Schlieffen-Plan und Marneschlacht

Nix verbissen sehen.
Ihr habt hier klasse Beiträge geschrieben.
Und dass man mal anderer Meinung ist, ist das Salz in der Suppe der Diskussion.:friends:

Meiner völlig unmaßgeblichen Meinung nach zeigt sich in der Marneschlacht die, Stand September 1914, deutlich hinterherhinkenden Aufklärungs- und Führungsmitteln.

Millionenheere aufmarschiert über ein paar hundert Kilometer Breite, offene Flanken wie Scheunentore, und kein Schimmer wo was der Gegner macht.
Nur ein geringer Schimmer, was wo die eigenen Armeen machen.


Dem ist der Abbruch der Schlacht geschuldet.


Mag ja sein, dass bei einem weiteren durchfechten Moltke die Schlacht gewonnen hätte.
Und dann? Frankreich geschlagen, aber noch lange nicht besiegt. Siehe 1870 nach Sedan.

Und wenn er sie verloren hätte?
Krieg verloren. Unzweifelhaft.
 
Meiner völlig unmaßgeblichen Meinung nach zeigt sich in der Marneschlacht die, Stand September 1914, deutlich hinterherhinkenden Aufklärungs- und Führungsmitteln.

Millionenheere aufmarschiert über ein paar hundert Kilometer Breite, offene Flanken wie Scheunentore, und kein Schimmer wo was der Gegner macht.
Nur ein geringer Schimmer, was wo die eigenen Armeen machen.
Interessanter Aspekt. Dass das Fehlen von Kommunikationsmitteln die Möglichkeiten der Gefechtsführung auf taktischer Ebene stark eingeschränkt hat, ist ja schon angeklungen. Zum Beispiel waren Zielangaben für die Artiellerie zumeist schon ziemlich "alt", wenn sie bei den Batterien ankamen und Reaktionen auf Änderungen der Lage waren nur in Ausnahmefällen (direktes Richten oder feste Stellung mit Feldtelefon) möglich.

Das muss sich natürlich auch im strategischen Bereich ausgewirkt haben. Wie viel wussten die Kommandeure der einzelnen Verbände eigentlich über die Entwicklungen an anderen Frontabschnitten? War unter diesen Bedingungen ein Bewegungskrieg mit "aufgelösten" Verbänden überhaupt möglich? Einheiten, die losgelöst vom restlichen Heer operierten, hätten sich dann quasi "blind" darauf verlassen müssen, dass an allen anderen Orten alles nach Plan verläuft - was bekanntlich so gut wie nie der Fall ist. Das würde bedeuten, dass die Truppen gar keine andere Wahl hatten, als in enger Tuchfühlung zu einander zu bleiben, um die Nachrichtenweg einigermaßen kurz zu halten.

Welche Kommunikationsmittel standen eigentlich zur Verfügung? Und in welchem Umfang? Ich weiß, dass Feldtelefone im Einsatz waren. Die waren allerdings nur über kürzere Entfernungen und nur in gesicherten Gebieten (fest ausgebaute Stellungen) nutzbar. Funkgeräte gab es auch schon. Aber die waren noch nicht "mobil" sondern nur fest montiert, also stationär oder in Schiffen und Fahrzeugen einsetzbar.

MfG
 
Jup, die Lücke in der Front der Deutschen wurde durch Flugzeuge entdeckt.

Aber zum Thema Luftaufklärung: Die Kommandeure zweifelten nicht ohne Grund, an der Brauchbarkeit der Luftaufklärung. Da die Luftaufklärung so jung war hatten die Beobachter auch noch nicht die Erfahrung aus der Luft irgend etwas brauchbares zu erkennen. Da wurden schon Schatten von Sträuchern als Zelte mißinterpretiert und Ähnliches.
Als unverzichtbar entwickelte sich die Luftaufklärung erst im Laufe des Krieges.
Noch was: Die Ballonbeobachter hätte es fast gar nicht mehr gegeben, da sie im Bewegungskrieg eher unbraucbar waren. Erst mit dem Stellungskrieg wurden sie sehr nützlich so dass die Artillerie sich genaue rund schneller einschießen konnte.
Für die Aufklärung hinter den Schützengräben wurde das Flugzeug unverzichtbar. Natürlich auch als Abwehr gegen Beobachtungsflugzeuge und schon war der Luftkampf geboren.
 
Bei der Behauptung, dass das MG in dem Konflikt eine zentrale Rolle spielte, bleibe ich indes.
Das ist auch sicher richtig, und in der Allgemeinheit nicht bestritten worden.
Zur Nachverfolgung:…gefolgt von…
Da Dir die Nachverfolgung nicht gelungen ist, hole ich etwas weiter aus. Kern des Verständnisses der Marneschlacht - nicht der Planungen! - ist die Bewegung von Bülow (2.) und Kluck (1.). Dazu kam der Hinweis auf die „West Point Maps“ und die „Sphinx“ Festung Paris. Siehe:
Ich habe kein einziges Mal mit irgendwelchen West-Point-Karten argumentiert. Ich habe darauf verwiesen, dass Kluck dem Plan zufolge westlich von Paris vorrücken sollte, dass er den Umständen Tribut zollend aber östlich vorgerückt ist und dass diese Entscheidung vom Oberkommando erst nachträglich gutgeheißen wurde. Nun nehme ich zur Kenntnis, dass Du über sechs Jahrzehnte alte Belege verfügst, wonach Klucks Vorgehen von Vornherein geplant gewesen sei.
Die kurze Antwort lautet: Schlieffen, Fragment VI (was Teile von V inkludiert) und VII, in der Fassung von Ritter, oder hier deckungsgleich sogar mit den Hinweisen bei Zuber.

Da das vermutlich nicht verständlich ausfällt, hole ich in Langfassung etwas weiter aus:

Was als Schlieffen-„Plan“ bezeichnet wird, ist eine Denkschrift, angereichert durch fragmentarische Äußerungen und bruchstückhaftem Kartenmaterial aus dem Schlieffen-Nachlass. Dazu gibt es ein Aktenstück, BAMA RH 61/v.96 mit einer Zusammenfassung der Aufmarschpläne 1893/1914, als der Schlieffen-Plan als Dokument noch im Original vorhanden war.

