Das mit der Weser wird immer wiederholt. Die Angabe ist aber von Cassius Dio. Sie würde passen, ist nicht wirklich verdächtig. Allerdings wird bei Dio eher "Er war in Germanien und erfüllte seine Aufgaben als Statthalter." übrigbleiben, wenn wir wirklich gaaanz streng sind, wie El Quijote. Die Mehrheit der Autoren übernimmt aber die Angabe "an der Weser".
Vielleicht war Varus an der Weser, ich weiß es nicht. Ich streite das auch nicht per se ab. Aber mich stört eben die unhinterfragt immer wieder wiederholte Behauptung. Von den vier Hauptquellen zur Varusschlacht weiß eben nur die am weitesten entfernteste von dem Aufenthalt an der Weser. Man kann ihr das glauben, man sollte aber den Sachverhalt, dass sie die einzige und die mit dem größten zeitlichen Abstand ist, nicht einfach übergehen. Denn in der Tendenz wird mit größerem zeitlichen Abstand ausgeschrieben. Siehe mein Bsp. von der Schlacht von Sacralias/az-Zallaqa, wo die späteren Quellen sich über ein unritterliches Verhalten empören, von dem die frühen Quellen nichts wissen.
 
Was natürlich nicht bedeutet, dass es unbedingt dieses Urwaldes bedurft hätte, um einen erfolgreichen Hinterhalt zu legen. Eine gut getarnte Jägerkompanie schafft das auch in einem mitteldeutschen Buchenwald und dann Feuerüberfall aus gut gedeckten Stellungen.

Doch für die Varusschlacht mussten sich viele, viele Germanen verstecken. Also ich habe da nicht so die rechte Vorstellung davon.
 
Aufstand, der zur Abweichung der Marschroute führt. Spricht denn etwas dagegen, dass es sich die Brukterer handelt?
Dieser Aufstand war ja - wenn der Narrativ des Cassius Dio der Wahrheit entspricht(!!!) - nur ein Ablenkungsmanöver, um Varus von der geplanten Route herunterzuführen. Wir wissen nur in sehr groben Zügen, was Arminius dem Varus für eine Geschichte aufgetischt haben soll(!!!). Der angeblich aufständische Stamm wird nicht namentlich erwähnt, genauso wenig, wie die eingeschlagene Marschrichtung. Leute, welche die Varusschlacht jenseits der Weser verorten, berufen sich darauf, dass der Stamm weit entfernt gelegen haben soll, Varus also kaum Richtung Westen (und somit Richtung Kalkriese) marschiert sein wird (wobei selbst wenn Varus an der Weser losmarschiert ist, "weit entfernt" nichts über die Richtung besagt und eine Abweichung nach Norden von zwei oder drei Tagesmärschen durchaus als "weit entfernt" durchgehen kann).

Das Abbiegen auf diesen neuen und unbekannten Pfad war dann wohl der große taktische bzw. operative Fehler des Varus. Eine völlige Fehleinschätzung der Lage.
Ex post lassen sich vermeintliche Fehler immer leicht bestimmen. Varus war ein erfahrener Feldherr. Er war sich seiner Verbündeten sicher. Er könnte "nach Feldherrenhandbuch" gehandelt haben. Wir wissen es nicht und sollten uns hüten, die römische Geschichtsschreibung kritiklos zu übernehmen.

Die Terra X-Doku...
...arbeitet mit vielen Faktoiden und ist wirklich nicht zitierfähig.

für die Varusschlacht mussten sich viele, viele Germanen verstecken.
Mussten sie das? Für die Römer waren sie bis zur Sekunde des Angriffs Verbündete.
 
Falls Arminius tatsächlich eine solche List angewandt haben sollte, wie Cassius Dio sie überliefert, dann wäre ein recht weit entfernter Stamm tatsächlich eher wahrscheinlich. Bei einem Aufstand, der bloß zwei oder Tagesreisen entfernt gemeldet worden wäre, hätten die Römer sonst vielleicht einfach bloß ein paar Kundschafter hingeschickt, um die Sachlage zu prüfen.
 
