Poincaré besucht Russland im Juli 1914

Kurz nachgefragt: Ist die GP für dich nun doch ein akzeptables, brauchbares historisches Werk?

Wurde das nicht schon mehrfach beantwortet?

Es kann anhand selbst der revisionistisch angelegten GP-Bände ausreichend recherchiert werden, dass Poincaré vor dem I. Weltkrieg nicht als der aggressive und revanchistische Politiker galt, in welchen er dann während des Krieges und in der anschließenden Kriegsschulddebatte verwandelt wurde.

Es gibt Positionen zwischen schwarz und weiss, ein Blick in die GP zeichnet so eine mögliche Position zu Poincaré. Schon mal reingeschaut? Jedenfalls wird er dort nicht als der durchdringend revanchistische, vital deutschfeindliche, kriegerische Aggressor abgebildet, und in Berlin hat ihn so auch nicht eingeschätzt.

Nur als rein methodische Anmerkung: Natürlich kann man auch wissenschaftlich überholte und/oder revisionistische Werke zitieren, wenn man die entsprechend einordnet.
 
Poincaré hatte gegenüber den russischen Botschafter in Paris Iswolski bekanntermaßen in einem Gespräch den Blankoscheck für Russland ausgestellt gehabt.(1) Poincarè hatte damit unnötigerweise, vor allem wenn man den Frieden wünschte, den Bündnisfall auf dem Balkan ausgedehnt für einen russischen Angriffskrieg ausgedehnt.

Etwas später teilte Iswolski am 24.10.1912 seinem Chef Sasonow mit, „ Tatsächlich wird aber eine derartige Konjunktur unvermeidlich Frankreich in den Krieg verwickeln, denn ein Angriff Russlands auf Österreich ist für Österreich und Deutschland Casus foederis, und das wiederum ganz von selbst den Casus foederis auch für Russland und Frankreich aufstellen.(1)

Man kann also gut erkennen, welche Folgen der Blankoschecks Poincare´s hatte bzw. haben könnte. Petersburg war durch Poincaré sein Blankoscheck ermutigt.



(1) Stieve, Iswolski an Sasonow 30.08/ 12.09.1912, Schriftwechsel Iswolskis, Band 2, Dokument 429
(2) Die Internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus, Reihe 3, Band 4.1, Dokument Nr.46
 
Ein Stützpunkt in Durazzo hätte Russland allerdings auch ohne Kontrolle über die Meerengen eine gewisse Präsenz im Mittelmeer erlaubt und wäre gerade auch deshalb wertvoll gewesen.
Nein.

Ohne die Möglichkeit das effektiv zu versorgen, wäre das recht wertlos gewesen, weil es im Konfliktfall entweder sofort weggenommen worden wäre, oder aber es wäre sehr schnell durch überlegene Flottenpräsenz blockiert und damit ausgeschaltet worden, oder aber dem abgeschnittenen Stürzpunkt wären relativ zügig die Brennstoffe ausgegangen und die dort liegenden Seestreitkräfte ziemlich schnell nutzlos gewesen.

Dafür wäre das aber im übrigen Europa und politisch nicht ohne Folgen geblieben.
Deutschland und Frankreich hätte das vielleicht etwas weniger tangiert, wie skeptisch aber die Briten grundsätzlich einer russsischen Präsenz im Mittelmeer gegenüberstanden, ist bekannnt.
Während des Weltkrieges machte London Russland Konzessionen hinsichtlich des Osmanischen Reiches und der Nachkriegordnung, aber nicht weil man das wollte, sondern lediglich, weil man auf den östlichen Verbündeten angewiesen war und im irgendwas bieten musste, um ihn im Krieg zu halten, der für Russland zunehmend schlecht lief.

Ganz besonders hätten es sich die Russen durch einen solchen Schritt mit den Italienern verdorben.
Italien machte selbst Interessen in Albanien geltend (Vlore/Valona) und hatte sicherlich kein Interesse daran, dass neben Österreich-Ungarn und Italien selbst mit Russland eine dritte Großmacht beginnen würde direkt in der Adria (die nicht wenige in Rom als genuin italienischen Hinterhof und besondere Interessenzone betrachteten) mitzumischen.

Die politischen Konsequenzen wären im wahrscheinlichen Fall ein erneutes Heranrücken Italiens an den Dreibund gewesen, weil dann nämlich auch Italien mit ziemlicher sicherheit in massiven Gegensatz zur russischen balkanpolitik geraten wäre.
Im schlimmsten Fall, hätte das London dazu bringen können, die Entente zu überdenken und sich zumindest aus denn Abkommen mit Russland mittelfristig zurück zu ziehen.

Der Schaden wäre sehr wahrscheinlich wesentlich größer gewesen als der Nutzen.


Ich glaube auch nicht, dass Durazzo im Kriegsfall für Österreich-Ungarn so schnell zu erobern gewesen wäre. Historisch haben die KuK-Truppen Montenegro, dass ja auf dem Weg dorthin liegt, erst im Januar 1916, also nach fast eineinhalb Jahren Krieg erobert. In jedem Fall hätte der Versuch eines Zugriffs der Donaumonarchie auf Durazzo im Falle eines Krieges diese gezwungen, einen Zweifrontenkrieg zu führen, nämlich gegen Russland und gegen eben ein gegenüber der historischen Situation größeres und vermutlich stärkeres Serbien (+ vermutlich Montenegro).