Die „Sphinx“, Festung Paris:
Was als Kartenmaterial in der Literatur unter der Bezeichnung „Schlieffen-Plan“ kursiert, und die Westumgehung von Paris enthält, stammt überwiegend aus der Sammlung „West Point Maps – American Wars“. So auch bei Herwig, Marne 1914, S. 38-39 (kleingedruckt rechts zu erkennen). Dazu habe ich die kurze Bemerkung zitiert: „small maps, big arrows“. Die West-Süd-Umfassung von Paris ist wirklich optisch beeindruckend, nur hat sie einen Schönheitsfehler: sie ist bei Schlieffen (Fragment VI und VII) reine Fiktion.

Die Umgehung erforderte also weitere Truppen, die Schlieffen auf +7 Reservekorps bzw. 24 Divisionen taxiert. Dazu hatte er bereits für den Plan die deutsche Kampfstärke mit 120% des Ist angesetzt, als eine Heeresvermehrung impliziert. Die Karte zu diesem Fragment ist ebenfalls erhalten, siehe Ritter, Karten 3 und 4). Die Klarstellung bei Schlieffen lautet allerdings, dass an Aisne und Oise die deutsche Führung sehen werde, dass diese Unternehmung ihre Möglichkeiten übersteigt: „Bevor die Deutschen die Somme oder die Oise erreichen, werden sie realisieren, wie andere Eroberer vor Ihnen, dass sie zu schwach für das gesamte Unternehmen [Anm: damit ist die Westumfassung von Paris gemeint] sind …“ (Ritter, S. 159, Rückübersetzung von Fragment VI aus dem Englischen).

Die Literatur, zuletzt Herwigs Marne 1914, hat das nicht davon abgehalten, die „großen Pfeile“ auf den „kleinen Karten“ fortzuführen (Schlieffen hatte diese Bewegung in seiner Überprüfung auf Machbarkeit immerhin „gestrichelt“ eingezeichnet – soweit hatte er gar nicht geplant).

v.Klucks „Schwenk“ von Südwest auf Südost:
Der war forciert, und das wusste auch der Generalstab, denn er hatte überhaupt nicht den Truppenumfang von min. weiteren 7 Reservekorps bzw. 24 Reservedivisionen hinter der 1. Armee (plus 6 Armeekorps für die Westumfassung Paris, plus 10 Armeekorps Paris-Oise-Aisne) , die diese West-Süd-Umfassung überhaupt durchführen konnte. Wir sind hier also im Bereich der Phantasie, was

a) nicht die deutsche Nachkriegsliteratur in ihren Erklärungsversuchen davon abhielt, Klucks Schwenk mit als Erklärung für die überraschende Niederlage zu verwenden. Für die Südwestrichtung waren hinter Compiegne überhaupt keine Kräfte verfügbar.

b) die allierte Literatur benutzte, um den Flankenstoß („Führung“) als entscheidendes Kriterium für die Niederlage zu verwenden. Tatsächlich war Kluck rechts, frontal und links in der Lücke „gepackt“ und „outnumbered“. Es blieb ihm nichts als der Rückzug.

Kluck selber überschätzte sogar noch die ihm gegenüberstehenden Kräfte (was natürlich der Exkulpation diente).
Die Frage ist also nicht, ob Kluck auf Südost drehte, sondern wann. Das wird ihm der Moltke-Plan vorgegeben haben, wiederholt hat das der Operationsbefehl vom 2.9.1914, der von der Masse der frz. Streitkräfte auf der Flucht, großen Siegen und einem Packen in der Flanke ausging. Das Eindrehen östlich Paris mit diesem Szenario war auch bei Schlieffen schon enthalten, wenn die Sache „gut lief“.
Ungeachtet des Umstands, dass ich mich zu West-Point-Karten nicht geäußert habe, stelle ich fest, dass das deutsche Oberkommando die "bekanntliche" Weisung einer "möglichst kampflosen" Umfassung dann sehr eigentümlich formuliert hat. Befehl vom 5. September 1914: … Meine Phantasie reicht jedenfalls nicht, um in den Zeilen Umschreibungen für "Umgehen" oder "möglichst kampflos" zu finden. Deshalb bin ich bislang davon ausgegangen, dass das deutsche Oberkommando geplant hatte, die entscheidende Schlacht nahe der schweizerischen Grenze zu führen und dass weder Schlieffen noch seine Nachfolger von den Franzosen das höfliche Entgegenkommen erwartet haben, sich freiwillig in jenem Kessel nahe der Schweiz einzufinden.
Lies Dir bitte nochmal die Literatur zur Schlieffen-/Moltke-Planung durch, dann die Kampagne mit Stand Anfang September 1914. Dann wird das Problem schnell erhellen. Beides hat nach dem 25.8.1914 nichts miteinander zu tun, da Moltke die Planung spätestens Mitte 3. Dekade August, vor dem ersten Operationsbefehl die/seine/auch Schlieffens Planung bereits verlassen hatte und nun Befehle nach Lage gab. Du vermischt hier also a) Schlieffens Grundidee, b) Moltkes Aufmarschpläne und Variationen, mit der c) realen Situation am 2.9. bzw. 5.9.1914 (die nichts mehr mit Plänen zu tun hatten)

Hätte ich das gemeint, hätte ich von einer "endlosen" Front gesprochen. Ich habe aber das Wort "geschlossen" verwendet. Und das bezieht sich auf die Vorgänge ZWISCHEN den Flügeln - also rechts des linken und links des rechten Flügels.
Wir können uns auch gern über die Lücken zwischen den 7 deutschen Armeen unterhalten, um das Thema „durchgehende Front“ aufzuhellen. Oder über die Technik der Vormarsches, in Reihen hintereinander gestaffelt. Beides führt zum gleichen Ergebnis: keine geschlossenen Fronten bis zum Rückzug zur Aisne und danach zum Wettlauf zum Meer.
Daran lässt der eben verlinkte Befehl auch keinen Zweifel. Er sagt klar, dass der ursprüngliche Plan vorsah, die französischen Truppen Richtung Schweiz ABZUDRÄNGEN - und dass der Aufmarsch zur Marne-Schlacht das Eingeständnis war, dass dieser Plan gescheitert und undurchführbar geworden war.
Richtung Schweiz bezieht sich ausgehend auf die Linie Reims-Verdun-Epinal. Abdrängen heißt ausweislich der Schlieffen-Karten nicht, „kämpfend“ zurückzudrängen. Die prognostizierte französische Flucht von dieser Linie nach Süden/Osten – etwa in das Dreieck Traves-Dijon-Langres – ergibt sich mit der Umfassung weit im Rücken. Im Rückraum – der die Fluchtbewegung aus der weit entfernten Festungslinie forciert - sahen Schlieffen wie Moltke überhaupt keine wesentlichen frz. Verbände.