Mussten sie das? Für die Römer waren sie bis zur Sekunde des Angriffs Verbündete.
Nein, weil dann die Hinterhaltshypothese nicht mehr unbedingt passt. Ich bin aber jetzt komplett verwirrt. Gab es dann keine Auxilien, die auf einmal weg waren? Ich dachte immer, dass Arminius und seine Reitereinheiten immer eine ganze Zeit neben ihm hergeritten waren und dann auf einmal verschwunden waren.
Sie hätten dann Verbindung mit der Koalition aufgenommen, die im Hinterhalt lag. Heißt sowohl die Auxilien als auch die Germanen im Hinterhalt überfallen die Legionen.
Oder waren die Auxilien schon beim Aufbruch der Legionen weg?
 
Cassius Dio berichtet meines Wissens, dass die Verschwörung von Arminius und Segimer angeführt worden sei, denen Varus vertraut habe. Sie hätten ihm dann von einem Aufruhr berichtet und versprochen, ihn dorthin zu führen, um die Aufrührer noch beim Sammeln zu erwischen und zu besiegen. Während des Marsches hätten sie sich dann mit der Behauptung entschuldigt, ihm weitere Hilfstruppen zuführen zu wollen. Stattdessen seien sie aber zu ihren bereits wartenden Kämpfern gegangen und hätten Varus dann mitten im Wald überfallen.
 
Noch im Frühmittelalter wurden etwa Teutoburger Wald, Wiehengebirge und Egge als eine Einheit namens Osning betrachtet. Daher auch der Name Osnabrück.

Der Name Osnabrücks kommt von der Hase.

Jein: Zwischen dem Namen der Hase und dem Namen Osnabrücks gibt es keinen etymologischen Zusammenhang. Man muss davon ausgehen, dass der Abschnitt, der für die Stadt namengebend war, seinerzeit einen anderen Namen (*Ausena/Ausona) trug.

Ob der Name des Osning vom selben Gewässernamen abzuleiten ist, ist umstritten. Jedenfalls hat Osnabrück seinen Namen nicht von einem Gebirge, das überbrückt worden ist, sondern von einem Gewässer.
 
Ihr schreibt mir wirklich zu schnell, also wieder weiter einzeln, aber erstmal El Quijote, Post #78 (und #81):

1-a Ja, die Weser! Ich bin nicht ganz so skeptisch, weil das nicht zum üblichen Ausschreiben Dios gehört und es zu seiner Zeit in den Bibliotheken tatsächlich noch mehr, 100 Jahre später schon rettungslos verlorene Originalwerke gab. Die große Zeit der Kurzfassungen begann ja erst.

1-b Weser und Werra sind ja derselbe Name, nur dialektal unterschiedlich. Je nachdem, wo zwischen Mündung und Quelle, bieten sich verschiedene Wege an.

2- Wie am benutzten Tempus und unseren vergangenen Diskussionen dazu zu erkennen, sprach ich von gegenwärtigen Toponymen. Neuerdings gilt sogar wieder ein Zusammenhang von Elsen und Aliso für möglich, wobei ich selbst aber weiter skeptisch bin. Aber, ich habe mal im Forum alle Orte entlang der Lippe mit Toponymen, die besser passen und ohne großen Aufwand zu finden waren, aufgeführt. Da lassen sich fast überall Möglichkeiten finden. Sowohl für Aliso, als auch für Elison. Aber Haltern gilt als zu spät für Drusus, kann also zumindest nicht das Lager beim Elison sein. Auch sonst sind die Argumente recht dürr. Wenn, wie in der Literatur üblich, davon ausgegangen wird, dass Aliso noch von Germanicus genutzt wurde, müsste es dort den Nachweis seiner Truppen und den berühmt-berüchtigten "Germanicus-Horizont" geben. Dasselbe gilt für "das Lager an der Lippe" natürlich auch, wenn es nicht identisch mit Aliso ist. (s.u.)

3- Da ist kein Widerspruch, da es als Problem formuliert ist. Du sagst dasselbe wie ich in anderen Worten. Zur Abwechslung als Frage: Was ist in Kalkriese aus der Varuszeit, was aus der Germanicus-Zeit? Es gab die Zeiten laut Kalender auch rechtsrheinisch, ob wir wollen oder nicht. Wir können sie nicht auseinanderhalten, auch die Münzen versagen. Dennoch werden x Stätten nur bis zu Varus datiert. Wenn das kein Datierungsproblem ist, dann weiß ich nicht, was eines ist.

a- Dennoch scheint die Diskussion um eine längere Nutzung von Haltern und Anreppen (Kühlborn), die vor 15 Jahren Thema war, heute vom Tisch. Etwas nur auf 10 Jahre genau datieren zu können wäre ja nun kein Skandal, sonder in der Archäologie schon recht genau.