Historisch gab es für die Österreicher wenig Anlass auf diese Region ein gesonderts Augenmerk zu richten, weil sie Strategisch nicht soooo interessant war.
Hätte es da eine größere russische Präsenz gegeben, hätte das aber natürlich auch die strategischen Auffassungen der K.u.K.-Streiträfte geändert.

Aber selbst wenn, das für die Österreicher so einfach nicht zu erreichen gewesen wäre, was die Landseite betrifft:
Die Russen hätten ohne Zugang zu den Meerengen da keinen Keinen Nachschub, keine Munition und keine Brennsoffe hin bekommen.

Dafür lag aber der Österreichische Kriegshafen im dalmatinischen Cattaro/Kotor so dicht an Durazzo drann, dass man Durazzo relativ einfach mit kleinen Schnell- und Tauchbooten seeseitig hätte blockieren können.
Was man mit Mienen und Torpedos so anstellen konnte, hatten die Russen bei Tsushima erlebt.

Ein Flottenstützpunkt so weit ab vom eigenen Gebiet und denn eigenen Nachschubmöglicheiten und so nahm am österreichischen Gebiet daran, dass mit Schnell- und Tauchbooten hätte operiert oder das ganze landseitig hätte eingenommen oder zumindest verswüstet werden könnn, hätte den Russenn wenig gebracht.

Dann schon eher deutlich weiter südlich in Griechenland, wo es im Besonderen den Österreichern wesentlich schwerer gefallen wäre das weg zu nehmen oder zu blockieren.

Wieso eigentlich, wenn Durazzo als Marinestützpunkt doch angeblich nur von so geringem Wert für Russland gewesen wäre?
Weil Rom selbst Interesse an Albanien hatte. Nicht zuletzt um beide Ufer der Straße von Ottranto zu kontrollieren, was Italien die Sperrung der Adria-Zufahrt ermöglicht/sehr vereinfach hätte.

Der Wert dessen, liegt sowohl sicherheitspolitisch (Begrenzung der Bedrohung der langen italienischen Küstenlinie durch andere Seemäche), als auch Handelspolitisch (Blockademöglichkeit gegen die anderen Adria Anrainer) auf der Hand.
 
Deutschland konnte aber wegen des Schlieffen-Plans nicht warten, bis Russland seine Mobilisierung abgeschlossen hatte und tatsächlich angegriffen hätte. Selbst wenn es den Großen Ostaufmarschplan noch gegeben hätte, hätte man nicht warten können, sondern hätte den Vorteil der schnelleren Mobilisierung nutzen müssen, um gegen die Entente eine realistische Chance zu haben.

Du setzt gerade vorraus, dass die Entente in jedem Fall Russland zwangsläufig unterstützt haben würde, auch wenn Russland angriff (auf einen anderen Zweck richtete sich das Defensivbündnis ja nicht).

Das ist im Hinblick auf Frankreich, noch mehr aber im Hinblick auf Großbritannien äußert zweifelhaft.
Für den Fall das Großbritannien (das keinen Grund gehabt hätte einen Angriffskrieg Russlands gegen die Zentralmächte mitzutragen, da es keinen besonderen Nutzen davon gehabt hätte), neutral und damit die Seewege offen geblieben wären, hätte es keinen Grund gegeben, sich unbdingt an den Schlieffenplan zu halten.

Ob ein Erschöpfungskrieg gut Möglichkeiten gehabt hätte, das man ihn hätte durchhaltenn können, hing in erster Linie von den Seewegen und der Möglichkeit Waffen, Lebensmittel und Salpeter aus Übersee zu beschaffen ab.

Insofern taugt es nur bedingt, mit dem Schlieffenplan zu argumentieren.
Hätte sich GB, was bei einer russischenn Agression nicht unwahrscheinlich gewesen wäre für neutral erklärt, hätte man durchaus davon absehen können.
 
Am 05.03.1913 schreibt der belgische Botschafter aus Paris:

„[…] Indessen hat es zweifellos Herrn Poincaré, dem Lothringer, seit dem ersten Tage seine Amtsantritts beliebt, eine feste Haltung einzunehmen und die Fahne des Landes hochzuhalten. In den aufgeregten Augenblicken, die Europa durchmacht, bedeutet die Anwesenheit des Herrn Poincarè im Elysée eine Gefahr. […].“

Am 03.07.1914 berichte der belgische Botschafter aus Paris nach Brüssel:

„Frankreich und Russland spielen in diesem Augenblick wahrhaftig ein sehr gefährliches Spiel. Sie reizen sich gegenseitig zu immer neuen Rüstungen auf Leben und Tod und geben sich, hauptsächlich Russland, einen Bluff hin, der die ernstesten Folgen zeitigen könnte.“

Die Belgischen Dokumente zur Vorgeschichte des Weltkrieges 1885 - 1914, Band 5
 
Du setzt gerade vorraus, dass die Entente in jedem Fall Russland zwangsläufig unterstützt haben würde, auch wenn Russland angriff (auf einen anderen Zweck richtete sich das Defensivbündnis ja nicht).

