Ja, allerdings nur kurz, d.h. keine Minute. Aber das ist hier eher unwichtig, denn das Ganze spielte sich wohl im seichten Gewässer ab.
Noch heute wird das Stehenbleiben der Uhr als wichtiger Indiz für den Zeitpunkt eines Ereignisses genommen. Natürlich hängt von der Uhr ab, wann das Wasser eindringt. Leider wissen wir nicht, welches Modell König und welches Gudden trug, aber da Ludwig sehr technikaffin war, könnte er die bessere bzw. wasserfestere Uhr gehabt haben. Umso mehr erstaunt, dass Guddens Uhr 70 Minuten später stoppte. Das könnte Zufall oder ein Hinweis sein, dass er länger lebte als der König.
Der König war voll geschäftsfähig und die Entmündigung hatte er sich nicht gefallen lassen; die Kommission, die ihm das – mit einem Minister an der Spitze – überbringen wollte, hatte er verhaften lassen. Er war demnach durchaus noch in der Lage, sich zu wehren.
Die Eile, mit der Prinz Luitpold die Regentschaft übernahm, macht auch verdächtigt.
Und weil Ludwig beim Volk beliebt war und auch noch Freunde hatte, die zu ihm hielten, war die Sache mit der Entmündigung noch nicht ausgestanden – er könnte z.B. ein Gegengutachten veranlassen. Um das zu verhindern, wurde ihm ja Doktor Gudden als Aufpasser beigegeben. Aber auf Dauer würde sich das wahrscheinlich nicht verhindern lassen. Also müsste er schnell beseitigt werden. Und den Mörder oder Mitwisser gleich mit.
Die Großen- und Kraftunterschiede zwischen König und Gudden kann man mit Medikamenten nivellieren oder gar ins Gegenteil verkehren. Da der Autopsiebericht verschwunden ist, kann man jetzt nicht mehr nachlesen, ob Ludwig zum Zeitpunkt des Todes unter Drogeneinfluss stand. Und die Wittelsbacher wollen das Grab Ludwigs nicht öffnen lassen, um das ev. zu klären.
Es ist eh verdächtig, dass genau der Mediziner, der den König für verrückt miterklärte, auf ihn aufpassen sollte. Warum nicht ein anderer? Weil der möglichweise gesehen hätte, dass der König gar nicht verrückt ist?
Schon wegen des drohenden Gegengutachtens hatte auch Gudden selbst ein Motiv, König zu beseitigen, denn solange dieser lebte, war seine Reputation als Mediziner in Gefahr. Und natürlich waren auch jene in Gefahr, die das Gutachten mitunterschrieben haben, plus jene, die das Ganze veranlasst haben, denn das Gutachten wurde erst auf Anweisung erstellt.
Auch das ist ein Motiv, den König aus dem Weg zu schaffen.
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Das Ding ist, dass Ludwig II. nicht Ludwig XIV. war, und dass nach den Gesetzen des Reichs und nach der bayrischen Verfassung nicht das Recht hatte, eine vom Ministerium legitimierte Kommission quasi eine "Lettre de Cachet" ausstellte und eine Kommission verhaftete. Das zeugt eher von einem zunehmenden Realitätsverlust.
Nach dem heutigen Stand der Psychiatrie ist das damalige Gutachten, das bei Ludwig II. Paranoia und Geistesschwäche diagnostizierte stark zu bezweifeln. Ludwig II. war wohl weder geistesschwach, noch paranoid. Aber so völlig haltlos waren die Zweifel an der Eignung Ludwigs II. ja nun auch nicht, Ludwigs II. Benehmen wurde mit der Zeit immer exzentrischer, und er wurde nicht zuletzt auch wegen seiner recht offensiven homoerotischen Neigungen zu einem Sicherheitsrisiko für die ganze Monarchie. Ludwig II. wurde damit erpressbar, ein König von Bayern, der in einen Skandal verwickelt wurde, konnte die bayrische Monarchie brauchen wie einen Kopfschuss.
Außerdem zog sich Ludwig II. immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück, in eine Traumwelt, seine Bauprojekte überstiegen jedes Maß, und mit seinen Plänen, eine Autokratie herzustellen, verkannte er völlig die Rolle und den politischen Spielraum eines Königs von Bayern.