Da bleibt mir keine andere Wahl als mich Deiner Aussage zu beugen, dass Schlieffen vorgeschlagen hat, mit einem unterlegenen rechten Flügel eine Invasion vorzutragen, die aus strategischen Gründen möglichst schnell siegreich beendet werden musste... Kein Wunder, dass das alles schief gegangen ist.
Die unterstellte Aussage zum „Vorschlag“ ist natürlich Unsinn, was die Verdrehung „Aussage“ etwas schwer verdaulich macht.
Im Ergebnis hast Du allerdings Recht: bis zur Marne wurde eine allierte Überlegenheit über den rechten deutschen Flügel, speziell 1. Armee hergestellt (Stärke 1.9.1914: rd. 162.100 Mann). Dagegen stand die 6. Frz. Armee mit 150.000 Mann, sowie das BEF mit 100.000 Mann. Beziehst du es auf eine 2-Flügel-Betrachtung für die rechte Seite in Linie Verdun-Paris: 720.000 Deutsche gegen 1.080.000 Franzosen und Briten (deutsche 1. bis 5. Armee). Daher ist das hier:
Da mir mittlerweile die Lust verlorengeht, mochte ich bei der "Recherche" über Wiki nicht mehr hinausgehen. Da steht, dass an der Marne 1,5 Millionen deutsche Soldaten knapp 1,1 Millionen Soldaten der Entente gegenüberstanden.
ebenfalls Unsinn. Siehe Ist-Stärken der deutschen Armeen 1 bis 7 bei Herwig, Marne 1914, 2009, S. 315.
Und um mein "Geheimnis" zu lüften: "Kombiniert" habe ich die beiden Aussagen, weil sie in Deinem Post unmittelbar hintereinander folgten.
Dem Hinweis zufolge werde ich künftig Gedanken, die nichts miteinander zu tun haben, mit sichtbaren Hinweisen versehen. Das „unmittelbar“ sollte dann kein Problem mehr darstellen.
 
Hier die "Phantasie-Variante" von Schlieffen (Karte 3 bei Ritter):
 

Anhänge

  • Schlieffen_Variante.jpg
    Schlieffen_Variante.jpg
    151,6 KB · Aufrufe: 868
silesia schrieb:
Im Ergebnis hast Du allerdings Recht: bis zur Marne wurde eine allierte Überlegenheit über den rechten deutschen Flügel, speziell 1. Armee hergestellt (Stärke 1.9.1914: rd. 162.100 Mann).

Eine kleine Ergänzung hierzu ;) :

Von Klucks 1.Armee hatte bei den Gewaltmarsch auf Paris und der drückenden Hitze im August 14 zahlreiche Soldaten zurücklassen müssen. Des Weiteren hatte von Kluck Truppen für die Belagerung von Antwerpen und Maubeuge und für den Osten wegen Prittwitz befürchteten Rückzug hinter der Weichsel.
 
Von Klucks 1.Armee hatte bei den Gewaltmarsch auf Paris und der drückenden Hitze im August 14 zahlreiche Soldaten zurücklassen müssen. Des Weiteren hatte von Kluck Truppen für die Belagerung von Antwerpen und Maubeuge und für den Osten wegen Prittwitz befürchteten Rückzug hinter der Weichsel.

Guter Hinweis!

Ursprünglich hatte v.Kluck rund 320.000 Mann. Antwerpen sah bereits Schlieffen in dem 1912er-Memorandum quasi als problemlos an. Für die beiden Brennpunkte sind etwa 1/3 abzuziehen, der Rest ist "Abschmelzung" durch den Vormarsch.
 
Eigentlich wollte ich ja nicht, aber...

Da Dir die Nachverfolgung nicht gelungen ist,....
Das kann auch mit selektiver Wahrnehmung Deinerseits zu tun haben. Um es jetzt mal zusammenzufassen: Du sagst mit dem einen Satz, dass Du die Geschlossenheit der Front schon vor dem Stellungskrieg nicht bestritten habest, um gleich mit Deinem nächsten Satz zu erklären, dass es geradezu lächerlich sei, davon überhaupt zu reden. Und dabei lasse ich es jetzt bewenden!

...hole ich etwas weiter aus. Kern des Verständnisses der Marneschlacht - nicht der Planungen! - ist die Bewegung von Bülow (2.) und Kluck (1.). Dazu kam der Hinweis auf die „West Point Maps“ und die „Sphinx“ Festung Paris.
Das mag ja alles sein. Nur hatte ich mich zur Marne-Schlacht im Besonderen gar nicht geäußert. Ich hatte lediglich darauf hingewiesen, dass die Schlacht an der Marne ein "Wendepunkt" war. Um auch das nochmal mit anderen Worten zusammenzufassen: Mit der Art und Weise, wie die deutschen Truppen zu dieser Schlacht aufmarschiert sind, haben sie eingestanden, dass ihre bis dahin geltenden Pläne gescheitert waren. Deshalb erlaube ich mir, den "Kern des Verständnisses der Marneschlacht" auch weiterhin nicht in den Bewegungen einzelner Heeresabteilungen zu suchen, sondern in den Umständen, die zu diesen Bewegungen geführt haben - besonders weil es sich um Bewegungen handelte, die in den ursprünglichen Plänen nicht vorgesehen waren. Nachlesbar in dem von mir verlinkten Operationsbefehl. Da wird eingestanden, dass ein Plan gescheitert war.

Was als Schlieffen-„Plan“ bezeichnet wird, ist eine Denkschrift, angereichert durch fragmentarische Äußerungen und bruchstückhaftem Kartenmaterial aus dem Schlieffen-Nachlass
...
Die West-Süd-Umfassung von Paris ist wirklich optisch beeindruckend, nur hat sie einen Schönheitsfehler: sie ist bei Schlieffen (Fragment VI und VII) reine Fiktion.
Was willst Du damit sagen? Als Schlieffen seine "Denkschrift" verfasst hat, was das ALLES "reine Fiktion"! Es war ein Gedankenspiel eines hochrangigen Soldaten, der sich überlegt hat, was zu tun ist, um Frankreich schnell zu besiegen. Willst Du andeuten, dass schon Schlieffen zwar von einem Vorstoß westlich von Paris gefaselt hat, aber eigentlich einen Vorstoß östlich meinte? Willst Du sagen, dass das deutsche Oberkommando zwar Schlieffens Plan gefolgt ist, aber seine "fiktive" Westumgehung in eine Ostumgehung gewandelt hat? Ich habe nirgendwo behauptet, dass die deutschen Truppen in allen Einzelheiten Schlieffens Plan gefolgt sind. Zum Beispiel hat Moltke die Truppenverteilung ganz anders gewählt. Aber IN GROBEN ZÜGEN erfolgte der Vorstoß nach Schlieffens Überlegungen. Für das deutsche Oberkommando waren das NICHT bloß Gedankenspiele.