b- Zumindest die Niello-Sache ist nur auf ein Jahrzehnt um die ersten Jahre des Tiberius herum datiert, oder nicht? Und wir wissen nicht, ob, oder besser wie sich ein ziviler Münzkontext wie in Köln, von einem militärischen unterschied. Da bin ich mal skeptischer als du und streiche das auch gleich rot im Kalender an, weshalb ich es nicht erwähnte. Ein Unterschied der Münzen im militärischen und zivilen Bereich würde die Horizonte kaum unterscheidbar machen. Aber das wäre fast schon zu einfach, zu elegant, vielleicht zu spitzfindig.

c- Germanicus war an den meisten Orten nur kurz. Mit der Ausnahme des "Lagers an der Lippe". Dieser kurze Aufenthalt ist ein brauchbarer Grund für das Fehlen unterscheidender Funde, die identifizierbar sind. Das hieße aber auch, dass kein bekanntes Lager länger unter Germanicus besetzt war. Das von ihm wieder oder neu ausgebaute "Lager an der Lippe" wäre noch nicht gefunden. (Es wird ja auch nirgends gesagt, dass Aliso nach der Aufgabe des Lagers neu besetzt wurde.* Darum braucht es keinen "Germanicus-Horizont" in Aliso, so es denn jemals identifiziert wird.)

Zumindest die Möglichkeiten a und b sind doch weiterführend, wenn auch vielleicht nicht alles lösend.

4- Nö, sehe ich anders. Hase ist älter, wie die Chassuarier zeigen. Minimalpaarbildung und keine Ausnahme in Sicht.

* Es heißt nur, dass Aliso nicht erobert wurde. Es wird geschildert, dass die Besatzung es aufgab und zum Rhein floh. Damit ist eben nicht gesagt, dass es weiter genutzt wurde. Daher ist das mit Haltern nur ein scheinbarer Widerspruch.
 
1-b Weser und Werra sind ja derselbe Name, nur dialektal unterschiedlich.

Hmm, das ist eigentlich nicht "derselbe Name". Wal und Walfisch sind zwei unterschiedliche Wörter, nicht etwa dasselbe Wort in dialektal unterschiedlicher Lautung, und Karl und Karlmann sind zwei unterschiedliche Namen. Ähnliches sehen wir beim Doppelnamen Wisera / *Wiser-aha. ("Durch Synkope der zweiten Silbe entwtand *Wisraha, assimiliert zu Wirraha, später Werrahe und Werra." - Albrecht Greule, Deutsches Gewässernamenbuch, Berlin/Boston 2014)
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein, weil dann die Hinterhaltshypothese nicht mehr unbedingt passt. Ich bin aber jetzt komplett verwirrt. Gab es dann keine Auxilien, die auf einmal weg waren? Ich dachte immer, dass Arminius und seine Reitereinheiten immer eine ganze Zeit neben ihm hergeritten waren und dann auf einmal verschwunden waren.
Sie hätten dann Verbindung mit der Koalition aufgenommen, die im Hinterhalt lag. Heißt sowohl die Auxilien als auch die Germanen im Hinterhalt überfallen die Legionen.
Oder waren die Auxilien schon beim Aufbruch der Legionen weg?
Dass Arminius sich verabschiedete, um weitere Verbündete heranzuholen, ist auch wieder Eigengut von Cassius Dio. Wie auch immer, verstehe ich deinen Widerspruch nicht. Wenn Germanen links und rechts sind, die du für deine Verbündeten hältst, und plötzlich fallen diese über dich her, inwiefern widerspricht das der „Hinterhaltshypothese“?

1-b Weser und Werra sind ja derselbe Name, nur dialektal unterschiedlich. Je nachdem, wo zwischen Mündung und Quelle, bieten sich verschiedene Wege an.
Da du dich explizit auf mich beziehst: Ich habe nix zum Thema Werra/Weser geschrieben.

Haltern gilt als zu spät für Drusus, kann also zumindest nicht das Lager beim Elison sein. Auch sonst sind die Argumente recht dürr. Wenn, wie in der Literatur üblich, davon ausgegangen wird, dass Aliso noch von Germanicus genutzt wurde, müsste es dort den Nachweis seiner Truppen und den berühmt-berüchtigten "Germanicus-Horizont" geben. Dasselbe gilt für "das Lager an der Lippe" natürlich auch, wenn es nicht identisch mit Aliso ist. (s.u.)
Haltern ist ja ein Kuddelmuddel übereinander liegender Lager.