Das ist im Hinblick auf Frankreich, noch mehr aber im Hinblick auf Großbritannien äußert zweifelhaft.

Nein nicht die Entente, sondern nur Frankreich. Das ergibt sich aus dem mehrfach von Poincaré ausgestellten Blankoscheck.

Zum Schlieffenplan: Nein, würde ich nicht so sehen. Frankreich und Russland konnten es sich leisten zu warten; Deutschland eben aufgrund der Implikationen des Schlieffenplans nicht.
 
Nein nicht die Entente, sondern nur Frankreich. Das ergibt sich aus dem mehrfach von Poincaré ausgestellten Blankoscheck.

Zum Schlieffenplan: Nein, würde ich nicht so sehen. Frankreich und Russland konnten es sich leisten zu warten; Deutschland eben aufgrund der Implikationen des Schlieffenplans nicht.
Warum hätte sich Deutschland, sofern Großbritannnien seine Neutralität erklärt hätte sklavisch an den Schlieffenplan halten sollen?

Die Westgrenze gegen Frankreich war relativ kurz, sie war extrem stark befestigt und die Vogesen stellten darüber hinaus noch ein gutes natürliches Hindernis dar.
Das wäre mit relativ gerigen Kräften druchaus zu verteidigen gewesen.

Man hätte kurzfristig Teile des Aufmarschplans umwerfen müssen, was für etwas Chaos gesorgt hätte, dass wäre aber angesichts des Umstands, dass man Im Westen ohnehin Teile des Friedensheeres stehen hatte, die das erstmal halten konnten und angesichts dessen, dass die Russen im Osten zur Mobilisation ohnehin länger brauchten, nicht so schlimm gewesen.

Russlands nummerische Überlegenheit im Osten, war wegen der logistischen Probleme, der geringen russischen Industrieleistung und der dürftigen Ausrüstung vieler russischer Truppen ohnehin nur von relativem Wert.
Wären für Deutschland die Seewege offen geblieben und das Versorgungs- und Rohstoffproblem damit zu lösen gewesen (Russland hätte es mit überseeischer Versorgung wegen der deutschen Überlegenheit in der Ostsee und der Sperrung der Meerengen wesentlich schwieriger gehabt (ganz abgesehen von den eher prekären russischen Staatsfinanzen, de facto finanzierte ja Großbritannien einen erheblichen Anteil kriegswichtiger Einfuhren Russlands, in dem es Russland Kredite vermittelte oder für russische Anleihen in den USA garantierte, was dann weggefallen wäre), hätte sich die russische nummerische Überlegenheit im Osten durch überlegene Feuerkraft und Logistik ausgleichen lassen.

Die Chance der Zentralmächte gegen Frankreich und Russland in einem Erschöpfungskrieg ein Patt oder sogar einen Sieg zu erreichen, hätten, wäre Großbritannien neutral geblieben so schlecht nicht gestanden.
Das hätte den Verzicht auf den schnellen Sieg zu zocken, sich damit ganz Westeuropa zum Feind zu machen und sich die Blockadeproblematik ans Bein zu binden durchaus rechtfertigen können.
Selbst wenn Frankreich einen unprovozierten Angriffskrieg Russlands mitgetragen hätte (wovon ich nicht ausgehen würde).

Auch da wäre noch darauf zu verweisen, das Poincaré - man mag von seinen Einlassungen halten, was man möchte - nur relativ kurz Regierungschef war.
Außerhalb dieses Zeitfensters hätten seine Nachfolger dem zustimmen müssen.

Es dürfte den frazösischen Sozialisten schwer genug gefallen sein, sich auf den Krieg einzulassen, aber es war noch Möglich, so lange er sich als Verteidigungskrieg gegen die deutsch-österreichische Agression hinstellen ließ.
Gegen einen reinen Angriffskrieg für die Glorie und den Nutzen der russischen Autokratie und deren imperialer Interessen, wären die totsicher auf die Barrikaden gegangen.
Das Blut der französischen Proletarier zu vergießen um noch größere Teile Europas der reaktionären Selbstherrschaft des Zaren zu unterwerfen, hätten die nicht mitgemacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum hätte sich Deutschland, sofern Großbritannnien seine Neutralität erklärt hätte sklavisch an den Schlieffenplan halten sollen?
Wenn ich die Essenz aus diversen Fäden hier noch richtig im Kopf habe*:
Weil es keinen anderen militärischen Plan (mehr) gab, der "Aufmarschplan Ost" war schon lange nicht nur ad acta gelegt worden (dann hätte man ja darauf zurückgreifen können), er war einfach nicht entwickelt worden.
Aufmärsche wie in früheren Zeiten waren ohne grundlegende Planung, insbesondere beim notwendigen Bahntransport, nicht mehr "ad hoc" machbar.