Die Umgehung erforderte also weitere Truppen, die Schlieffen auf +7 Reservekorps bzw. 24 Divisionen taxiert.
Ich habe irgendwo gelesen, dass der offensive rechte Flügel ungefähr die von Schlieffen vorgeschlagene Stärke hatte und dass Moltke lediglich in der Weise davon abgewichen sei, indem er zusätzlich verfügbare Verstärkungen - entgegen dem "Geist" von Schlieffens Plan - dem defensiven linken Flügel zugeschlagen habe. Aber das nur am Rande. Die Grundfrage lautet: Wo siehst Du (oder die Autoren der Quellen, auf die Du Dich stützt) Anzeichen dafür, dass eine "Umgehung" geplant gewesen sei?

Du argumentierst im weiteren Verlauf Deines Beitrags mit einem Operationsbefehl vom 2.9.1914. Ich verweise hier auf den schonmal verlinkten Befehl vom 5.9.. Der sagt ziemlich unmissverständlich, was eigentlich geplant war und was nach dem Scheitern dieser Pläne "alternativ" versucht werden sollte. Zitat:

"Ein Abdrängen des gesamten französischen Heeres in südöstlicher Richtung gegen die Schweizer Grenze ist somit nicht mehr möglich. Es muß vielmehr damit gerechnet werden, daß der Feind zum Schutze der Hauptstadt und zur Bedrohung der rechten deutschen Heeresflanke in die Gegend von Paris stärkere Kräfte zusammenzieht und Neubildungen heranführt. Die 1. und 2. Armee müssen daher gegenüber der Ostfront vor Paris verbleiben. "

Aus dieser Passage des Befehls kann man nur schließen, dass eigentlich was anderes geplant war, als das "Verbleiben gegenüber der Ostfront vor Paris" oder gar die Bewegung dorthin und dass von einem Versuch der kontaktlosen Umgehung überhaupt keine Rede sein kann.

Summarisch zu Deinen Aussagen:

- Meine Behauptung, dass die deutschen Truppen mit stark (ich habe von "mehrfach" gesprochen) überlegenen Kräften angegriffen habe, bezog sich nicht auf die Marne, sondern auf den ganzen Feldzug (ist in meinen Beiträgen nachlesbar). Wenn Du der Ansicht bist, dass die angreifenden Truppen UNTERLEGEN waren, dann bitte ich um Belege, denn das wäre - meines Wissens - eine völlig neue Sicht der Dinge. Alle mir bekannten Quellen stimmen darin überein, dass der deutsche Angriff mit deutlich überlegenen Kräften erfolgte. Wenn Du andere Erkenntnisse hast, dann lass uns daran teilhaben.

- Ich bleibe dabei, dass das Ziel dieses Angriffs nicht in einer "möglichst kampflosen" Umfassung lag, sondern dass Zerschlagung und Abdrängung geplant war. Siehe Operationsbefehl.

- Ich bleibe auch dabei, dass Umgehungsversuche erst unternommen wurden, als der Versuch des Durchbruchs (an der Marne) gescheitert war.

Übrigens hoffe ich, dass das Wort "alternativ" Dich jetzt nicht wieder stört.

MfG
 
Was willst Du damit sagen? Als Schlieffen seine "Denkschrift" verfasst hat, was das ALLES "reine Fiktion"! Es war ein Gedankenspiel eines hochrangigen Soldaten, der sich überlegt hat, was zu tun ist, um Frankreich schnell zu besiegen. Willst Du andeuten, dass schon Schlieffen zwar von einem Vorstoß westlich von Paris gefaselt hat, aber eigentlich einen Vorstoß östlich meinte? Willst Du sagen, dass das deutsche Oberkommando zwar Schlieffens Plan gefolgt ist, aber seine "fiktive" Westumgehung in eine Ostumgehung gewandelt hat? Ich habe nirgendwo behauptet, dass die deutschen Truppen in allen Einzelheiten Schlieffens Plan gefolgt sind. Zum Beispiel hat Moltke die Truppenverteilung ganz anders gewählt. Aber IN GROBEN ZÜGEN erfolgte der Vorstoß nach Schlieffens Überlegungen. Für das deutsche Oberkommando waren das NICHT bloß Gedankenspiele.

Schlieffen selbst bezeichnet das als "Erkenntnis" der Generalität in Fragment VI und VII. Warum er das tut? Einfache Erklärung in zwei Teilen:

a) die Schlieffen-Denkschrift ist überschrieben "Krieg gegen Frankreich", und somit eine Planstudie für den Ein-Fronten-Krieg. Das rechtfertigt erstmal die 120%.

b) die Schlieffen-Denkschrift ist durch diese Schlußfolgerung eine Forderung nach Heeresvermehrung. Indem sie den Schlüssel zum Sieg aufzeigt, impliziert Schlieffen eine Rüstungsforderung.

"Kriegsspiele" als Planübungen gab es übrigens viele. Dein Missverständnis ist hier zu unterstellen, dass das deutsche Oberkommando eine Westumgehung angestrebt hätte, obwohl von Schlieffen her und auch aus den weiteren Kriegsspielen Moltkes bekannt war, dass mehr Truppen erforderlich sein würden, als vorhanden sind.

Das ist natürlich nicht der Fall. Daraus resultierend ergibt sich, dass Kluck vor Paris eindrehen musste, weil er mit seinen paar Divisionen (selbst wenn Bülow ihm gefolgt wäre, diese Umfassung nicht leisten konnte.