3- Da ist kein Widerspruch, da es als Problem formuliert ist. Du sagst dasselbe wie ich in anderen Worten. Zur Abwechslung als Frage: Was ist in Kalkriese aus der Varuszeit, was aus der Germanicus-Zeit? Es gab die Zeiten laut Kalender auch rechtsrheinisch, ob wir wollen oder nicht. Wir können sie nicht auseinanderhalten, auch die Münzen versagen. Dennoch werden x Stätten nur bis zu Varus datiert. Wenn das kein Datierungsproblem ist, dann weiß ich nicht, was eines ist.
Du sagst Varus- und Germanicus-Horizont würden sich nicht unterscheiden. Ich sage: doch, sie müssten sich eigentlich durch a) den Münzhorizont (siehe Köln) und b) nielloverzierte Militaria unterscheiden. Aber damit ist das Problem nicht hinreichend umschrieben, da eigentlich nur Haltern für das Germanicus-Aliso innFrage kommt, dor5 dann aber der aber der Germanicus-Horizont fehlen würde. Das ist ein archäologisches Dilemma.

b- Zumindest die Niello-Sache ist nur auf ein Jahrzehnt um die ersten Jahre des Tiberius herum datiert, oder nicht? Und wir wissen nicht, ob, oder besser wie sich ein ziviler Münzkontext wie in Köln, von einem militärischen unterschied.
A Wenn jemand frisches Geld hatte, dann Soldaten.
B Germanicus kam laut Tacitus mit Geldgeschenken ins römische Germanien, C Köln war sein Hauptlager, direkt angrenzend an den Lagerbereich im Brandhorizont frische Münzen zu einem erheblichen Anteil.

c- Germanicus war an den meisten Orten nur kurz. Mit der Ausnahme des "Lagers an der Lippe". Dieser kurze Aufenthalt ist ein brauchbarer Grund für das Fehlen unterscheidender Funde, die identifizierbar sind.
Nun, auf dem Varusschlachtfeld würde ich, trotz Germanicus‘ Anwesenheit, keinen großartigen Niederschlag an Germanicushorizont erwarten. Es sei denn man folgt der Idee, dass sich das Varusschlachtfeld und die Schlacht an den pontes longi überlagerten, aber dafür sehe ich eigentlich keine Anhaltspunkte. Auch nicht die Rede des Arminius oder den Traum des Caecina, die von Befürwortern dieser Idee dafür herangezogen werden.
Was das Lager anbelangt, ist weniger die Anwesenheit des Germanicus relevant, als dass es sich um ein Standlager handelte.

Das hieße aber auch, dass kein bekanntes Lager länger unter Germanicus besetzt war. Das von ihm wieder oder neu ausgebaute "Lager an der Lippe" wäre noch nicht gefunden. (Es wird ja auch nirgends gesagt, dass Aliso nach der Aufgabe des Lagers neu besetzt wurde.* Darum braucht es keinen "Germanicus-Horizont" in Aliso, so es denn jemals identifiziert wird.)
Vielleicht verstehe ich dich falsch, aber du bist doch nicht der Meinung, dass in Aliso sechs oder sieben Jahre lang (9/10 - 16) die Mannschaft nicht wechselte, oder?
 
Literatur - check. Wolters "Die Schlacht im Teutoburger Wald" habe ich natürlich.
(...)
Ganz wichtige Erkenntnis: Varus wollte von der Weser zurück ins Winterlager am Rhein. Das war mir z.B. nicht bekannt und wirft ein ganz neues Licht auf diese Sache.

Wäre es nicht sinnvoll, besagte Literatur auch zu lesen, ehe man neue Schauergeschichten erfindet und dabei Koryphäen wie Brepohl heranzieht?

Oder sind wir wieder hier:

Das nächste Zitat aus Reader's Digest oder so, und die gleichen Fragen dazu?
 
Guten Morgen,

die Germanen kehren die Waffen um und richten sie plötzlich und völlig unerwartet gegen die Römer. "Aus der kalten Küche", sozusagen. Ja, kann man wohl als Hinterhalt bezeichnen.
Aber ich denke, es gab ebenso die Kontingente, die an vorbereiteten Stellen am Wiehengebirge oder wo auch immer "aus dem Busch gesprungen kamen", platt gesagt.
Schade, dass die Quellen das nicht eindeutig hergeben.