*man möge mich gerne korrigieren, wenn ich falsch liege
 
Da ist er doch:
(...)
Hier eine Transkription in moderner Orthographie:

всем нам отлично известно, что мы готовимся к войне на западной границе, по преимуществу с немцами (Австро-Венгрия и Германия), а потому все наши предположения при обучении здесь должны основываться на том, что мы ведем войну с немцами, одна из маневрирующих сторон должна называться немцами и т.п.; но не только войска, а и весь народ русский должны быть приучены к мысли, что мы готовимся и должны драться с немцами и обязательно должны их разбить, хотя бы и пришлось при этом положить сотни тысяч жизней, что наш истинный и неутомимый враг немец и уничтожить следует именно немецкие государства.


EDIT:
Der Autor des Aufsatzes lässt sich anscheinend nicht sicher identifizieren; er schreibt unter dem Pseudonym "А. Эсъ"; es wird vermutet, dass ein Oberst Wassilij Jakowlewitsch Teterewjatnikow dahinterstecken könnte.


Super,
echt interessant. Ich kann leider kein russisch und hab das mal übersetzt mit Deepl.
Ich hab keine Übersetzung hier gesehen:

Wir alle wissen sehr gut, dass wir uns auf einen Krieg an der Westgrenze vorbereiten, hauptsächlich mit den Deutschen (Österreich-Ungarn und Deutschland), und deshalb müssen alle unsere Annahmen in der Ausbildung hier auf der Tatsache beruhen, dass wir uns im Krieg mit den Deutschen befinden, eine der Manöverparteien muss als Deutsche bezeichnet werden usw.; aber nicht nur die Truppen, sondern das ganze russische Volk muss gelehrt werden, zu denken, dass wir uns vorbereiten und gegen die Deutschen kämpfen und sie definitiv besiegen müssen. Selbst wenn wir Hunderttausende von Leben lassen müssen. Es ist klar, dass unser wahrer und unermüdlicher Feind der Deutsche ist und dass es die deutschen Staaten sind, die zerstört werden müssen.

Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)
 
Ganz sicher nicht, von mir aus kann @andreassolar oder sonst jemand die Frage auch ein drittes oder viertes Mal beantworten. und von mir aus kannst Du sie natürlich gern auch noch ein viertes oder fünftes Mal stellen, wenn Du mit den Antworten nicht zufrieden bist.

Das Problem ist aber, dass hier sehr locker eine Meinung abgewatscht wird, die Basis für diese Argumentation aber sowas von dünn ist, dass dieses Abwatschen nicht gerechtfertigt ist.
Ich glaube nicht, dass man so andere Leute überzeugen kann.
 
Ich hab keine Übersetzung hier gesehen:

Kuhls Übersetzung wurde doch schon zitiert:

„Uns allen ist sehr wohl bekannt, daß wir uns auf einen Krieg an der Westfront, vornehmlich gegen die Deutschen (Österreich-Ungarn und Deutschland) vorbereiten. Deshalb müssen alle unsere angenommenen Kriegslagen bei Truppenübungen darauf gerichtet werden, daß wir mit Deutschen Krieg führen, z. B. muß immer eine der manövrierenden Parteien die 'deutsche' heißen. Doch nicht nur die Truppe, das ganze russische Volk muß daran gewöhnt werden, daß wir uns zum Vernichtungskampf gegen die Deutschen rüsten und daß die deutschen Reiche vernichtet werden müssen, und wenn wir dabei hunderttausende von Leben verlieren müssen."



Das Problem ist aber, dass hier sehr locker eine Meinung abgewatscht wird,
Das verstehe ich nicht. Wer watscht welche Meinung ab?
 
Historisch gab es für die Österreicher wenig Anlass auf diese Region ein gesonderts Augenmerk zu richten, weil sie Strategisch nicht soooo interessant war.
Hätte es da eine größere russische Präsenz gegeben, hätte das aber natürlich auch die strategischen Auffassungen der K.u.K.-Streiträfte geändert.

Nein, das stimmt nicht und ist gleich doppelt falsch.
Wenn hier von einem anderthalbjährigen Krieg gegen Montenegro gesprochen wird, stimmt das nicht.
Ich hab bei WIkipedia nachgeschaut.
begann Österreich-Ungarn am 6. Jänner 1916 den Feldzug in Montenegro, gegen die ins Land zurückgewichenen Teile des serbischen Heeres. Am 16. Jänner war ganz Montenegro besetzt und kapitulierte am 23. Jänner. König Nikola I. und seine Regierung flohen ins Exil über Italien nach Frankreich.
Du kannst auch mal auf der Landkarte nachschauen, Montenegro ist ein kleiner Staat!!
Außerdem hatte Österreich daran ein Interesse, weil der südlichste Hafen in der Bucht von Kotor lag.
Diesen Hafen hätte man von den Bergen des Lovcen beschießen können. Aus diesem Grund war die Eroberung wichtig.
Erik von Merizzi hatte 1906 schon gewarnt, dass Montenegro nicht viel mehr tun müsste, als eine Straße Richtung Küste zu bauen, um den schmalen Küstenstreifen der dalmatinischen Küste zu bedrohen.
Quelle: Hier:
 
Warum hätte sich Deutschland, sofern Großbritannnien seine Neutralität erklärt hätte sklavisch an den Schlieffenplan halten sollen?