Ich habe irgendwo gelesen, dass der offensive rechte Flügel ungefähr die von Schlieffen vorgeschlagene Stärke hatte und dass Moltke lediglich in der Weise davon abgewichen sei, indem er zusätzlich verfügbare Verstärkungen - entgegen dem "Geist" von Schlieffens Plan - dem defensiven linken Flügel zugeschlagen habe. Aber das nur am Rande. Die Grundfrage lautet: Wo siehst Du (oder die Autoren der Quellen, auf die Du Dich stützt) Anzeichen dafür, dass eine "Umgehung" geplant gewesen sei?
1. Die Schlieffen-Fragmente sind nicht konsequent auf eine Szenario ausgerichtet, sondern berücksichtigen durchaus verschiedene französische Varianten. Wie oben ausgeführt, ist auch bei Schlieffen eine Verstärkung des linken Flügels zu entnehmen, zugunsten Elsaß-Lothringen, nach Lageentwicklung. Das ist logisch, denn letztlich ging es um die Cannaesierung des französischen Heeres, wo es sich ballt.

2. Die Umgehung ist stets geplant, aber kräftemäßig nach der französischen Aufstellung abgestuft. Ich stütze mich hier nicht auf bestimmte Autoren, sondern auf die Summe der Literatur ab Ritter, über den MGFA-Band (Operatives Denken) bis Herwig und Zuber.

Du argumentierst im weiteren Verlauf Deines Beitrags mit einem Operationsbefehl vom 2.9.1914.
Bereits mit diesem Befehl war die 1. auf Flankendeckung zwischen Oise und Marne festgelegt, die 2. im Vormarsch auf Marne westlich Epernay. Ziel konnte für dei 2. damit nur sein, die Flankendeckung Marne-Seine einzunehmen, während der Hauptstoß (Informationslage: Auflösung der frz. Truppen und Rückzug beideseitig Seine nach Westen) durch 3., 4. und 5. Armee südwestlich Verdun erfolgen sollte.

Ich verweise hier auf den schonmal verlinkten Befehl vom 5.9.. Der sagt ziemlich unmissverständlich, was eigentlich geplant war und was nach dem Scheitern dieser Pläne "alternativ" versucht werden sollte. Zitat:

"Ein Abdrängen des gesamten französischen Heeres in südöstlicher Richtung gegen die Schweizer Grenze ist somit nicht mehr möglich.


Nun überlege mal, was diese "Richtung" alles aussagt. Dazu sind die Lagekarten und Meldungen im Ist heranzuziehen. Um es zuzuspitzen: "Richtung Schweizer Grenze" ist alles südlich Verdun!! Das ist eine generelle Angabe.

"Es muß vielmehr damit gerechnet werden, daß der Feind zum Schutze der Hauptstadt und zur Bedrohung der rechten deutschen Heeresflanke in die Gegend von Paris stärkere Kräfte zusammenzieht und Neubildungen heranführt. Die 1. und 2. Armee müssen daher gegenüber der Ostfront vor Paris verbleiben."
Die Lage ist zutreffend beschrieben. Die Idee war ursprünglich der weitere Durchstoß nach Südosten, nun heißt es: "müssen verbleiben"

Aus dieser Passage des Befehls kann man nur schließen, dass eigentlich was anderes geplant war, als das "Verbleiben gegenüber der Ostfront vor Paris" oder gar die Bewegung dorthin und dass von einem Versuch der kontaktlosen Umgehung überhaupt keine Rede sein kann.
So war der Plan. Sinn macht das nur - schon wegen der Vormarschgeschwindigkeit - bei (relativ) kontaktloser Umgehung. Das war im Prinzip schon am Schelde-Kanal/Charleroi gescheitert. Immerhin befanden sich die alliierten Truppen ab hier dann in vollem Rückzug, was dem "kontaktlos" noch nahekommt.

Aus dem Befehl würde ich bezüglich der Planung überhaupt nichts rückschließen, höchstens die grobe Idee.

Wenn Du der Ansicht bist, dass die angreifenden Truppen UNTERLEGEN waren, dann bitte ich um Belege, denn das wäre - meines Wissens - eine völlig neue Sicht der Dinge. Alle mir bekannten Quellen stimmen darin überein, dass der deutsche Angriff mit deutlich überlegenen Kräften erfolgte.
Hinter Oisne/Aisne waren sie wegen der alliierten Konzentrationen unterlegen, daran führt überhaupt kein Weg vorbei. Und das war die Aussage.

- Ich bleibe dabei, dass das Ziel dieses Angriffs nicht in einer "möglichst kampflosen" Umfassung lag, sondern dass Zerschlagung und Abdrängung geplant war. Siehe Operationsbefehl.
Nochmals: Der Befehl entspricht nicht der Planung.
Die Zerschlagung der allierten Heeresmassen war erst südlich davon geplant.
Abdrängung ist nicht gleich Zerschlagung. Allein der zügig geplante Vormarsch offenbart doch, was hier unter Umfassung in der Planung zu verstehen war.

- Ich bleibe auch dabei, dass Umgehungsversuche erst unternommen wurden, als der Versuch des Durchbruchs (an der Marne) gescheitert war.
Die Umgehungsversuche fanden an der Marne durch die alliierten Truppen statt, laufend von Aisne bis Küste. Als der Vormarschversuch von Kluck und Bülow (durch Lücke und anlaufende Überflügelung Klucks) gestoppt war, gab es keine Durchbruchsversuche, sondern einen sofortigen Rückzug.

Meinst Du mit "Durchbruchsversuche" die kurzfristige Defensive Klucks?
 
Schlieffen selbst bezeichnet das als "Erkenntnis" der Generalität in Fragment VI und VII. Warum er das tut? Einfache Erklärung in zwei Teilen:

a) die Schlieffen-Denkschrift ist überschrieben "Krieg gegen Frankreich", und somit eine Planstudie für den Ein-Fronten-Krieg. Das rechtfertigt erstmal die 120%.

b) die Schlieffen-Denkschrift ist durch diese Schlußfolgerung eine Forderung nach Heeresvermehrung. Indem sie den Schlüssel zum Sieg aufzeigt, impliziert Schlieffen eine Rüstungsforderung.
Mehr und mehr frage ich mich, worüber wir eigentlich im Kern unterschiedlicher Meinung sind... Ich habe mal meine persönliche Verstimmung beiseitegeschoben und versucht, alles nochmal nachzuvollziehen. Jetzt die Frage: Kann es sein, dass ich mit dem realen Vollzug argumentiere, wenn Du von den Theorien sprichst, die der Planung zugrunde lagen? Und umgedreht?

Ich glaube, wir reden in gewisse Weise aneinander vorbei.