Nochmal zur Geographie|Topographie zurück.
Nehmen wir an die Nordroute hat die größte Wahrscheinlichkeit, also am Wiehengebirge entlang, links das Wiehengebirge und rechts das "Große Moor" oder andere.

Hinterhalt, Defileegefecht, was auch immer.
Nadelattacken durch kleine Trupps angreifender Germanen, Wechsel von Wald und freiem Gelände okay.
Schluchten, ja aber dazu muss man tiefer ins Wiehengebirge hineingehen. Auf dem Weg von Minden nach Bramsche nicht.

Was mag Varus bewogen haben, der Route stumpf zu folgen, entgegen dem Widerstand der ja anscheinend zunimmt je dichter er sich Kalkriese nähert.
Die Engstelle zwischen Kalkrieser Berg und Wiehengebirge hätte man ja auch meiden können.
Wäre es dumm gewesen zur Weser zurückzukehren, anstatt immer tiefer in die Todesfalle hinein?
Dafür mag es auch eine gute Erklärung geben.

Anmerkung Engstelle: es geht da um den sogenannten "Germanenwall", der lange Zeit als Hindernis der Germanen angesehen wurde, bis diese Hypothese umgekehrt wurde und eventuell als römisches "Bauwerk" angesehen wird.

Vermutlich ist genau diese Diskussion, was es denn war, Hinterhalt, Defileegefecht oder finaler Kampf um diesen "Germanenwall" noch nicht abgeschlossen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber ich sehe schon, es sind alles keine neuen Erkenntnisse, die schon ausreichend diskutiert wurden und den ein oder anderen mächtig langweilen.
 
Was mag Varus bewogen haben, der Route stumpf zu folgen, entgegen dem Widerstand der ja anscheinend zunimmt je dichter er sich Kalkriese nähert.
Die Engstelle zwischen Kalkrieser Berg und Wiehengebirge hätte man ja auch meiden können.
Wäre es dumm gewesen zur Weser zurückzukehren, anstatt immer tiefer in die Todesfalle hinein?
Ein kluger Mann hat mal gesagt:
die Römer müssen, was auch immer sie da unternehmen, auf die Tube drücken, um wohlbehalten an den sicheren Rhein zurückzukehren.



Anmerkung Engstelle: es geht da um den sogenannten "Germanenwall", der lange Zeit als Hindernis der Germanen angesehen wurde, bis diese Hypothese umgekehrt wurde und eventuell als römisches "Bauwerk" angesehen wird.

Vermutlich ist genau diese Diskussion, was es denn war, Hinterhalt, Defileegefecht oder finaler Kampf um diesen "Germanenwall" noch nicht abgeschlossen.
Als man die Spur des Walls 1988 fand, ging man natürlich von einem Römerlager aus. Als der Wall aber nach 400 Metern endete, geschwungen und nicht gerade war und nach der vermeintlichen Außenseite hin nur flache Drainagegräbchen aufwies, wohingegen er zur römischen Seite hin an den Enden Gräben aufwies, änderte man die Interpretation.
Schlüter (nicht der gleichnamige Jurist aus Ostwestfalen) veröffentlichte dann 2011 die These, dass es sich sich um ein Lager handelte, wie er es beim Feldzug des Germanicus im Jahre 14 bei Tacitus südlich der Ruhr beschrieben zu finden meinte, ein Lager, das nur an zwei parallelen Seiten über Wälle verfügte die dazu querliegenden Seiten mit Verhauen verteidigt. Eine solche Bauweise habe auch das Lager in K‘Riese. Dem ist in den Grabungskampagnen (Ortisi/Rappe) 2016 bis 2019 nachgegangen worden, 2017 fand man dabei Strukturen, die Schlüters These zu bestätigen schienen, aber 2018 konnte man die Strukturen - wenn ich das richtig verstanden habe - nicht erfolgreich weiterverfolgen. Seitdem ist das ganze offensichtlich wieder offen.
 
Guten Morgen,

die Germanen kehren die Waffen um und richten sie plötzlich und völlig unerwartet gegen die Römer. "Aus der kalten Küche", sozusagen. Ja, kann man wohl als Hinterhalt bezeichnen.
Aber ich denke, es gab ebenso die Kontingente, die an vorbereiteten Stellen am Wiehengebirge oder wo auch immer "aus dem Busch gesprungen kamen", platt gesagt.
Schade, dass die Quellen das nicht eindeutig hergeben.