Es gab ja keine alternative Planung. Der Große Aufmarsch Ost war bekanntermaßen eingestellt worden. Du erinnerst dich, das Moltke kur vor dem Zusammenbruch war. als Wilhelm II. das Heer, während des begonnen Aufmarsches, aufgrund unzutreffender Annahmen der Haltung Großbritanniens, nach Osten umleiten wollte.
 
Weil es keinen anderen militärischen Plan (mehr) gab, der "Aufmarschplan Ost" war schon lange nicht nur ad acta gelegt worden (dann hätte man ja darauf zurückgreifen können), er war einfach nicht entwickelt worden.
Der war vor gerade einmal einem Jahr ad acta gelegt worden. Bis 1913 wurde noch mit dem Aufmarsch-Ost geplant, dass hätte man raktivieren können.
So viel hatte hatte sich binnen Jahresfrist nicht geändert.

Aufmärsche wie in früheren Zeiten waren ohne grundlegende Planung, insbesondere beim notwendigen Bahntransport, nicht mehr "ad hoc" machbar.
Nicht, wenn sie im anvisierten Zeitfenster stattfinden sollten. Aber gerade das wäre ja ohne den Zwang des Schlieffenplans nebensächlich gewesen.

Als KWII. im Zuge des Lichnowsky-Zwischenfalls Moltke wegen des Missverständnisses im hinblick auf britische Neutralität (den Zwischenfall darf auch @Turgot nebenbei gesagt gerne mitdenken), anwies die Aufmarsch zu ändern und nach Osten zu verlegenn, bekam er von Moltke die Antwort, dass kurzfristiges Umdirigieren nicht möglich sei und der Aufmarsch ausgeführt werden müsse, danach wäre es möglich Verbände nach dem Osten zu verlegen.

Da der Deutsche Aufmarsch sehr viel schneller erfolgte, als der Russische erfolgen konnte, wäre es zeitlich auch kein Problem gewesen zunächst den Westaufmarsch auszuführen und dann anzufangen Kräfte nach dem Osten zu verlegen.
Bei der langsamen Geschwindigkeit des russischen Aufmarsches, wären trotzden rechtzeitig genügend Truppen vorhanden gewesen um die Österreicher zu unterstützen.

Hätten Russland und Frankreich beide gegen Deutschland mobil gemacht, hätte man einen Aufmarsch zunächst im Westen auch aus Londoner Sicht kaum als aggressiven Akt ansehen können.

Hätte Frankreich unterlassen einer russischen Mobilisation sofort zu folgen, hätte man zunächst bereits aktive Formationen des Friedensheeres in den Osten verlegen und den Westaufmarsch etwas verlangsamen können, um die westlichen Nachbarn nicht zu beunruhigen.

Ohne den zeitlichen Zwang des Schlieffenplans, wissend, dass die Russen vom ersten Mob-Tag an Wochen brauchen würden um ihr Heer ampfbereit aumarschieren zu lassen, wäre das möglich gewesen.
Hätten Russland oder Russland und Frankreich völlig ohne jeden ersichtlichen Grund gegen Deutschland und/oder Österreich vollmobil gemacht und damit die Absicht purer Agression offen zu erkennen gegeben, wäre auch damit zu rechnen gewesen, dass eine Garantie der britischen Neutralität, wenn man selbst angeboten hätte sich im Westen rein auf die Verteidigung der Reichsgrenze zu beschränken, wahrscheinlich recht schnell zu bekommen gewesen wäre, im Besonderen wenn an eine Anfage danach öffentlich lanciert hätte, denn ansonsten hätte die britische Regierung ihrer Bevölkerung erklären müssen, warum sie qua Verweigerung einer solchen Garantie die Agressoren unterstützte.
 
Der war vor gerade einmal einem Jahr ad acta gelegt worden. Bis 1913 wurde noch mit dem Aufmarsch-Ost geplant, dass hätte man raktivieren können.
So viel hatte hatte sich binnen Jahresfrist nicht geändert.

Die Begründung für die Einstellung an den Arbeiten für den Großen Aufmarsch Ost war, das dem Generalstab der Aufwand für West und Ost Jahr für Jahr die Pläne zu überarbeiten. Da muss also schon ein gewisser Aufwand betrieben worden sein. Sonst wäre Moltke ja auch so "abgedreht".
 
Nein, das stimmt nicht und ist gleich doppelt falsch.
Wenn hier von einem anderthalbjährigen Krieg gegen Montenegro gesprochen wird, stimmt das nicht.
Ich hab bei WIkipedia nachgeschaut.
begann Österreich-Ungarn am 6. Jänner 1916 den Feldzug in Montenegro, gegen die ins Land zurückgewichenen Teile des serbischen Heeres. Am 16. Jänner war ganz Montenegro besetzt und kapitulierte am 23. Jänner. König Nikola I. und seine Regierung flohen ins Exil über Italien nach Frankreich.
Du kannst auch mal auf der Landkarte nachschauen, Montenegro ist ein kleiner Staat!!
Außerdem hatte Österreich daran ein Interesse, weil der südlichste Hafen in der Bucht von Kotor lag.
Diesen Hafen hätte man von den Bergen des Lovcen beschießen können. Aus diesem Grund war die Eroberung wichtig.
Erik von Merizzi hatte 1906 schon gewarnt, dass Montenegro nicht viel mehr tun müsste, als eine Straße Richtung Küste zu bauen, um den schmalen Küstenstreifen der dalmatinischen Küste zu bedrohen.
Ich wiederhole mich nochmal:

Es ist relativ unsinnig, sich auf die tatsächlichen Kriegsereignisse zu beziehen, wenn man ein hypothetisches Szenario diskutieren möchte.