Wenn auch Ludwig II. nicht schizophren, paranoid oder geistesschwach war, so gibt es doch eine Reihe von Indizien und Verhaltensauffälligkeiten, die darauf hindeuten, dass bei Ludwig II. durchaus psychische Störungen vorlagen und die zumindest starke Zweifel wecken konnten, dass ein Monarch, der sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückzieht, immer abgehobener und exzentrischer sich benimmt, der ständig auch nicht erreichbar ist, und durch sein Verhalten auch (das Kaiserpaar) brüskiert und der damit auch dazu beiträgt, Bayern zu isolieren- Ein König, der die Interessen des Landes und die Verpflichtungen seines Amtes nicht (mehr) angemessen vertritt- da gab es schon plausible Gründe, anzunehmen, dass Ludwig seinem Job als Staatsoberhaupt nicht (mehr) gewachsen war.
Gubben kannte zumindest den Patienten gut, und der Patient kannte ihn. Wie passt man auf Könige und königliche Hoheiten auf? Es macht doch Sinn, dass man als de facto Betreuer seiner Majestät, im Umgang mit etwas schwierigen Patienten nicht einfach x-beliebige betraut. Gubben war jedenfalls mit dem hohen Herrn und dessen Krankenakte am besten vertraut, und wenn man einen exaltierten König davon abhalten will, sich möglicherweise selbst zu schaden dann ist die Chance, dass er auf einen vertrauten Arzt eher hört.
Warum hätte man Ludwig II. ermorden sollen? Er wehrt sich? Wenn Ludwig II. voll geschäftsfähig war, warum ließ er das alles völlig passiv geschehen. Wenn er die bayrische Verfassung kassieren wollte, warum zeigte er sich nicht dem Volk, warum nicht der bayrischen Armee, dem Offizierskorps, der Beamtenschaft?
Wenn Ludwig II. das Gutachten widerlegen wollte, da hätte er doch Bismarcks Rat befolgen müssen, sich dem Volk, der Armee, dem Ministerium zeigen. Durch sein Auftreten zeigen, dass er mit beiden Beinen im Leben stand. Das wäre doch viel überzeugender gewesen, als ein Gegengutachten.
Es war ja nun nicht zu übersehen, dass der Herrschaftsstil Ludwig II. sicher Staunen erregte, dass so etwas zur Verklärung einlud, aber bei Lichte besehen gab das bayrische Königtum das doch gar nicht mehr her, eine absolutistische Politik im Stile des Barock betreiben zu wollen. Damit überspannte er die politischen Möglichkeiten des bayrischen Königtums bei weitem, und das zeugte durchaus von einem gewissen Realitätsverlust.
Nach seinem Tod wurde der Leichnam obduziert, anscheinend gab es keine Indizien dafür, die auf Fremdverschulden hindeuteten.
Es spricht ja nun doch einiges dafür, dass bei Ludwig II. ein zunehmender Realitätsverlust sich bemerkbar machte und dass es berechtigte Zweifel gab, dass Ludwig den Amtsgeschäften nicht mehr gewachsen und nicht mehr tragbar war.
Wenn dieser Eindruck völlig falsch und Ludwig II. voll geschäftsfähig war, dann konnte er das aber überzeugend nur durch persönliche öffentliche Auftritte widerlegen, kaum aber, indem, er Gegengutachten in Auftrag gab.
Ludwig II. hatte das Vertrauen des Ministeriums verloren, er mochte sicher noch Anhänger als "Märchenkönig" im Volk haben, politisch aber war er eine "lame duck" geworden. Von Bismarck oder vom Kaiser, den Ludwig völlig unnötig brüskiert hatte, war keine Hilfe zu erwarten. er hatte keine Hausmacht sich etabliert und war zuletzt völlig isoliert.
Wenn es Mord war, wer war dann der Täter, und was war sein Motiv?
Wozu hätte man Ludwig überhaupt ermorden sollen, wenn die Kommission ein Gutachten in der Tasche hatte, das seine Unzurechnungsfähigkeit attestierte. Da das Ministerium sich einig war, war Ludwig damit im Grunde unhaltbar- ein Mord daher unnötig.
Es wurde eine Obduktion des Leichnams angeordnet, Ein Arzt hatte Zweofel am Krankheitszustand angemeldet, doch bestätigte der Befund das Gutachten der Psychiater. Da war durchaus Skepsis vorhanden, und wenn da auffällige toxische Unregelmäßigkeiten aufgetreten wären, hätte man das festgestellt, und es wäre aufgefallen.
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