Wenn man Cassius Dios Beschreibung folgt, dann handelte es sich bei den Angreifern nicht bloß um die Begleittruppen der Römer, sondern vorwiegend (?) um Krieger, die anderswo standen und zu denen sich Arminius und Segimer unter einem Vorwand begaben, als sie Varus in den Wald hineingeführt hatten. Diese Krieger hätten zuerst die schon zuvor angeforderten römischen Soldaten bei sich überwältigt und dann Varus selbst angegriffen, als dieser sich in einer schwer passierbaren Gegend befunden habe. Ob dabei auch Männer, die noch immer mit den Römern unterwegs waren, plötzlich die Seite wechselten, wird aus der Beschreibung nicht ganz deutlich, ist aber möglich.

El Quijote hat ja schon darauf hingewiesen, dass Dio die Szene zumindest ein wenig ausgemalt haben dürfte, so dass man ihm nicht unbedingt alles glauben muss. Wenn man es aber tut, dann dürften die Germanen tatsächlich irgendwo gewartet haben, wo die Römer ohnehin nur schwer vorankamen und Mühe hatten, Wege anzulegen, Bäume zu fällen oder Brücken zu bauen. Falls man Dios Beschreibung ganz verwirft, muss man eben konstatieren, dass wir nicht wissen, wie es zur Varusniederlage kam.
 
Ein kluger Mann hat mal gesagt:
Das ist gemein und unfair, mich mit den eigenen Behauptungen zu schlagen. ;-) Nein, das passt schon. Ich bin widersprüchlich ... weil ich die Darstellungen sehr verwirrend finde und überhaupt nicht mehr weiß, wo die Grenze zwischen Fakt und Fiktion liegt.

Wolters liefert in "Zur Frage der Glaubwürdigkeit" (Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57674-4) auf Seite 115 ff Argumente:
Selbst die antiken Geschichtsschreiber fühlten sich nicht in erster Linie einer möglichst faktengetreuen Wiedergabe verpflichtet, sondern wollen unterhalten und belehren.
Also Infotainment der Antike. Der Jahrtausendsturm von Cassius Dio und bärtige grausame Wilde, die Römer an Bäume nageln, um ihre primitiven Götter zu ehren.
Aber warum Dinge erfinden, die so nicht stattgefunden haben. Immerhin könnte die Varuskatastrophe ja auch ein taktisches Lehrstück für die Armee sein, niemals ohne eigene Reiterei zu agieren, niemals ohne Flankendeckung, niemals ohne möglichst präzise Vorerkundung, so etwas wie Gefechtsaufklärung der Antike. Für spätere Stabsoffiziere soll die Varusschlacht ja auch so etwas wie Lessons Learned sein und nicht nur ein Schauermärchen, welches dem Plebs auf dem Forum Romanum allein der Unterhaltung dient.
... keine Augenzeugen oder gar Teilnehmer der Kämpfe sondern oft erst mit Abstand von mehreren Generationen das Ereignis zum Gegenstand ihrer Werke machten ...
Hätte man denn die Wahl, so würde man die Schilderung eines überlebenden Stabsoffiziers (S2/S3-Offz so etwas gab es damals noch nicht) der Varusschlacht jederzeit vorziehen, da diese nicht vorhanden sind, rein aus der Not heraus, Cassius Dio & Co. als "Sekundärquelle".
ob man den literarischen Quellen überhaupt vertrauen kann
Anscheinend ja nicht, da sich die Historiker ja permanent über die Kredibilität dieser Quellen streiten. Es fällt der Begriff der "Historischen Memorik", was könnte damit gemeint sein? Warum war man denn damals nicht an der Wahrheit interessiert oder hat ernsthaft zwischen Fakten und Fiktion unterschieden?

Dann spricht Wolters davon, dass es sehr wohl Überlebende und Augenzeugen gab. Er nennt die
indirekt beteiligten Legionen des Asprenas
und die
bei Aliso befreiten Römer
. Doch das ist nichts überliefert.
Gewisse Parallelen zur Stalingradschlacht, auch 40 Jahre nach dem Varusereignis wurden unter Kaiser Claudius noch Überlebende befreit.