Realiter gab es zu Kriegsbeginn keine starken Kräfte der Entente im Westbalkan, auf die die militärischen Planer der Donau-Monarchie achten mussten und deswegen wurden natürlich auch keine Gegenmaßnahmen únternommen.

Hätte es eine eine ernstzunehmende dauerhafte russische Marinepräsenz in Durazzo gegeben, von der man von österreichischer Seite her ausgegangen wäre, dass man sie zügig hätte ausschaltenn müssen, hätte man das, anders als es in der Realität geschah im Aufmarschplan berücksichtigt und Truppen dafür abgestellt.

Die Möglichkeit von Lovcen aus Cattato zu beschießen war völlig irrelevant, so lange es dort keine Truppen gab, die das hätten tun können.

Realiter gab es an ernstzunehmenden Ententekräften im Westbalkan zunächst nur die serbische Armee und die konnte man vom der Donau und von Bosnien her in die Zange nehmen (zumindest dachte man sich das so). Womit alles andere im Westbalkan erstmal nicht relevant war.
Und selbstverständlich wäre auch zu beachten, dass damals allgemein (schon wegen der Munitionsproblematik) auf einen kurzen Krieg von allenfalls 3-4 Monaten gerechnet wurde.
Unter diesen Umständen machte man sich natürlich relativ wenig Gedanken darüber, ob die Ententemächte irgendwo in den Kolonien Truppen zusammenkratzen und sie dann in den Westbalkan verlegen und sie dort gefährlich werden könnten.
Das ergab sich erst als im Herbst 1914 die Pläne beider Seiten scheiterten und sich ein längerer Krieg abzeichete.

Wäre Albanien an Serbien gegangen, inklusive russischer Präsenz und die Österreicher hätten auch damit rechnen müssen, gegebenenfalls dort einzudringen um der serbischen Armee die Rückzugsräume zu versperren um sie stellen und vernichten zu können, hätte Wien das grundsätzlich anders geplant.



Bleibt das Argument, dass man eine Stützpunkt dort zur See von Cattaro aus ganz gut hätte bekämpfen können, bleibt die Versorgungsproblematik für Durazzo und der außenpolitische Schaden, den dass für Russland vielleicht in Großbritannen, jedenfalls aber in Italien bedeutet hätte.
Denn hätte sich Russland dort festgesetz, sich damit in Italiens Interessenssphäre eingemischt, und Italien die Möglichkeit verbaut dort selbst anzufangen eine aktive Balkanpolitik zu betreiben, hätte es durchaus sein können, dass sich Italien bei allen Differenzen mit Österreich wegen des Trentino, möglicherweise doch auf die Seite der Zentralmächt geschlagen hätte, wäre es zum Konflikt unter Einbeziehung des Westbalkans gekommen.

Dann wäre nämlich Rom möglicherweise zu dem Schluss gekommen, dass ein vergleichsweise schwaches Österreich in der Nachbarschaft möglicherweise das geringere Übel sein könnte, als ein sehr viel mächtigeres Russland, das verhindert, dass man selbst die Straße von Otranto kontrollieren und seine Hand auf die albanischen Ölquellen (italienisches Energeiproblem) legen könnte.

Außenpolitische Reibungen Russlands mit Italien, die möglicherweise dafür hätten sorgen können Italien wieder enger in das Bündnis mit der Donaumonarchie zu binden, wären darüber hinaus auch für Frankreich, dass dann Verteidigungstechnisch vielleicht doch etwas für die Alpengrenze hätte tun müssen, eine Belastung gewesen.



Unabhängig von militärischen Wert eines solchen Stützpunktes (den ich nach wie vor für tendenziell eher gering halte), wäre er außenpolitisch die damit verbundene ziemlich sichere Feindschaft Italiens nicht wert gewesen.
Da hätte man sich sinnvoller Weise besser einen Standort gesucht, bei dem man Rom nicht massivst auf die Füße getreten wäre.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Begründung für die Einstellung an den Arbeiten für den Großen Aufmarsch Ost war, das dem Generalstab der Aufwand für West und Ost Jahr für Jahr die Pläne zu überarbeiten. Da muss also schon ein gewisser Aufwand betrieben worden sein. Sonst wäre Moltke ja auch so "abgedreht".
Ich werde dich nicht daran erinnern müssen, was Moltke im Hinblick auf die Möglichkeit sagte nach erfolgtem Aufmarsch Truppen nach Osten zu verlegen?
Und ich denke du weißt auch relativ genau, wie lange Russland für seinen Aufmarsch brauchte.

Also worüber streiten wir?
Selbst wenn es nicht zu ändern gewesen wäre und der Westaufmarsch erst hätte stattfinden müssen, die Differenz zwischen dem deutschen und dem russischen Mobilisierungstempo hätte immernoch ein Zeitfenster eröffnet, dass ausgereicht hätte nach erfolgtem Westaufmarsch erhebliche Kräfte nach Osten zu verlegen, bevor die Russen hätten aktiv werden können.

Selbst wenn sie bereits hätten aktiv werden können, hätte schon die nicht zu den russischen Bahnen passende westeuropäische Spurweite des Eisenbansystems de russischen Vormarsch so sehr verlangamt, dass dass die nicht weit gekommen wären, bis man in der Lage gewesen wäre massive Kräfte umzugruppieren.
 
Die Position Poincarés in der französischen Politik Ende 1913 bis Frühjahr/Frühsommer 1914 wird u.a. in den Ausführungen von Klaus Wilsberg in "Terrible ami - aimable ennemi". Kooperation und Konflikt in den deutsch-französischen Beziehungen 1911-1914. (1998) S. 102 gut und zutreffend abgebildet. Er notiert u.a.:

[...] Insgesamt zeichnete sich in den deutsch-französischen Beziehungen seit Dezember 1913 eine spürbare Entspannung ab. Diese hatte ihre Ursachen im Abflauen der Feindseligkeiten auf dem Balkan, im Abschluß der Rüstungsdebatten, im Erfolg der Verhandlungen über die kleinasiatischen Bahnprojekte, aber auch in der innenpolitischen Niederlage Poincarés, die Frankreich in den Augen der Reichsleitung geschwächt erscheinen und die Hoffnung auf ein deutschen Zielen eher gewogenes Kabinett aus Linksrepublikanern wachsen ließ. [...]

Poincarés Stellung und Einfluss als Staatspräsident blieb im genannten Zeitraum eher prekär, u.a. durch die einflussreiche und breite Opposition aus Sozialisten, Radikalen, Linksrepublikanern, die sich auch nicht in die durch den angeblichen, sofort und umfassend wirksamen Aufruf Poincarés an 'die Bevölkerung Frankreichs' in eine vermeintlich landesweite Front der Kriegsbereiten - natürlich gegen Deutschland - einreihen lassen.

Diese politischen Ungewissheiten/Instabilitäten in jenen Monaten in Paris waren ein bedeutsamer Grund für publizistische und sonstige Aktionen in Russland, um die französische hohe Politik an die Erfüllung der Bündnispflichten, der militärpolitischen und militärischen Ziele und Maßnahmen zu erinnern, zu binden. Innerhalb kurzer Zeit hatten mehrfache Regierungswechsel in Paris statt gefunden, wie bekannt, mit zunehmend politisch progressiver Ausrichtung.



Dafür wird paar Seiten weiter in GP 39, S. 163, ein Kabel des dt. Botschafters in St. Petersburg vom 1. März 1913 an RK von Bethmannn abgedruckt. U.a. steht dort in seinem Bericht an Bethmann:

An leitender Stelle mahnt die „Nowoje Wremja'' heute Frankreich an seine Bündnispflichten in militärischer Hinsicht. Die Bevölkerung des Deutschen Reichs übertreffe diejenige Frankreichs um 50 Prozent, und die deutsche Armee in ihrem Friedensbestande sei um 30 Prozent stärker als die französische. Die russische Armee werde infolge der riesigen Ausdehnung des Reichs nur sehr langsam mobilgemacht werden können, Frankreich werde daher dem ersten Ansturm der Gegner, die den Krieg ganz plötzlich eröffnen würden, allein standhalten müssen. „Die Einführung des dreijährigen Fahnendienstes in Frankreich wird den Friedensbestand seiner Armee erhöhen und jedenfalls die numerische Stärke sowie die Schlagfertigkeit der ersten Verteidigungslinie vermehren, von deren Zuverlässigkeit die Sicherheit Frankreichs und der glückliche, schnelle Ausgang des möglichen Konflikts abhängen. Die Sicherheit Frankreichs ist seine eigene Sache. Daß Rußland genügende Zeit gewährt wird, seine Armee auf den Kriegsfuß zu stellen, gehört schon zu den Pflichten der Verbündeten. Als Freunde des französischen Volkes wünschen wir die Verstärkung seines lebendigen Schutzes, der Armee, auf der gefährdeten Seite; als Verbündete sind wir berechtigt, diesen Wunsch als eine direkte Forderung hinzustellen."

Und die Nowoje Wremja war offenbar einflussreich, gut vernetzt und 'bedeutend'. Es ist die wiederholte gleiche Mahnung aus St. Petersburg an die Pariser Adresse....auch nach dem Amtsantritt Poincarés als Staatspräsident und nachdem dieser unmittelbar zuvor bereits ein Jahr als MP in Paris die nationale wie auch internationale französische Politik prägen konnte.

