragbar, oder müssten sie allesamt mit einem Hinweis auf seine Tätigkeit als Volksverhetzer versehen werden?

Ich möchte Luthers religiös begründeten Hass gegen Juden in seinem späteren Leben nicht schönreden, dennoch entbehrt er der rassistischen Komponente wie sie unter Torquemada, den "katholischen Königen" und ihren habsburgischen Nachfolgern an der Tagesordnung war.
Das ist nichts als der Versuch, Luthers Tat zu relativieren nach dem Motto, die anderen waren schlimmer.

Wie gesagt, das macht sein verbrecherisches Handeln in diesem Sinne nicht besser, damit man sich klar versteht, aber begründet er da tatsächlich neue Traditionen oder spricht er sich am Ende einfach nur dafür aus Methoden einzuführen, die andernorts längst geübte Praxis gewesen sind?

Letzteres würde ihn genau so zum Verbrecher machen, aber letztendlich eher zum Trittbrettfahrer anderer, als zum Begründer irgendwelcher speziellen Ansichten.
Diese Argumentation kennen ich von irgendwoher. Ja, richtig: Nach dem II. Weltkrieg sagte man nicht Trittbrettfahrer, sondern Mitläufer - und das auch zu ausgewiesenen Naziverbrechern.

Das ist ja gar nicht der Punkt, sondern welche gesellschaftlichen Strömungen eine Situation schufen, in welcher der Judenhass so akzeptabel wurde, dass der Holocaust durchgeführt werden konnte.

Und hier ist der negative Einfluss der antisemitischen evangelischen Theologen deutlich gegeben.
Und eben das wird hier von einigen negiert oder kleingeredet.

...und der Beginn dieser "Strömungen", die geradlinig und konsequent zum Holocaust geführt haben, liegt im 16. Jh.? ...und diese "Strömungen" benötigten über 350 Jahre, natürlich voller Konsequenz und permanenter Rückbesinnung auf ihren Beginn namens Luther, um sich dann im späten 19. & frühen 20.Jh. zu entfalten, um ihre Blüten gut 400 Jahre nach ihrem "Ursprung" im 1000jährigen Reich zu entfalten?

...und das lässt sich ebenso geradlinig und konsequent nachweisen??
Natürlich nicht, denn dazwischen gab es ja die Aufklärung, in deren Nachfolge Juden Rechte zugesprochen worden sind, die ihnen vorherweggenommen. Und weil einige tüchtig waren und ihre weltweiten Verbindungen untereinander nutzen konnten – ja, wenn man als Gruppe ausgeschlossen wird, rückt man noch enger zusammen –, sind manche zu Geld gekommen und durften wieder Grundbesitz haben, was wieder Sozialneid weckte: Es war der gleiche Neid, den auch Luther zu wecken verstand.
 
Ich sehe kaum Unterschiede zwischen der Hetze Luthers und der der Nazis, denn beide verneinen die Existenzberechtigung der Juden in Deutschland.
Nö, Luther hat nicht ihre Existenzberechtigung verneint, sondern ihr Recht ihre Religion auszuüben und sich der christlichen Mehrheitsgesllschaft nicht anzuschließen.
Deutlicher Unterschied.

Siehe bitte dazu meine gestrige Antwort #55, in der die Aussagen Luthers den Taten der Nazis gegenüber gestellt habe.

Die habe ich bisher wohlwollend ignoriert.
Wenn ich hier so etwas lese:

– Luther schrieb, man solle ihre Häuser zu zerstören und sie wie Zigeuner in Ställen und Scheunen wohnen lassen – Nazis haben das getan.

..... dann kann ich darüber nur traurig den Kopf schütteln.

Ich hoffe sehr, dass du das nicht ernst meinst.
Die Mordpraktiken in den Gaskammern von Auschwitz und anderswo hatten damit irgendjemanden "in Ställen und Scheunen wohnen zu lassen", offensichtlich herzlich wenig gemein.

So unzivilisiert das ist, was Luther da forderte, was die Nazis verbrachen, war etwas ganz anderes.

Und selbiges gilt auch für einiges anderes, was du da an schrägen Vergleichen angestellt hast.