Beispiel:

"Kriegsspiele" als Planübungen gab es übrigens viele. Dein Missverständnis ist hier zu unterstellen, dass das deutsche Oberkommando eine Westumgehung angestrebt hätte, obwohl von Schlieffen her und auch aus den weiteren Kriegsspielen Moltkes bekannt war, dass mehr Truppen erforderlich sein würden, als vorhanden sind.
Stimmt auffallend. Militär macht in Friedenszeiten nichts anderes als Planübungen. Selbst solche, die den politischen Realitäten nach völlig irrsinnig erscheinen. Auch der Schlieffen-Plan ist so entstanden. Obwohl zu seiner Zeit ein Krieg gegen Frankreich natürlich gar nicht irrsinnig erschien, sondern unterschwellig "ersehnt" wurde. Dass nicht genug Truppen vorhanden waren, um diesen "ersehnten" Krieg mit einer Sieg-Garantie führen zu können, ist auch klar. Ich stimme Dir da in allen Punkten zu (einzige Ausnahme: Ich habe nie den Versuch einer Westumgehung unterstellt. Im Gegenteil). Und dann regt sich trotzdem Widerspruch: Gerade deshalb hat man ja solche Planspielchen gemacht. Es ging darum, Konzepte zu entwickeln, wie etwas, was eigentlich unmöglich zu sein scheint, doch möglich gemacht werden kann. Der Schlieffen-Plan (NICHT Schlieffens Theorie, sondern dessen faktische Umsetzung durch Moltke ab 1914) war der Versuch, genau das zu erreichen.

Du argumentierst mit der theoretische Grundlage für das Planspiel, ich halte mit dem faktischen Versuch der Umsetzung dagegen. Bezüglich anderer Details läuft das genau umgekehrt: Ich verweise auf Pläne, Du stellst dem die tatsächlichen Ereignisse entgegen.

Noch ein Beispiel:
Das ist natürlich nicht der Fall. Daraus resultierend ergibt sich, dass Kluck vor Paris eindrehen musste, weil er mit seinen paar Divisionen (selbst wenn Bülow ihm gefolgt wäre, diese Umfassung nicht leisten konnte.
Wieder stimme ich zu. Kluck musste in der Tat eindrehen. Hätte er nicht gemusst, hätte er es nicht gemacht. Wieder regt sich da aber mein Widerstand! Er MUSSTE, aber laut Plan DURFTE ER EIGENTLICH NICHT. Das ist erst nachträglich legitimiert worden und war schon das Eingeständnis der Niederlage.

Wenn mein Eindruck richtig ist, kommen wir so nicht weiter.

Deshalb mache ich jetzt was Ähnliches wie damals Kluck: Ich ziehe mich auf eine gesicherte Defensivposition zurück und halte erstmal nur noch ein paar strategisch bedeutsame Vorposten:

Nun überlege mal, was diese "Richtung" alles aussagt. Dazu sind die Lagekarten und Meldungen im Ist heranzuziehen. Um es zuzuspitzen: "Richtung Schweizer Grenze" ist alles südlich Verdun!! Das ist eine generelle Angabe.
Die entscheidenden Worte in dem Befehl sind nicht "Richtung Schweizer Grenze" sondern "Abdrängen" und "die gesamte französische Armee". Moltke wollte den entscheidenden Kampf nie bei Verdun führen. Es ist ein Ausdruck des Scheiterns, dass es trotzdem genau dazu gekommen ist.

Die Lage ist zutreffend beschrieben. Die Idee war ursprünglich der weitere Durchstoß nach Südosten, nun heißt es: "müssen verbleiben"
Auch hier gilt wieder: Die entscheidenden Worte lauten "...müssen daher gegenüber der Ostfront vor Paris verbleiben".

So war der Plan. Sinn macht das nur - schon wegen der Vormarschgeschwindigkeit - bei (relativ) kontaktloser Umgehung.
Einspruch. Für "kontaktlos" ist mir kein Beleg bekannt.

Aus dem Befehl würde ich bezüglich der Planung überhaupt nichts rückschließen, höchstens die grobe Idee.
Der Befehl stammt vom 5.9.1914. Am gleichen Tag begann die Schlacht an der Marne. Da war es für "grobe Ideen" zu spät. Der Befehl ist Ausdruck der Erkenntnis, dass die Theorie Flügel haben mag, die Praxis aber immer zufuß geht. Dieser Befehl ist das Eingeständnis des Scheiterns aller Pläne.

Nochmals: Der Befehl entspricht nicht der Planung.
Ganz genau.

Meinst Du mit "Durchbruchsversuche" die kurzfristige Defensive Klucks?
Nein. Ich meine damit die gesamte Offensive des rechten Heeresflügels. Der "Versuch", von dem ich spreche, hat begonnen, als die Truppen in ihren Verfügungsräumen an der Grenze standen und den Befehl zum Vormarsch durch Belgien nach Nordfrankreich erhielten. Sie sollten auf diesem Weg die gegnerischen Stellungen durchbrechen und alles, was übrigblieb, Richtung Südosten (Schweiz) wegfegen. Das war die Theorie.

MfG
 
Im Wortlaut sieht die in der Nacht übermittelte Anweisung des Oberkommandos so aus:

"Der Gegner hat sich dem umfassend angesetzten Angriff der 1.und 2.Armee entzogen und mit Teilen den Anschluß an paris erreicht. Meldungen und sichere Agentennachrichten lassen ferner den Schluß zu, daß der Feind aus der Linie Toul - belfort Truppen nach Westen befördert, sowie daß er vor der Front der 3. bis 5.Armee ebenfalls Armeeteile herauszieht. Ein Abdrängen des gesamten französsischen Heeres gegen die Schweizer Grenze in südöstlicher Richtung ist somit nicht mehr möglich. Es muß vielmehr damit gerechnet werden, daß der Feind zu Schutze der Hauptstadt und zur Bedrohung der rechten deutschen Heeresflanke stärkere Kräfte in der Gegend von Paris zusammenzieht und Neubildungen heranzieht. Die 1. und 2.Armee müssen daher gegenüber der Ostfront von Paris verbleiben." Diese Befehle trafen aber erst teilweise am Abend des 05.09. ein.

Bülow und von Kluck sahen den Feind, untermauert durch entsprechende Aufklärung, die Franzosen auf dem Rückzug, ja teilweise schon in voller Auflösung. Bülow hatte dann am 05.09. unter Berücksichtigung der Flanke der 3.Armee "nur" einen kurzen Vormarsch bis in die Linie Montmirail-Vertus befohlen.

Diese Beobachtung wurde durch das AOK 3 nicht bestätigt, denn dort stellte man einen geordneten Rückzug fest.
 