Ja, ich weiß, wir haben nur das Wenige, was da ist, etwas anderes gibt es nicht, aber genau diese Leere läßt die Mythen natürlich weiterhin sprießen. Das ist eine absolute menschliche Reaktion.
 
Hallo Stradivari,
wo die Römer ohnehin nur schwer vorankamen und Mühe hatten, Wege anzulegen, Bäume zu fällen oder Brücken zu bauen.
Die umfangreichen "Pionierarbeiten", um die Gangbarkeit des Trosses zu gewähren werden auch immer wieder erwähnt. Das stimmt. Aber wielange hält eine Truppe so einen Kraftakt, in den enorm viel Energie gesteckt wird überhaupt aus?
Wenn ich mir recht überlege und der populärwissenschaftlichen Terra x-Doku folge, weil ich gerade nichts Besseres zur Hand habe, dann trug ein römischer Legionär 50kg (!!!) Marschgepäck, um den Troß möglichst leicht zu halten, einen schwer anzulegenden Schienenpanzer und hatten dann noch die bremsenden Zivilisten wie Handwerker, Soldatenfrauen, Prostituierte, etc. am Hals. Schwer vorstellbar.
Wie ja schon gesagt wurde, die Römer führten schon seit 25 Jahren in Germanien Krieg, Drusus-Feldzüge etc., hatte man daraus nicht gelernt, wann (Jahreszeit) und wie ("Vorläufer der Pioniertruppen") Waldschneisen passierbar waren und man hatte sicherlich eine ungefähre Vorstellung davon, in welcher Art von Gelände man sich bewegt.
 
... und überhaupt nicht mehr weiß, wo die Grenze zwischen Fakt und Fiktion liegt.
Das ist eben das Problem. Unsere Anhaltspunkte sind Widersprüche zwischen den Quellen (wobei scheinbare Widersprüche nicht unbedingt tatsächliche Widersprüche sein müssen), Interessen der Autoren, textimmanente Widersprüche und Widersprüche zur erfahrbaren Realität. Du wirst z. B. nicht glauben, dass Drusus kurz vor seinem Sturz vom Pferd eine germanische Göttin erschienen ist, oder dass sich im Garten des Vespasian kurz vor seiner Erhebung zum Kaiser eine umgestürzte Zeder wieder aufgerichtet hat.

könnte die Varuskatastrophe ja auch ein taktisches Lehrstück für die Armee sein, niemals ohne eigene Reiterei zu agieren, niemals ohne Flankendeckung, niemals ohne möglichst präzise Vorerkundung, so etwas wie Gefechtsaufklärung der Antike.
Naja, nach allem, was wir wissen, hatte Varus das ja alles, nur dass das teilweise an Arminius "outgesourcet" war. C. Numonius Vala ist mit dem gescheiterten Versuch in die Geschichte eingegangen, mit seiner Reiterei dem Gemetzel zu entkommen und die Legionen im Stich zu lassen.
In der Tat hat die Varusschlacht bzw. die Belagerung Alisos(?) Eingang in die Strategematon libri IV / Strategemata von Frontinus gefunden.

welches dem Plebs auf dem Forum Romanum allein der Unterhaltung dient.
das waren nicht wirklich die Adressaten der Geschichtsschreibung.


Hätte man denn die Wahl, so würde man die Schilderung eines überlebenden Stabsoffiziers (S2/S3-Offz so etwas gab es damals noch nicht) der Varusschlacht jederzeit vorziehen, da diese nicht vorhanden sind, rein aus der Not heraus, Cassius Dio & Co. als "Sekundärquelle".
Wie gesagt, Cassius Dio ist die ausführlichste Quelle. Aber es gibt durchaus zeitgenössische Quellen, wie etwa Velleius Paterculus, der selber als Militär in Germanien diente (aber während der Varusschlacht wohl in Pannonien war). Die anderen zeitgenössischen Quellen (Strabon, Manilius, Ovid) sind halt extrem unergiebig bzgl. der Varusschlacht. Tacitus, Florus und Sueton schreiben bereits 100 Jahre später, Aufidius Bassus und Plinius, die dazwischen lagen - Plinius war auch selber in den 20ern in Germanien eingesetzt - sind verloren. Florus weicht erheblich von allen anderen ab, Tacitus schreibt eher indirekt über die Varusschlacht: er lässt Germanicus das Schlachtfeld begehen. Bereits hier zeigen ihm Überlebende der Schlacht die wichtigsten Szenen des Geschehens, von Tacitus literarisch in einem klimakterischen Bereich stark bearbeitet. Später erinnert Arminius seine Gefolgsleute in einer Motivationsrede vor der Schlacht an den langen Brücken an Varusschlacht - er weist auf Caecina und seine vier Legionen und sagt: seht, dort, derselbe Varus in derselben misslichen Lage. Und Caecina lässt Tacitus träumen, das Varus aus dem Sumpf nach ihm griffe und ihn in die Tiefe hinabziehe.