Sind wir hier beim Patentamt, wo nur neue Ideen zählen?

Entschuldigung mal bitte:

Du bist derjenige, der behauptet Luther habe eine radikalantijudasitische/-antisemitische Ideologie begründet, die sich in dieser Weise vom Katholizismus abgehoben hätte.
Dann wirst du wohl schon auch begründen müssen in welcher Weise er das denn getan hat.

Was genau unterscheidet Luther von diversen anderen einflussreichen katholischen Persönlichkeiten, die den Juden mehr oder weniger genau die gleichen Vorwürfe machten und ähnlich radikales und verbrecherisches forderten?
Begründe dass doch einfach mal.

Diese Argumentation kennen ich von irgendwoher. Ja, richtig: Nach dem II. Weltkrieg sagte man nicht Trittbrettfahrer, sondern Mitläufer - und das auch zu ausgewiesenen Naziverbrechern.

Ah, also war Luther deiner Meinung nach ein ausgewiesener Nazi-Verbrecher?
Ansonsten kann ich deine Erwiederung so überhaupt nicht nachvollziehen.

Ich habe nicht behauptet Luther wäre im Hinblick auf sein Tun ein Trittbrettfahrer gewesen, sondern im Hinblick auf den Gehalt seiner Forderungen und die Art und Weise, wie er sie untermauerte, da daran nichts neues war.
Ändert nichts an seinem verbrecherischen Tun, disqualifiziert ihn aber als angeblichen Wegbereiter Hitlers.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe kaum Unterschiede zwischen der Hetze Luthers und der der Nazis, denn beide verneinen die Existenzberechtigung der Juden in Deutschland.
Nö, Luther hat nicht ihre Existenzberechtigung verneint, sondern ihr Recht ihre Religion auszuüben und sich der christlichen Mehrheitsgesllschaft nicht anzuschließen.
Deutlicher Unterschied.
Was ist denn Vertreibung der Juden anderes als ihnen die Existenzberechtigung in Deutschland abzusprechen.

Die Mordpraktiken in den Gaskammern von Auschwitz und anderswo hatten damit irgendjemanden "in Ställen und Scheunen wohnen zu lassen", offensichtlich herzlich wenig gemein.
Stimmt – die KZs waren schlimmer.

So unzivilisiert das ist, was Luther da forderte, was die Nazis taten, war etwas ganz anderes.

Und selbiges gilt auch für einiges anderes, was du da an schrägen Vergleichen angestellt hast.
Ich sage ja auch, dass sie anders waren: Sie waren schlimmer. Es liegt an dir, mir im Einzelnen nachzuweisen, wo ich bei der Zusammenstellung geirrt habe, was ich nicht ausschließen will.

Du bist derjenige, der behauptet Luther habe eine radikalantijudasitische/-antisemitische Ideologie begründet, die sich in dieser Weise vom Katholizismus abgehoben hätte.
Das habe ich nicht gesagt – bitte um Zitat, wo ich das gesagt haben soll.

Was genau unterscheidet Luther von diversen anderen einflussreichen katholischen Persönlichkeiten, die den Juden mehr oder weniger genau die gleichen Vorwürfe machten und ähnlich radikales forderten?
Es gab keinen katholischen Bischof, der so hinter der Verfolgung der Juden durch die Nazis stand, wie die evangelischen Landesbischöfe in ihrer Gesamtheit standen. Aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren.

Diese Argumentation kennen ich von irgendwoher. Ja, richtig: Nach dem II. Weltkrieg sagte man nicht Trittbrettfahrer, sondern Mitläufer - und das auch zu ausgewiesenen Naziverbrechern.
Ah, also war Luther deiner Meinung nach ein ausgewiesener Nazi-Verbrecher?
Das ist absichtliches Missverstehen, dessen was ich geschrieben habe. Wenn du so weiter machst, beschäftige ich mich mit deinen Beiträgen nicht mehr.

