Du vergleichst hier also katholisch geprägte ländliche Gebiete mit protestantisch geprägten Großstädten
Ich hatte ein ländliches Gebiet unbeachtlich der Konfession mit den Großstädten Berlin und Hamburg vergleichen.
Ich hätte hier ohne weiteres auch das konfessionell gemischte aber doch überwiegend protestantische Würtemberg anführen können, dass im November 1932 ebenfalls schwächer NSDAP wählte, als Hamburg, wo man es aber eben nicht so eindeutig an der Konfession festmachen kann.
Auch der Wahlkreis Potsam II der zwar noch Teile von einen Teil der Bezirke von Berlin mitumfasste insgesamt aber weniger städtisch geprägt war, als die Wahlkreise Berlin und Hamburg, die sich ausschließlich über das jeweilige Stadtgebiet erstreckten, wählte zwar stärker NSDAP als Berlin, aber weniger stark als Hamburg und auch das wird man nicht an der Konfession festmachen können.
Insofern als also mindestens zwei überwiegend protestantische Wahlkreise gab, die insgesamt ländlicher geprägt waren als Hamburg, aber weniger stark NSDAP wählten, wird man aus dem Umstand dass das Stadt-Land-Gefälle nicht überall als Erklärungsmodell greift nicht nicht den Rückschluss ziehen können, dass es an der Religion festzumachen wäre.
Ein weiteres Problem über das man im Hinblick auf Konfession und Verstädterung sprechen müsste, wäre der dritte sehr stark urban geprägte Wahlkreis in der Weimarer Zeit, nämlich der Wahlkreis Düsseldorf-Ost (Düsseldorf Stadt, Düsseldorf Landkreis, Essen, Barmen, Elberfeld (heutiges Wuppertal) , Solingen, Remscheid, Lennep und Mettmann.
Der Wahlkreis umfasste also einen Teil des Ruhrgebiets und des nördlichen Abschnittss der Rheinschiene
Eine Besonderheit des Wahlkreises ist, dass es sich um eine KPD-Hochburg handelte.
Interessant an diesem Wahlkeis ist, dass nicht nur sehr stark städtisch geprägt war, sondern auch einen großen Katholikenanteil, wenn nicht eine katholische Mehrheit gehabt haben dürfte.
Die NSDAP-Ergebisse der Wahlen 1932 und 1933 lauteten:
1932 (1) 31,6 %
1932 (2) 27,0%
1933 37,4 %
(Das Zentrum kam in den 3 Wahlen auf 20,6%, 20,5% und 19,6%)
Vergleicht man das mit den Berliner Wahlergebnissen (24,6%, 22,5% und 31,2% für die NSDAP), dann fällt auf dass wir es hier mit einer urbanen Region mit relativ vielen Katholiken zu tun haben (in Essen dürften protestantische Binnenmigrantenn aus Ostelbien eine Rolle gespielt haben, der Rest ist aber eigentlich urkatholisches Rheinland), die deutlich stärker NSDAP wählte, als das protestantische Berlin (wo das Zentrum jeweils an die 5% erreichte)
Der Wahlkreis Düsseldorf-Ost wählte damit stärker NSDAP als der beachbarte Kreis Westfalen-Süd (weitgehend mit dem heutigen Regierungsbezirk Arnsberg identisch), obwohl letzterer insgesamt ländlicher geprägt war, obwohl in Westfalen und im Besonderen im Märkischen der Protestantismus stärker ausgeprägt sein dürfte und obwohl zu Westfalen-Süd mit Siegen-Wittgenstein im Süden eine Region gehörte, die schon im Kaiserreich zu den Zentren des politischen Antisemitismus gehört hatte.
Auch hier würde ich sagen funktioniert das so nicht ganz.
Und diese Argumentation funktioniert so eben nicht, denn genauso wenig wie die Konfession das Abschneiden der NSDAP monokausal erklärt, erklärt das Stadt-Land-Gefälle dieses Abschneiden monokausal.
Richtig.
Im Falle von Koblenz-Trier ist völlig klar, dass das schlechte Abschneiden der NSDAP an den sehr guten Ergebnissen des Zentrums liegen, die wiederum daran liegen, dass der Wahlkreis katholisch geprägt ist.
Nein, nur weil der Wahlkreis katholisch geprägt war, bedeutete das nicht automatisch ein besonders starkes Abschneiden der Zentrumspartei.
Auch Düsseldorf-Ost war katholisch geprägt, aber hier landete die Zentrumspartei in 1932 und 1933 jeweils hinter NSDAP und KPD auf dem 3. Platz.
Um den Einfluss des Stadt-Land-Gefälles zu untersuchen, müsstest Du Hamburg und Berlin schon mit ländlich geprägten protestantischen Wahlkreisen vergleichen. Wie z. B. Schleswig-Holstein.
Naja, wie gesagt, die meisten ländlicheren Wahlkreise mit protestantischer Mehrheit wählten stärker NSDAP, Würtemberg und Potsdam II allerdings nicht.
Gehen wir mal von den Wahlkreisen weg, die einzelne Städte betrafen.
