Mir scheint es auf der Hand zu liegen, dass Napoléon mit dem Titel des Kaisers der Franzosen an die konstitutionelle Monarchie der Zeit vor dem 10. August 1792 anknüpfen wollte.
Mit der konstitutionellen Monarchie unter Louis XVI hatten sich ja auch viele Bürger anfreunden können (man denke an das Föderationsfest).
Damit habe ich so meine Bauchschmerzen. Talleyrand wünschte die konstitutionelle Monarchie, auch weil der Herrscher beschränkt wäre. Aber Napoleon? Im Konsulat wurden die Grundlagen für seine universelle Macht gelegt, die nur durch den Ärmelkanal, das Wetter und wirtschaftliche Zwänge eingeschränkt war. Fouché und seine Polizei befriedeten das Land, die Armee (Stichwort Rheinarmee) wurde von Republikanern "befreit". Anlässe wie die "Höllenmaschine" von 1800 wurden brutalst genutzt, um mit der Opposition aufzuräumen. Pressefreiheit wurde zunehmend zur Illusion. In der Folge gab es keine politische Macht, keine Kammer, kein Parlament, die/das die Macht des Kaisers einschränkte. Mit konstitutioneller Monarchie hat diese Diktatur in meinen Augen nichts zu tun.
Für Deutschland, genauer gesagt das HRR, hatte freilich dieser neue Kaisertitel etwas herausforderndes, nicht zuletzt da sich Napoléon, wenn ich mich recht entsinne, in die Tradition Karl des Großen stellte - also in eben die selbe Tradition, welche seit Alters her die Kaiser des HRR (man denke an Friedrich I.) für sich reklamierten.)
Sehe ich auch so, der selbst ernannte "Karl der Große" musste größte Befürchtungen wecken, wobei ich Bonapartes Ehrgeiz nicht auf K.d.G. beschränke, sonders ihn auf Alexander der Großen erweitere.
Ganz klar zerstörte Bonaparte das HRR, zwang Franz II. ultimativ zur Niederlegung der Kaiserkrone.
Die Hintertür über das erbliche österreichische Kaisertum scheint mir eher ein schwacher Trost. Mag auch das HRR für den Kaiser kaum reale Machtfülle bedeutet haben, so hing mit der Kaiserkrone des Reiches ein enormes Prestige zusammen und der zumindest formelle Anspruch erster Herrscher der Christenheit (des Abendlandes) zu sein.
Einverstanden. Ich glaube allerdings, dass Franz I. damit gut leben konnte.
Ganz klar erschuf Bonaparte aus künstlich neu geschaffenen und von seiner Hand mehr oder minder umgeformten Staaten einen Staatenbund, den Rheinbund. Mit dem Erschaffen neuer Staaten hatte ja Bonaparte seit seinem Italienfeldzug 1796/97 seine Erfahrungen. Man müsste sich freilich intensiver mit dem Rheinbund beschäftigen, um zu entschlüsseln, ob er vielleicht eine staatliche Perspektive gehabt hätte oder nicht eher ein reines Sammelbecken der Satellitenstaaten war, dessen Hauptaufgabe es war, vom Kaiser der Franzosen hantierbar und ein unerschöpflicher Quell für Hilfstruppen zu sein.
Die Antwort liegt in deinen Worten. Er schuf künstliche Staaten, die als Bund ihm den Rücken freihielt und seinen Kriegszügen diente. Man braucht nur einmal die Truppenaushebungen zum Rußlandfeldzug betrachten.
Andererseits, das hatte ich ja auch schon wahrscheinlich angedeutet, hatte Bonaparte mit seiner Kriegspolitik und deren Ergebnis, dem Untergang des Empire, indirekt den Platz frei für eine neue Ordnung auch in Deutschland gemacht. Vor 1803/06 hatte es ja schon Spötter genug gegeben, welche gerade in Angesicht der Niederlagen gegen das revolutionäre Frankreich und der inneren Zerrissenheit des Reiches durch den Österreichisch-Preußischen Gegensatz bspw. den Tod prophezeit oder gar attestiert hatten. Für jene war das Ende eine Frage der Zeit und eine Art Erlösung. Tatsächlich stand somit einer Neugruppierung der deutschen Staaten in einem Bund nichts im Wege außer der üblichen partikularen Interessen.
Die "üblichen partikularen Interessen" haben Deutschland und Europa auf dem Wiener Kongress in die Restauration, in die Heilige Allianz gestürzt. Den Spöttern dürfte das Wort im Mund stecken geblieben sein. Insofern ist das Schaffen Bonapartes mehr als fragwürdig.
Warum Bonaparte (damals noch nicht Napoleon) den Krieg mit England haben musste, liegt für mich auf der Hand. Ihm war der Frieden nicht so teuer (wie er für Talleyrand war) und er unterschätzte vielleicht die Gefahr die von England ausging. Grundsätzlich war der Frieden von Amiens für England nicht günstig. Die Regierung Addington (wir hatten woanders schon darüber geschrieben) belastete sich damit selbst. Ein klügerer Staatsmann als es Bonaparte war, hätte eher Addington durch Kompromisse gestützt, denn dessen Gegner waren für ihre Unversöhnlichkeit gegenüber Frankreich bekannt. Doch Bonaparte war nicht der Staatsmann dazu - oder er war gar keiner, ich weiß es nicht.
Im Verhältnis zu England werden die Unterschiede zwischen Talleyrand und Bonaparte deutlich. Talleyrand wollte immer den Frieden zwischen beiden Ländern, während Bonaparte in England nur den Gegner sah.
Dass Bonaparte England unterschätzte, halte ich nicht für nicht beweisbar. Das Lager von Boulogne und die Kontinentalsperre sprechen eine andere Sprache. Die Freundschaft mit Alexander eine ähnlich gelagerte. In der Summe ging es gegen England.
Was nun das Staatsmännische angeht: jeder halbwegs clevere Handwerksmeister weiß, dass man sich mit der Familie nur Probleme schafft. Bonaparte meinte wohl, wenn er aus Europa einen friedlich, freundlichen Familienbetrieb macht, wäre das hilfreich. Und natürlich machte es Sinn, besonders verdienstvolle Generale in den diplomatischen Dienst zu "schieben". Der gute Caulaincourt ist das beste Beispiel. Erst beschädigt Bonaparte ihn bei der Affäre Engien, dann entsendet er ihn nach St. Petersburg ...
Egal, ich werde nicht nachtragend sein, das Abenteuer Bonapartes fand glücklicherweise 1815 sein endgültiges Ende.
Grüße
excideuil