@Dion hier #69 war noch eine Frage an dich
Frage an mich? Ich ziehe mir diesen Schuh nicht an, denn ich habe nicht behauptet, dass die Luthers Hetzschriften monokausal für Naziverfolgung der Juden wären – diese Schriften waren aber eine der Ursachen. Dies umso mehr, weil die deutschen Landeskirchen die ganzen 12 Jahre der Naziherrschaft es nicht fertigbrachten, sich davon zu distanzieren: Wenn sie nicht aktiv mithetzten, was leider oft geschah, so schwiegen sie – und wer schweigt, scheint zuzustimmen.
 
Da bin ich anderer Meinung – Luther und Treitschke (ein Historiker!) sagen, dass (Bluts)Deutsche Wirte sind und Juden hier nur Gäste. Beide lassen Juden nur die Auswahl, sich taufen zu lassen, dann können sie bleiben, sonst sollen sie vertrieben werden.

Dass Nazis nicht einmal getaufte Juden verschonten, steht auf einem anderen Blatt.

Ich sehe kaum Unterschiede zwischen der Hetze Luthers und der der Nazis, denn beide verneinen die Existenzberechtigung der Juden in Deutschland. Siehe bitte dazu meine gestrige Antwort #55, in der die Aussagen Luthers den Taten der Nazis gegenüber gestellt habe.

Eben – man darf nicht vergessen, dass auch Philipp Melanchthon diesbezüglich mit Luther übereinstimmte und seine judenfeindliche Schriften weiter empfohlen hatte.

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Heinrich von Treitschke argumentierte aber gar nicht religiös-theologisch, sondern kulturell. Ein Jude wie Mendelsohn-Bartholdy konnte seiner Meinung nach ruhig Jude bleiben, ihm ging es gar nicht um Zwangstaufen, sondern um kulturelle Assimilation. Er hätte säkulare Juden geduldet, was er kritisierte war, dass die Assimilation nur wenigen Juden gut gelänge, er hielt das Judentum für rückständig.

Von den Rassetheorien Wilhelms Marrs oder Dührings hielt Treitschke aber nichts. Eine Ehe zwischen (säkularen) Christen und (säkularen) Juden war nach Treitschkes Meinung eine Möglichkeit der Assimilation. Treitschke dachte vielleicht daran, Juden die vollen Bürgerrechte zu verweigern, er hat sich mehrfach antisemitisch geäußert, das wurde ihm u. a. von Friedrich Nietzsche vorgeworfen. Treitschke ist aber nicht soweit gegangen, dass er die Zerstörung von Synagogen gefordert hat, und erst recht nicht hat er sich ausdrücklich für die physische Vernichtung der Juden eingesetzt.

Wenn Treitschke etwas von "Endlösung der Judenfrage " gehört hätte, dann hätte er sich darunter ihre völlige Assimilierung, nicht aber ihre Vernichtung vorgestellt. Er mag eine Menge antisemitisches Zeug veröffentlicht haben, ihn aber als Vordenker des Holocaust zu erklären, hat Treitschke nicht verdient.


Für Luther war die Judenfrage ein theologisches Problem. Nicht eines der Schädlingsbekämpfung. Im Übrigen wurden im ganzen 16. Jahrhundert Juden durchaus nicht vor die Alternative Zwangstaufe oder Vertreibung gestellt. Jüdische Gemeinden existierten vor der Reformation und es gab sie natürlich auch danach. Die Reformation führte zu keinen Pogromen in Europa wie während des 1. Kreuzzugs. Im protestantischen Europa lebten nach wie vor Juden, und Fürsten wie Philipp von Hessen stellten sie unter Schutz. Es haben protestantische Territorien auch im 17. Jahrhundert hohe Zahlen von jüdischen Emigranten aus der heutigen Ukraine aufgenommen, wo es im Verlauf eines Kosakenaufstands zu furchtbaren Pogromen kam mit mehr als 50.000 Opfern.
 
Es kann nicht gleichzeitig behauptet werden, dass die gesamte Gesellschaft erfasst war, und, dass dies für eine relevante Gruppe nicht gilt.

Luther war schon mehr als Antijudaistisch. Wen er als Gegner sah, bekam es auch ganz dicke ab. Teils war das schon keine bloße Hasspredigt mehr, sondern Aufforderung zum Handeln. Aber ihr wisst ja, dass ich immer sage, dass so etwas vor dem geschichtlichen Hintergrund gesehen werden muss, was auch beim rüpelhaften Luther mein Urteil zumindest abmildert.

Und ich muss an eine Binsenweisheit erinnern: wie es überall Täter gab, gab es auch überall Opfer und Gegner des Regimes.

Dass auch die Amtskirchen verfolgt wurden, wenn sie sich dagegen stellten, zeigen schon die Ereignisse um die Veröffentlichung der (als einzige nicht lateinisch, sondern deutsch verfassten) Enzyklica "Mit brennender Sorge".

Die Protestanten hatten da auch etwas Pech, dass die offene Struktur erlaubte, eine Art Nazi-Kirche zu organisieren, während die Katholische Kirche durch das Konkordat, immerhin einen Staatsvertrag, ein gewisses Maß an Schutz genoss. Auf der anderen Seite wurde daher auch die Bekennende Kirche gegründet, während die katholische Geistlichkeit durch den Vertrag einen gewissen Schutz hatte, den die Kirche nicht gefährden wollte. Im Ganzen betrachtet kann ich daher keine großen Unterschiede - sowohl zwischen den Kirchen, als auch zur Gesellschaft als solches - sehen.
 
Frage an mich? Ich ziehe mir diesen Schuh nicht an,
Ja, da war eine Frage an dich, und zwar zu einem Wikipedia Artikel. Dieser teilt genau das Gegenteil dessen mit, was du mit anderen Wikipedia-Zitaten zu beweisen versucht hast. Darauf kannst du doch problemlos mit oder ohne Schuhe antworten.
 
Im Übrigen wurden im ganzen 16. Jahrhundert Juden durchaus nicht vor die Alternative Zwangstaufe oder Vertreibung gestellt.
Das kann man nicht so generell sagen, denn manche Fürsten haben auf Luther gehört, andere eben nicht – Zitat:

Ab 1543 folgten einige evangelische Gebietsherren teilweise Luthers Forderungen. Kursachsen erneuerte und verschärfte das Durchreise- und Aufenthaltsverbot für Juden. 1546 vertrieben Braunschweig und weitere Städte die ortsansässigen Juden. Einige evangelische Universitäten verbannten jüdische Mediziner infolge Luthers Klischee von diesen.[83] 1547 vertrieb der Graf von Mansfeld die Eislebener Juden.

Die Protestanten hatten da auch etwas Pech, dass die offene Struktur erlaubte, eine Art Nazi-Kirche zu organisieren, während die Katholische Kirche durch das Konkordat, immerhin einen Staatsvertrag, ein gewisses Maß an Schutz genoss.
Hier von Pech zu sprechen, passt nicht, denn die offene Struktur erlaubte auch die Bekennende Kirch, die gegen die Nazis war, allerdings sagte diese nichts gegen Judenverfolgung – auch die stand wohl hinter Luthers Meinung.
 
@Dion

Für diese Nebelkernzenbatterie ist mir meine Zeit dann wirklich zu schade.
Wenn du vernünftig mit mir darüber diskutieren willst, tue es, wenn dabei weiterhin nichts kommt als das werfen von Nebelkerzen und der Versuch anderen das Wort im Mund umzudrehen, können wir uns das sparen.
 
Luther war schon mehr als Antijudaistisch. Wen er als Gegner sah, bekam es auch ganz dicke ab. Teils war das schon keine bloße Hasspredigt mehr, sondern Aufforderung zum Handeln.
Karen Armstrong - Im Kampf für Gott S.104ff beschreibt einen besessenen Kämpfer, "vom Hass verzehrt" doch "fest entschlossen auf Erden soviel Gutes wie möglich zu tun".
Sein Wüten richtet sich "gegen den Papst, die Türken, die Juden, Frauen und aufständische Bauern – ganz zu schweigen von jedem seiner einzelnen theologischen Gegner ...“. Er spricht auch „voller Hass von Aristoteles“. Erasmus von Rotterdam verabscheut er, und auch die Scholastiker sind Ziel seines Zorns.
Der war wohl Fanatiker in vielen Richtungen und gegen Ende seines Lebens hat sich dann sein aufgestauter Hass vor allem auf die Juden entladen. Kann man das so sagen?
Oder war der halt insgesamt so drauf?
 
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