Unter den unumstritten protstantischen Wahlkreisen dürfte der Wahlkreis Breslau mit Mittelschlesien und den größeren Städten Breslau, Brieg und Schweidnitz zu den durchaus stärker urbanisierten Wahlkreisen gehört haben.
Breslau selbst hatte 1933 wohl an die 620.000 Einwohner und dürfte sich damit durchaus noch in der Top-10 der bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands befunden haben.
Der Wahlkreis wählte allerdings im November 1932 deutlich stärker NSDAP, als das deutlich ländlichere Mecklenburg und das ebenfalls recht ländliche Thüringen, vergleichbar stark dem wie Ostpreußen, wo es außer Königsberg (allerdings mit lediglich 315.000 Einwohnern 1933) im Grunde überhaupt keine größeren Städte gab (allenfalls Elbing als Mittelstadt (1933 etwa 72.000 Einwohner) könnte man noch verhandeln, der Rest hatte allefalls kleinstädtischen Charakter).
Es ist, weil kein Stadtstaat vielleicht nicht so anschaulich wie Berlin oder Hamburg, aber wenn man den Wahlkreis Breslau mit Mecklenburg, Thüringen oder Ostpreußen vergleicht, geht auch da im Vergleich der protestantischen Gebiete untereinander der Satz "Je städtischer, desto weniger NSDAP" nicht unbedingt auf.
Man kann sicher darüber diskutieren, wie sinnvoll es ist, einfach den höchsten Wert, den die DNVP erreichte, als Ausgangspunkt für die Betrachtung zu nehmen.
Müssen wir gar nicht.
Wahlergebnisse der DNVP von 1920-1930
1920 15,1%
1924 (1) 19,4%
1924 (2) 20,5%
1928 14,2%
Das macht doch durchaus deutlich dass zwichen 1920 und 1930 die DNVP eine Stammklientel hatte, die durchaus irgednwas zwischen um den 15% und 20% der Gesamtwählerschaft umfasste.
Das war bevor die NSDAP über die Bedeutung einer reinen Splitterpartei hinaus wuchs.
Hierzu ist noch zu sagen, dass die DNVP diese Ergebnisse erzielte, obwol damals die DVP als ebenfalls eher protestantische Partei mit zumindest einem nationalkonservativen Flügel,die in der Spätzeit der Weimarer Republik keine Rolle mehr spielte, noch ganz gut im Rennen war.
Wie geht es dann weiter? Wahlergebisse der DNVP ab 1930:
1930 7,0%
1932 (1) 5,9%
1932 (2) 8,3%
1933 8,0% (hier allerdings schon nicht mehr als DNVP, sondern als rechtes Wahlbündnis "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" im Verein mit Stahlhelm und Landbund.
Selbst wenn wir als Kernklientel der DNVP vor dem Auftreten der Nazis nicht 20% sondern um die 15-16% annehmen, hat die DNVP ihr Wahlergebnis seit dem Aufstieg der Hitler-Partei sauber halbiert und das teilweise (1932 (1)) noch deutlich unterschritten.
Zählt man neben der DNVP nocch den rechten DVP-Flügel ins konservativ-protestantische Millieu, was man sicherlich mit einer gewissen Berechtigung tun kann, verliert dieses Millieu 2/3 seiner Klientel an die Nazis.
Gemessen damit nimmt sich der Schwund im katholischen Millieu mehr oder weniger verschwindend aus und auch bei den Arbeiterparteien ist das bei weitem nicht so dramatisch.
Die SPD war zwischen 1924 und 1930 zwar beliebter als danach mit den beide Ergebnissen von 1932 (21,6% und 20,4% ) erreichte sie allerdings immernoch Werte, die denen bei den Wahlen von 1920 und 1924 (1) vergleichbar waren (21,6% und 20,5%).
Die KPD wurde wurde in den 3 Wahlen von 1930 und 1932 nicht schwächer sondern kontinuierlich stärker.
1928 bevor die Nazis begannen eine Rolle zu spielen, erreichten die beiden Arbeiterparteien zusammen 40,4%, dabei entfielen 29,8% auf die SPD und 10,6% auf die KPD.
Im November 1932 erreichten beide Parteien zusammen immerhin noch 37,3% wobei sich die Gewichte zwischen beiden zu Gunsten der KPD verschoben und die SPD noch 20,4% erreichte und die KPD 16,9%.
Damit hatte die beiden Arbeiterparteien zusammen bis Ende 1932 weniger als 10% ihrer Zustimmung von vor 1930 verloren, deutlichere Verluste brachte dann die repressierte Wahl vom März 1933 mit sich, die man allerdings kaum mehr als frei bezeichnen kann.
Wenn ein Millieu wie das katholische überhaupt nichts an die Nazis verlor oder wie das Arbeitermillieu bis Ende 1932 wenniger als 10% seiner Wähler gegenüber dem Stand vor 1928 und damit sowohl vor den Nazis, als auch vor der Wirtschaftskrise einbüßte, dann kann man diese Millieus als stabil und in gewissem Maße resistent bezeichnen.
Wenn ein Millieu wie das protestantisch-Konservative zwischen der Hälfte und zwei Dritteln seiner Wählerschaft (je nachdem, wie man die DVP einordnet) an die Nazis verlor, kann man das kaum als vergleichbar stabil bezeichnen.