"Ein Abdrängen des gesamten französsischen Heeres gegen die Schweizer Grenze in südöstlicher Richtung ist somit nicht mehr möglich."

Hier muß man sich vor Augen halten, wo man sich gerade tatsächlich befand: knapp an der Marne, noch nicht mal an der Seine.

Was Moltke hier zum Ausdruck bringt, ist lediglich die grobe Richtung. Wie man bei Schlieffens Motiv-Bild sieht, werden die frz Truppen nicht gegen die Schweizer Grenze gedrückt, sondern lösen sich zwischen der West- und Ostgruppe der deutschen Truppen infolge der Umfassung auf (Flucht in voller Auflösung).

Wie oben dargestellt, ist die "Verteidigungsstellung" von 1. und 2. Armee bereits am 2.9.1914 (nicht erst am 5.9.1914) angelegt, ebenso wie die Reichweite des ersten Befehls vom 27.8. faktisch nur auf Tage begrenzt war, da Kluck mangels Truppenstärke nicht beliebig in nordwestlicher Richtung marschieren konnte, sondern so eindrehen musste, dass er Paris nordöstlich passiert.

Dieses "Eindrehen" von SW auf SO entsprach dem "Freytag-Fall" auf der Generalstabsreise West, dem Planspiel aus 1905. Schlieffen führte ua. gegen Kuhl (1914 Generalstabchef unter Kluck ;) ), wobei sich frühe deutsche Siege so auswirkten, dass sich die frz. Armee auf Paris zurückzog. Das Einschwenken der 1. Armee 1914 ist Gegenstand der Planspiele 1905 gewesen (wobei der "Steuben-Fall" nach noch dramatischeren Auftaktsiegen der Deutschen zur Westumfassung von Paris durch Schlieffen führte). 1. und 2. Armee sollten nach Überwindung der Marne auf die untere Seine marschieren, und den Rückweg für die frz. Armee verlegen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Schlieffenplan-Kontroverse (vielleicht ist der Überblick interessant, Literatur vor 1945 ist ausgelassen, obwohl hier einiges im Kontext relevant bzw. umstritten ist):


Ludwig Reiners: In Europa gehen die Lichter aus, 1955
Gerhard Ritter: Der Schlieffenplan - Kritik eines Mythos, 1956
Herbert Rosinski: Die deutsche Armee. Eine Analyse, 1966
Philip Flammer: The Schlieffen Plan and Plan XVII - A short Critique, Military Affairs 1966/67, S. 207
Lancelot L. Farrar: Short-war Illusion: German Policy, Strategy and Domestic Affairs, August-December 1914, 1973
Robert B. Asprey: The German High Command at War: Hindenburg and Ludendorff Conduct World War I, 1991
Jonathan Martin Kolkey: Germany on the March, 1996
Roger Chickering: Imperial Germany and the Great War, 1914-1918, 1998
Terence Zuber: The Schlieffen-Plan Reconsidered, WiH 1999, S. 268
Antulio J. Eccevaria II.: An Infamous Legacy - Schlieffens Military Theories Revisited, Army History 2001, S. 1
Terence M. Holmes: The Reluctant March on Paris - A Reply to Terence Zubers 'The Schlieffen Plan Reconsidered', WiH 2001, S. 268
Terence Zuber: Terence Holmes Reinvents the Schlieffen Plan, WiH 2001, S. 468
Terence M. Holmes: The Real Thing: A Reply to Terence Zuber’s ‘Terence Holmes Reinvents the Schlieffen Plan’, WiH 2002, S. 111.
Terence Zuber: Inventing the Schlieffen Plan, German War Planning 1871-1914, 2002
Holger H. Herwig: Germany and the 'Short War Illusion' - Toward a new Interpretation, JoMH 2002, S. 682
Terence M. Holmes: 'One Throw of the Gambler's Dice: A Comment on Holger H. Herwig's View on the Schlieffen Plan, JoMH 2003, S. 514
Robert T. Foley: The Origins of the Schlieffen Plan, WiH 2003, S. 223
Terence Zuber: The Schlieffen Plan Was an Orphan, WiH 2004, S. 220
Annika Mombauer: Of War Plans and War Guilt - The Debatte surrounding the Schlieffen Plan, JoSS 2005, S. 858
Ehlert/Epkenhans/Gross: Der Schlieffen-Plan - Analyse und Dokumente, 2006.
Robert T. Foley: The Real Schlieffen Plan, WiH 2006, S. 91
Terence Zuber: The ‘Schlieffen Plan’ and German War Guilt, WiH 2007, S. 96
Neiberg/Schowalter: From the Schlieffen Plan to VErdun and the Somme, 2008
Gerhart P. Gross: There was a Schlieffen Plan, New Sources on the History of German Military Planning, WiH 2008, S. 389
Craig O. Petersen: The Schlieffen War Plan - What Impact did Logistics contribute to the Plan's Failure, 2008
Terence Zuber: There Never Was a ‘Schlieffen Plan’: A Reply to Gerhard Gross, WiH 2010, S. 231
Terence Zuber: The Real German War Plan, 1904-14, 2011
Holger H. Herwig: The Marne, 1914: The Opening of World War I and the Battle That Changed the World, 2011


Bitte ergänzen, falls ich etwas übersehen habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Problem war sicher auch, das Moltke eben nicht zu jeder Zeit ein wirklich zutreffendes Bild von der jeweiligen Lage und deren Entwicklung hatte. Das war der Ferne des Hauptquartiers von der Front geschuldet. Es wurde qusi versucht von grünen Tisch aus zu führen. Dabei hatte Moltke bei der letzten Generalstabsreise selbst ausgeführt:

"Die Oberste Heeresleitung...kann und muss...ein großes, klar erkanntes und folgerichtig festgehaltnenes Ziel haben und allen Kräften dauernd die Richtung auf dieses Ziel geben. Es wird immer die herbeiführung der Entscheidung gegen die Hauptmasse der feindlichen Streitkräfte und ihre Niederwerfung bleiben. Nur so wird der Gedanke und der Wille die Materie bezwingen. Führen aber unvermeidliche Einzelkämpfe der Armeen zur Zersplitterung, indem jede ihre Sonderzwecke verfolgt, für die das Streben nach gemeinsamen Handeln nicht mehr maßgebend ist, so hat die Oberste Heeresleitung die Zügel aus der Hand verloren, sie hat es nicht verstanden, die unerläßliche Einheitlichkeit und Kämpfe der Einzelgruppen zu bringen." (1)

Ob er sich daran noch im August und September 1914 erinnerte?