Warum war man denn damals nicht an der Wahrheit interessiert oder hat ernsthaft zwischen Fakten und Fiktion unterschieden?
Ich glaube, die Frage käme dem antiken Historiographen seltsam vor. Im Prinzip machen wir das heute auch noch so, wenn wir von einem Traum erzählen oder von einem Erlebnis, die Brüche in unserer Erinnerung glätten wir, um eine erzählbare Geschichte zu erzählen. Das machen wir ohne die Absicht zu lügen, wir glätten die Brüche, versuchen zu rationalisieren oder wollen die Geschichte schlicht spannend erzählen. Und dann kommt noch die Deutungshoheit hinzu.

Z.B. dass die kaiserliche Politik verfehlt ist oder auch, dass der Fehler nicht in der kaiserlichen Politik lag, sondern im Feldherren (der ja auch irgendwie eingesetzt worden sein muss...)

Dann spricht Wolters davon, dass es sehr wohl Überlebende und Augenzeugen gab.
Wieso "sehr wohl"? Hat jemand behauptet, dass es sie nicht gab? Sie haben uns halt keine Berichte hinterlassen. Velleius Paterculus berichtet uns von Schand- und Heldentaten der Schlachtteilnehmer, was entweder Erfindung voraussetzt ODER, das er mit Augenzeugen gesprochen hat, Tacitus davon, dass Überlebende Germanicus auf dem Schlachtfeld zeigten, wo welches Ereignis stattfand. Einschließlich Marter und Folter der Gefangenen und Siegesansprache des Arminius.


Er nennt die indirekt beteiligten Legionen des Asprenas...
Die in einer ganz anderen Region waren und daher nicht als Augenzeugen geführt werden können.

Doch das ist nichts überliefert.
Kannitverstan.


Ja, ich weiß, wir haben nur das Wenige, was da ist, etwas anderes gibt es nicht, aber genau diese Leere läßt die Mythen natürlich weiterhin sprießen. Das ist eine absolute menschliche Reaktion.
Umso wichtiger Fakten und Fiktion scharf zu trennen.
 
Hallo Stradivari,
Die umfangreichen "Pionierarbeiten", um die Gangbarkeit des Trosses zu gewähren werden auch immer wieder erwähnt. Das stimmt. Aber wielange hält eine Truppe so einen Kraftakt, in den enorm viel Energie gesteckt wird überhaupt aus?
Wenn ich mir recht überlege und der populärwissenschaftlichen Terra x-Doku folge, weil ich gerade nichts Besseres zur Hand habe, dann trug ein römischer Legionär 50kg (!!!) Marschgepäck, um den Troß möglichst leicht zu halten, einen schwer anzulegenden Schienenpanzer und hatten dann noch die bremsenden Zivilisten wie Handwerker, Soldatenfrauen, Prostituierte, etc. am Hals. Schwer vorstellbar.
Wie ja schon gesagt wurde, die Römer führten schon seit 25 Jahren in Germanien Krieg, Drusus-Feldzüge etc., hatte man daraus nicht gelernt, wann (Jahreszeit) und wie ("Vorläufer der Pioniertruppen") Waldschneisen passierbar waren und man hatte sicherlich eine ungefähre Vorstellung davon, in welcher Art von Gelände man sich bewegt.

Wie gesagt, Cassius Dio beschreibt es eben so, dass die Kämpfer des Segimer und des Arminius angriffen, als die Römer ohnehin schon (also bereits vor dem Kampf) Mühe hatten, Bäume zu fällen, Wege zu finden und Brücken zu bauen, wie es erforderlich war. Ob die beiden Varus tatsächlich geschickt in eine besonders unwegsame Gegend geführt hatten oder ob Dio hier übertreibt oder ob sogar die ganze Szene seiner Fantasie entspringt, ist damit noch nicht gesagt.
 
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