Am 13.Juni [1914] titelte die Tageszeitung Birschewija Wedomosti (Börsennachrichten) mit der Schlagzeile: "Russland ist bereit, Frankreich müsse es auch sein." Der deutsche Botschafter Poutales in Petersburg brachte in Erfahrung, das kein anderer als Kriegsminister Suchomlinow hinter diesen Artikel steckte. (2)​
Präziser notiert GP 39, S. 586 f. u.a., dass der genannte Artikel mit der Überschrift 'Russland ist bereit, Frankreich muss es auch sein' im Auftrag von Suchomlinow am 13. Juni veröffentlicht wurde. Grund war der Sturzes des erst am 9. Juni 1914 angetretenen und am 12. Juni bereits wieder zurück getretenen Pariser Kabinett Ribot unter dem gleichnamigen Premierminister, der erhebliche Ungewissheit in Moskau über die weitere konsequente Durchführung der neuen dreijährigen Dienstzeit in der franz. Armee ausgelöst hatte, wie man dem Artikel - siehe GP S. 587 - 589 - entnehmen konnte​

Ein größerer Auszug aus dem Zeitungartikel vom 13. Juni 1914, Birschewija Wedomosti (aus GP 39, S. 588 f.)

„In Frankreich", schreibt das Blatt, „ist wiederum eine Ministerkrisis. Das Ministerium Ribot hat nicht das Vertrauen der Kammer erhalten
und ist nach der ersten Erklärung- genötigt gewesen, Herrn Poincare seinen Abschied anzubieten. Rußland wird es sich niemals erlauben, sich in die inneren Angelegenheiten fremder Länder einzumischen, aber es kann nicht völlig gleichgültig der sich in die Länge ziehenden Krisis zuschauen, welche die Regierung des befreundeten und verbündeten Landes durchlebt. Wenn das französische Parlament sich für berechtigt gehalten hat, sich über eine so innere Angelegenheit Rußlands, wie es Kriegsbestellungen sind, im Zusammenhange mit den wirtschaftlichen Vorteilen zu äußern, die daraus dem Lande erwachsen, bei welchem die Bestellungen gemacht werden, so kann erst recht Rußland eine rein politische Frage nicht gleichgültig sein, die leider den Gegenstand des Streites zwischen den Parteien des französischen Parlaments bildet. Diese
Frage betrifft die soeben erst in Frankreich eingeführte dreijährige Militärdienstzeit. Wir haben aus einwandfreier Quelle Nachrichten erhalten, die
keinen Zweifel darüber lassen, daß es in dieser Frage für Rußland nur eine Auffassung geben kann. Rußland hat alles getan, wozu es durch
das Bündnis mit Frankreich verpflichtet ist, und muß natürlich erwarten, daß auch unser Verbündeter seine Verpflichtungen erfüllt. [...]​
Es ist daher ganz natürlich, daß wir erwarten, daß Frankreich jene 770 000 Mann stellt, die nur bei Beibehaltung der dreijährigen Dienstzeit aufgebracht werden können. [...]​
Deshalb hoffen wir, daß es der französischen Regierung gelinge, das für Frankreich so notwendige Gesetz über die dreijährige Dienstzeit aufrecht zu erhalten. [...]​


Die Kölnische Zeitung vom 10. Juli 1914 berichtet im Artikel Frankreich als Vorspann des Panslawismus in Sicht auf den kommenden Besuch der französischen Staatsspitze mit Staatspräsident Poincare in St. Petersburg wenig Tage später u.a.:

Allmählich sickern die Wünsche durch, die diejenigen russischen Politiker, die in dem Zweibund nur ein Schreckmittel gegen Deutschland sehen , für den bevorstehenden Besuch Poincarés haben . Die jüngsten, sehr wenig aufgeklärten Mißverständnisse zwischen den beiden Verbündeten über die Möglichkeit für Frankreich, dauernd an der dreijährigen Dienstzeit festzuhalten, werden zunächst mit großer Schärfe von der Nowoje Wremja wieder aufgenommen. Die Bedenken, daß die Produktivkräfte Frankreichs durch das Gesetz schwer geschädigt werden und daß diejenigen Franzosen, die für die Großmannssucht der Panslawisten gar kein Verständnis haben , am eigenen Leibe die Rückwirkung der Bundesgenossenschaft spüren müssen, will das Blatt nicht gelten lassen.[....]
Die Bürde der allgemeinen Wehrpflicht müßten alle Völker gleichmäßig tragen. Man könne es begreifen, daß die Franzosen sie gern los sein wollten. In der ihnen von Berlin eingeflüsterten Richtung liege aber diese Befreiung nicht. Frankreich müsse mit Rußland Hand in Hand gehen, um alle kleinern Staaten Europas unter dem Banner des Zweibundes zu sammeln.[...]

Die Konstanz der ähnlichen russ. öffentlichen Botschaften 1913/1914 an die französische Politik + Öffentlichkeit zeigt die fortdauernden Ungewissheiten/Unsicherheiten in den Bündnisbeziehungen zw. Frankreich und Russland, unabhängig von Poincaré.

Poincaré war den Besuch in St. Petersburg im Juli 1914 entsprechend wohl u.a. mit der Absicht angetreten, die in beachtlichen Teilen der russ. Öffentlichkeit, bei den Panslawisten, Entscheidern und bedeutenden Akteuren vorhandene, aufgelaufene, aktuelle Skepsis (teils anscheinend sogar Ärger) gegenüber dem französischen Leistungs- und Beistandswillen mit besonders betonten Versicherungen der Bündnistreue, der engen Beziehungen und des Leistungswillen im Beistandsfall zumindest für die nächste Zeit zu beseitigen, zu reduzieren.
 
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