Deutsche Militärgeschichte, Band IX
 
Das wird zT als Faktor gesehen.

Wenn man sich allerdings die Stärkezahlen anschaut (siehe oben), die an der Marne realisiert in den Abschnitten der 1. und 2. Armee wurden, würde ich das nicht als entscheidend ansehen. Richtig ist, dass die deutsche Nachkriegsliteratur zur Erklärung des Scheiterns des "Siegkonzepts" den Faktor besonders betonte, und wie Ludendorff nahezu ins Mystische zog.

Der ursprüngliche Sitz in Koblenz sollte die Drahtverbindung zur Ostfront sicherstellen, die anschließende Verlegung nach Luxemburg brachte immer noch Entfernungen von 150 bis 200 km zu den antscheidenden Abschnitten, und schlechtere Verbindungsbedingungen.

Das Ganze wird in der Literatur auch unter dem Aspekt gesehen: Scheitern der deutschen Auftragstaktik. Moltke hatte die Schwerpunkte vorgegeben, und auch die Befehle vom 27.8. bis 2.9. waren ja nun nicht die Ursache für das Abreißen der Verbindung zwischen 1. und 2. Armee. Die eigentliche Ursache bestand nicht im Abdriften, sondern vielmehr darin, dass sich die Kräfteverhältnisse verschoben hatten.

Ein Wort zu Zuber: natürlich ist die Behauptung Quatsch, es hätte keinen "Plan" gegeben. Die Bezeichnung Schlieffenplan, Moltkeplan etc. ist hierbei völlig eagl, es lag jedenfalls eine Feldzugidee mit einem Zeitplan und einer Kräftestruktur sowohl dem Aufmarsch als auch dem anschließenden Bewegungskrieg zugrunde. Insofern sind das Scheingefechte.

Der eigentliche Wert dieses Historikerstreits liegt darin, dass die Quellenlage 75 Jahre nach dem Ereignis auf neues Interesse stieß, und durch den Meinungs-Streit hier zahlreiche neue Erkenntnisse zutage gefördert worden sind. Das belegen gerade die jüngsten Publikationen aus den letzten 5 Jahren von Herwig und Co. Immerhin geht es um ein Schlüsselereignis des 20. Jahrhunderts, und bzgl. des Plan um einen Automatismus, der auf die Politik der Julikrise wichtigen (mitentscheidenden?) Einfluss hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das wird zT als Faktor gesehen.

Richtig. Es ist ein Punkt unter mehreren. Entscheidend war dieser sicher nicht, aber weit davon entfernt optimal zu sein. Die Kommunikation war ja ohnehin ein problemfeld für sich.

Wenn man sich allerdings die Stärkezahlen anschaut (siehe oben), die an der Marne realisiert in den Abschnitten der 1. und 2. Armee wurden, würde ich das nicht als entscheidend ansehen. Richtig ist, dass die deutsche Nachkriegsliteratur zur Erklärung des Scheiterns des "Siegkonzepts" den Faktor besonders betonte, und wie Ludendorff nahezu ins Mystische zog.

Die deutsche Nachkriegsliteratur war sehr bemüht das Ansehen der Armee nicht zu beschädigen, sondern "hoch" zu halten. Schließlich wollte man ja eine neue Armee aufbauen und es beim nächsten Mal besser machen.

Der ursprüngliche Sitz in Koblenz sollte die Drahtverbindung zur Ostfront sicherstellen, die anschließende Verlegung nach Luxemburg brachte immer noch Entfernungen von 150 bis 200 km zu den antscheidenden Abschnitten, und schlechtere Verbindungsbedingungen.

Es ist auch die Frage, ob ein "ständiges" Umziehen um eine adäquate Nähe zur Front zwecks zeitnaher Kommunikation, also kurzer Kommunikationswege, so ohne weiteres zu leisten war. Damit war ja ein nicht ganz unerheblicher Aufwand verbunden. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen gleich zu Beginn der militärischen Auseinandersetzungen eine Kommandobehörde für die Ostfront zu installieren.

Das Ganze wird in der Literatur auch unter dem Aspekt gesehen: Scheitern der deutschen Auftragstaktik. Moltke hatte die Schwerpunkte vorgegeben, und auch die Befehle vom 27.8. bis 2.9. waren ja nun nicht die Ursache für das Abreißen der Verbindung zwischen 1. und 2. Armee. Die eigentliche Ursache bestand nicht im Abdriften, sondern vielmehr darin, dass sich die Kräfteverhältnisse verschoben hatten.

Es gab ja auch so einige logistische Probleme. Das Heer war längst nicht ausreichend motorisiert und die Entfernungen von den Eisenbahnknotenpunkten zur Front, die dann via Pferd und Wagen zurückgelegt werden mussten, waren wohl zu groß. Die Wege waren zu lang. Es gab Probleme u.a.mit der Wasserversorgung, und das bei der drückenden Hitze. Es war nicht genügend Hafer für die Pferde, die echte Schwerstarbeit leisten mussten, vorhanden und konnte nicht in ausreichender Menge nachgeschoben werden. Es gab reichhaltige Probleme. Und ob die Korrekturen, die Motlke an den Stärkeverhältnissen an dem rechten Flügel zugunsten des linken Flügel vorgenommen hatte, nun dem Ausschlag gegeben haben, darf bezweifelt werden. Es hätte wohl trotzdem nicht gereicht.

Ein Wort zu Zuber: natürlich ist die Behauptung Quatsch, es hätte keinen "Plan" gegeben. Die Bezeichnung Schlieffenplan, Moltkeplan etc. ist hierbei völlig eagl, es lag jedenfalls eine Feldzugidee mit einem Zeitplan und einer Kräftestruktur sowohl dem Aufmarsch als auch dem anschließenden Bewegungskrieg zugrunde. Insofern sind das Scheingefechte.


Was Zuber sich da zurecht fantasiert hat, ist schon einigermaßen erstaunlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gab ja auch so einige logistische Probleme.

In dem bereits von Silesia (vgl. Moskau 1941) zitierten Buch (Creveld) über die Bedeutung der Logistik in Kriegen finden sich sehr interessante Fakten zu dieser Dikussion (u.a. die Entfernung der Eisenbahnendköpfen zur Front während der einzelnen Phasen)

Supplying war: logistics from ... - Martin L. Van Creveld - Google Bücher (vgl. S. 113 ff)

Insgesamt ist seine Sicht sehr erhellend zu diesem Thema.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben